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Eine geschichtliche Wanderung in Zittaus Umgebung Bon Referendar W. Miller »Bischofswerda (Sa.) (Fortsetzung) Der Karlsfried nahm also für die Gablerstraße dieselbe Stellung ein, wie die Burq Molstein oder, wie sie heute ge wöhnlich genannt wird, Mühlstein bei Hoffnung in Böhmen für die Leipaerstraße. Wir wissen nicht genau, wie stark die stündige Besatzung des Karlsfried war. Wir können aber vermuten, daß sie der Besatzung entsprach, die auf dem Mühlsteine lag. Don dieser aber wissen wir die Mindest- und Höchststärke ganz genau; denn Guben berichtet uns, daß 12 bis 16 Mann in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts auf dem Mühlstein lagen. Sie wurden »Alitir Iwte", d. h. Leute, die eine nützliche Beschäftigung ausübten, genannt und werden wohl auch kurz als „lezdelvte", als Geleitsleute, bezeichnet. Die Namen, die in der handschriftlichen und gedruckten Literatur dem Karlsfried beigelegt werden, sind außerordent lich wechselnd. Am häufigsten ist die Bezeichnung «Karls fried", die den Schöpfer des Schlosses und den Zweck der Veste am besten wiedergibt und die in der Neuzeit die herr schende, ja die allein gebräuchliche geworden ist. Daneben findet sich der Name „Neuhaus" und die Bezeichnung „Das Haus auf dem Gäbler" oder „Das Haus aus dem Gebirge", so deshalb genannt, weil man die höchste Stelle der Gabler straße, die wir heute den Lückendorfer Paß nennen, einfach als das Gebirge zu bezeichnen pflegte. Der Karlsfried war aber nicht nur der Stützpunkt einer Geleitsmannschaft, sondern er diente auch gleichzeitig als Sitz für den Zittauer Landvogt im Lande Zittau, zu dessen Obliegenheiten es gehörte, die Geleitsmannschaft zu halten und mit ihr Handel und Verkehr zu sichern. Als Entgelt für seine Aufwendungen fielen ihm die Erträgnisse des Straßenzolles zu, der am Karlsfried erhoben wurde. Wir besitzen über alle diese Fragen keinen urkundlichen Bericht, können uns aber auf folgende Tatsachen stützen. Johann von Guben, der neben urkundlichen Quellen für diese Zeit al» einzige chronikalische Quelle in Betracht kommt, sagt uns zwar nicht ausdrücklich, daß am Karlsfried ein Zoll erhoben wurde, aber er berichtet uns, daß — worauf noch zurückzukommen sein wird — im Jahre 1366 die Stadt Zittau die Landvogtei und den Zoll auf dem Karlsfried mietete. Daraus erfahren wir also, daß beim Durchfahren der Gablerstraße über den Lückendorfer Paß ein Zoll, bei dem es sich nur um einen Straßenzoll, einen Geleitszoll, handeln kann, erhoben wurde. Es fragt sich nur, an welcher Stelle der Gablerstraße wurde der Zoll erhoben. Es könnte doch sein, daß er schon beim Eintritt in den Wald, dort wo die Straße die Pfaffenbach überschreitet, oder erst beim Aus tritt aus dem Walde, dort wo die Straße ins Dors Lücken dorf gelangt und wo wahrscheinlich die Geleitsdienste endeten, entrichtet werden mußte. Offensichtlich ist jedoch keines von beiden der Fall gewesen. Vielmehr scheint der Zoll, was ja auch am meisten einleuchtet, am Schloss« Neuhaus selbst er hoben worden zu sein. Dafür spricht ein altes Bauwerk in Gestalt eines mächtigen Dammes, der sich vom westlichen Straßenrands, dem Schlosse unmittelbar gegenüber gelegen, in kerzengerader Linie über das Hochplateau bis an den Abhang des Heideberges hinzieht. Dieser Damm hatte na türlich nur den einen Zweck: er sollte verhindern, daß Fuhr leute, die die Dienste der Geleitsleute nicht in Anspruch nehmen wollten, die Entrichtung des Zolles dadurch um gingen, daß sie dort, wo der Zoll erhoben wurde, die Straße verließen und durch den Wald unbemerkt um die Zollstätte herumfuhren. Aus diesem Grunde ist offensichtlich der mäch tige Wall ausgeworfen worden, und wir können mit Sicher heit annehmen, daß auch beim Karlsfried selbst der Zoll betrag gezahlt werden mußte. Zollburg und Wall sollen nach einem chronikalischen Bericht durch ein Tor verbunden gewesen sein, das die Straße, die zwischen beiden hindurch führte, abschloß. Der Straßenzoll am Karlsfried war freilich, das sei der Klarheit halber hervorgehoben, nicht die einzige Einnahme quelle des Landvogts. In der Stadt Zittau erhob er den Iudenzoll; denn er übte im Namen des Landesherrn die diesem über alle Juden in seinem Lande zustehende Schutz herrschaft; außerdem fiel an ihn die sogen. Landgabe, das sind Getreideabgaben, die die Bauernschaft des Landvogtei bezirks ihm schuldete. Was die Aufgaben des Landvogts anlangt, der auf dem Karlsfried seinen Wohnsitz hatte, so sei betont, daß seine Pflichten sich nicht darin erschöpften, Geleitsleute, auch Landreiter genannt, zu halten, sondern daß er auch die Gerichtsbarkeit über die Landschaft, d. h. über den Adel des Zittauischen Weichbildes, auszuüben hatte. Karl IV., König von Böhmen und Kaiser des „Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation", hat den Karlsfried er bauen lassen: der Karlsfried war also eine königliche Beste. Das ist er jedoch uneingeschränkt nicht zu allen Zeiten ge blieben. Vielmehr hat im Jahre 1364 das Schöppen- und Ratskollegium der Stadt Zittau die Landvogtei samt der Gerichtsbarkeit über die Landschaft im Zittauischen Weich bilde, die Häuser Karlsfried und Oybin und beide Zölle, den Geleitszoll auf dem „Gäbler" und den Stadtzoll nebst der Landgabe, für jährlich 300 Schock verpachtet. Johann von Guben berichtet uns darüber: „^nno domini Moooo^xiiij ivurt clesin sokeppiein vnd rutke d^ landvoe^tke^ vnci cii pkloAk de862 >v^cbildo8 vnd d^ trübere Xurl^rede vnd ouctr Orvzrn bovolen orm Luäwsin, vnd rnusten nlle rare Zoben dor von vnd ouck von IsndZobe L6L 80K0K, vnct dar: war in der vooden vor pkin§8ten." Diese Stelle in Gubens Chroniken ist der einzige Nach weis dafür, daß im Jahre 1364 zwischen Karl IV. und der Stadtverwaltung Zittau ein derartiger Vertrag abgeschlossen wurde. Larpzov setzt, gestützt auf eine Urkunde von 1366, die erste Pachtung der Landoogtei und der Zölle erst ins Jahr 1366, und auch Pescheck hat sich dem angeschlossen, beide indessen, ohne bedauerlicherweise den Bericht Gubens einer Kritik zu unterwerfen. Wahrscheinlich ist die Nachricht bei Guben richtig; denn Guben war ja zur selben Zeit Stadt schreiber in Zittau, und es wäre verwunderlich im höchsten Grade, wenn er als Zeitgenosse eine so bedeutsame Tatsache wie den Erwerb der Landvogtei falsch berichten wollte. Dahin gestellt möge allerdings an dieser Stelle bleiben, ob das Da tum stimmt. Biele Anzeichen, auf die es in diesem Zusam menhänge allerdings nicht ankommt, sprechen dafür, daß der Pachtvertrag nicht in der Woche vor Pfingsten, sondern in der Woche nach Pfingsten abgeschlossen wurde. Erwähnt sei noch, daß die Stadt Zittau in der Folgezeit, so 1366 und 1369, den Vertrag erneuerte, in der Regel aber mehr Pacht zahlen mußte, als sie selbst aus Zöllen und Landgabe ein nahm. Johann von Guben beklagt sich darüber an mehreren Stellen seines Werkes in sehr beredten Worten.