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denn sonst hilft's nicht, kehrte er heim und begann sogleich die Tropfen zu sammeln, die von den beschlagenen Fenster scheiben rannen, um das Rezept richtig auszuführen. Doch das Fieber steigerte sich mehr und mehr, glühend war der kleine Körper, und durch den Aderlaß war das Kind so geschwächt, daß bald ein stummer Gast ins Zimmer trat, der mit der Seele davonflog, so wie es in dem Fieberwahne oft geträumt hatte. Den Medikus Weitzmanu, der kurz nach dem Tode kam, interessierte das schwarzbraune Pulver in dem Schächtelchen, das der Krämer in seinem Schmerze vergessen hatte wegzunehmen, mehr, als das tote Kind. Nach längeren Fragen und Drohungen gestand der un glückliche Vater, daß er in seiner Not in der Zauberei Hilfe gesucht hätte. Dr. Weitzmanu spielte natürlich seinen Trumpf aus und erklärte, daß das Kind nur durch das Hexenpulver gestorben sei. Bei dem darauffolgenden Pro zesse, den man dem Leinweber Pietsch machte, wurde in seinem Dachstübchen eine kleine Hexenküche entdeckt. Außer getrockneten Teekräutern, dem damals auch in der Heil kunde vielfach gebrauchten Kreuzholz und Ebenholz, fand man aber auch sehr merkwürdige 'Gegenstände, die den Weber schwer belasteten: Gedörrte Kröten und Kröten pfoten, Kopf, Lunge, Herz, Zunge und Milz der Fleder maus, Zunge und Augen der Schwalbe, einen Maulwurfs fuß, ein Säckchen mit Pulver von diesen Dingen, „welches teils vor die böse Seuche, teils vor offenen Schaden gut wäre", ferner „ein Säckel, wären 3 gedorrte Kröthen vors Fröschel unter der Zunge und unten ein Säckel gewisse Kräuter, Wieder Thon genannt, so er vor seine Frau vors Reißen gebraucht". Das Ebenholz war als Mittel gegen den Biß toller Hunde gedacht, und das Holz des Kreuz dornstrauches war zum Räuchern „vors Vieh und Menschen, wenn sie beschrien wären". Auch einige beschriebene Zettel bestätigten den Verdacht, obwohl der Hexenmeister angab, daß er sie nur als Einschlagpapier für Samen erhalten habe. Auf dem ersten Papiere stand: „Eines Menschen Serz zu gewinnen vor Gerichte. Du mutzt ihn aber den Tag zuerst sehen und die Worte über ihn sprechen, daß er dich nicht stehet im Gehen oder Reiten, so muß er das Ge sicht zu dir kehren, sprich also: Mensch, ich durchsehe dich, Gottes Allmacht und Kraft überwindet dich, daß du mir heute diesen Tag und die ganze Zeit meines Lebens keinen Schaden zufügen mögest! Gott der Vater mit mir, Gott der Sohn mit dir, Gott der heilige Geist mit uns allen, daß du dein Herz gegen mir mußt lassen fallen, das zähle ich dir zur Buße ." Der zweite Zettel war geheimnis ¬ voller und lautete: „Solches an mir nicht können rächen, ihre Augen müssen mich verlieren, ihr Maul muß ver stummen, ihre Hände und Füße müssen verkrümmen, daß nie sich alle müssen von mir wenden in allen denen Ge bärden, wie vorgesprochen worden, das zähl ich mir zur Buße, im Namen des Vaters, des Sohnes und des hei ligen Geistes. In Rechtssachen dies Wort" shier ist der Zettel ab gerissen). Die beiden nächsten Schriftstücke enthielten ein Mittel gegen Kugel und sonstiges Unheil und lauteten: „Daß eine Kugel den Menschen nicht treffen thut, die erste Mütze das hilft nämlich das Westerhemde, es hilft auch vor den Stich, es hilft gewiß probsats." Und: „bRit Umus-s-lnlliuo P vo t.ozc mstcm ch tlciam in nvmino pain8 et biiii et 8pintu8 8kmeti. Amen. Wer diese Worte, die oben geschrieben, bei sich trägt oder spricht, den Tag widerfährt ihm nichts Übles,' ist probsats." Der Gerichtsherr Baron von Hulöenberg, den der Prozeß derartig interessierte, daß er selbst die Untersuchung leitete, wechselte bedeutsame Blicke mit dein Ortsrichter. Es war klar, daß man es mit einem ganz gefährlichen Hexen meister zu tun hatte, und wenn es nach ihm gegangen wäre, so hätte er den Pietsch peinlich befragen und daun auf dem Scheiterhaufen brennen lassen- denn der aus Wien stammende Baron war trotz der fortgeschrittenen Zeit und trotz seines Studiums der Rechte doch noch sehr dem Aber- und Hexenglauben verfallen, hatte er sich doch erst voriges Jahr ein echtes Galgenmännchen, einen Alraun, besorgen lassen, für den er drei Taler bezahlt hatte, aber gaben nicht seitdem die Kühe mehr Milch und mehrten sich nicht alle Einnahmen beträchtlich? Seitdem man aber bei größeren Prozessen die Akten nach Leipzig einschicken mußte, zeigte sich immer mehr der neue freiere Geist der Rechtsgelehr ten, die den Angeschuldigten in solchen Fällen meistens nur den Dienern des Wortes Gottes übergaben, die ihm sein abergläubisches Unternehmen zu verweisen hatten, und waren doch gerade die Leipziger Magister früher so frei gebig mit Todesurteilen gewesen. Die juristische Fakultät sprach denn auch den Angeklagten frei mit den Worten: „Im Übrigen ist wider ermelten Pietschen derer ihm bei gemessenen abergläubischen Handel halber noch zurzeit und im Mangel mehrern Verdachts weiter nichts vorzunehmen." So hatte denn der Hexenprozeß sein Ende erreicht, der Medikus Dr. Weitzmanu suchte die Leute zu überzeugen, daß Maulwurfsfüßc, Fledermauslungen und Schwalben augen keine Medizin sind, und daß der Aderlaß doch das beste Mittel sei, weil dadurch „die Krankt durchs Geblütte ausfleußt". Der Weber Pietsch mußte jetzt angestrengter hinter dem Webstuhle sitzen und klappern, da seine „Praxis" durch den Prozeß empfindlich gelitten hatte. Der Krämer Hultsch war am meisten zu bedauern, sein Kind war tot, und er wußte nicht einmal, ob es durch die Hexenmedizin oder durch den Aderlaß gestorben war. Ein guter Nachbar aber rannte ihm zu: „Werscht ock zur klugen Froe ad Fuge gang, die verspricht jede Krankt, und wenn se o bale zu Tude gitt." Quelle: Dr. Pilk, Neukirch im 18. Jahrhunderte. überall nur zur Ader ließ. zur klugen Fran in Fugau (böhmischer Ort bei Neusalzaj. Die Heimatkunst, das Heimatschrifttum und deren Pflege amBautzenerStadttheater (Eine Erklärung zn dem Artikel „Ein Institut für Pflege heimatlicher Kunst" in Nr. 11 Seite 164 der OHZ.j In den letzten Kriegsjahren und ganz besonders in den Nachkriegsjahren haben das heimatliche Schrifttum und die heimatliche Kunst in vielen Gauen Deutschlands einen starken Aufschwung erfahren. Dies gilt in ausgesprochenem Maße auch von unserer Oberlansitz. Das mag auf vieler lei Gründe zurückzuführen sein, nicht zuletzt schließlich auf die Tatsache, daß unsere ganze politische und wirtschaftliche Lage, das ganze große Unglück unseres Vaterlandes unsere Aufmerksamkeit weit mehr als vorher auf die engere Hei mat lenkte. In ihr stecken ja die tiefen Wurzeln unserer Kraft, die es zu erneuern gilt. Die Aufgabe des heimatlichen Schrifttums ist daher keine geringe. Ihre Erfüllung verlangt ideelle, gewissen hafte und vertiefte Arbeit, wenn sie gegenüber einer stren gen Kritik stand halten und wirklich nützlich sein will. Sie erfordert Ehrgefühl, Pflichtbewußtsein und prüfende Selbst kritik des Schriftstellers, der seine Kraft und sein Können ihr widmen will. Wie sieht es aber aus? Leider sind hierbei Leute am Werk, die dem erusteu Hcimatschrifttum durch Oberflächlich keit und Gewissenlosigkeit sehr schaden und sein Ansehen gefährden. Mir sagte einmal ein Kritiker: „Wer es sonst zu nichts bringt, nm sich hervorzutun, der wird jetzt Heimat schriftsteller." Wohl mag dieses Urteil entschieden zu scharf sein. Wenn wir nur mit einiger Sachkenntnis die Dinge genauer betrachten, so finden wir aber leider in diesem