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^»KerderikZrt Gute und böse Suhlen Die merkwürdige Rolle, die im klassischen Alter tum die Zahl Sieben spielte, ist ein Erbteil der babylonischen Kultur. Sonderbarerweise ist die Eiebenzahl auch in Japan von Einfluß auf das Kulturleben, wozu noch die Multiplikationen, dieser kommen. Sieben ist in Japan eine Glückszahl, des- ualb geht 21 Tage nach der Geburt (3 mal 7 Tage) die Mutter mit dem Säugling in einen nahe- gelegenen Tempel. Bei dieser Gelegenheit, die keinerlei religiöse Zeremonien nach sich zieht, erhält das Kind papierene Hunde, mit denen es später spielt. In Japan feiert man die Geburtstage nur in der Kindheit, berechnet das Alter aber nach Jahr- gängen, so daß ein am 29. Dezember ge borenes Kind am 1. Januar bereits zwei Jahre zählt. Im siebenten Lebensjahre werden die Kinder, die bis dahin zusammenlebten, getrennt und in die Schulen geschickt. In den Volks schulen bleibt man bis zum 14. Jahre, eine Ein richtung, die bereits vor der Annahme europäischer Lebensformen bestand. Außer der einfachen 7 sind aber sonderbarerweise alle Zahlen, die mit 7 endigen, wie 17, 27 usw., Unglückszahlen. Gewisse numerische Verhältnisse müssen beobachtet werden zwischen dem Alter von Mann und Frau in der Ehe. Man soll nicht heiraten, wenn ein Verhältnis des Alters 3 und 9 Jahre Zwischenraum sind, also soll ein Mann von 21 Jahren nicht ein Mädchen von 13 heiraten, noch ein Mann von 26 ein Mädchen von 17. Die Heirat eine« Mannes mit einer auch nur ein Jahr älteren Frau ist in Japan undenkbar, das Der- hältnis, welches wir in Europa oft erleben, Heirat einer Frau mit einem bedeutend jüngeren Mann kommt in Japan nicht vor, weil der spezifisch europäische Anreiz fehlt, denn in Japan gibt es keine Mitgift, und der Mann muß unter allen Umständen für seine Frau sorgen und hat keinen Anspruch auf iHv Geld, im Falle sie etwas von Haus aus besitzen sollte. Ausfallende Züge Die Reichsbahndirektion Halle gibt bekannt: Wegen Kohlcnmangels fallen mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres folgende Züge fort: V24 Berlin (ab 7.10 abends) —Leipzig (an 9.58 abends) —München (an 7.39 vormittags); v 70 Berlin (ab 7.25 abends) —Halle (Saale) (ab 10.05 abends) — München (an 7.45 vormittags); v 25 München (ab 11.05 abends) —Leipzig (ab 8.35 vormittags) — Berlin (an 11.17 vormittags); v 71 München (ab 7.15 abends) —Halle (Saale) (ob 4.42 früh) — Berlin (an 7.30 vormitt^s). Solange v 25 nicht verkehrt, hält O 155 (Passau)—Leipzig—Berlin 1 Minute in Witten berg (8.14/15 vormittags). Eibzug 170 zwischen Leipzig (ab 6.40 vor- mittags) und Nürnberg (an 1.30 nachmittags) und Eilzug 169 zwischen Nürnberg (ab 3.46 nach- mittags) —Leipzig (an 10.47 abends); Eilzug 128 Halle (Saale) (ab 6.20 vormittags) -Weißen- fels (an 7.03 vormittags) —Saalfeld und Eil» zug 1^7 Saalfeld—Weißenfels (ab 9.49 abends) —Halle (Saale) (an 10.32 abends^ h. Gültigkeit der Fahrscheinhefte de» mitteleuro päische« Reisebureau«. Bei künftiger Fahrpreis- erhohung wird die Gültigkeit aller vor der Er höhung gelösten Fahrscheinhefte des mittel europäischen Reisebureaus, die sonst 60 Tage be- trägt, bis auf weiteres bis zum dritten Tag der Erhöhung herabgesetzt Gegen Nachzah lung des Preisunterschieds vor Antritt der Reise oder Weiterreise bei einer Ausgabestelle des mittel europäischen Reisebureaus oder einer größeren Fahrkartenausgabe werden die Fahrscheinhefte jedoch auch nach diesem Tage innerhalb der trifmäßiyen tOOtägigen) Gültigkeit zur Benutzung zugelassen. Ileber die Nachzahlung wird ein Ergänzungsschein oder ein« Ergänzungsfahrkarte ausgefertigt. Zur Kaust man noch Bücher? Sine Rundfrage unter Leipziger Sortimentern - Wie es -ei einer Schlüsselzahl von 6 Millionen aussieht Vermeidung von Erschwernissen an den Bahnhofs schaltern wird den Reisenden dringend empfohlen, di« Nachzahlung möglichst am Tage vor der Ad- reise und vorzugsweise bei den Ausgabestellen de« mitteleuropäischen Reisebureaus (die sich in allen größeren Städten befinden), zu bewirken. Stadtversrduetea-Sitzung. Freitag abend 6 Uhr findet im Sitzungssaal de» Neuen Rathauses, Haupt geschoß, Eingang vom Burgplatz, eine öffentliche Sitzung der Stadtverordneten statt. (Tagesordnung sieh« amtliche Bekanntmachungen.) * Di« Leipziger Schulgeldsätze. Da der Staat eine Neuregelung der Schulgeldsätze getroffen hat, hat der Rat beschlossen, die den Stadtverordneten in der gleichen Angelegenheit bereits unterbreitete Vor lage zurückzuziehen und sich dem Vorgehen des Staates anzuschließen. 263 Milliarden! 133 000 Tschechokronen für hungernde Kinder in Deutschland Wie wir bereits mitgcteilt haben, sind von dem Ergebnis der deutsch-böhmischen Sammlung für hungernde Kinder im Reiche, die unsere Prager Mit eigentümer, der. Verlag Heinr. Mercy Sohn, im Ein vernehmen mit uns veranstaltet, 10 000 Tschecho- kronen an den bekannten Leipziger Kinderfreund, Herrn Ernst John, zur Weitergabe im Sinne der Sammeldevise ausgehändigt worden. Herr John wird vornehmlich gemeinnützige Institute und hilfsbediirf- tige Kinder Leipzigs und seiner Umgebung* bedenken und hat dieserhalb schon Schritte getan. Zu unserer Genugtuung können wir heute ergänzend mitteilen, daß weitere 20 000 Tschechokronen in erster Linie für Leipziger und sächsische Kinder verfügbar sind, so daß sich die Summe für unsere engere Heimat auf 59 Milliarden erhöht. Ueber die Verteilung im ein zelnen werden wir demnächst Bericht erstatten. Der elfte Spendenausweis der Sammlung schließt mit 133 306,88 Tschechokronen und 107 313 301 Mark. Die Lohnsteuer. Das Finanzamt Leipzig-West (IV) schreibt uns: Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß die Arbeitgeberabgabe am 5., 15. und 25. eines jeden Monats, also gleichzeitig mit der Lohnsteuer, an das Reich abzuführen ist, und zwar in bar oder durch Ueberweisuna auch von denjenigen Abgabe pflichtigen, die die Lohnsteuer durch Verwendung von Steucrmarken abführen. Die Abführung hat je weils für die dem Fälligkeitstag oorausgegangcne Monatsüekade zu erfolgen. Erstmalig am 15. Sep tember ist also das Doppelte der in der Zeit vom 1. bis 10. September einbchaltenen Lohnsteuer neben dieser zu entrichten. Sind Lohnsteuer- betrüge in der Zeit vor dem 1. September einbehalten und nicht spätestens am 31. August im Ueberweisunqs- verfahren oder durch Verwendung von Steuermarken an das Reich abgeführt worden, so ist auch von diesen Beträgen die Arbeitgeberabgabe zu entrichten. Fällig, keitstermin für diesen Abgabebetrag war der 10. Sep tember-. Einweihung der Siedlung Reuheida bei Probst heida. Am Sonntag fand unter reger Anteilnahme von Freunden und Interessenten des Siedlung«, gedankens die Einweihung der Siedlung „Neuheida" bei Probstheida statt. Der Allgemein« Gesangverein „Frischauf" in Lößnig umrahmte die Veranstaltung mit seinen Liedern. Zahlreich einlaufende Glück wünsche von der Regierung und dem Rat der Stadt Leipzig, sowie anderer interessierter Be hörden, gaben Zeugnis von dem regen Interesse, das von allen Seiten der Siedlungsbewegung entgegen gebracht wird. Der Siedlunqsverein hofft, trotz der schwierigen Finanzverhältnifle, die vier errichteten Siedlungswohnungen mit Hilfe der Stadt noch vor Einbruch des Winters fertig stellen zu können. In der Festansprache kam zum Ausdruck, daß es der Siedlungsgesellschaft gelungen ist, nach dreijährigem schweren Kampfe das Ergebnis in Gestalt der vier Wohnungen als Erfolg buchen zu könne«. Als ich einen der wohleingerichteten Leipziger Buchläden betrat, um mich zu informieren, wer denn bei einer Schlüsselzahl von 6 Millionen (die aller Voraussicht noch übermorgen auf 9 Millionen klet tern wird) noch Bücher kauft, sah ich einen Japaner, der sich mit seüwn Brillengläsern tief in einen Berg von Büchern hineinfraß und einige nicht unbeträcht liche Aufträge erteilte. O weh, dachte ich, steht e/r so, ist dies die Antwort? Sie wäre zumindest sehr einseitig. Auch das Geschäft mit dem Ausland ist sehr still geworden, zum Teil sogar eingeschlafen; denn der ausländische Käufer, der allerdings jahrelang durch die Billigkeit des deutschen Buches sehr verwöhnt worden ist, möchte für wenig Geld gern die ganzen Buchläden aus kaufen; und das geht nicht mehr. Aber Die deutsche Kundschaft liegt uns (wenn auch nicht dem Buchhändler) mehr am Herzen als das Auslandsgeschäft, das übrigens im wissenschaftlichen und im kostbaren Buch durchaus nicht tot ist. Der deutsche Buchkäufer ist von: ständigen Trommelfeuer der Schlüsselzahlen noch nicht völlig begraben: er lebt noch, er atmet noch schwach. Wie lange, das ist eine Frage weniger der Schlüsselzahl als der allgemeinen Wirtschaftsverhält- nissc. Der deutsche Buchkäufer ist vor allem Bcdarfskäu- fer. Lr schafft sich nur jene Bücher an, die er zu seiner beruflichen, wissenschaftlichen und geistigen Weiter bildung nicht glaubt entbehren zu können. Die Wissenschaft, soweit sie beamtet und hoch bezahlt ist, auch die Vertreter der Jurisprudenz in hohen Aemtcrn, Mediziner, die einen Lehrstuhl und über- die eine gute Praxis haben, kurzum die Arrivierten sind noch immer Käufer für wissenschaftliche Lite- ratur. Ganz düster aber sieht es beim akademisch«« Nachwuchs aus. Einer der größten wissenschaftlichen Sortimen ter, wenn nicht der größte, entrollte ein Zukunsts- bild von äußerstem Pessimismus. Unsere Stu- dent en sind zum größten Teil einfach nicht mehr in der Lage, sich die grundlegenden, für ihre beruf liche Ausbildung unentbehrlichen Bücher anzuschaffen. Ein Beispiel: der anatomische Handatlas von Spalte holz, den jeder Student der Medizin besaß und be- sitzen muß, wie der Abc-Schütze seine Fibel, kostet über eine viertel Milliarde! Kauft er etwa noch, um nur die wichtigsten Karinalwerkc dieser Disziplin zu nennen, Bumms „Geburtshilfe" und Strümpells „Spezielle Pathologie" dazu, so beansprucht dies eine Kapitalsanlage von fast einer Milliarde. Das be deutet praktisch das Ende des Medizin studiums. In der Tat sind die Rückgänge ganz erheblich. Nicht minder verhängnisvoll wirken sich diese Verhältnisse in der Chemie aus. Ohne dcn Besitz einer bescheidenen Zahl von Lehrbüchern sind die Studenten einfach nicht in der Lage, ihre Prü fungen abzulegen. Gerade für das Studium der Medizin, der Ehemie und Naturwissenschaften sind die neuen wissenschaftlichen Werke und die Neu auflagen, die den letzten Stand der Forschung berücksichtigen, unentbehrlich. Die Verhältnisse sind so weit gediehen, daß man von einer schwerste« Bedrohung der kommenden Wissenschaft- licheu Leistungsfähigkeit sprechen kann; wenn man auf die gründliche wissen schaftliche Ausbildung unserer Jugend zurückblickt, die Deutschlands Stolz war, ein doppelt schmerzliches Faktum. Das Buch als Geschenkwerk hat seine Rolle fast ausgespielt, we'l das Schenken überhaupt heut zutage immer mehr in Verfall gerät. Der Absatz belletristischer Werke bekommt das tüchtig zu spüren. Da man aber doch nicht ganz um die Notwendigkeit herumkommt, zu schenken, und weil eine Bonbonniere bedeutend mehr, ein Blumenstrauß mindestens ebenso viel kostet wie ein Buch, so hat der Sortimentsbuch handel doch noch leise Hoffnungen, daß auch dieser Zweig des. Geschäfte nicht ganz verdorren wird. Der Durchschnittsroman wird aber zweifel los etwas ins Hintertreffen kommen, da mau bei der Wahl des Buches sehr sorgfältig wägen-und das nützliche, belehrende Buch auch beim Schenken stärker berücksichtigen wird. Daß auf dem Gebiet der mehr oder weniger schönen Geschcnkliteratur nicht mehr so viel Neuheiten gedruckt werden, darüber kommr nicht nur der Buchhandel, sondern auch das Publikum mit Leichtigkeit hinweg. Wenn der neue Courth-Mahler-Roman fehlt (er wird leider nicht fehlen), dann werden die Leute eben etwas anderes lesen, und vielleicht sogar Stifter lind Gottfried. Keller. Auch ein allgemeines Uebel kann schließlich wertvolle kulturelle Wirkungen haben. Wie wirkt da« Inkrafttreten einer neuen Schlüsselzahl aus das Publikum? Zunächst fährt der Schreck dem Sortimenter in die Glieder, da an dcn Tage» der neuen Schlüsselzahl sein Geschäft meist noch leerer steht als sonst, also fast «in Vakuum bildet. Das Pn- blikum ist im Grunde schon sehr abgehärtet und erholt sich verhältnismäßig rasch von jeder neuen 'ächlüsscl- zahl-Lrhöhung. Man kaust womöglich an jenem Tage, an dem keine Schlüsselzahl herauskommt, in der ganz richtigen Spekulation, daß das, was man heute kauft, noch billig ist, weil morgen, spätestens übermorgen ja sowieso die neue Schlüsselzahl heraus kommt. Ausländer benützen mit Vorliebe den Tag einer überraschenden Dollarhausse als Kauftag. Der deutsche Vuchkäufer hat sich, wenn auch grollend, mit dem Buchschlüssel abgcfundrn. Wenn er Zeit hat, möge er sich hinsetzen und sich mal dcn Butter-, Margarine-, Eier- und Kartoffelschlüssel aus rechnen, denn auch diese Produkte haben einen Multi- plikator, und nicht zu knapp. Mit diesen Schlüsseln kann der Buchhändler immerhin noch sehr gut kon- kurrieren. Aber leider kann das Buch nicht mit dcn Kartoffeln konkurrieren... Dennoch, cs gibt einc treue, zum Teil neue Käuferschicht, die un- «ntwegt zum Buch hält und den nur irgendwie ent bchrlichen Teil des Einkommens an die geistige Nah ruiH wendet. Auch die Arbeiterschaft, soweit sie voll beschäftigt ist, tritt jetzt stärker als Käufer auf. Der Ausfall im Inlandsgcschäft, den besonders das wissenschaftliche Sortiment schmerzlich empfindet, wird zum Teil durch den Auslandsabsatz wett ge macht. Die Belieferung deutscher Institute und Bi bliotheken durch ein bekanntes großes Leipziger Sor timentsgeschäft ist infolge der Notlage der Unio-'r- sitäten und Bibliotheken fast zum Stillstand ge kommen; hingegen sind die großen Indnstrieunterneh- mungen der angewandten Chemie mit ihren Labora torien noch immer ständige Abnehmer der einschlä gigen wissenschaftlichen Neuheiten des In- und Ans- landee. Seitdem das deutsche Buch den Weltmarkt preis erreicht und sogar überstiegen hat, ist der Rückgang de» Auslandsgeschäfts unverkennbar, und zweifellos macht Frankreich und England mit Erfolg Anstrengungen, sich den frei gewordenen Platz auf dem internationalen Büchermarkt zu erringen. Frankreich produziert, zum guten Teil zu Propagandazwecken, Bücher, die um 120 Prozent billiger sind als das deutsche Buch. Die wertvolle pädagogische und naturwissenschaft liche Literatur Amerikas fetzt sich im Ausland immer mehr durch. Und die neuen Reichen? Kauft Raffke keine Bücher mehr? Der Bedarf der Herrschaften scheint zum größten Teil gedeckt zu sein. Die intar- siertcn Bretter ihrer geschnitzten Prachtbibliothrkcn sind gefüllt, und um zu lesen, kauft dieser Typus keine Bücher. Ueberdies ist das Geld — so paradox es klingt — knapp, auch dort, wo's in Strömen Meßt. Jedenfalls ist die Kapitalsanlage in Bütten und Maroquin sehr zurückgcgange». Wer weiß, worin jetzt diese Herrschaften ihr Geld anlegen; viel- leicht in Automobilen und Sekt; auch das müssen wir noch heraus bekommen.... ks. dt. Schulsünden Don kckusrck BkaNveft Die Nadel Ich trete in die Klasse meiner 17jährigen Fort bildungsschüler, steuere auf das Katheder zu und fetze mich. Oder vielmehr ich will mich setzen; denn im Setzen spüre ich einen heftigen Stich, halte noch rechtzeitig ein, beherrsche mein Gesicht, sehe mir die Eitzfläche des Stuhle« genauer an und — entdecke eine Nadel, eine Stecknadel im Rohrgeflecht, kunstgerecht mit der Spitze nach oben angebracht. Ein Blick auf die Klasse hat mich überzeugt, daß das Gros der Schüler nichts von der Sache weiß. Was tun? Mit einer Gerichtsverhandlung die Stunde totschlagen? »Hier eine Nadel;" sage ich, nehme die Nadel, zeige sie kurz der Klasse und lege den Gegenstand der Untat auf da» Pult. Schweigen! „Eine Radel!" — wiederhole ich, indem ich das Ding nochmals Hochhalte, .eine Nadel in der Sitz, fläche des Stuhles!" Schweigen! „Sie wissen," fahre ich fort, „ich bin kein Freund von langen Verhandlungen, ich frage also kurz, ob derjenige, der die Nadel in den Stuhl gesteckt hat, sich melden will." Schweigen! Schweigen meinerseits. Immer noch Schweigen. „Dann also nicht!" sage ich und lege die Nadel ruhig ein Stück weiter nach recht» auf dg» Pult," reden wir also weiter vom nordamerikanischen Eisenbahnsystenl. Da steht einer auf! Walter Trautmann, ein offener, prachtvoller Bursche, sollte der etwa —? Kaum glaublich! „Was wünschen Sie, Trautmann?" Er: „Ich bin es gewesen!" (Ich, den Kopf schüttelnd): Nein!" Er: „Doch!" Ich: Lieber Trautmann, Edelmut ist ja eine sehr schöne Sache; aber man soll andere nicht für dumm halten! Sie wollen die Peinlichkeit hier überwin den und für den Sünder eintreten! Sehr hübsch von Ihnen, mein Zunge; aber mir wollen Sie doch nicht einreden, baß Sie mir, ausgerechnet Sie mir..! Er: „Ich war's wirklich!" (Sollte er wirklich?) Ich: „Geben Sie sich keine Mühe Trautmann, setzen Sic sich! Ruhig! Setzen Sie sich jetzt! Also die nordamerikanische..." Am Schluß der Stunde übergebe ich die Nadel dem Klassenältesten und erkläre ihm, die Sache sei für mich erledigt. In der Pause klopft's an die Tür meines Amts- zimmer». Herein tritt — Walter Trautmann. Er (etwas gedrückt): „Ich bin es wirklich ge- wesen! Ich: „Trautman«, wie soll ich Ihnen das glauben?" Er: „Wirklich!" Er ist sehr verlegen. „Haben Sie Zeugen?" frage ich endlich. Nun weiß er gar nicht mehr ein und au». — Zeugen! Dafür, daß er es gewksen ist! Wo wäre ich jetzt, wenn ich die Geographiestunde zur Unter- suchung benutzt hätte? „Ja," sagt er endlich, „Schuhmann hat es ge. sehen" und er will zur Tür gehen, Schuhmann zu holen. . „Halt," ruf ich, „ich glaub'» Ihnen so, Sic haben mich noch nie belogen." „Herr..., ich..." „scht - Stille!" „Also Sie — Sie Trautmann, haben mir — die Nadel —?" „Wissen Sie eigentlich, was Sie da getan haben? — Sehen wir einmal von der Möglichkeit einer Blutvergiftung, Oberschenkelamputation und dergl. ab. Daran haben Sie natürlich nicht gedacht. Aber wissen Sic, daß mich da» einen Knax in meiner De- ruf»auffaffung hätte kosten können? Verstehen Sie? Daß irgendein Lausbub mir einc Nadel.... da» könnte mich nicht umrennen; aber, daß mir da« in Ihrer Klaffe passiert — und in Ihrer Klaffe von Ihnen! — Haben Sie eine Ahnung, was Sic mit so etwas anrichten können, Junge?" „Jetzt schon!", sagt er mit ziemlich verdattertem Gesicht. „Schön!" — dann wären wir ja einig! Aber nun sagen Sie mir mal bitte, wie soll ich Sie eigentttch bestrafe«? „Soll ich Ihnen dafür „Arrest"? oder soll ich Sie hundertmal aufschreiben lassen: Man darf seinem Lehrer keine Stecknadeln in den Stuhl pieken? Sehen Sie, das ist das zweite, was ich Ihnen vor- werfe, mich in diese Situation zu bringen, so etwas bestrafen zu sollen!" Er macht ein klägliches Gesicht und versucht etwas zu sagen, was ihm aber im Muyde steckenbleibt, ihm ist die Sache offensichtlich fatal. „Weiß schon," fahre ich fort, „das ist nicht irgend wie sinnvoll zu bestrafen, ganz recht! Wenn ich aber nicht strafe, dann sagen die andern: Naja: weil's in der 1b ist! Und ich bin der Ungerechte. Also sagen Sie mir Trautmann, was soll ich mit Ihne« machen?" „Es tut mir wirklich leid", sagt er darauf treu herzig, „bestrafen Sie mich doch irgendwie." „Irgendwie! Nein, Trautmann! Ich werde Sie nicht bestrafen! Für uns beide ist die Geschichte er ledigt, — und formal strafe ich nicht!" „Aber..." „Die Ungerechtigkeit?" „Ja!" „Nehme ich auf mich! Wenn s meiner Disziplin nichts schadet, kann ich mir auch mal eine sogenannte Ungerechtigkeit leisten. So, gehen Sie jetzt," Er druckst noch eine Weile herum. „Ich weiß, was Sie sagen wollen," und gebe ihm die Hand. Er drückt sie, als wolle er etwas versprechen. „Aber," sage ich „vergessen Sie diese 5 Minuten nicht, die sind wichtiger als die ganze Nadel- grschichie!" „Nein," sagt er. Die Karikatur Ich gebe Unterricht in Handelskorrespondenz, nachmittags von drei bis vier im Sommer. Die Klaffe entwirft einen Brief an Stollmann und Co. Ich gehe zwischen den Bänken wachsamen Auges umher. Von der Hinterwand komme ich den Mittel gang entüanq und stehe hinter Albert Schön; der schreibt eifrig seinen Dries an Stoltmann und Co. und bemerkt mich nicht. Neben seiner Linken liegt sein Löschblatt, auf dem zwei Karikaturen von m«inem Kopf — eine im Profil, eine an lac« zu sehen sind. Ah werd« nachdenklich Aber sie sind gut, der Bursche hat Talent! Und schließlich...? Dann tue ich den nächsten Schritt, tippe mit dem Finger auf das Ln-iace-Bild: „Das ist besser!" sage ich leise und gehe weiter, ohne mich umzuschn. Als ich wieder vorbcikommc, ist —das Löschblatt weg. Schön schielt mit rotem Kopfe vorsichtig zu mir herüber. Da ich lache, lacht er auch und da ist etwas, was pädagogisch viel wichtiger ist als der Brief an Stoltmann und Co. Frederic Lamond verabschiedete sich „vor Antritt seiner Amerikareise" mit einem Beethovenabend. Das Spiel des von einer sehr großen Zuhörerschaft gefeierten Schotten hat an Tiefe und Größe noch gewonnen. Aufs neue mußte man diese Künstler persönlichkeit ob ihrer hervorragenden Fähigkeit, sich ganz in den Stoff zu vertiefen und aus innerstem Erleben heraus alles eindringlich zu gestalten, be wundern. So war die Wiedergabe der einzelnen Werke nicht bloße Reproduktion, kam vielmehr einem Neuschaffen gleich. L. kk. Bon der Thüringischen Landesuniversität. Mit dem Beginn des Wintersemesters 1923/21 ist an der Thüringischen Landesuniversität in Jena ein' rechts- , und Wirtschaftswissenschaft- ichc Fakultät errichtet worden, die aus einer e für ihren Fachbereich selbständigen rccbtswisscn' chaftlichcn und wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung resteht. Mit dieser Neuerung ist die selbständige Entwicklung der Rechte- und Wirtschaftswissenschaft gewährleistet, deren Pflege eine besondere Aufgab: her Universität Jena im Sinne Abbes sein wird. Ei« neue« musikalisches Wunderkind. Ein Knabe, der bereit» mit acht Jahren Lieder, Sonaten und sogar Fugen komponiert hat, erregt in England große« Aufsehen. Es ist Anthonn Carey LeSvis, der Sohn eine» Majors aus Salisbury. Der Knab: zeigte schon mit drei Jahren eine besondere Begabung fiir Musik. Sobald er die Notenschrift erlernt hatte, fing er an zu komponieren und bedeckte^ während er auf dem Fußboden lag, ganze Seiten Nbt »papiers mit Noten, die sich al» harmonische Musilstückc er- wiesen. Der kleine Anthony zeigt sehr entschiedene Neigungen und Abneigungen in der Musik. Bei manchen Tönen ist ihm, al» wenn er „mit Nadeln gestochen würde".