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Vorrede. 2)ie Zeit von August bis Constantiu zerfällt iu zwei ungleiche, grell mit einander kontrastirende Hälften, deren Grenze die Regie rungszeit des letzten Antoninen Commodns bildet. Im zweiten Jahr hundert erreichte das Weltreich seinen höchsten Glanz, es erschien dem geblendeten Auge als ein in seiner Art vollkommener, wie für die Ewigkeit gegründeter staatlicher Organismus. Aber schon zu Anfang des dritten Jahrhunderts brachen überall die Anzeichen in- nern tödtlichen Siechthums mit entsetzlicher Gewalt hervor und ver breiteten sich mit so reißender Schnelligkeit, daß kein einsichtiger sich mehr über die beginnende Auflösung des riesigen Körpers täuschen konnte. Auch der geistige Verfall, wie er sich in der Litteratur und Kunst tzes dritten Jahrhunderts offenbart, trat vcrhältnißmäßig jäh und plötzlich ein. Daher rührt es hauptsächlich, daß die Quellen für die Kcnntniß der damaligen Zustände, die bis auf Hadrian reichlich, dann spärlicher fließen, mit dem Ausgang der Antonine fast ganz versiegen, so daß unsre Anschauungen des dritten Jahrhunderts dürftig, lückenhaft und unzusammenhängend bleiben: und zwar gilt dies in noch weit höherm Grade von der Sittengeschichte als von der politischen. Dagegen ist in der Litteratur und den Denkmälern der beiden ersten Jahrhunderte eine unermeßliche Fülle von Tat sachen und Reflexionen, von Andeutungen und Schilderungen zer streut: und so sehr auch die Massenhaftigkcit und Zersplitterung dieses Materials seine Bewältigung erschwert, so liegt doch auch gerade darin ein unwiderstehlicher Reiz, die unzähligen Einzelheiten zu umfassenden Gesammtanschauungen zu vereinigen.