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698 V. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevolution. Selbständigkeit im Staatsleben einräumte. Auf Grund dieser Verfassung trat M-. i8is. der erste bairische Landtag zusammen und entfaltete ein reges Leben, so daß man in Wien und Berlin in der Münchener Ständeversammlung, in welcher Männer wie der Professor Vehr von Würzburg und Justizrath von Hornthal aus Bam berg die Führer der liberalen Opposition waren, bald einen kleinen Convent erblickte. In der Folge lähmten Zwistigkeiten zwischen den beiden Kammern und reactionäre Tendenzen der Regierung die ersprießliche Entwicklung der Gesetz gebung, und auch der bairische Landtag verfiel der Erschlaffung, die der verfas sungsfeindliche rückschrittliche Geist der Zeit allenthalben zu Wege brachte. Aus den Diäten der zwanziger Jahre ist wenig erfolgreiches zu berichten; höchstens die ziemlich freisinnigen Gesetze über Gewerbewesen, Heimatsrecht, Niederlassung und Verehelichung verdienen Anerkennung; dagegen gelang es nicht, der un verantwortlichen Mißwirthschaft mit den Staatsgeldern, die größer war als irgendwo sonst, wirksam zu steuern. r is. Ottbr. Auf den wohlwollenden volksbeliebten König Max Joseph folgte sein Sohn Ludwig n L u d w i g I., auf dessen Regierung man in ganz Deutschland die überschwäng lichsten Hoffnungen gesetzt. Hatte er doch schon in den Rheinbundszeiten seine „teutsche" Gesinnung fast prahlend zur Schau getragen, sich als Kronprinz in die Welt der Romantik vertieft und eine ungewöhnliche Hingebung an künst lerische und wissenschaftliche Bestrebungen an den Tag gelegt, auch in politischen Fragen aus seiner freisinnigen Denkungsart kein Hehl gemacht. Den künstleri schen Interessen blieb er auch, freilich nach seiner und der Romantiker Weise, sein ganzes Leben lang treu, und was er auf diesem Gebiete in dem früher von den Musen so verlassenen Baiern leistete, wird ihm unvergessen bleiben. München wurde durch ihn der Mittelpunkt eines ungemein regen Kunstlebens, und die von Landshut dahin verlegte Universität nahm einen Anlauf, einen freieren wissenschaftlichen Geist an die Stelle des erstarrten Scholasticismus der bairischen Hochschulen zu setzen. Leider war sehr Vieles nur äußerlich aufgetra- gcn auf dem Boden altbairischer Unduldsamkeit und Abschließung, Verfinsterung und Rohheit; die rechten Wurzeln dieses Geisteslebens fehlten im Volke und diese zu pflanzen mangelte es der Regierung an Plan und gutem Willen. Wäh rend prunkvolle Kunstschöpfungen errichtet wurden und der Eitelkeit des Königs schmeichelten, waren die Volksschulen in traurigstem Verfall. Ein seltsamer un vermittelter Gegensatz zwischen Freisinn und Verdunkelung, zwischen Aufklärung und Rückschritt, zwischen höherer Geistesbildung und innerlicher Rohheit durch zog das System Ludwig's I. und seine Münchener Gesellschaft. Wir werden auf die geistige Seite der Regierung dieses Königs an einem andern Orte zurück- zukommen Gelegenheit haben. Noch mehr wurden die Hoffnungen getäuscht, welche die Welt auf die politische Wirksamkeit dieses eigenartigen launischen Fürsten gebaut hatte. Man hatte große Pläne staatlicher Reform vorausgesetzt, und die neue Regierung nahm auch einen Anlauf in dieser Richtung. Eine Cr-