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l-elprlger Tsgedlatt 8ette « Entscheidung im „Gachsenkonfliki" Hauptstadt Münster. Es waren die Taue, als der Reichskanzler Marx, Außenminister Str.'scmann und der damalige Reichsfinanzminister Luthrr rn Lon don Mittel und Wege suchten, um :ür uns die Frei heit wieder zu erlangen. Oer Parteitag der SPD verlangt Wiedervereinigung der beiden Landtagsfraktionen (Für einen Teil der Auflage wiederholt) Die Verhandlungen des Parteitages der SPD. am Donnerstag in Heidelberg erstreckrcn sich auf die auswärtige Politik. Lingeleitet wurde die Debatte mit einem Referat des Porteivorsitzenden Lrispien, in der ^r auf Grund des Ergebnisses der Verhandlungen des internationalen sozialistischen Kongresses von ivlar- seille ein Bild der außenpolitischen Lage entwarf. Frau Rcichstagsabgeordnete Toni Sender steht dem Sicherheitspakt sehr kritisch gegenüber. Sie meint, daß Stresemann mit diesem Sicherheitspakt etwas ganz anderes wollt«, als die Sozialdemokratie im Äuge habe, wenn sie ihm zu stimmt. Es mag richtig sein, daß Stresemann zu stimmt. Was den Völkerbund angeht, so sollte die Sozia'demokratie sich vor allen Illusionen hüten. Mit dem Völkerbund kann durchaus nicht alles er reicht werden. (Zustimmung und Widerspruch.) Abgeordneter Breitscheid: »Wir lieben das Kabinett Luther nicht und wir lieben auch den Außenminister Stresemann nicht. Wir kennen alle Schwächen des Kabinetts, aber wenn dieses Kabinett etwas tut, das mit unseren Forderungen überein stimmt. wenn cs den Sicherheitspakt bringt, dann liegt für uns keine Veranlassung vor, in solcher Frage dem Kabinett Schwierigkeiten zu machen. Wohl aber macht solche Schwierigkeiten die stärkste Re gierungspartei. Wenn die Deutschnationalen schließlich trotzdem dem Sicherheitspakt zustimmcn, so dürfen wir das als sozaldemokratischen Erfolg rühmen und können feststellen, daß Vie Deutschnationalen um der Re- gternngsbeteiligung willen ihre bis herigen Grundsätze verraten haben. (Sehr richtig!) Das Interesse des deutschen Dolles gebietet, Sicherheit da zu schaffen, wo die größte Gefahrenquelle vorliegt, und das ist die oeutsch« Westgrenze. Deshalb sind wir für die westliche Orientierung, die aber nicht aus schließt, daß wir keine aggressive Politik nach Osten treiben. Der Völkerbund gefällt uns gewiß nicht, aber er wird dadurch nicht besser, daß wir draußen bleiben. (Beifall.) Nach weiterer Aussprache gelangte mit großer Mehrheit eine Entschliessung Hermann Müller zur Annahme, in der gesagt wird, daß Deutsch- land durch seinen Eintritt in den Völkerbund die Möglichkeit der direkten und gleichberechtigten Mit wirkung bei der Lösung der Sicheryeitsfrage, bei den Problemen des Selbstbestimmungsrcchtes der Völker, des Sch' utzcs der nationalen Minderheiten und der friedlichen Regelung aller aus der Auslegung oder aus der Ausführung der Friedensvertrage entsprin genden Konflikte erhält. Eine Entschließung der. Minderheit im Sinne der Ausführungen von Frau Sender und Loeb wurde abgelehnt. Hierauf erstattete M a r u m-Karlsruhe Bericht über die Verhandlungen der Gachsenkommission Er legte dem Parteitag eine Entschließung vor, in der die Stellungnahme des Parteivorstandes und seine dauernden Bemühungen, den Sachsenkonflikt einer Lösung entgegenzuführen, gebilligt wird. Der Parteitag verlangt, daß FralttonSmehrheit unv FraktionS- mirrverheit in Lachsen sich wieder zu einer Partei zusammenschliehen und darüber beraten und entscheiden, wie die Frage der Landtagsauflösung sobald wie irgend möglich gelöst werden kann. Der Parteitag erklärt ferner, daß durch diesen Beschluß alle gegen sächsische Parteigenossen aus Anlaß des Sachsenkonfliktes an hängig gewordenen Ansschlußverfahren er ledigt sind, so daß die Beteiligten geschloffen wieder in ihr« Pareirechte eingesetzt werden und daß ihnen die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung in Presse und Versammlung gegeben wird. Die Abstimmung über den Antrag zum Sachsenkonflikt gestaltete sich sehr tumultuös. Die Vertreter der sächsischen Fraktionsminderheit gaben zwar die Erklärung ab, daß sie sich dem Mehrheits beschluß des Parteitages unterwerfen würden, aber sie wiederholten in ihrer Erklärung und zwar in bewußt verletzender Form alle Angriffe gegen die 23 Landtagsabgcordneten und auch gegen die Dor- Vorschläge des Parteivorstandes zur Beilegung des Konfliktes. Der Parteitag begleitete die Abgabe dieser Erklärung mit wachsender Unruhe. Als bei der Abstimmung auch nur ein kleiner Teil der säch- fischen Landesorganisation gegen den Antrag der Kommission stimmte, erhob sich großer Lärm und die Sachsen wurden mit Pfuirufen überschüttet. Vorsitzender Wels gab gleichwohl der Hoffnung Ausdruck, daß die in Frage kommenden Stellen den Einigungsbeschluß jetzt wirklich loyal durchzusühren sich bemühen werden. Hierauf erfolgte Vertagung auf Freitag. Ise WkeiüWseiek in Muni In Bochum fand am Donnerstag unter Teilnahme ver gesamten Bevölke rung Vie offizielle Befreiungsfeier statt. Reichspräsident v. Sinvenburg unv preußischer Ministerpräsivent Braun hiel ten be» ver öffentlichen Kungebung vor vem Parkhaus Begrüßunasansprail^en. Die Stavt ist festlich geschmückt. Am Don nerstag abenv traf auch Reichskanzler Dr. Luther ein, um an Ver BefreiuungS- feier in Essen teilzunehmen. Um 5 Uhr begann vor dem Parkhaus di« öffent liche Kundgebung. Bereits lange vorher hatten hierzu die Vereine vor der Terrasse des Parkhauses in wei tem Halbkreise Aufstellung genommen. Lin Wald von Fahnen brachte Farbe und Buntheit in die Menge. Waren in der Stadt, besonders in den neuen Straßen, die schwarz-weiß-roten Fahnen recht zahl reich, so überwog hier bei weitem Schwarz-Rot- Gold. Im Gegensatz zu den anderen Städten des Ruhrgebietes hatte das Reichsbanner beschlossen, sich an der Kundgebung zu beteiligen. Um 6 Uhr traten der Reichspräsident und die Herren der Regierung und Behörden auf die Terrasse, mit lauten Hochrufen begrüßt. Fanfaren setzten schmetternd ein. Das Westfalenlied wurde von Män- nerchören gesungen. Dann begannen die Ansprachen. Zuerst begrüßte der Oberprästvent Granowski den Reichspräsidenten: „Die Provinz Westfalen hat heute zum dritten Male die Freude, den Präsidenten der Deut schen Republik zu begrüßen. Als bei Beginn des Ruhreinbruchs den Reichs- und StaatsMinistern und allen höheren Beamten verboten war, die be setzten deutschen Land« zu vereisen, kam Ihr Herr Vorgänger, der Reichspräsident Ebert, am 18. März 1923 nach Hamm, um vor den Wirtschafts- und Arbeiterführern sowie vor den berufenen Ver tretern der Bevölkerung zu bekunden, daß ganz Deutschland eine Schicksalsgemeinschaft wieder sein müsse. Zum zweiten Male war der Reichspräsident Ebertam 10. August v. I. in unserer Provinzial- Heut« wiffen Vie meisten deutschen Staatsbürger, daß nur Diese vor etwa fünf Jahren eingeleitete Außenpolitik es uns möglich macht, sie, Herr Reichspräsident, und die Herren Ihrer Begleitung, heute hier zu begrüße«. Wir freuen uns über den Besuch der Rrichs. und Staatsspitzen und erblicken darin üine Anerkennung der an Rhein und Ruhr gebrachten Opfer. Diestr Ge sinnung geben wir in > ieicr Feierstunde Ausdruck durch den Ruf: Der Herr Reichspräsident lebe hoch!* Ministerpräsident Braun hielt folgende Ansprache: ,Zn der gegenwärtigen Stunde ist cs mir als Leiter der preußischen Staatsaeschäfte ein aus tief stem Herzen kommendes Bedürfnis, dem ganzen Westfalenland den aufrichtigsten Dank der Preu ßischen Staatsregicrung auszusprechcn. Die Bevöl kerung des Ruhrgebiets hat einen bitteren Leidensweg durchschreiten müssen. Der Dank und die Anerkennung der Preußischen Stoatsregic- rung richten sich an alle, mögen sie ihre nationale Pflicht in der Derkstätte oder in Schreibstube er füllt haben, mögen sie als Arbeitgeber oder Arbeit nehmer ihre Treue betätigt haben. Nicht an letzter Stelle erstreckt sich die Anerkennung der Preußischen Etaaksregierung auf die gewissenhafte Pflicht erfüllung und Standhaftigkeit der Beamtenschaft. In stiller Trauer gedenken wir derTotenvonEssen. Wir gedenken auch aller anderen Opfer der Be- satzungsjahre, deren Hinterbliebenen wir nochmals unsere herzlichste Anteilnahme aussprechen. Wenn das Ruhrgebiet heute wieder frei atmen kann, so verdanken wir das gewiß in erster Linie der Pflichterfüllung und dem Widerstandswillen der westfälischen und rheinischen Bevölkerung. Wirrer- danken es aber auch, der zielbewußten, von ehrlichem Berständi- guugwillen getragenen Reichsregie rung Mar?, die Durch ihr Auftreten auf ver Londoner Konferenz einen völligen Umschwung in vem Denken unserer ehemaligen Gegner herbei führte." Zum Schluß bestieg der Reichspräsident lebhaft begrüßt, die Rednertribüne: „Deutsche Männer und Frauen! Mit aufrichtiger Freude begrüße ich das Westfalenland, grüße ich die Bevölkerung der roten Erde, die heute wieder als freies Volk auf freiem Grunde steht. Daß ich diesen ersten Gruß in der Stadt Bochum an Sie richten kann, deren Ehrenbürger ich bin, ist mir eine be sondere Genugtuung. Ich danke Ihnen allen für den freundlichen Empfang, den Sie mir und den an wesenden Herren der Reichs- und preußischen Regie rung bereitet haben. Mit Recht betonen Sie Herr Oberpräsident, daß vas Volk Westfalens vor dem Richter stuhl der Geschichte gut bestehen wird. Was es geleistet hat im stillen Dulden und tapferen Aueharren, wird uns und späteren Geschlechtern em Beispiel und eine Mahnung treuer und hingebender Liebe zum Vaterlands sein. Dieser Mahnung ge denkend, lassen Sie uns rufen: Unser geliebtes deut sches Vaterland, es leb« hoch!* Sämtliche Reden wurden mit starkem Beifall auf genommen. Dann stimmte die Menge das Deutsch landlied an, und damit erreichte die offizielle Kund gebung ihr Ende. Das französische Kriegsgericht in Mainz verhan delte unter Ausschluß der Oefsentlichkeit gegen den 25jährigen Architekt Nicklas und den Bürosekretär Baur, beide aus Ludwigshafen, wegen Spionage. Nicklas wurde zu 12 und Baur zu 10 Jahren Ge fängnis verurteilt. Honnndonck, 6«n IS. 8eptemd«r Samson fordert Breitensträ(«r heraus Berlin, 17 September. Samson-Körner» Einspruch über die Ent- scheidung seine» Meisterschaftskampfe» mit Breiten- sträter, der von dem Verband Deutscher Faustkämpfer obgewiesen worden ist, ist nunmehr an die oberste Sportbehölde weitergeleitet worden. Samson- Körner betont, daß.die unklaren Verhältnisse de» Entscheidungskampfe» keinen Meister ergeben haben, und daß er daher wünscht, nochmal» gegen Breiten st röter und auch gegen Diener zur Feststellung des deutschen Schwergewichtsmeister« anzutreten. Rennen zu Karlshorst 17. ««PttmSer 1. R-: 1. v. Zodeltitz' Bubt (Grdschel), 2. «ollen- schteber (Oertel). S. Madt (Edler). — Ferner: Otavt, Fliegender Holländer, Ordensritter, Rasvtdr, Lid, Kiirosster, Steinberger, Drewarte, Mirakel, Tere». — Toto: 53: 15, 13, 14. B«.: 48: 14, 12, 13. 2. R. 1. Abteilung: 1. Dr. W. KausmmmS MkirvD (TarraS). 2. Prospero (Kasper), 3. Qutloi» (Lorke). — Ferner: Verschwiegenheit, Laxenburg, Karneval 2, Da banquc, Ankunft, Aphrodite. — Toto: 118; 27, 28, 2S. BK.: 106; 24, 25, 21. 2. R. 2. Abteilung: 1. O. Schmidt» H«1t»1r«p (M. Schmidt), 2. Ping Pong (AlberS), S. Nina (Ebert). - Ferner: TttuS. Nektar. GamSbart, Spei. Hage», Gytha. Sold Gcryan — Toto: 183; 25, 21, 15. DK.: 165: 23, IS, 14. 3. R.: 1. v. Zodeltitz' Messina (v. vorck«), 2. Primavcra (Falkcnhausen), 3. Orkus (Staudinger). — Ferner: Mellarosa, Centrisugal. — Toto: IS; 12, 22. BK.: 14; 11, 20 4. R.: 1. v. Trützschler» Pilatu» (Bismark), 2. Etgllols (KukulteS), 3 Sternberg (Mate). — Ferner: Escorial, Mumpitz, Csaba. Sanballat, Palamon, L« Challenge, La Mirabelle. Taubcnton. — Toto: SV; 23, IS. 24. BK.: 62; 21, 17, 22. - 5. R.: 1. GittlerS Ama (Edler). 2. Erdferkel (Bis mark), 3. Fippa (Eichhorn). — Ferner: Laurin, Schwert lilie. Matprtnz, Fuchsie, Sturm, Fulalta. — Toto; S2r 14, 13, 12. BK.: 47; 13, 12, 11. 6. R.: 1. HemsothS Rötung (v. Metzsch), 2. -erzog (v. Borcke), 3. Lrodulit« (Staudtnger). — Ferner: Eutandcarwem Sigcrl, Blautopaz. Fausta, Ben Trovato. - Toto: 32; 11, 11. 15. B».: 2S; 10, 10, 14. 7. R.: 1. SklarekS Einfalt («ukulie»), 2. Fliegender Fuchs (Kränzlein), 3. Prometheus (Moritz). — Ferner: Nordlicht. Goldenes Horn, Rost, Spantola. —, Loto: 43; 15, 18, 12. BK.: 41; 14, 16. 11. Snghien 17. September 1. R.: 1. de BellegardrS Tlodoald (Earon), 2 Le Grand Condor (Biarotte), 3. L'Orphelin (Petit). — Ferner: Marthn. Lord PalmcrS, Sigurd 3. — Toto: 3S; 18, 20. BK.: 35; 16. 18. 2. R.: 1 WalletS Regaletre (Bagnard), 2. Cherif (Look). 3. Le Rempatt (HaeS). — Ferner: Montqua, Panurge, Faldubar, Malgache, Couronne, Sntana. — Toto: 52; 20. 15. 18 BK.: 47; 18, 14, 16. 3. R.: 1. W. Barkers DtoScurr (Serec), 2. Ferrh Boat (Ed. HaeS), 3 Sooner (Petit). — Ferner: Taliban, Potte Glalve. Pomme d'or, Persee, Fanattque, Quelle Lyre, Tukase. Panglotz. — Toto: 233 ; 51. 29. 32. B«.: 180; 46. 26. 29 4. R.: 1. M. Portes L »smi (Michel). 2. Se Souvenir (Eh. HaeS), 3. Satchville Lad (Biarotte). —. Ferner: Montrichard, GauDissart, Yatagan. — Toto: 29; 18, 23. BK.: 26; 16, 21 5. R: 1 James Hennessys Le Bey (Robinson), 2. Poifson Volant (Delfargutel). 3. Justificatenr (Mitchel). — Ferner: Gunpowder, Moreeau de Reine, Longpont, Hydroplane. Hctaire. — Toto: 16; 11, 12, 12. BK.: 14; 10, 11. 11. 6. R.: 1. HelioPouloS Gaspard de Besse (Delsarguiel), 2. Viozane (Rtolfo), 3. Fil» du vent (Barre). — Ferner: Lizzy 2, Frondeur 2. Caporal Srvtgne, Bolide 3, Brasero, ChandoS, Bougogne, Franz HalS, Houblon. — Toto: 31; 12, 15, 17. BK.: 28; 11, 14, 15. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 12 Setten Chefredakteur: L. Goldstein. Veranttvortlich siir den Text: Richard Lehman«, Leipzig. Verantwortlich ftir Inserate: Erich Meyer, Leipzig. Druck und Verlag: Leipziger verlag-druckere» S. m. d. vorm. Fischer L Klirsten. In M in die Sonne 20) Roman von p»ui Ko«enst«,n. Copyright ISA by Drei-Maskcn-Derlag A.-D-, München „Wollspinnereien," erklärte Fritz. „Barce- Iona hat viel Textilindustrie." „Du weißt doch alles." Sie schlenderten der Stadt zu. An der Kathedrale erblickten sie mit Erstaunen die Fi gur eines überlebensgroßen Nußknackers, der Mund und Augen aus- und zumachen konnte. „Nanu? Äas bedeutet das? Und aus- gerechnet an einer Kirche?" Fritz zuckte die Achseln. „Lin Land, dessen Seele wir nicht verstehen." „Zn irgendeiner Beziehung muß doch dieser Nußknacker zum katholischen Glauben stehen." „Sicher. Das wird irgendetwas mit der Inquisition zu tun Haden. Hier ist ja jedes Kirchendild eine Folterszene." „Hier möchte ich nicht wohnen, Fritz. Weißt du noch, als wir gestern durch Aragonien fuhren? Dort wcchnen die Menschen unter der Erde. In Katakomben." „Das macht, weil es so heiß ist, daß man es in dieser baumlosen Steppe nicht aushalten kann, ohne irrsinnig zu werden." „Um so schlimmer." „Die Katakomben haben wenigstens elektri sches Licht," lachte Fritz. Da war die Plaza de Cataluna. Dort drü ben lag das Hotel Colon. „Wir dürfen uns nicht sehen lassen," sagte Fritz, „du nicht, ich nicht." Er winkte den Por tier heran. „Sprechen Sic deutsch?" Der schüttelte den Kopf. „Nur sehr wenig. Aber hier dieser junge Lommissionario ist ein Deutscher, glaube ich. Eh, Arminio, vamos, le mas pronto posible!" Ein junger Mann trat voller Würde auf die beiden zu. Er zog mit kastilianischer Grandezza den Hut und murmelte etwas, was die beiden nicht verstanden; dann, indem er ihnen ins Ge sicht blick«, fvsgte e»z „Die Herren sind Deutsche?" „Allerdings," sagte Fritz. „Das ist herrlich. Ich habe die Ehre, eben falls ein Deutscher zu sein. Sie gestatten: Her mann Mackenroth." „Sehr angenehm." „Haben die Herren irgendwelche Wünsche? Ich stehe völlig zu Ihrer Verfügung." „Wir möchten gern wissen, ob der Marquis d'Orsay aus Paris schon angekommen ist. Er hat Zimmer in diesem Hotel bestellt." „Sofort." Herr Mackenroth verschwand und kam nach zwei Minuten mit dem Bescheid zurück: der Marquis sei noch nicht eingetroffen. Lin wenig enttäuscht süßte Fritz in die Tasche. Aber Herr Mackenroth wehrte ab. Mit dem liebenswürdigen Stolz dieses Landes, dessen Art sichtlich auf ihn abgefärbt batte. „Nicht eine Peseta, mein Herr, nicht einen Centimo." „Aber Herr Mackenroth! Ich kann mir doch nichts von Ihnen schenken . . ." Herr Mackenroth schüttelt« den Kopf und «in erhabenes Lächeln trat auf seine Züge. „Einen andern Vorschlag, mein Herr: heute ist Stiergefecht. Ich führe Sie hin. Wollen Sie?" „Was soll man sonst machen?" nickt« Jonny achselzuckend. „Gchen wir schon." Die Lanzenreiter mit ihren weißen Hüten, das glänzende Haar zu Zöpfen geflochten, strömen in den Zirkus: zu Fuß, zu Pferde. Ihre Gewänder leuchten in der Sonne: grün, gold, rot, ein Rausch der Farben. Die Arena ist erfüllt von Menschen; unabseh bar, endlos türmen sich die Galerien. „Hundertfünfzigtausend Personen," sagt Herr Mackenroth. Der Etter tritt durch das Tor «in, das sich weit öffnet. Das rote Tuch leuchtet auf. Ex blickt hinüber, duckt den Kopf, rast darauf zu. Dann, kurz vor dem Ziel, schickt er au» seinen ttsßm Bäraugen einen Blick auf dir Menschen. Kein Zweifel: er stutzt. Er wittert die Falle. Zögernd wendet er sich um... Das paßt nicht ins Programm. Die Pica dores schleichen ihm nach, klatschen in die Hände, rennen an ihm vorüber, drehen sich um, lachen. So wie Kinder einander necken. Der Etter sieht sie böse und mißtrauisch an; mürrisch, vielleicht von geheimer Angst erfüllt, wendet er sich ab. Ein Reiter saust haarscharf auf ihn zu, sticht nach ihm, dreht ebenso schnell wieder zur «Äite. Der Stier senkt den Kopf; jäh rennt er dem Pferd die Hörner in den Bauch. Fast hörbar birst das Fleisch auseinander; Eingeweide quellen hervor. Das Pferd stöhnt. Man rafft Stroh vom Boden, stopft es in den blutenden Bauch; ein Mann mit Nadel und Faden erscheint, näht die Bauchdecke mit flinken Händen zu. Das Pferd will sich zitternd ducken. Man schlägt so lange auf es ein, bis es wieder in die Mit« der Manege hastet, die irren Augen auf den Feind gerichtet. Ein zweites, ein drittes Pferd nimmt den Stier aufs Korn; blutend wanken sie zur Seite. Neue Picadores und Banderillas erscheinen auf dem Plan. Vielfarbig leuchten ihre Kleider. Der Etter blickt mit einen; seltsamen Gemisch von Staunen und Furcht ihnen entgegen. Er bleibt stehen. Lanzen fliegen zu ihm hinüber; das Blut rinnt ihm vom Körper nieder. Lachen bilden sich auf dem Boden. Der Stier wendet, geht langsam in den Hinter- gründ. Die Menge beginnt zu pfeifen. Dieser Stier enttäuscht sie ... Run tritt der Meister in die Arena. Sein Kleid schimmert weiß und rot, darüber trägt er eine goldene Jacke. Er wirft di« Mütze in den Sand und geht auf den Stier los. Den Gegner scharf im Auge, spielt er ihm mit dem Degen im Gesicht herum, so wie zum Spatz. Dann, plötzlich, mit einem Triumphlaut, sticht er ihm den Degen in den Leib. Der Stier, völlig fassungslos, macht einen Moment Miene, auf den Angreifer loszugehen. Dann wankt er. Man glaubt, er werde umsinken. Nein. Er rennt, den Degen im Leib, von dannen. Sein Peiniger hinter ihm her. Ex zieht den Degen aus dem Körper — ein Blutstrom schießt hervor. Das Publikum jubelt. Aber der Stier ist schwach geworden. Vielleicht ist er auch verwirrt im Gehirn, und der Anblick der vielen Tausende macht ihn völlig scheu. Gr geht nicht zum Angriff über. Wieder beginnt man, das halbtote Tier zu peinigen. Noch ein tiefer Stich der Torero zieht den Degen heraus; im gleichen Augenblick stürzt der Stier zu Boden, während wie ein Springbrunnen das Blut aus seinem Körper steigt. Verächtlich schafft Gan den Kadaver hinaus. „Wie kann die Geistlichkeit so etwas dulden?" fragt Jonny kopfschüttelnd. „Die Geistlichkeit, mein Herr," erklärt Macken- roch, „patronifiert die Stiergefechte. Sie hoben die angenehme Wirkung, das DoA von den wich tigeren Dingen des Lebens abzulenken. Sie müssen wissen: trotz seiner Grandezza und seiner alten Kultur steht Spanien noch heute auf einem Niveau, auf dem Deutschland etwa im Mittelalter stand. Die Wissenschaft ist katholisch orientiert, die Schiffahrt ist fast ausschließlich in den Händen der Jesuiten. Me geistigen Einflüsse gehen durch die Zensur der Kirche, und ich glaube manchmal, der Wind, der vom Mittelländischen Reer herüberweht, muß ein geistliches Sieb passieren; denn wenn wir ihn in den Strichen von Barce lona haben, hat er seine Frische verloren, er ist matt un^ kraftlos geworden wie jemand, der den ganzen Tag zu den Füßen der Mutter Gotte gekniet hat." Wieder öffnet sich die Tür; der zweite Stiek stürmt herein. Er rast auf den nöchststehenden Picador zu, der mit einem Satz über die Planke sein Leben rettet. (Fortsetzung folgt.)