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Sette 2 eines bestimmten Stande» oder einer bestimmten Partei, das hat gerade der Ruhrkampf bewiesen, wo der geräuschlose Dienst am Vaterland« seinen höchsten Triumph feierte und die Phrase nicht- bedeutete. Aber auch nach außen hin sollt« der heutige Tag s«sn Echo finde». Die Besatzungsmächte, ja, die ganze Welt hat erfahr«», daß man mit Ma- schinengewehren und Bajonetten wohl drohen, aber keine Kohlen fördern kann. Da» hat schon ein Essener Arbeitervertreter, Otto Hu6, in Spa den Herren Lloyd George und Millerand mit aller Deutlichkeit erklärt. Die Welt aber hat auch noch ein andere» erfahren, nämlich, daß die brutale Machtpolitik der Desatzungs^it es nicht vermocht hat, das Gefüge de» deutschen Bolksstaatrs zu -erbrechen! Wir würden glücklich sein, wenn wir den Abzug der Besatzungs truppen als ein Zeichen beginnender Einsicht, als den ersten Schritt auf dem Wege der Ver ständigung, anschcn dürften. Das Elend, das der Weltkrieg über Europa ge bracht hat, kann durch die Unterdrückung und Recht- losmachung unseres Volke» nicht gemildert, sondern nur vergrößert werden. Gerade von hier aus, wo das Herz der deutschen Wirtschaft schlägt, wo zahlreiche Schlote rauchen, die Zeugnis ablegen von schaffendem Fleiß Hundertlauscnder von Händen, soll über Deutschlands Grenzen der Ruf hinausdringen, daß die Reparation Europas nur geleistet wer den kann im Zusammenwirken aller auf- bauenden Kräfte. Ein Zusammenarbeiten in»« besondere der deutschen Wirtschaft mit den Wirt« schaftskrcisen unserer westlichen Nachbarn fördert im frrcdlichcn Austausch nicht nur Kohlen und Tele graphenstangen, sondern legt auch den Grundstein für einen dauernden Frieden. Noch ist die Atmosphäre Europas nicht frei von den giftigen Keimen de» Kasies. Der Wiederaufbau unserer eigenen Wirt schaft und der Wiederaufbau Europas seht aber voraus den Abbau des Hasses und der Un wahrhaftigkeit. Möge cs recht bald gelingen, diese noch viel gefährlicheren Besatzungsmächte in allen Ländern zum Abzug zu bringen, damit wir unter den Sognungen des Friedens im Wettbewerb mit den anderen Völkern unserer Arbeit nachgehen können unter der Devise die einer Ihrer großen Mitbürger zur Richtschnur seines Lebens gemacht har: »Die Arbeit soll Dienst am Gemein wohl sein!" Auf di« Red« Severings folgte wiederum ein Musikvortrag, und zwar der 4- (Ätz aus der ersten Sinfonie von Brahms. Davon schloß sich di« Ansprache Hindenburgs: „Meine Damen und Herren! Dank für den Will- kommcnsgruß, den Sie, Herr Oberbürgermeister, mir und den Herren der Reichsregierung und der preußischen Regierung darbrachten, und für den herzlichen Empfang buch die Bevölkerung der Stadt. Es ist mir eine freudige Genugtuung, hier in Essen, in diesem Mittelpunkt deutscher Arbeit und deutschen Schaffens, in der Stadt, deren Ehrenbürger ich bin, Rhein und Ruhr zu grüßen und mich mit Ihnen dessen zu erfreuen, daß dem Lande zwischen Rhein und Ruhr die Freiheit wiedergekehrt ist. Don Herzen gedenke ich in dieser Stunde in tiefer Dank- barkeit und mit größter Anerkennung aller derer, di« in den Jahren der Besatzung ihr Deutschtum und ihr« Liebe zur Heimt mit schweren Opfern an Leben und Freiheit, mit Verlust von Hau« und Hof und Gut bezahlt und um des deutschen Namens willen hart« Not gelitten haben. Mit stolzer Be friedigung dürfen wir feststellen, daß alle Schichten der Bevölkerung in gleichem Sinne dem Vaterland« di« Treu« gehalten und in selbstloser Hingebung Opfer gebracht haben: der Mann der Arbeit wie der Arbeitgeber, der Beamt« im Reichs-, Staats- und Gemeindedienst wie di« in freien Berufen Tätigen, die Männer der Press«, wie di« vom Flügel rad — ihnen allen gebührt im gleichen Maß« unser Dank. In diesem Saale haben vor mehr als 2)4 Iahrvn, wie Ee, Herr Oberbürgermeister, erinnernd hervor gestoben stadem«, die Bürger Essens kurz vor dem Einzug der französischen Truppen sich zum Gelöbnis zur Treue zum Vaterland versammelt. Heute können wir ihnen das Zeugnis geben, daß sie, daß das ganze Land an Rstetn und Ruhr dieses Gelöbnis gcwissenhaftgehalte n hat. Sie haben uns allen ein Beispiel dafür gegeben, daß ein Volk, mag es auch sonst durch Verschiedenheit der politischen An schauungen, durch Interessenstreit und abweichende Meinungen in sich getrennt sein, sich doch zusammen, finden kann und muß, wenn es um seine Freiheit, wenn es um seine Ehre und um sein« großen natio nalen Güter gestt. Und für dieses Beispiel, da« an die kommenden Geschlechter eine groß« und bedeut same Mahnung ist und bleiben wird, wollen wir ihnen besonders dankbar sein. Wir haben an der harten Geschichte unseres Volkes, den Beispielen der Unfreiheit und der Schwäche, zu der diese führt, genug. Um so Heller soll uns dieses Zeichen leuch ten. Die Zukunft wird uns nur dann gehören, wenn alllle Deutschen, wie das unsere Brüder an Rhein und Ruhr getan haben, sich in den großen Fragen der Nation als einige Brüder in Opfermut und Treue bekennen. In diesem Geist wollen wir uns auch heute dem Vaterland geloben, indem wir rufen: Deutschland, unser geliebtes Vaterland, e» lebe hoch!" Den Schluß der Feier bildete darauf der ge meinsame Gesang des Deutschland.Liede». Der Reichspräsident begab sich dann wiederum zur Stadt, eskortiert von berittener Schutzpolizei, nach der Villa Hügel bei Essen, wo er als Gast de» Herrn von Bohlen-Halbach weilt und am gleichen Nachmittag im Sonderzug zur Befreiungsfeier nach Duisburg weiterfahren wird. * Bei dem heutigen Besuch auf den städtischen Südwestfriedhof legte der Reichspräsident auch an den Gräbern der bet den Unruhen im Jahre 1920 gefallenen Schutzpolizetbeam- ten einen Kranz mit Schielfe in den Farben de» Reiche» nieder. Revolulon in Bolivien? London, 18. September. Südamerikanisch« Meldungen in englischen Dlättem wollen wissen, daß in Bolivien «in« Revolution au-gebrochen und der Kriegszustand verhängt sem KL l^tpilg «r r»gebl»tt I«s IM Pittchnpim ter SPD ver Entwurf -er Kommiffton angenommen - ver Kall Bauer Heidelberg, 18. September- Der sozialdemokratisch« Parteitag, der heute sein Ende findet, nahm zunächst die Vorstandswah- len vor. Der bisherig« Parteivorstand wurde wiedergewählt. Aber die Stimmenzahl, die auf die einzelnen Vorstandsmitglieder entfallen, war sehr verschieden. Die meisten Stimmen erhielt Hermann Müller, für den sämtliche 327 De- legierte stimmten. Wels erhielt nur 284 Stimmen, weil die extreme Linke ihn strich, Erispien sogar nur 247 Stimmen, weil al» Revanche für die Hal tung de» linken Flügel» der Rechte Flügel Herrn Erispien ebenfalls strich. Die übrigen Mitgiedcr de» Vorstandes und der Kontrollkommission wurden wtedergewählt. Dan kam der Fall Bauer an die Reihe. Bauer war im Anschluß an die Bar- mat-Afsäre zur Mandatsnederlegung veranlaßt vor- den. Darüber hinaus hatte die Berliner Partei organisation Bauers Ausschluß aus der Partei be schlossen. Dauer hatte dagegen Einspruch erhoben und die Einsetzung eine» Schiedsgerichts verlangt. Das Schiedsgericht hat den Beschluß aufge hoben und Bauer freigegcben. Gegen diese Frei sprechung legt« die Berliner Organisation b.'im Parteitag Beschwerde ein und die Beschwerde kommission de» Parteitages kam zu dem Er- gebnts, daß Bauer «ine schärfste Rüge zu er- teilen sei, weil er da» Vertrauen der Partei nicht gerechtfertigt und sich vom Standpunkt einer prole- tarisch-soziäldemokratischen Anschauung nicht ein wandfrei verhalten habe. Don weiteren Maß nahmen hab« die Beschwerdekommifsion abgesehen, weil Bauers politische Laufbahn ohnehin als ab geschlossen gelten könne. Der Landtagsabqeordnete Pflüger (Stuttgart) beantragt die abermalige Einsetzung eines Schiedsgerichts, weil Dauer selbst in der Beschwerdekommifsion über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht gehört worden sei. Der Parteitag beschloß im Sinne des Antrages Pslüaer. Als letzter Punkt der Tagesordnung kam da« neue Parteiprogramm zur Behandlung. Die Programmkommission unterbreitete dem Parteitag d«n Entwurf des neuen Programms, Äs, wie alle bisherigen Programme in einen grundsätzlichen Teil und ein Aktionsprogramm für di« Tagespolitik zerfällt. Im grundsätz- lichen Teil wird dargelegt, daß di« ökonomisch« Entwicklung durch ihre Gesetzmäßigkeit zur Erstar- kung der kapitalistischen Großbetriebe führt un-d im Kapitalismus Tendenzen wirksam seien, die arbeiten den Schichten in ihrer Lebenshaltung zu drücken. Es heißt dann wörtlich: „Das kapitalistische Monopolbestceben führt zur Zusammenfassung von Industriezweigen, zur Bereini- gung aufeinanderfolgender Produktionsstufen und zur Organisation der Wirtschaft in Kartellen und Trusts. Einzelne kapitalistische Gruppen werden zu übermächtigen Beherrschern der Wirtschaft, die nicht nur die Lohnarbeiter, sondern die ganz« Gesellschaft in ihre ökonomische Abhängigkeit bringen. Mit der Zunahme seines Einflusses benutzt das Finanzkapital die Staatsmacht zur Beherrschung auswärtiger Ge- bi«te als Absatzmärkte, Rohstofflager und Stätten für Kapitalanlagen. Dieses imperialistische Macht- bestreben bedroht die Gesellschaft stets mit Konflikten und Kriegsgefahr. Doch mit dem Druck und den Ge fahren des Hochkapitalismus steigt auch der Wider stand dec ständig wachsenden Arbeiterklassen, die durch den Mechanismus des kapitalistischen Prodü?- tionsprozesses selbst sowie durch ständige Ar beit der Gewerkschaften und der Sozialdemokratischen Partei geschult wird. Immer größer wird die Zahl der Proletarier, immer schroffer der Gegensatz zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, immer erbitterter der Klassen kampf zwischen den kapitalistischen Beherrschern und den Beherrschenden. Das Ziel der Arbeiterklasse kann nur erreicht werden durch die Verwandlung des kapitalistischen Privateigentums an den Pro- duktionsstellen in gesellschaftliches Eigen tum. Der Kampf der Arbeiterklasse gegen di« kapita listisch« Ausbeutung ist nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern notwendigerweise ein politischer Kampf. Die Arbeiterklasse kann ihren ökonomischen Kampf nickt führen und ihr« wirtschaftlichen Organisationen nicht voll entwickeln ohne politische Rechte. In der d em o- kratischen Republik besitzt sie die Staats form, deren Erhaltung und Ausbau für ihren Be freiungskampf eine unerläßlich« Notwendigkeit ist/ Im Aktionsprogramm wird zu Beginn nochmal» festgelegt, daß die demokratische Republik die geeignetste Form für den Befreiungskampf der Arbeiterklasse und damit für die Verwirklichung des Sozialismus ist. Deshalb stütz« die sozialdemokratische Partei die Republik und trete für ihren Ausbau ein. Sie fordert die Umwandlung des Reiches zu einer Einheitsrepublik auf der Grundlage der dezentralisierten Selbstverwaltung, Ausdehnung der unmittelbaren Reichsverwaltung auf die Justiz. Das Aktionsprogramm enthält weiter die bekannten sozial- demokratischen Forderungen in bezug auf die Der- waltungs-, Finanz-, Sozial-, Wirtschaft»- und Kultur- Politik. Auf internationalem Gebiete tritt, so schließt das Aktionsprogramm, die Partei mit aller Kraft jeder Verschärfung der Gegensätze zwi- schen den Völkern u»d jeder Gefährdung des Frie dens entgegen. Sie fordert die friedliche üHung internationaler Konflikt« und ihre Austragung vor obligatorischen Schiedsgerichten. Sie tritt «in für das Selbstbestimmungsrecht der Völker und für das Recht der Minderheiten auf der Grund lage demokratischer und nationaler Selbstverwal tung. Sie widersetzt sich der Ausbeutung der Kolo- nialvölker, der gewaltsamen Zerstörung ihrer Wirt schaftsformen und ihrer Kultur und sie verlangt di« internationale Abrüstung. Sie tritt ein für di« Bildung der „Vereinigten Staaten von Europa", um damit zur Intereflensolidarität aller Kontinent« zu gelangen und fordert die Demokrati sierung des Völkerbundes und seine Ausgestaltung zu einem wirklichen Instrument der Friedenspolitik- In der Aussprache über das Parteiprogramm begründete Landtags- abgeordneter HiIferding als Berichterstatter der Programm-Kommission die Notwendigkeit der aber- maligen Schaffung eines neuen Programms mit den großen und gewaltigen Problemen, die die he tige Zeit der Partei stelle. Reichstagsabgeordnrter Scheidemann vermißt das Vorhandensein eine» Agrarprogramms. Biedermann (Hamburg) hätte es lieber gesehen, wenn statt des negativen Bekennt nisse» zur Abrüstung das Programm ein positive» Wehrprogramm enthalten hätte. Reichstagsabgrord- neter Levy sieht in dem Programm den vollen Sieg des Revisionismus. Der Satz des Erfurter Pro gramms: „Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur das Werk der Arbeiterklasse selbst sein", fehlt völlig und statt dessen ist gesagt: ,Ln ständigem Ringen und Wirken auf politischem, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gebiet strebt die sozialdemokratische Partei zu ihrem Endziel." Das sei nicht mehr Revo lution, sondern Evolution und steh« im Wider spruch nicht nur mit der nächsten Vergangenheit von 1918, sondern hoffentlich auch im Widerspruch zur nächsten Zukunft. Landtagsabgeordncter Ma rum (Karlsruhe) beantragt die Streichung der von der Programmkommission im letzten Augenblick unter dem Kapitel Justiz aufgenommenen Forderung: ..Oetsi'nt- liche Beratung für Gerichte bei der Urteilsbefindung." Ein« solche öffentliche Beratung sei ein Dina der Un möglichkeit. Der Antrag Marum fand Annahme. Im übrigen wurde das Programm in der Fas- sung der Programmkommission gegen wenig Stimmen unverändert angenommen Das Ergebnis der Abstimmung wurde mit gr>ßem Beifall begrüßt. Di« Arbeiten des Parteitage» . aren damit erledigt. Mit einer Schlußrede des Porten- den Wels und dem Gesang des Sozialistenmarsches fand der Parteitag sein End«. Die französischen Verluste Pari», 18. September. Havas meldet au« Fez: Die Einnahme de» Bi- bane-Berg stock« kostete den französischen Trup pen etwa 30 Mann, die außer Gefecht gesetzt wurden. Gestern ist in dieser Gegend keine militärische Tätig keit zu verzeichnen gewesen. Im Abschnitt von Tas- ran haben Artillerie und Flugzeuge verschiedene Ansammlungen der Beni Ahmed beschossen. Ein Kopfpreis auf Ab- el Krim Pari», 18. September. Dem „Journal wird au« Melilla berichtet, daß Sultan Mulat Iusssuf in eine Aufruf, den er an alle Stämme, auch die unterworfenen, verteilen läßt, auf Abd el Krim, tot oder lebendig, einen Kopfpreis von einer halben Million Fran ken ausgesetzt habe. Auf diese Nachricht hin habe Abd el Krim die Wache zu seinem persönlichen Schutze verstürben lassen. Nach einer Meldung des „Motin" aus Rabat ist der Dampfer „Caroline" mit neuen Verstär kungen und zwar 48 Offizieren, 3S Unteroffi- zieren und 224 Mann dort angekommen. Auflösung -e< in-ifchen Staats, a s Diuila, 17. September. Der Dizekönig hat den Staatsrat auf gelöst. Tschitscherins Aeiie United Preß. M»»ka», 18. September. Tschitscherin» Büro teilt gegenüber Gerüchten, die von einem schlechten Gesundheit^ustond de» Mi nister» wissen wollen, mit, daß kein Grund zu Be sorgnissen vorliege. Der Minister beabsichtige, «inen kurzen Urlaub, wahrscheinlich im Auslonde, zu netz' men, doch sei es noch nicht gewiß, wo er diesen ver« bringen »erd«. Oie Wiederaufnahme -er pariser Wirtschaftsverhandlungen Berlin, 18. September. Don gut unterrichteter Seite wird erklärt, daß die Handelsvertragsverhandlungen zwischen Deutsch land und Frankreich nicht, wie schon einmal im Juli, wiederum in» Stocken geraten seien. Die deutsch« Delegation sei »war abger ist, aber deshalb, weil ein Teil der französischen Delegierten für andere wichtige Verhandlungen zur Zeit beansprucht wird. Die deutsche Delegation habe deshalb nur schrift - lick die genau fixierten Wünsche in Paris über- reicht. L» sei verabredet worden, daß die französische Delegation etwa gegen Ende September ihrerseits ein« schriftlich« Formulierung der französischen Wünsche nach Berlin sckickt und daß danach, also nach Kenntnisnahme beider Parteien von den Wünschen de» Partner», Anfang Oktober die mündlichen Verhandlungen wieder beginnen sollen. Keichswirtschafisrat un- Sefrierfleischeinfuhr Berlin, 18. September. Der Reichswirtschaftsrat hält am S »'N nabend mittag eine Vollsitzung ab. Auf der Tagesordnung steht der Entwurf einer Verordnung über zoll- freie Einfuhr von Gefrierfleisch. Die Ver ordnung soll am 1. Oktober d. I. in Kraft treten. England interveniert in Tibet Loudon, 18. September. Der in asiatischen Fragen vielfach sehr gut unter richtete „Daily Herald" macht heute die aufsehen- erregende Mitteilung, daß demnächst unter irgend einem Vorwande eine englische Intervention in Ti bet erfolgen werde, da die tibetanische Priester regierung neuerdings den Boykott englischer Waren erklärt habe imd der einzige politische Be- roter des Dolai Lama, der sogenannte Kriegsminister, kürzlich wegen seiner Englandfremrdüchkeit vergiftet morden sei. 8oua»d«ul, 6«u 10. 8«ptoutt»«r Itt W MMM-Wm Berlin, 18. September. I« Barmatausschub des Preußischen Lund- tage» gab heute der Staatssekretär im Preußischen Justizministerium, Fritze, «ine bemerken «"crte Erklärung über die Angriffe der Rechtspresse in der Affäre der Staatsanwälte Kuß mann und Eas- p;a,r,y und die damit zusammenhängende Angelegen- heit de» deutschnationalen Pressebüros Knoll ob. Am 27. Juli sei Regierungsdirektor Weiß, der Lhef der Berliner Kriminalpolizei, im Auftr""c de» Polizeipräsidenten zu ihm gekommen. Weiß 'cgte Material vor, demzufolge der Verdacht bestand, daß von Beamten der Staatsanwaltschaft der gesetz widrigen Veröffentlichung von geheim zu haltenden Aktenstücken in der Presse Vorschub geleistet worden sei. Weiß teilte weiter mit, daß die Kriminal polizei am nächsten Morgen eine Haussuchung bei den Stoatsanwaltsassessoren Kubmann und Eo^gry, so wie beim Nachrichtenbüro Knoll veranstalten w^Üe. Er, der Staatssekretär, sei nicht in der Lage gewesen, gegen die Absicht der Kriminalpolizei Einwendun gen zu erheben, zumal es im Interesse der I'ssiz- Verwaltung wie der Betroffenen selbst lag, daß die Dinge restlos aufgeklärt würden. Das am 28. Juli von der Staatsanwaltschaft eingeleitete Ermitte- lungsverfahren sei noch nicht abge schlossen, so daß er Einzelheiten dem Ausschuß nicht bekanntgeben könne. Aber wenn in den An griffen der echtspresse gegenüber dem preukischen Justizministerium, namentlich in dem offenen Drirfe des Herrn Bacmeister und des deutschnationalcn Reichstagsabgeordneten Leopold behauptet worden sei, daß die Ergebnisse dieses Ermittelunnsverfahrens geradezu lächerlich seien, so müsse er diese Dchaup- tung als sehr voreilig bezeichnen. Die beteiligten Herren seien jetzt sicher flbst auch anderer Auss-bt. Auch gegen Regierungsdirektor Weiß sei ein Verfahren eingeleitet worLen, das aber ein- gestellt wurde, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die beteiligten Kriminalbeamten bei den Durch suchungen nichts Gesetzwidrige» getan haben und kein« Rede davon sein könne, daß Weiß sie zu ihren Anordnungen gezwung«n hätte. Weiter wie» Staats sekretär Fritze Li« gegen das Preußische Justiz- Ministerium und ihn persönlich erhobenen An- griffe zurück und verwahrt« sich besonders da- gegen, daß er das Einschreiten der Kriminal- Polizei gegen die beiden Stoatsanwaltsassessoren hätte verhindern wollen. Die Vorwürfe, daß die Iustizbeamten mit dem Pressebüro Knoll in Ver bindung gestanden hätten, wären substanziiert, und rückschau.nd könne er sagen, daß die weitere Ent wicklung der Ding« ihm recht gegeben habe und noch recht geben werde. Auch Assessor Caspary habe eine Eingabe an das Justizministerium gerichtet, in der er andeutete, daß vom Ministerium illegale Einflüsse auf die Iusttzpflege ausgeübt worden seien. Anhalts punkte für diese Beschuldigung haben sich trotz Be fragung aller in Betracht kommenden Beamten >cs Justizministeriums nicht ergeben. Es sei daher ein Disziplinarverfahren gegen Easpary eingeleitet worden, das ihm Gelegenheit geben werde, seine Beschuldigungen zu begründen. Diese Be schuldigungen gingen dahin, daß Beamte des Justiz ministeriums sowohl im Falle Kutisker wie in seinem eigenen Falle nicht aus sachlichen Erwägungen, son dern unter dem Druck der Strafe gehandelt hätten. Gvaen Kußmann sei ein strafrechtliches Ermittelung» »verfahren im Gange. Ob gegen ihn «in Disziplinarverfahren eingeleitet werde, hänge von dem Ausfall des strafrechtlichen Verfahrens ab. Wenn das Iustijministcrium den Herren Kuß mann und Easpary die Bearbeitung der Barmatsache abqenommen habe, so Hobe es dazu nach den gesetz lichen Bestimmungen ein Recht gehabt und er glaube sagen zu können, die weitere Entwickelung habe auch hier gezeigt, daß die Maßnahmen de» Justiz- Ministeriums richtig waren. * Der preußische Barmat-Ausschuß hat heute auch die Vernehmung des Tannenzapf zu Ende ge- führt. Es stellte sich hierbei heraus, daß die gestrige Geheimnistuerei dieses Zeugen höchst unan gebracht war. Sowohl der Staatsanwalt wie der Untersuchungsrichter haben erklären lassen, daß sie nicht das geringste dagegen einzuw-mden haben, d?ß Tannenzapf „alles, was er wesse", aussoge. Go fängt -er Umfall an . Berlin, 18. September. Wie die „Tägliche Rundschau" nvrtteilt, wird von verschiedenen Seiten bestritten, daß der frühere Vorsitzende der deutschnationalen Reichstagsfraktion Dr. Hergt, der in der Versammlung des Wahl- kroisverbande» in Dresden über auswärtige Po- litik referiert hat, mit der von der Versammlung gefaßten Entschließung in irgendwelcher Ver bindung stetze. Dr. Hergt habe sich grundsätzlich gegen die Veröffentlichung von Entschließungen aus- gesprochen und sei daher auch an der Abfassung der Entschließung unbeteiligt. Auch die „Deutsche Tageszeitung" erklärt im Gegensatz zu der Meldung eine» Berliner Mittagsblattes, daß Dr. Hergt nur den Bericht über die auswärtige Politik erstattet habe- E» ist selbstverständlich, daß Referat und Entschließung rn einer Versammlung in einem ge- wissen Zusammenhang stehen. In dieser werden die Grundgedanken des Referat» auf eine knappe präg nante Formel gebracht- Ob nun Hergt di« Reso lution mit albgefaßt hat oder nicht, ob er gegen die Veröffentlichung war oder nicht, ist völlig aleickgül- tiq. Jedenfalls hat er im Sinne der Entschließung gesprochen und möchte in der Oeffentlichkeit doch nicht al» so scharf ablehnend gegenüber Pakt und Völkerbund erscheinen, denn der Umfall steht ja nahe bevor. Red ) Gesandter v. Below s Berll«, 18. September. Am 13. September ist der Gesandte a. D. PauI v. Below im Alter von 66 Jahren gestorben. Gesandter v. Below, der im Jahre 1886 in den auswärtigen Dienst eingetreten war, war in führen, den Stellungen tn Pari», Ungarn und in der poli tischen Abteilung de» Auswärtigen Amtes t" ^m Jahre 1V07 trat er aus Gesundheitsrücksichten in den Ruhestand. In den verschiedenen wichtigen Stellum.kn, die er inne hatte, hat er dem Reiche hervorragende Dt«ch«