Volltext Seite (XML)
603 Stunde währt das Blutbad in Wola. Das Grenadier regiment Suwarow unterstützt die stürmenden Russen. Die Veteranen und das Bataillon vom achten Regi ment verthcidigen jede Spanne Boden. Endlich ist SckMi'nski gezwungen, sich in die Kirche,,zurückzuziehen. Deter Wysocki fällt schwer verwundet in die Hände des .'indes. Die Russen stürzen sich in die Kirche. Hier em- ,angt sie Sowinski auf einem Stuhle am Altar sitzend, mehre geladene Gewehre neben sich. Vergebens ruft man ihm zu, sich zu ergeben. Anstatt aller Ant wort erschießt er noch mehre Feinde, bis diese sich über ihn stürzen. Unter den Bayonettstichen der erbitterten Grenadiere fällt einer der grüßten polnischen Helden. Im Tode selbst, erzählt ein russischer Ofsicier, hatte er noch eine drohende Miene. Nach seinem Falle muß sich das Veteranenbataillon ergeben. Wola ist in den Händen der Russen. Die kühn sten Ilräume des Marschalls Paskewilsch sind über- roffen. Dreizehnhundert Gefangene und achtzehn ri nne Kanonen sind die Trophäen des Feindes bei die- n ersten Stürmen. Fast wie selbst über das Unerwartete erschrocken, d als fühle er das Bedürfnis;, auf dieser so schnell sortreißendcn Bahn einzuhalten und nachzudenken, t der russische Obergeneral Halt machen. Auf das Verschütternde Kanonenfeuer folgt eine Todtenstillc igs der ganzen Schlachtlinie. Die polnischen Ober- oherren erscheinen wie betäubt bei diesen reißenden rtschritten des Feindes. Der Präsident der polni- n Nationalregierung, Krukowiecki, ein Mann, sich nur durch seine Schlauheit und Verschmitztheit - seinen geheuchelten Patriotismus einen so großen fluß zu verschaffen gewußt, im Grunde aber stets seinen persönlichen Vortheil im Auge hat, erschien )em Schlachtfelde. Er beschaute sich die Lage der age und überlegte bereits im Stillen, wie er nun operiren habe, um einen für seine Person so gün- igcn Vertrag, als möglich, mit dem Feinde zu Stande bringen. Nach einer kurzen Unterbrechung begann das rus sische Kanonenfeuer von Neuem. Jndeß hatte jetzt der General Bem seine Reserveartillerie in Bereitschaft ge setzt. Er empfing die russischen Colonnen mit einem so mörderischen Feuer, daß sie augenblicklich Halt machten. Nun dachten die Polen auch ihrer Seils daran, eine angreifende Bewegung zu machen. Vor allen Dingen galt es, Wola wieder zu nehmen. Mit einem Muthe sonder Beispiel, stürzten sich die polnischen Ba taillone auf den Feind. Bem mit seinen reitenden Batterien donnerte zur Unterstützung heran. Mit über menschlicher Anstrengung drängten die Polen die furcht baren russischen Infanterie-, Cavalerie- und Artillerie- Massen bis dicht unter Wola zurück. Es gilt einen verzweifelten Versuch, die wichtige Position zuruck zu erobern; unter donnerähnlichem Sturmgebrüll werfen sich die Polen auf das Dorf. Es entsteht ein namen loses Blutbad. Immer neue Bataillone wirft ihnen Paskewilsch entgegen; immer neue Cuirassicrrcgiincnter rasseln heran, immer neue Batterien fahren auf, Tod und Verderben unter den Sturmcolonnen verbreitend. Aber keine irdische Macht vermag den für Freiheit und Vaterland Kämpfenden zu widerstehen. Die Rus sen werden, trotz ihrer unermeßlichen Uebcrmacht und der wüthendsten Gegenwehr nach Wola zurückgeworfcn. Ueber das finstere Antlitz des russischen Oberfeld- hcrrn zuckt ein leichter Schatten. Er zeigt mit der Linken aui eine dunkele Colonne, die in einiger Ent fernung still und unheimlich, wie eine Gewitterwolke, hinter Wola hält. In wenigen Augenblicken gerätst diese schwarze Masse in Bewegung. Es sind zwölf Bataillone ergrauter Veteranen; alle haben unter Deutsch lands und Frankreichs Sonne gcfochten; sie kennen den Schlachtcndonncr von Austerlitz und Friedland. Dieser ambulante Vulkan rückt den stürmenden Polen entge gen. Es entsteht ein Kampf wie der zweier wüthen- den Elemente, wie der des Löwen mit dem Leoparden. Dreimal wirft sich jene infernalische Colonne auf die Polen; dreimal wird sie zurückgcworfen. Endlich be hauptet sie das Feld. Die Polen erkennen, daß Wola nicht wieder zu nehmen ist und sie beginnen sich zurückzuziehcn. Es ist vier Uhr. Das ganze Schlachtfeld raucht, flammt, donnert und bebt. Da fühlen sich von den zahllosen Kämpfen auch die Russen ermattet. Noch bis fünf Uhr währt das Kanonenfeuer; dann tritt auf beiden Seiten wieder tiefe Stille ein. Alles schweigt; nur die Russen sind emsig beschäftigt, Wola noch stärker zu befestigen. So endet der erste Tag des Sturmes. Die Polen haben außer den Werken gegen dreitausendsiebenhundert Mann an Gefangenen, Todten und Verwundeten ver loren; die Russen weit über siebentausend. Noch ist ein Theil der dritten Linie der Vertheidi- gungswerke nicht verloren, die zweite steht noch ganz unversehrt, und die Armee hegt darum die gegründete