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a«n LS. vttad«» Lm Klug über die Packeiszone Sisvogei v 260 Am 21. Juni gab «in Funksprtlch der Weil zu wissen, daß Amundsen wegen der schlechten Witte- rung seinen geplanten Nordpolflug auf unbestimmte Zeit verschiebe. In Wainwright, einem kleinen Orte Alaskas, stand nun der silbergraue Niesenvogei um sonst flugbereit, umsonst hatte man einen umfang reichen Melde- und Sicherungsdienst eingerichtet. Aus Norwegen war eine Hilfsexpeditton nach Spitz- bergen gefahren, um von dort Amundsen entgegen zufliegen. Alle diese Bemühungen waren vergeblich gewesen. Amundsen hatte wegen der schlechten Wit terung und wegen der geringen Widerstandsfähigkeit seiner Maschine den Flug abgesagt. Als erste erfuhr diese Nachricht die Hilssexpedi- tion Hammer-Junkers, die sich eben im rwrwegi- schen Gewässer unweit der Klippen von Torghatten befand. Nach einer kurzen Beratung entschloß man sich, wenigstens einen Probkflug über die Polar gegend zu unternehmen. Das gefährliche Wagestück unternahm dvr Züricher Fiiegeroberleutnant W. Nttttelhotzer, der in Begleitung des Piloten Neu mann am 5. Juli mir einem Junkers-Eindecker, der den Namen „Eisvogel D 200" trug, zu einem Er kundigungsflug über Spitzbergen uufstieg. Die Ma schine war in allen Bestandteilen ans Aluminium, und an den Rädern war ein Mechanismus ange bracht, durch den vom Führersitz aus in jedem Augenblick Schlittenkufen unter die Räder gelegt werden konnten. Die Maschine war von neuerer und soliderer Bauart als jene, mit der Amundsen zum Nordpol fliegen wollte. Mitttlholzer beschloß nach den ersten geglückten Probeflügen jene Gegenden zu überfliegen, die kartographisch noch nicht genügend festgehalten wäre». Sein Plan war, von Norden- skjöld auf Green Harbour, dem Standort der Ex pedition, über den Eisfjord und die Lhydenius-Gc- birgsletle, deren höchste Erhebung die Newtonipitze, 1730 Meter, ist, bis zur Hinlvpenstraße vorzudrin gen, dann nach Westen umzubiegen und die Packeis zone entlang wieder zum Ausgangspunkt zurück zukehren. In der geräumigen Kabine brachte er zwei P'wlo- graphcnapparnte mit achtzig Platten und einen Görz-Filmapparat mit fünftausend Meter Band an, um möglichst zahlreiche Aufnahmen von den bisher unbekannten Gegenden machen zu können. Mitten in der Kabine war ein Tisch stabil befestigt, auf dem die bis dahin noch unvollständigen Orienttcrungs- tarten der Gegend, Chronometer, Quadranten und andere Orientierungsbehelfe lagen, um im Falle einer Notlandung die geographische Lage genau be- stimmen zu können. Am 8. Juli war ein herrlicher, sonniger Sonn tagsvormittag. Das sonst so unruhige Meer war spiegelglatt, und aus der Ferne flimmerten blendend die Firnen der Gletscher herüber. Die große un durchdringliche Stille des Nordens wurde nur durch das Geschrei einiger vorbeiziehender Eiderenten gestört. Windstille, ein dunst- und ncbelfreier Horizont, lauter ermutigende Zeichen. Neumann, der erprobte Seepilot der Junterswertc, läßt um 11 Uhr 40 M'- , nuten vormittags den Propeller des Eisvogels — die Maschine liegt still und unbeweglich auf der Meeresoberfläche — andrehcn und einige Minuten später schwebt der Apparat schon über den Holz baracken der Kohlenbergwerke von Green Harbour. Mittelholzer findet in seinem Tagebuch keine Worte, die geeignet wären, die schier endlose Reihe des über wältigenden Panoramas, das sich ihm darbot, zu verewigen. Der neunzig Kilometer lange Eisfjord scheint sich beim ersten Anblick ins Un ermeßliche zu verlieren. Aber bald grüßen neue Ueberraschungen diese ersten Lufwassagiere der Polarzone. Immer höher trägt der Motor, der an fangs ziemlich unregelmäßig gearbeitet hat, den Apparat, und immer überwältigendere Dimensionen nehmen die vergletscherten Gebirgswege von Spitz bergen an. Um 12 Uhr 40 Minuten knattert der Motor schon über der Billerbucht, wo Mittelhalzrr Gelegenheit hak, die Landkarte der norwegischen Expedition vom Jahre 1909,10 zu ergänz«» und zu redigieren. Er zeichnet die Umrisse der bisher noch rmbetannten Halbinsel ein, photographiert, filmt und macht Notizen. Sv erreichen sie das schwarze Granit massiv der Chydeniuskette. Rach links führt der Weg aus der Wijdebucht »ach dem Eismeer, in die dunkle Heimat des Packeises. Der Apparat fliegt 1700 Meter hoch, muß aber noch bedeutend steigen, um die 1730 Meier hohe Newtonspitze überfliegen zu können. Der Motor geht wiederum unregel mäßig und so muß Mittelholzer dem Labyrinth der Gebirgsschluchten folgen. Ueber eine halbe Stunde laug beschreibt er mit seiner dahinsausenden Maschine die gefährlichsten Biegungen. Wenn der Motor nur für einige Minuten lang ernstlich ver sagt, zerschmettert die Maschine auf dem GletsHer in tausend Stücke. Auf einem hundert Meter langen Filmstreifen und einem Dutzend Plvtten hat Mittel holzer die schaudererregenden Schönheiten dieser ge fährliche» Reise sestgehalten. Nach zweieinhalbstündigem Flug durchschneidet der Propeller in zweitausend Meter Hohe die Luft. Unter dem Apparat erscheint die Hinlopenstraße und , rechts davon der mit Inlandeis bedeckte Nordostteil dieses Gebietes. Bon der 450 Meter hohen Eiswand, die auf Nansens Landkarte verzeichnet ist, ist keine Spur mehr zu sehen, die ganze Insel ist von einer einzigen, nur mäßig hügeligen Eistafel be deckt. Beim achtzigsten Breitengrad biegt der Eisvogel nach Osten. Ilm drei Uhr überfliegt er schon den nördlichsten Teil des Andree-Landes, den Grey Huck, in zweitausend Meter Höhe. Die Temperatur ist er träglich. Sie betrug beim Start in Green Harbour 5 Grad Celsius Wärme und jetzt in 2200 Meter Höhe zeigt das Thermometer noch immer ein Grad über Null. Rechterhand dehnt sich ruhig das offene Meer aus. Hier und dort schwimmt rin vereinzelter Eis berg und in etwa 50 Kilometer Entfernung legt sich dichter Nebel über den glatten Spiegel. Durch diesen Nebelwall hindurch führt der Weg zum Nordpol. Insgesamt bloß 600 Meilen, was für das Flug zeug einen Weg von sieben bis acht Stunden be deutet. Auf einer guten Maschine, bei guter Witte- rung, ist das ein Kinderspiel; aber was tun, wenn gelandet werden muß und die Maschine nicht wieder hoch kommt? Dann gibt es kein Entrinnen «lehr aus der tödlichen Umarmung des Eises. Nach Mittelholzers Ansicht — und diese ist aus schlaggebend, denn sie gründet sich auf die Ergebnisse langer Probeflüge — kann das Ueberfliegen des Polargebietes nur dann gelingen, wenn man eine so große Flugmaschine zu erbauen imstande ist, di? auch alle Hilfsmittel mitnehmen kann, die zu einer eventuellen Rückreise über das Festland not wendig sind. Der Schweizer Flieger hält für diesen Zweck ein Luftschiff, zum Beispiel einen Zeppelin, für geeigneter, obgleich der schnelle Wechsel in den Witterungsvcrhältnissen des Polargebietes den schnellen Flug des Aeroplans erfordert. Um vier Uhr nachmittags grüßte die beiden Flieger, 1500 Meter unter ihnen, die Birgo-Bucht. Von hier aus hatte Andree vor fünfundzwanzig Jahren seine tödliche Ballonfahrt unternommen. Ueber den traurigen Resten seiner Holzbaracken rattert setzt triumphierend der Motor. Hier über dieser Insel bemerkte Mittelholzer, daß. sich über den Westrand von Spitzbergen dichter Nebel legte. In raschem Tempo steuerten sic nun nach Süden und landeten um 6 Uhr 15 Minuten glatt in Green Harbour. . Zu ihrem Gluck, denn einige Minuten später deckte dichter Nebel die ganze Gegend, und hätten sie nur einige Minuten gezaudert, wäre vielleicht auch ihr Flug so kata strophal zu Ende gegangen, wie die Ballonfahrt Andrees. Sechsunddreiviertel Stunden hatte der Eisvogel größtenteils unbekannte Gebiete überflogen und einen zweitausend Kilometer langen Weg zurückgelegt. Henny Porten auf der Sühne Wie? Geht Henny, die von tausend Sehnsüchten kleiner Mädchen Umkreiste, weg aus der Atmosphäre des Films? Ist dieses Gastspiel ein Menetekel? Ist dieses Gastspiel rin Ucbergany oder eine Flucht? Was bedeutet dies, fern von Berlin, mitten in der Provinz, fern von der Spree? Sie tritt in einem Mimodrama von kurzer Dauer im Mannheimer Apollo-Theater aus, das sich „Ein Spiel ums Leben" nennt. Idee und Musik von Clemens Schmalsttch. Er selbst auf dem Kapellmcisterstühlchen. Man kann wohl sagen, eine schmalgrstochcne Idee. Nichts Besonderes, nichts Auf regendes. Pon A dis Z nicht neu, kühn, packend, groß. Henny Porten tritt also gewissermaßen in einem farbigen Nichts auf. In einem (grauenum- zitlcrten) Scherz. In einer kleinen, zuweilen leb haften und nichr übel nxusituntermalten Spirale, in einem artistischen Einsall, der durchaus nicht über raschend ist und den sie auch nicht zur vollkommenen Gestaltung bringt. Dieses Mimodrama gibt Henny Porten Gelegen heit, alle Register einer dramatischen und bewegten Mimik zu zeigen. Sir durchläuft die ganze Skala der Gefühle: Tollheit bis zum Grauen. Verzweiflung, Hoffnung, Angst, Freude, Demut, Ergebung, Erschlaf fung, Leidenschaft, Zärtlichkeit, Verwirrung. Alles das ist da. Bis ins letzte. Alle Gefühlsftadien. Ein Brillantgefühl-Feucrwerk wird gezeigt. Jedes Re gister. Jede Schattierung. Jede Regung. Kreuz- und Querfalten. Große Augen, kleine Äugen, mittlere Augen. Augen der Angst. Augen der Freude. Jede Positur. Jede Schmeichelei. Wir kennen sic, sie sind ja sattsam bekannt. Technische Mache, aber dafür »och lange nicht vollkommen und tadellos. Henny Porten ist eine hübsche Frau. Nicht nur herkömmlich gemeint. Sie ist eine schöne Frau. Aber sie ist eine uninteressante Gestalterin. Richt durch weg, aber in großen Partien. Fabelhafte Schultern blühen bei ihr aus, Schnee schultern, Marmorschultern, weiß und bebend, wie zwei Schwanenslügel. Kristallhafte Zähne blitzen: weiß, klein, blinkend. Ein süßer roter Mund glüht wie ein Blutstropfen im Gesicht. Durch Schminke forciert vielleicht. Geschwungene Sichelmondwimpern: schwarz, schmal, zart. Die Rase klar und fest, die Stirn« frisch, die Augen lieblich, da» Haar leicht und blond: »ine deutsche Juno. Ein guter Kopf, ein anmli igcr Kops mit der Umieandluna in» Mondäne. Sie ist eine liebenswürdige Kreuzung von Frau und 1 Mondäne. Darstellerisch nur formal interessant. Nicht von innert bewegt. Aber äußerlich blendend. Eine sentimentale Deutsche, über die ein mondäner Luftzug hinwegHestrichen ist. Ihre mimische Aus druckskraft ist nicht überragend, wenn auch gekonnt und gut gelernt. Eine vollkommen undämonische Frau. Dämonisch hier in seinem besten Sinne ver standen: als Blutsbesessenheit, Getriebenheit, Ge- ladenheit. Fülle und Erfülltheit. Das ist Henny Porten nicht. Sie hat nur das Außen. Und zu diesem Außen eine kultivierte Routine. Wenn sie auch angeblich Gerhart Hauptmann im Rose-Bernd- Film Tränen in die Augen getrieben har. Knton Seftn,ek. Vas Lhaos auf dem philateUftischen Markt Das Gesamtbild des deutschen Briesnmrken- marktes von heute charakterisiert man wohl am zu- treffendsten mit dem Worte Chaos. Heute sind wir glücklich so weit, daß nicht mehr die Schönheit und Eigenart des Marienbildes den eigentlichen Antrieb zum Sammeln bilden, sonder» die Nebensächlich keiten: Gummi, Papier, Wasserzeichen, Druck, Farbe >md — Fehler! Es gibt gerissene Sammler, die überhaupt nur noch Abarten, Fehl drucke usw. sammeln- Umwertung aller Werte? Ne ri, Dekadenz! Aber nicht das allein stimmt trübe und pessimistisch. Seit Wochen geht ein Platzregen „neuer" Briefmarken über Deutschland nieder: Uebe»rdruckmarken! Völlig planlos werden die verschiedensten, längst außer Kurs gesetzten Nach- kriegsmarken mit neuen Wertangaben überdruckt, um mit der Geldentwertung einigermaßen Schritt zu halten. Mir selbst sind annähernd M verschiedene Ueberdruckmarken zn Gesicht gekommen, und zwar die Werte zn 5000, 8000, 15 000, 20 000, 25 000, :ro 000. 75 000, 100 000, 125 000, 250 000, 400000, 800 000 und 2 Millionen Mark. Einzelne Werre, insbesondere diejenigen zu 20 000. 30 000, 400 000 und 800000 Mark, sind auf drei-, vier- und mehrfach verschiedene Art vorhanden. Auch die Briefmarke hat da» tolle Wetttennen mit dem Dollarteusel ausge nommen. Kein Mensch weiß, wie do» weitergehen soll. Eine Katalogisierung dieser Marken ist kaum möglich. Al» einziger Au »weg erscheint — für di« Postver- waltnng! — die wrrtbeständig« Brief- inartze (Friedensmarke plus Geldentwertungs zuschlag) und — für den Sammler! — da« „Eigen- vermischtes Di« Bucherpolizei auf der Rennbahn. An den letzten vier Renntagen wurden von Beamten der Abteilung des Berliner Polizeipräsidiums auf den Rennbahnen Grünewald und Karlshorst 34 Per sonen wegen Verdachts des gewerbsmäßigen uner' laubten Puchmachens zur Rennbahnwache gebracht. Hier wurde festgestellt, daß mehreren von ihnen das Betteten der Rennbahn vom Rennverein bereits untersagt worden war. Gegen diese Personen ist ein Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs ein geleitet. Die übrigen erhielten den Bahnverweis und wurden von der Rennbahn entfernt. Gegen einige ist außerdem ein Strafverfahren eingeleitet. Auch in der Stadl gelang es, in den letzten Wochen eine große Anzahl von wilden Buchmachern zu überraschen und erhebliche Weltgelder zu beschlag nahmen. Der kinderreichste Mann Berlin» ist jetzt im Bund der Kinderreichen festgeftellt worden, ein 68jähriger Ingenieur G., aus Ostpreußen ge bürtig, der aus zwei Ehen sechzehn lebende Kinder besitzt, von denen das älteste 36 Jahre alt ist unv bereits als Konzertpianistin wirkt, während die Jüngste erst 1>L Jahre zählt. Einige ältere Kinder haben außerhalb der elterlichen Wohnui^ ihre Unterkunft. In dem elterlichen Hause wohnen drei zehn Personen in vier Räumen. Fünf verdienende Kinder geben 10 Prozent ihres Einkommens zum Unterhalt für die unmündigen Geschwister ab, es er gibt sich aber eine Summe, die nur das kärg- lichste Leben gestattet. Da» Frühstück besteht aus einem Aufguß von Kaffee-Ersatz mit trockenem Brot, das Mittagessen aus Agrtoffeln, zu denen bis- weilen eine Beigabe von Gemüse tritt. Fleisch ist seit einemhalben oder ganzen Jahr nicht mehr auf den Tisch gekommen. Da nimmt es kein Wunder, daß nach Aussage der Schulärzte die schulpflichtigen Kinder stark unterernährt sind. Die Mutter fährt mit einem Kinderwagen in den Grüne wald und holt Reisig, sie braucht vier Stunden allein für die Fahrt. Der Mann, der keinen Erwerb mehr hat, wandert zu Fuß tagelang aufs Land, um Kar toffeln und Kohl zu billigerem Preise einzuhandeln. Es gibt eine kräftige Rasse, die sich gegen Not und Hunger so gut es geht noch wehrt; denn der Lebens fern aller Kinder ist von keiner tückischen Krankheit angestossen. Die Kinder sind fast alle musikalisch und technisch begabt, eine Tochrer sogar Doktorin, die Zeiten aber brachten es mit sich, daß sie heute all« in reinen Broterwerbberufen (Telephonistin, Me chaniker usw.) tälig sind. Geschlossene Lebensmitttlstäudt in Berlin. An gesichts der fortgesetzten starken Steigerung der Lebensmittelpreise hat sich der Käufer eine solche Stimmung bemächtigt, daß di« Händler aus Furcht vor Uebergriffen zum Teil ihre Stände ge schlossen tmltrn. D«r Amtsschimmel. Eine Bäuerin in Grafing, deren Mann 1915 tödlich verunglückte, erhielt von vhr landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft unter Aufwand von 2 Millionen Mark für Porto und sonstigen Kosten die Mitteilung, daß sie und ihr« vier Kinder unter 15 Jahren ab 1. Oktober d. I. nur noch 200 Mark (zweihundert Mark) Un fall r en t e erhielte. Di« Hauptsache scheint hier auch zu sein, daß nur das Personal der Berufs genoffenschaft genügend befchäftigr wird und der Amtsschimmel aus seiner gewohnten Gangart nicht herausgebrachl wird. Keine Gütersperre nach Hamburg. Zur angeb lichen Sperrung des Güterverkehrs Berlin—Ham burg teilt die Reichsbahndirektion Altona mit, daß diese Mitteilung unrichtig sei. Es besteht keine Sperre irgendwelcher Art für den gesamten Ham burger Verkehr. Infolge des Hamburger Transport- arbeiterstrciks vom Ä. September war für die Groß-Hamburger Bahnhöfe eine Annahmesperre am 2. Oktober ausgesprochen, am 4. Oktober jedoch wieder aufgehoben worden. Eia Heiratsschwiadäer. Ein erfolgreicher Heirats schwindler wurde mit noch nicht bekanntem Namen in München, wie von dort berichtet wird, ver haftet, der sich Herbert Alfred Stiller. Rudolf Bruch, Album", d. h. das Sammeln nach rein individuellen Gesichtspunkten. Viele Sammler sind angesichts der beängstigend anwachsenden Markenflut bereits dazu übergegangen, auf Bogen oder Pappen zu sammeln. Jedenfalls ergibt sich bei der Zusammen stellung von Ueberdruckmarken ein so bunres Mosaik, daß man nicht weiß, wie und wo man die einzelnen Marken eingruppieren soll. Der Wert dieser Ueber druckmarken läßt sich in keiner Weise abschätzen und übersehen, doch ist das Ausland, wie man hört, eifrig hinter ihnen her. Dem Deutschen hingegen ist das systematische Sammeln von Auslandsmarken, sofern er nicht selbst Palutarier ist, so gut wie unmöglich. Dennoch haben einzelne alte de.ltsche Marken heute einen "Wert, von dem sich die meisten keine Vor stellung machen. Wieviele alte Leute mag es geben, die nicht wissen, wie sie sich durchs Leben schlagen sollen — und die vielleicht in einer* Bodenkammer unter alten Briefsachen Markenwertr besitzen, die sie mit einem Schlage wieder „wohlhabend" machen könnten. Ich will nur einige Favoriten heraus- greifen. Neulich zeigte mir ein Freund eine deutsche Friedens - 5 - mit kopfstehendem Mittelstück und Aufdruck „Danzig", für di« ihm 250 Dollar geboten wurden. Das ergibt bei einem Dollarstande von 3 Milliarden das auch heute noch erklecklich« Sümmchen von 750 Milliarden! Die rote Dreier- Sachsen hingegen wird im Katalog mit 7000 Schwei zer Franken bewertet. Welch' astronomische Zahl in Papiermark dabei I-eraiiskommt, mag sich jeder selber misvcchnen. Kett. Wie sich ein Dichter Hilst. . . Linen neuen Weg hat der Dichter Hermann Hesse eingeschlagen, um sich in dieser für den freien Schriftsteller so schwe ren Zeit zu behaupten. Wie die „Autographen- Rundschau" erfährt, schmückt Hesse seine Handschriften mit Aquarellen, bindet sie in einen selbstrnt- worsenen Umschlag und stellt die Urexemplare zum Verkauf. Gewöhnlich faßt er zwölf handgeschrie- bene Gedichte und Zeichnungen oder eine kalli graphisch auf Büttenpapier geschriebene Novelle zu Heften zusammen. (Nur die Not rechtfertigt eine solche kunstgewerbliche, auf Snobbinstinkke spekulie rende Spielerei.) Das österreichisch« -Ustwerk. Au» Lien wird gedrahtet: Nach einer Mitteilung de» Journalisten verein» Concordia ist von ihm bereit» vor einiger Zeit rin Hilf»werk für notleidende deutsche Schrift steller ringelritet worden, für da» namhaft« Beträge l Kurt o. Rexdorf und Dr. Sairdner rurnnte. Als an geblicher Deutschamerikaner aus Chikago lernte er auf einer Bahnfahrt noch Berlin eine junge Ber linerin kennen, mit der er sich verlbbte. Den Eltern seiner Braut hat er im Altgust für 200 Millionen Mark Schmucksachen gestohlen, in Dresden den Eltern einer anderen Braut Gegenstände für eine Milliarde, desgleichen in Nürnberg 600 Rttllionen Mark. Zuletzt hat er am Ammersee bei München einen ähnlichen Heiratsbetrug ausgeführt und ist darauf in München verhaftet worden. Der »Apostel" lebt. Der Wanderprediger Louis Häußer, der totgcsagt wurde, hat, wie jetzt be kannt wird, das Zeitliche noch keineswegs gesegnet. Sein Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Schwindt be stätigt, daß er den „Apostel" erst Freilag im Lazarett des Untersuchungsgefängnisses Moabit besucht habe, Häußer lebt, wenn er auch krank ist, und es soll des halb für ihn ein Haftentlaffungsanttag gestellt wer den. Die gegen Häußer von einem oldenburgischen Gericht verhängte Gefängnisstrafe von einem Jahre wegen Vergehens gegen das Gesetz zum Schutze der Republik vrbüßt H. in Moabit. Schnee in den Vogesen. In den Vogesen siel nachts Schnee. An manchen Stellen erreichte er nach einer Nachricht aus Straßburg 30 Zentimeter Höhe. Selbstmordversuch der Prinzessin Luise. Aue- Paris wird gemeldet, daß die Prinzessin Luise von Koburg, untröstlich über den Tod ihres langjährigen Freundes, des Grafen Dkattachich — wir haben über das tragische Ende dieses Liebes romans berichtet —, einen Selbstmordver such verübt habe. Plan habe sie jedoch überrascht und das Schlimmste verhindert. Die Leiche Matta- chichs ist in eircer kleinen Pariser Kirche aufgebahrr. Die Prinzessin wollte täglich an dem Sarge beten, aber die Aerzte hinderten sie, das Hotel zu ver lassen. Sie soll Verhandlungen mit der tschecho slowakischen Regierung eingeleitet haben, um den Verstorbenen in die Tschechoslowakei überführen zu lassen, da Mattachich tschechoslowakischer Staats bürger ist. Die Prinzessin Luise roll! nach der Be stattung nach Ungarn übersiedeln. Lhiuestsche Sklavenhändler. In den südchinesischcn Provinzen Kwangtung und Kwangsi nehmen die Gewalttaten der Räuberbanden immer gefährlichere Formen an. Der Bezirk Pakhoi insbesondere ist der Tummelplatz einer Bande von 9000 Banditen, die mit Mausergewehren bewaffnet sind, keinem Führer gehorchen und die Dörfer brandschatzen. Nachoem sie die Männer ermordet haben, führen sie die Frauen und Kinder fort, um sie im Lande selbst zur» festen Preis von 4 französischen Franken für das Pfund zu verkaufen oder die Deute auf dem Wasser wege nach anderen Provinzen weiterzubcfördern. Japanische Wiederaufbauarbeiten. Der „Temps" meldet aus Tokio, daß die Wiederaufbauarbeiten dort sehr rasch vorangehen, und daß die Landes regierung nunmehr auch wieder an den wirtschaft lichen Wiederaufbau des Landes dachte. Das ein monatige Moratorium ist mit dem 10. Oktober ab gelaufen. Die Dank von Japan erleichtert dafür den Privatbanken die Einräumung von Krediten in weitestem Maße, und zwar wird sie für die nächsten zwei Jahre bis zu 100 Millionen Pin zur Der- fügung stellen. Die Versicherungsgesellschaften gegen Feuer sind gleichfalls von allen Zahlungs verpflichtungen entbunden worden, aber die öffent liche Meinung geht dahin, daß sie wenigstens die Feuerversicherungen in Höhe von 2400 Millionen Pen bezahlen sollten. Diese Angelegenheit ist indessen noch nicht spruchreif. Ein besondere» Wiederaufbau ministerium ist soeben unter Leibung des Viscount Goto, des Innenministers, geschaffen worden. Eine Liebestragödie größten Umfanges spielte sich in Konstantinopel bei der Abfahrt des französischen Dampfers niit dem Rest der französischen Pesatzungs- truppen ab. Tausende von Griechinnen und Armenierinnen hatten sich in Trauerkleidung ai» Kni angesammelt. Als der Dampfer unter de» Klängen der französischen Nationalhymne sich in Be wegung setzte, brachen die zurückbleibenden Bräute in ein heftiges Weinen und Wehklagen aus. Viele von ihnen versuchten sich in das Wasser zu stürzen. Die türkische Polizei, die rechtzeitig eingrcifen konnte, vermochte aber diesen Massenserbstmord der verlassenen Bräute zu verhindern. bereits gesichert sind. Die Mitwirkung eines Ber liner Hilfskommiteee soll die gerechte und sachgemäße Verteilung der Spenden verbürgen. Eintritt — eia« Preßkohle. Die Arbeiter- Kunst-Ausstellung in Berlin eröffnet am 21. Oktober eine Ausstellung von Werke» bekannter Maler und von Arbeiterkünstlern. Als Eintrittsgeld wird — eine Preßkohle gezahlt. Wenn der Besuch sehr rege sein sollte, könnten sich daraus Schwierigkeiten für geeignete Kassenräumc ergeben. Boshafte» au» MusUerkreiseu. Man spricht in einer Gesellschaft über den offenen Brief, den un längst ein Mahlerüirigent an den Mahlerdirigentcn Bruno Walter gerichtet hat, worin er ihm un lauteren Wettbewerb vorwarf. Dieses Vorgehen charakterisiert kurz und präzis ein Gutgelaunter mit folgendem Ausspruch: „Die Zeit, in der die Nullen so wichtig sind, ist ihm zu Kopfe ge stiegen." , Der Mann, der zahlt. Ohne sich dessen bewußt zu sein, hatte er das sichere Auftreten des Mannes, der zahlt und der überzeugt ist, daß man ihn achtet. Dieses Auftreten läßt sich mit nichts in dieser Welt vergleichen, es ist durch nichts zu ersetzen, und nichts kommt ihm nahe. Don zwei Menschen, die zusammen im Restaurant essen, läßt sich der, welcher zahlt, am schwersten auf seinen Stuhl fallen. Die Lehne kracht unter seinem Druck, er ruft den Kellner mit lauter Stimm« und schimpft über die zu braune Ente und die schlecht gebackenen Fische. In einem Tabaksladen sucht der, welcher zahlt, am längsten nach der gewünschten Zigarre und stößt di« Kist« mit der größten Heftigkeit zurück, während er sich bitter über die Monopolwirtschaft beklagt. Der eingeladene Freund begnügt sich, zu lachen und zündet an, was man ihm gegeben hat. Bei einer Frau von leichten Sitten ist es wiederum der Zahlende, der seine Stie fel an den Kissen des Sofas abwischt, der feine Hosenträger lockert und seine Weste aufknöpft, um es sich behaglich zu machen. Er faßt auch in Degen- wart der Herrin d«» Hause» die Kammerjungftr um di« Taill«, kaut an seinem Zahnstocher, lacht über seine eigenen Witze und gibt Schweinereien -um besten. E» leb« der Mann, der zahlt! Seine Anmaßung rechtstrttat sich durch di« Feilheit alle» dessen, was man kaust, und sein Selbstvertrauen durch den Eifer, mit dem man alle» zu seiner eVrfügung stellt. Ihm die Ehre! Ihm der Ruhm! Hut ab, mein« Herren, er ist unser aller Gebieter! Gustav« Sia«»«rt in und Heue-.'