Volltext Seite (XML)
^L^erderickt Goldmarkpreir für „Einheiten" Line gewaltige Erhöhung in Sicht Um der Markentwertung zu begegnen, schritten die Stadtwerke zu der Ausgabe von »Einheiten*. ?as neue System hat trotzdem, wie der Rat den Lladtverordnetcn mitteilt, nicht ausgereicht, die Werke vor der neuerlichen ungeheuren Mark entwertung und damit großen Verlusten zu schützen. Fisher wurden die Preise von Woche zu Woche neu festgesetzt. Dies hatte aber zur Folge, daß für die Lieferungen nur ein Bruchteil dessen gezahlt wurde, was die Werke wirklich hätten fordern müssen. Infolgedessen machte der Verwaltungsrat von dem i!>m eingeräumten Rechte Gebrauch und setzte die Preise vom 21. d. M. ab alle drei Tage fest. Aber auch diese» Verfahren ist nicht mehr haltbar, denn am Mittwoch, den17. d. M., an dem die Vorlage an den Pcrwaltungsrat hinausging, stand der Dollar auf 5'>00 Milliarden Mark, am Montag, den 22. d. M., tchon auf 40 Milliarden Mark, während er am Dienstag, den 23. d. M., auf 56 Milliarden stieg. Trotzdem mußte der auf der Berechnung vom l7. diese» Monats beruhende Preis bis zum 23. d. M. gehalten werden, obwohl den Werken dadurch un geheure Beträge vseloren gingen. Der Verwaltungsrat glaube, ohne Zustimmung der Stadtverordneten nicht weiter gehen zu können. <r lehnte deshalb die von der Verwaltung be antragte tägliche Preisfestsetzung ab, Mte aber anheim, sofort eine entsprechende Vor lage an die Stadtverordneten zu machen. Dis Verhältnisse haben sich nun so zugespitzt, daß k r Rat, um die Werke überhaupt lebensfähig zu erhalten, folgenden Beschluß gefaßt hat: Der Preis sür eine „Einheit* wird ans 2 5 Goldpfevniae festgesetzt, bet einem Gold- markpreise der Kohle von 34,33 Mark se Lonne frei Werk. Er erhöht oder erniedrigt sich in gleichem Verhältnis, wie sich der Golbmarkprei« der Kohle frei<Werk erhöht oder erniedrigt. Der sich daraus ergebende Papiermarkvrei» wird — solange es noch keine wertbeständigen Zahungr- mitte gibt — täglich von der Verwaltung nach dem letzten amtlichen Dollarkurs berechnet, ans 100 Millionen Beträge abgerundet und dem Ber kaus der „Einheiten* am nächsten Tage zugrunde gelegt. Der 20prozentige und 25prozentlge Son- derzuschlag auf die Preise kommt in Fort fall. Zur Begründung seines Beschlusses sagt der Rat: .Wir sind uns darüber klar, daß es vielen Kreisen der Bevölkerung unmöglich sein wird, zu den sich dabei ergebenden Papiermarkpreisen Gas und Lrrom zu beziehen. Trotzdem können wir aber auf diese Berechnung nicht verzichten, denn die Stadt ist nicht in der Lage, den Werken Zuschüsse in irgend- w Icher Form zu gewähren. Wer also die Preise nicht bezahlen kann, muß — so hart das auch klin gen mag — auf den Bezug ve.'ichteu, sonst würden die Werke liefern, ohne dafür Deckung zu erhalten. Vie schwer die Werke zu kämpfen haben, mag aus wißenden Zahlen hsrvorgehen. In der Woche vom !. bis 7. Oktober 1923 waren einschließlich des vollen Monatsgehaltes für Vie Beamten an Gehältern und Löhnen rund 8F Billionen Mark zu zahlen. Schon das war nur unter Zuhilfenahme von Bankkrediten möglich. In der Woche vom 22. bis 26. Oktober da gegen ist gezahlt worden und voraussichtlich noch zu zahlen ein Betrag von 273.3 Billionen Mark. Die ser Unterschied von 264,5 Billionen Mark, um den die Anforderungen an die Betriebsmittel gewachsen sind, müßte verdient worden sein, denn neue Quellen sichen den Werken nicht zur Verfügung. Es wird ebne weiteres einleuchten, daß diese Voraussetzung nicht zutrifft, sondern daß von der Substanz der Werke, insbesondere dem Kohlenvorrat, in ganz unverantwortlicher Weise gezehrt werden mußte. Im übrigen sind wir uns darüber klar, daß unsere Werke zum Erliegen kommen müssen, wenn n cht bald eine Stabilisierung unseres Geldes ein tritt. Diese Stillsetzung nach Möglichkeit »»»«»»»»schiebe«, ssll der verste-end« Be schloß bewirk»».* Die Stadtverordneten erteilten seinerzeit die Zu- stimmung zu der Einführung der „Einheiten*, um die Werke vor der Stillegung zu bewahren und die Gas-, Wasser- und Stromversorgung nicht zu ge- sährden. „Besser teure» Gas, al» gar kein Ga»*, hieß e» damal«. Auch jetzt wird e» dabei verbleiben müssen. Die inzwischen erfolgte hoye Preisheraufsetzung zwang viele Verbraucher schon zur sparsamen Benutzung. Kurzarbeit und Arbeite- lostgkeit nehmen täglich in erschreckendem Maß zu. Di« Stadtverordneten werden dies bei der Be ratung der Ratsvorlage zu berücksichtigen haben; denn es bedarf nicht vieler Worte, um klarzulegen, daß die groß« Rot nicht durch Llbsperren von Gar und Wasser vermehrt werden darf. Sächsischer Index Mitteilrrna de» Sächsische» Statistische« Landesamte-. Nach den Preisseststellnngen vom 29. Oktober 1923 find vom Statistischen Landesamt folgende Anderziffern der Lebenshaltungskosten — 1913/14 — 1 — errechnet worden: Gesamtinder (Er- «Shrung, Heizung, Beleuchtung, Woh nung und Bekleidung) 14 481 099 999, Gesamtinder ohne Bekleidung 13 «37 999 999. Am 22. Oktober 1S23 betrug der Gesamtinder mit Bekleidungs kosten 2 342 999 099 und ohee klei- dungSkosten 2 183 999 909 Vom 22.—2V Oktober sind mithin die Preise der bei der Teuerungsstatistik berücksichtigten Güter um 472,8 bzw. 533,9 v. H. ge stiegen. Die bisher vom sächsischen Arbeits ministerium veräsfentlichte Punktzahl — SteiaerungSzahl gegenüber Ja nuar 1922 — 1 —beträgt für den 29. Ok tober 1923 7^1990 999. Leipziger Notgeld Um dem Mangel an Zahlungsmitteln abzuhelsen, gibt der Rat der Stadt Leipzig vom 30. Oktober an Gutsche.ne heraus, die auf 20 Mi ll ia r de n Mark lauten. Buchdrucker-Schlüsselzahl 800Millionen Nachdem der Schiedsspruch des Kentralschlichtungs- amtes für da» deutsche Buchdruckgewerbe für ver- Kindlich erklärt wurde, wurde die Schlüsselzahl ab 30. Oktober auf 800 Millionen erhöht. * Die Kvipskarten der Straßenbahn. Don der Großen Leipziger Straßenbahn wird uns geschrieben: Die sich überstürzenden Verhältnisse haben dazu ge führt, hinsichtlich der Gült gleit der Kn pskarten eine Aenderung eintreten zu lassen. Diese Acht-Fahrten- Lochkarten können, wie bereits schon in der Anzeige vom 23. d. M. darauf hingewiesen, künft g nur noch an den ersten drei Tagen de» nächstfolgenden Tarifes ohne Nachzahlung anerkannt werden. Ferner kann, dem Vorgehen der Straßenbahnen in anderen Städten folgend, für nicht abgefahrene Knipskarten kein Ersatz mehr gewährt werden. * Beitragsmarken. Die Ausstellung von Be scheinigungen durch die Postanstalten, daß die zur Ange st eilten- und Invallden-Der- sicherung für Beitragszeiten vor dem 1. Oktober benötigten Marken nicht vorrätig gewesen sind, wird von den Versicherungsanstalten nicht mehr gefordert. Die letzteren werden die Beitragsmarken auf Antrag allgemein zum Nennwert abgeben. Wetterbericht vom 31. Oktober Vorwiegend heiter, örtliche zeitweise Nebel, nebelige Trübung, schwache Winde aus wechselnden Richtungen, tagsüber mild. Leichte Nachtfröste im Gebirge und vereinzelt auch in der Ebene. Für Morgan keine wesentliche Witterungsänderung. Das neue Leipziger Gperndirektorium Operudirektor Dr. Ehrhardt — General musikdirektor Brecher Auf den Vorschlag des Theaterausschufles hat der Rat der Stadt Leipzig soeben die Ernennung dcs Oberspielleiters am Stuttgarter Landestheater Dr. Otto Ehrhar d t zum Direktor der Leipziger Oper und des Kapellmeisters Gustav Brech er- Wclin zu ihrem musikalischen Oberleiter mit der Dienstbezeichnung Generalmusikdirektor vollzogen. In Brecher gewinnt Leipzig einen der individuell- s:c:> Operndirigenten jener Generation, auf die noch . i.hlcrs Wiener Direktionsführung, seine besondere 1-1 des Dienstes am künstlerischen Werk, entscheidend ciügcwirkt hat. Er ist 1879 in Eichwald bei Teplitz gcboren und hat sein« Schuljahre in Leipzig am Ä olaigymnasium verbracht. In der Musikbibliothek Otters entdeckte den jungen Musiker Richard Strauß. W d dieser Meister ist es auch gewesen, der Brecher unentwegt Vorbild und Führer blieb. Da» Leipziger 6:cidtthcater hat den jetzigen Generalmusikdirektor schon als Anfänger in der Dirigentenlaufbahn gesehen. Pon Leipzig holte Mahler den 21jährigen Kapell meister nach Wien. Die weiteren Stationen seiner steil zur Höhe strebenden Laufbahn waren: Olmütz, Camburg (1903), Köln (1911) und Frank furt (1916). Seit 1920 lebt Brecher ohne Opern engagement als konzertierender Dirigent in Berlin. Gastspiele führten ihn u. a. nach Hamburg, Wien, Amsterdam, Prag, Rom. Seinen jüngsten Erfolg hatte er in Moskau. Al» Komponist ist Drecker seit sinen Iugendjahren, wo Strauß seine sinfonisch« Dichtung „Rosmersholm* und eine „soziale* Lin- lonie (nach Mackay) populär machte, nicht ernstlich hervorgetreten. Dr. Otto Erhardt, ein geborener Schlesier, steht im 33. Lebensjahr. Seine wissenschaftlich künstlerische Laufbahn führte über eine Menge ein zelner Etappen. Nach Studien an deutschen und eng lischen Universitäten war Erhardt Schauspieler in London und Regieassistent am dortigen Covent Garden, später Dramaturg und Regisseur in Breslau, zwischendurch Geiger und Bratschist in größeren Orchestern und Assistent bei den Bayreuther Fest spielen. Weitere Stationen an diese» krausen Weg«: Hamburg, Kottbu», Barmen, Aachen, Düsseldorf. Erst mit der Stuttgarter Zeit (1920) begann Er- Hardts Name hier und da genannt zu werden, ins besondere im Zusammenhang mit der Pfitznrr- bewegung. Wir vernehmen mit Bedauern, daß vor Ablauf von mindestens einem Vierteljahr mit einem tätigen Eingriff Erhardts in die Leipziger Opernverhält nisse nicht gerechnet werden kann. Es ist anzunehmen, daß die Intendanz, der Theateraueschuß und die Mächte, die dahinter stehen, sich der ganzen Schwere ihrer Verantwortlichkeit bewußt gewesen sind, al« sie einen Operndirektor berufen haben, der vor läufig für Leipzig nur einmal auf dem Papier steht und der allenfalls über die fabelhafte Geschicklichkeit verfügen müßte, seine Verfügungen auf halbem Wege zwischen Stuttgart und Leipzig zu treffen. Im übrigen warten wir zunächst einmal ab, ob Leipzig mit der Berufung Erhardts auch eine Verpflichtung der neuen Opernkunst gegenüber übernommen hat. tt. S. Leipziger Konzerte - Eugen d'Albert spielt, und es ist ein Fest sür alle musikalischen Menschen, nicht bloß für die, welche dem Meister der „Mareike von Nymwegen* Beifall aus Vorschuß zollen möchten. Daß der kleine energiegeladene, immer so sprungbereit aussehende Mann am Vorabend einer Opernpremlere in. gehobe- ner Stimmung vor sein Publikum treten werde, war anzunehmen. Die Lisztsche H-Moll-Sonate haben wir kaum einmal so aus dem Element ge trieben, so gleichsam von physischem Leben durch- drungen gehört. Fortwährend fließt r» au» der un- erhörten Vitalität diese« Menschen ins Werk über. In den Kraftmomenten lädt sie bedrohlich au«: ein dämonisch-triebhafter Gestaltungsdrang, der bereit ist, den Klang und alle Attribute de» formal Schönen zu opftrn; der nur da, Gesetz de» eigenen künstlerischen Ich darstellt. Daß sich eine solche Natur in der rhapsodischen Weite einer Lisztschen Klavierdichtung widerspruchsloser auslebt, als in kleinformatigen Ehopin», Schubert» und Delius' (die all« nach d'Albert« Willen tanzen müssen) ist eine von "neuem bestätigte Erfahrung. In Schumann« „Larnoval* ist dieser Tanz der Einzelwesen in« l Furioso gesteigert, aber doch au« dem Dillen zur großen Form geleitet und gebändigt. Tagesgespräch von Roch Oienstboiennot? — Oie Wandlung der letzten Wochen — Wenn einst sich zwei „bessere* Frauen auf der Straße oder beim Kaffeekränzchen trafen, so waren sie um Gesprächsthemen niemals verlegen. Nach eini- gen einleitenden Worten über das Wetter kam man sofort in meckias res, d. h. man fing an, sich über die Dienstboten aufzuhalten. Die Dienstbotenfrage war ein Thema, über das sich stundenlang herrlich debat tieren ließ. Die Verhältnisse haben sich gänzlich ge ändert. Nicht etwa, daß weibliche und männliche Klatschtanten heute an Gesprächsthemen Not litten. Im Gegenteil! Nur man spricht nicht mehr über die Dienstboten. Das alleinseligmachende, besser «sagt: alle unselig machende Thema von der horrenden Teuerung hat die Unterhaltungen sowohl über das Wetter als auch über die Dienstmädchen. Verzeihung: ^Hausbeamtinnen* nahezu völlig in den Hintergrund gedrängt. Grund genug dafür ist, daß die Teuerung die Gedankengänge in einer Weise in Anspruch nimmt, die andere Dinge daneben wesenlos erscheinen läßt. Dazu kommt, wiederum als Folge der Teue- rung, daß nur die allerwenigsten Hausfrauen sich noch Dienstpersonal halten können. LuantitLten statt OnalitSt»« Kann man nun, da die Dienstbotenfrage nicht mehr im Mittelpunkt des hausfraulichen Interesses steht, noch von einer Dienstbotennot reden? Nein und Ja! Eine Dicnstbotenmisere besteht noch heute, wenn auch im Vergleich zu früher in gänzlich verwandelter Ge- ftalt. Noch vor ein bis zwei Monaten fand die von ihrer „Perle* verlassene Hausfrau überhaupt keinen Ersatz für die Entschwundene. Die Stuhlreihen in den Stellenvermittlungsbllros rings an den kahlen Wänden waren ständig gähnend leer._ Die Fabrik mit ihren verlockend hohen Perdienstmöglichkeiten und den Freistunden nach Beendigung der achtstündigen Arbeitszeit hatte fast das ganze Iunqmädchenmaterial, das früher in dienende Stellung ging, aufgesogen. Nur selten noch verirrte sich eine vereinzelte Maid, di« sich vor der Fabrikarbeit scheut», in da« Büro der SteUenvermtttlerin. Das Bild hat sich von Grund ans geSndert. Die Kaufkraft des deutschen Konsumenten ist bekanntlich so zurückgegangen, daß nahezu in allen Fabrikations- zweigen Entlassungen größeren Umfanges stattfinden mußten. Meistens waren die ersten, denen gekündigt wurde, die jungen Mädchen, die sich zum Teil als Ar- beitskräfte nicht so bewährt hatten wie die Männer. Nun strömten sie in die Stellenvermittlungsbüros zurück, die sie, Geschöpfe einer neuen, freieren Zeit, noch vor kurzem stolz gemieden hatten. Don leeren Stühlen in den Warteräumen der Dienstsuchenden ist keine Rede mehr, ganz im Gegenteil findet man, wann immer man ein Stellenvermittlungsbüro auf sucht. die Zimmer stets voll von strllungsuchenden Dienstboten. Ja, bis auf den Korridor stehen sie hin- au» und warten und warten. Sie harren oft ver geblich; denn nur noch selten läßt sich eine Hausfrau blicken, die kapitalkräftig genug ist, sich einen weib lichen dienstbaren Geist leisten zu können. Ls wäre indes durchaus gefehlt, aus dem Ueber- angebot an Dienstpersonal schließen zu wollen, daß nunmehr die suchenden Hausfrauen aus allen Kala mitäten heraus seien. Die Lual der Wahl, der sie nun ausgesetzt sind, ist kaum weniger peinigend als die stete Feststellung von einst, daß kein dienst williges, stellesuchendes Wesen anwesend. Denn wem von den vielen sich Offerierenden soll die Haus frau heute trauen? — Fast die Mehrzahl der auf Anstellung harrenden Dienstboten sieht wenig ein- ladend aus, sowohl was die Physiognomie, als auch was die liederliche Kleidung anbelangt. Bei diesen wird die Hausfrau von vornherein gern darauf verzichten, sie in ihr häusliches Reich einzuführen und ihr dort die Vertrauensstellung ein zuräumen, die das Amt eines Dienstboten fraglos unter allen Umständen darstellt. Nicht umsonst hat man ja in der letzten Zeit davon gehört, daß Dienst- Mädchen, die alleine in der Wohnung geblieben einst Kleine Schicksale waren, mit ihrem „Bräutigam* alle» Wertvolle au»- geräumt und sich dann spurlos verflüchtigt haben; wenn nicht sogar Schkimmeres geschah und der zur Nachtzeit eingelassene Schatz des Mädchens sich al» Raubmörder erwies. — Wer aber gibt der Hausfrau die Gewähr, daß sie mit den anderen Mädchen, deren Züge und deren Wesen vertrauenerweckender anmuten, gut fahren wird. Da» früher obligatorisch» un- sehr nützliche polizeilich beglaubigte Tienftbnch ist ja abgeschasft, und zwar ziemlich ohne A w stichhaltiger Gründ« rmd damit der Herrschaft d«e frühere Kon!rolle über die Qualitäten der Bewerberin genommen. Im günstigsten Falle besitzen die Mädchen, wenn sie nicht krasse Anfängerinnen darstellen, noch lose Zeugnisse, mit denen sie sich über ihre Fähigkeiten ausweisen. Aber wer garantiert, daß diese Zeugnisse echt sind? Es ist nicht zuviel behauptet, daß heutzutage die dienstbotensuchende Hausfrau fast ganz aus ihren Instinkt und auf ihr Ahnungsvermögen angewiesen ist, wenn sie darauf rechnen will, eine redliche Hel ferin ins Haus zu bekommen. Aber mag das neu gewonnene Mädchen auch wirklich ehrlich sein, und ohne unredliche Nebenabsichten ins Haus kommen, so steht doch nirgendwo geschrieben, daß sie nun auch arbeitswillig ist, und daß es nicht irgend welche Derrichtirngen in der Hausarbeit gibt, vor denen sie eine unüberwindliche Scheu verspürt. Ge wiß, wenn der Vermittler die der Anstellung harren den Mädchen fragt: „Wollt ihr auch arbeiten?*, so schallt es im Chorus zurück: „Aber sicher! Wir scheuen uns-vor Seiner Arbeit.* Diese Arbeitsbefliffenheit zeigt sich indes nur im Vermittlungsbüro, solange der Mietsvertrag noch nicht abgeschlossen ist. Der Pferde fuß tritt erst zutage, wenn der dienstbare Geist seinen Einzug gehalten hat. Dann stellt sich unvermittelt heraus, daß das neuenyagierte Wesen gegen da« Waschen oder das Fensterputzen, das Großreine machen, das Teppichklopfen oder das Kohlentrageu eine vorher nicht geäußerte Abneigung verspürt. Fraglos gibt es neben den unredlichen und ar beitswilligen noch immer eine ganz« Menge fleißiger, treuer und ehrlicher Dienstboten, die bestrebt sind, die Zufriedenheit ihrer Herrin zu erringen. Aber au« der Menge der sich anbietenden Mägde eine solche wirkliche Perle herauszufischen, ist kaum weniger schwierig, al« aus einem Topfe, der zehn Schlangen und einen Aal enthält, mit verbundenen Augen den Aal herauszuholen. Aus der Praxi- Einer der kenntnisreichsten Stellenvermittler, der schon dreißig Jahre in Leipzig tätig ist, teilte un» mit, daß er früher 15 bis 20 Mädchen täglich ver- mittelt hat, jetzt aber froh ist, wenn er täglich 3 bi» 4 Mädchen Stellen nachweisen kann. Lr bestätigte uns, daß es für eine Hausfrau heute überaus schwie rig ist, das geeignete Mädchen zu finden und wies darauf hin, daß auch das Arbeitsbuch der ge wesenen Fabrikarbeiterin keinerlei Garantie für Fleiß und Treue darstelle, da in dem Arbeitsbuch nur die Dauer der Tätigkeit in dem betreffenden Be triebe vermerkt ist. Nach seinen Angaben geschieht die Entlohnung der Dievstmädcken offiziell nach tariflich festgesetzten Normen. Sehr häufig aber verlangen die Mädchen daneben oder als Ersatz für Geld Naturalien, Schuhsohlen oder Kleider stoffe. Diele von den suchenden Hausfrauen haben sich mit dieser Regelung auch schon einverstanden erklärt. Die Notlage Ver Mävchen Es wäre nun ungerecht, nur der Nöte der Haus frau zu gedenken. Auch die suchenden und kein« Stellung findenden Mädchen sind übel dran, zumal jetzt nach der Ernte auch die Landwirtschaft nur wenig weibliches Dienstpersonal benötigt. Ferner schränken auch die Hotels ihre Betriebe stark ein, und die win- Das Schachtel» eck-Quartett brachte als Neu heit ein Werk von Emborg. Aus den guten Ein- fällen der Ecksätze will nichts Rechte» entstehen; der musikalische Fluß ist unterbrochen. Anders in den Mittelsätzen. In ihnen ist Gesang, Linie, Fluß. Aber letzten Endes überzeugten auch diese Teile des Werkes nicht. — Jenny Sonnenberg hat in ihrer Stimme ein Material, welches sie wohl beherrscht und verwendet. Der Ton wird voll entwickelt und im Entstehen schon plastisch geformt; er bleibt leben dig, beweglich, nicht fest und starr. Eine volle Resonanz gibt ihm Tiefe und Weite. Aber alles ist auf den Klang hin gebildet, auch die Aussprache wird dem Klanglichen untergeordnet, das in seiner Schwere und Wucht etwas Unveränderliches hat. May Wünsche begleitete so, daß man seiner nicht ge- wahr wurde, sein Spiel verschmolz ganz mit dem Kolorit der Stimme. — Dem D a v i s s o n - Quar tett gelang es, im Dvorak das slawische Element zu erfassen. Das D-Moll-Ouartett von Schubert („Der Tod und dos Mädchen*) war besonders im Daria- tionssatze klar und durchsichtig aufgebaut. Lotte Meusel glückten die Lieder von Mättiessen besser als Schubertgesänge; den letzteren, gebrach es an Kraft und Glanz. Atemtechnisch ist die Sängerin noch nicht fertig durchgeschult, die textliche Aus gestaltung läßt zu wünschen übrig. — Die Pianistin Christine Werner spielte Dach, Beetboven, Niemann, Dusoni, Liszt. Sie Hot immer dieselbe Art, eine Linie zusammenhanglos zu geben, das Detail heraus- zustellen und mit einem Pathos zu spielen, da» sich an Gefühlsinnigkeit übersteigert. Ls kommen Schwan kungen vor in der Entwicklung auf Höhepunkte hin, häufig bricht die Gestaltung auf bestem Dege ab, wird blaß und matt. Diese Schwankungen waren bezeichnend auch für die Art der technischen Dewälti- gung der pianistischen Aufgabe, die darin eigen- artig ist, daß sie eine vorhandene Kraft nicht frei ausrollen läßt, daß sie unterweg« innehätt. Die große Dante-Fantasie wurde so zu einer Lektüre, di« einen gleichgültig stimmt. I. N. * Der Sonatenabenb von Smilie Lutz (Klavier) und Walter Doell (Violine) entzieht sich ernster Kritik. Ohne genügend poetisches Empfinden, häutig matt im Ton und technisch nicht immer ganz ein wandfrei wurde der Diollnpart ausgeführt, während da- Klavier »u selbstbewußt, mit hartem Anschlag und Nichtbeachtung der Gesetz« kommermusikalischen Spiels behandelt wurde. Weit erfreulichere Ein- drücke empfing man in dem Diolinabend von Sop. kin. Der temperamentvolle und musikalische Künst- der, von Wilhelm Scholz am Flügel ausgezeichnet unterstützt, spielte mit bedeutend entwickelter Tech nik. Noch fehlende Klangschönheit des Tones suchte er durch übertriebene Akzente und Stärkegrade zu ersetzen. — In dem Liederabend von Sophie Wise- lius zeigte sich, daß die Sängerin eine etwas schwerflüssige, schöne Altstimme besitzt, deren Tiefe nur noch aus dem klanglichen Nahmen des Ganzen herausfällt. Gesänge mit dramatischem Einschlag gelangen am besten. Ihr Begleiter Zoh. Hooren» man hätte getrost weniger Klaviersoli bieten sollen. Im Uebermaß angewandtes Rubatospiel und wenig korrekter Pedalgebrauch arbeiteten einer ausdrucks- vollen Gestaltung direkt entgegen. O. tt. Eine „Unvollendete* von Makler. Wie an« Wien gemeldet wird, wurde im Nachlaß Gustav Mahlers jene unvollendet« zehnte Sinfonie des Künstlers gefunden, von der bloß die zwei Mittelsätze existieren. Der zweite Satz, ein Adagio, ist von Mahler vollständig und handschriftlich fertig gestellt. Der dritte Sah, ein Scherzo, wurde von dem Wiener Komponisten Krenek, dem -u* künftigen zweiten Gatten der Tochter Mahler», er gänzt. Dom ersten und vom Schlußsatz existieren nur Bleistiftskizzen. Die Uraufführung der unvoll endeten zehnten Sinfonie wird in Wien von einer Privat-Kon-ertyesellschaft veranstaltet werden. Theaterskaodal t» Hambnrg. Au» Hamburg wird gemeldet: In den Kammerspielen kam «» ber der Aufführung von Paul Apel» „Liebe* zu einem Theaterskandal. Da» Stück wurde ausgeztscht, ausgetrampelt und anderseit» mit Beifall über schüttet. Die Besucher wurden sogar wegen ihrer Meinungsverschiedenheit handgemein. Dor der Garderobe noch wurde getobt. Da» ist ia den Kammrrspielen bisher noch nie voryekommsn. Gi» »bekannte« Werk Tolstoi». Ein bisher un bekannte» Werk Tolstoi» wird, wie da» „Journal d«e Döbat»* mitteilt, demnächst im Druck erscheinen. L» enthält dir Geschichte einer russischen Bäuerin. Da» Buch war von der zaristischen Regierung vor- boten. Dem Uebersetzer, Charles Salomon, soll Tolstoi da, Manuskript persönlich übergeb«» habe«.