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Cosmas von Prag III, 60—62. 231 mit, welches allem Andern voranzustellen ist, nämlich, daß der so 1125 mächtige Fürst Niemals die Lippen befleckt mit Meth, dem berauschenden Tranke. Gewiß ist es keine kleine Tugend, wenn irgend ein Mächtiger seinem Munde etwas versagt und ein Getränk nicht etwa wegen der darin enthaltenen Hefe, sondern seines Reizes wegen ver schmäht- 61. Am 20. Mai desselben Jahres, dem Mittwoch der heiligen Pfingstwoche, fiel in einigen Waldgegenden viel Schnee unb folgte eine empfindliche Kälte darauf, welche allen Früchten, besonders dem Wintergetreide und den Wcinstöcken und Bäumen, großen Schaden brachte, so daß an vielen Orten die Bäume mit der Wurzel abstarben und kleinere Flüsse Eis hatten. Am Sonn abend derselben Woche, am 30. Mai^), starb Kaiser Heinrich IV. und mit ihm erlosch der kaiserliche Stamm, theils wegen Un fruchtbarkeit der Frauen, theils weil das Geschick von jeher allen Herrschergeschlechtern ein Ende macht. 62. Unterdessen hatte der berühmte Herzog Sobezlaus in seinem ganzen Reiche den Frieden hergestellt; weil wir also keine Heldenthaten zu berichten haben, wollen wir erzählen, wie ein Priester, von unüberlegtem Eifer angetrieben, die Begierden seines Herzens erstickt hat. Derselbe hat- es mir nämlich im Vertrauen mitgethcilt und mich bei Christus beschworen, seinen Namen Nie manden zu verrathen, ich glaube ihm aber ebenso, wie mir selbst, weil sein lobenswürdiger Wandel seine Worte glaubhaft macht. Er erzählte mir also, nachdem ihm der Herr sein Weib genom men, hätte er gottergebenen Sinnes gelobt, mit keinem Weibe sich fernerhin abzugeben. Weil es aber sehr schwer sei, sich das Ge wohnte ganz aus dem Sinne zu schlagen, wäre nach, ich weiß nicht wie vielen, Jahren, eine solche fleischliche Versuchung über 1) Der Sonnabend der Pfingstwoche war der 23. Mai; diesen Tag geben auch Ekkehard und die Chronik von Sanct Peter als Sterbetag Heinrichs V. an.