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Morgen-Ausgabe Bezugspreis: L M S',.« "L-M-L-M »ieiiellähritch M. 8.0V: sür Abholer mouaillrd M. 1.78? b«reh «fer« »»«»«rUae» Filialen tu« -«»» gebracht monatlich M. 2Li> »lerlel- igbkllch M.SLV: durch dl« Poft lnnerhald Deollchlandt Delamt-Aaggub« »ouatllch M. 225, vlertelltlbrllch M. 8.75; Morgeu-Aalgab« M. t^ia Adeud-Äutaad« M. 0,90, S»nntagg-A»«gad« M. ll^ü «ouatilch (aullchllebllch Poftdeftellgebtlhr). Hauptschrtftleiler: Dr. Erich Everth, Leipzig. 112. Jahrgang Anzeigenpreis: L„LS'L L'K Anzeigen ». Behdröe» l« amtl. Leit di« Kolouelzeil» 80 Pf^ ». u»g»e SS P^: blelne Anzeige» dl» Xoluuelzetl« SV Pf. u,«»8rt« SS Pf^ Seschlstdanzeigen ml« Plat»»rlchrtst«n lm Preis» erhöht. AeNugen: Sesamtauslage M. 7.— da» Tausend -«»schl. Poft^bghr. riuieinummer 1« Pt. — La»u- »ud Festtag« IS Pf. FeniI»r«ch.A»»chl»st«r.1««Sr ><«» und l«««. —Poftschechbouf, 7A» Schristleltuug »ad Deschöfttstele: I«ba»»I«gaste Ar. 8. Verlag: Dr. Reinhold L Co., Leipzig. Mittwoch, den 12. 3uni Nr. 2V4 1S18 Die vierte Ablehnung des Wahlrechts Die Abstimmung BerNn, 11. Juni. Die heutige Abstimmung hatte folgendes Ergebnis: Das gleiche Wahlrecht wurde in namentlicher Ab stimmung mit 238 gegen 164 Stimmen abgelehat. Der An trag Hagemeister (Natl.), der den Kriegsteilnehmern 1 Zusatz stimme Zusagen wollte, wurde mit 251 gegen 147 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen abgelehnk. Sitzungsbericht siehe Seite 3. Die Forderungen der polnischen Regierung Warschau, 10. Juni. Die Blätter des österreichischen Otckupations- qebictes bringen aus galizischen Quellen folgende Mindestforderungen, welche Ministerpräsident Skeczkovski im Namen der polnischen Regierung in Berlin und Wien vorgelegk habe: Bündnis mit den Zen- fralmächten, Milltärkonvention, staatliche Unabhängigkeit, Integrität des bisherigen Gebietes Kongretzpolens, territorialer Ausgleich in den ethnographisch-polnischen Gebieten östlich der Linie Narew—Bobr— Njemen für den Verlust der litauischen Kreise Wladyslarooo, Kalwarja, Wylkowycz und Mariampol im Gouvernement Sulwalki, ferner Grenz regulierung gegen die Ukraine, welche den strategischen Notwendigkeiten entspricht, schließlich Möglichkeit wirtschaftlicher Entwicklung durch Ab- schloß eines Handelsvertrages, welcher im Wege der freien Weichsel schiffahrt den Zutritt zum Meere sichert. * * * In einer Unterredung, die der österreichisch-ungarische Minister des Aeußern Graf Burian mit dem Wiener Vertreter des .Az Eft' hatte, er klärte er, daß das awsgebaute wie das frühere Bündnis einen reindefen- siven Charakter trage. — Ueber die polnische Frage sagte Graf Burian, daß diese nur in innigem Einvernehmen mit den verbündeten Mächten gelöst werden könne. Er wisse nichts davon, daß die sogenannte austro-polnische Lösung von deutscher amtlicher Seite abgelehnk sei oder daß Oesterreich sie fallen gelosten hätte. Oefterr.-ungar. Heeresbericht Wien. 11. Juni. Amtlich wirb mitgekeill: An der untersten Piave scheiterten abermals zwei italienische Vorstöße. Auch in der F r en z e la - Schlacht wurden feindliche Er- kuadungsabkeilungen abgewiesen. Nordwestlich ron Korea in Albanien habe« die Franzosen ihre Angriffe wieder ausgenommen. ' Der Chef de» Generalstabes. Der neue Dorstotz der Armee Hutter ' 205000 Gefangene! vtb. Berlin, 11. Juni abends. (Amtlich.) Auf dem Schlachtfeld« südwestlich Noyon sind erneute Gegenangriffe der Franzosen unter schwersten Verlusten gescheitert. Die Zahl der Gesäugen««, di« seit dem 21. März die Entente an di« Deutsche« l« West«, verlor, hat sich ans über 205 000 erhöht. Desgleichen sind di« GeschStzbeale«, dte bisher 2250 betrvgen, infolge des neuen deutschen Steges zwischen Montdidier and Noyon gewachsen. Die Entente hat nunmehr auf den verschiedenen Angriffs fronten die gesantte», auf einer Ausdehnung von über 270 Kilometern eingebauten SlellungsmaterlaNen in der ganzen Tiefe der hiater- cinanderliegenden Verteidigungszoae mit ungezählten Munitionslagern, Depots und Bahnen verloren. Die blutigen Vertust« Haden sich zu ungeheuren Zahlen gesteigert. Berit«, 11. Juni. Der Angriff der Armee des Generals von Autler südwestlich von Noyon lraf einen Fronlraum des Feindes, auf dem der Gegner einen Angriff erwarlele und erwarten mutzte. Am so höher steigt die Be deutung des neuen deutschen Sieges, wie ihn die Entente in allen ihren Aebermalerialschlachten nicht za erringen vermochte. Hier waren die Stellungen bis zum Aeutzersten vorbereitet, und gaben dem Gegner Grund zur Hoffnung auf einen glücklichen Aus- gang der Defensive: Die Ausgangsstellungen der deutschen Storm- lrappen der Armee von Autler boten große Schwierigkeiten, deren rest lose Aeberwindung der Angrlffsinfanterie trotz starker Gegenwehr voll gelang. Dagegen bol das überwiegend mit starkem Unterholz bestandene und zum Tel! dicht bewaldete Geläad- außergewöhnlich günstig« Verleidigungsmöglichkeiten für den Feind. Als im Morgengraaea des Sonntags die deutschen Stotzdivisionen zum Sturm autraken, muhten sie «in flaches, mit kniehohem Grase be standenes Wieseagelande überschreiten, in dem sich eine feindliche Ver drahtung nach der anderen befand. Nach dem Durchschreiten der Wiese« vollzog sich der Anlauf hemmungslos bis über die erstekeindlich« Grabealiaie hinaus, deren schwache Besatzung überlaufen wurde. In der zweiten StellaagSliaie kam es zu hartnäckigen Kämpfe«. In kurzer Zett wach« jedoch -er Widerstand ge brochen. Bereit» um die Mittagsstunde hatte di« Wucht des Ansturmes die feindliche Stellmlgslinie in fünf Kilo meter Tiefen au einzelnen Stellen in ftebea Kilo meter Tiefe, glatt durchstohen und die von den Franzosen zur hartnäckigen Verteidigung Hergericht et en Ortschaften Äerrouat. Immer wieder versuchte der Gegner, den deutschen Ansturm aofzuhaltea. In La Beliere kam es hierbei zu großen Kämpfen. Aber hier wie überall, wo die Feinde Gegenangriffe machten, endeten diese in kurzer Zeit mit der Wa ff e n st r eck u n g des Gegners. Am die Mittags zeit waren überall die Franzosen aus dem Graben ins Freie geworfen. Die Slcllungszone des Feindes log hinter den deutschen Truppen, die dem Feinde aus den Fersen blieben and dar Nordufer der Matz er reichten and vom Feinde säuberten. Am Abend wurde die Matz über schritten and Brückenköpfe für die Vorbereitung deS zweite« Kampf tages geschaffen. Am zweite« Kampftage wurde dem Gegner di« Höhe von Marqrreglife and der Bigrremoatberg sülÄch des Matz eut- riffea. Der Anblick der Kampfstätte and der französische« Nückzogs- wege bestäkigt die Angaben der niedergedrückten Gefangenen über dte schweren blatige« Verlast« des Feindest Me 125. fraa- ösische Division kann als gröhtenteils vernichtet gelten. Insbesondere l-aben di« Infanterie-Regimenter 70 und 131 schwer geblutet. Ebenso ging es der la den Kampf geworfenen 1. Kürassier-Division, von der das 4. and 11. Kürasfier-Regimeut ganz außergewöhnliche Verluste hatten. Demgegenüber ist erfreulicherweise zu verzeichnen, datz sich un sere Verlast« in mäßigen Linie« bewege«. Am S. Inni 0 Ahe 20 Minuten vormittags war bereits von der gegen Orvill« rs vorbrechenden Division das feindlich« Grabensysiem nnd der Ort selbst mit Hilfe von Tanks in heftigem Kampfe ge nommen. Das von Schluchten darchzogene, waldreiche Gelände bat dos Aussehen eines grohen Parks. Es bot dem Feinde hervorragend« Stützpunkte zum Einbov von MasOaengewehrea. Bei deren Bekämpfung leisteten die Tanks und Flammenwerfer Glänzendes. Durch die zerschoßenen Trümmer der Ortschaft fuhren di« Tanks vor «ad säuberten mit ihren Geschützen das Dorf. Ein Flammen werfer »ernichtele alle vier MaschinengewehrstStzpnnkt«. Die Tanks stieße» sodann südlich ans Loulvill» vor und erleichterten der In fanterie dl« Einnahme des Dorfes. I« Lonlvilly arbeitete et» geschloße nes feindlich«« Bataillon an de« Stellnngsgraden ter zweite» Stel lung. Es nmrde bis a«f de« letzten Mann ,if»»gen,in,mm»» Westlich der Ortschaft worden zahlreiche Geschütze erobert, such andere Beute, wie Sanilätsaulos, reichliches Telephongerät und grotze Munitioasmengen, fielen in unsere Hand. Gegen Abend tobte nach Ge- winnung des Dorfes Merry-Ressons sor Matz der Kampf um dos Dorf Lataale und mn dos Waldstück östlich davon. Dorf Lalaole m» Schloß und Park bildete einen starke« Stützpunkt inmitten der feindlichen dritten Stellung. Der Ort umrde am 10. Joni frühmorgens erstürmt; bald darauf fiel Beloy. Damit hatte die Division das schwierige Gelände iLermvndeu. Gea«, Trappen von drei Divisionen hatte sie in dem ihr zugewiesenen Abschnitt W Kämpfen; üb« 2500 Gefangene nnd eine große Aazccht Maschinengewehre und zahlreiche Geschütze chrd erdenket. Französische Entschuldigung für die Niederlage bei Noyon Genf, 11. Juni. (Eig. Drahtberlcht.) Lin Kriegsbeischt französischer Zeilvngen vom 9. Juni erzählt, datz die Deutschen bei ihrer Offensiv« zwischen Montdidier und Noyon in noch größerer Zahl Maschinengewehre verwendeten als jemals zuvor. Sie haben be sonders leichte Maschinengewehre aas leSchtea Karren, die ohne irgendwelche Schwierigkeit vorgebracht werben können. Außer dem verwenden die Deutschen leichte Feldgeschütze auf zwei Rädern, zu deren Beförderung unbedingt nur drei Mann nötig find. Die bisherigen Geschütze hatten bekanntlich auch mrr zwei Richer, bet» Transport wurden sie jedoch an die Lafette angehängt, die ebenfalls zwei Räder hatte. Die Neuerung ist also: auch bei der Beförderung nur zwei Räder. Amsterdam, 11. Iunl. (Etg. Drahtbericht.) Zu dem Aufsatz aus der Feder General Fachs, der dieser Tage in dem englischen Militärblatt «Fleld' erschienen ist, schreibt .Nleuws van den Dog": Der französische Oberbefehlshaber hat seine Auffassun gen über die Art, wie der Krieg geführt werden muß, in einem Artikel .Der Weg zum Siege' niedergelegt. Er sagt, der moderne Kampf habe zum Ziele die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte oder wenigstens den inneren Zusammenhang zu zerstören. Wenn man Jochs Betrach tungen liest, dann fragt man sich, wie in ihrem Lichte noch der Opttmls- mus in Frankreich möglich ist. Denn wie weit sind denn noch die fran- zösischen Heere vom Wege zmn Siege entfernt, wenn er nur durch die Vernichtung der feindlichen Heere betreten werden kann. Foch, der jetzt alle Kräfte anspannen muß, um die Vernichtung der eige nen Streitkräfte abzuwenden, wird sicherlich nicht so bald zu diesem Vernichtungswerk gegen den Feind übergehen können. Haben nicht Tlemenceau und Lloyd George um die Wette versichert, daß die Lage in Frankreich äußerst ernst, daß die Reserven des Ver bandes wegschmelzen, und daß man auf bie Hilfe der Ameri kaner bauen müße? Aber wieviel Jahre werden noch hingehen müssen, ehe di« amerikanischen Truppen stark und geübt genug sein müßten, um die gutorganisierten und ausgezeichneten dentschen Heere zu vernichten. Träumt man davon wirklich in Frankreich und Eng land? In ähnlicher Gedankenrichtung bewegt sich die Besprechung, die der militärische Mitarbeiter des .Nieuwe Courant' der Erklärung Clemeneeaus widmet. Räumung von Meaux? Sens, 11. Juni. (Eig. Drahtbericht.) Während dl« «eisten Pariser Blätter vom 4. and 5. Inni eine Fortsehnng des deutschen Angriffs vorausseh««, weist Gaston Bldal im «Figaro' aas die Linie Montdidier—Noyon als zaaächfl bedroht hin. Die Negie- nmg läht Mea«x schon seit dem 3. Juni größtenteils räumen, das an der Marne nur 40 Kilometer von Paris entfernt liegt. Genf, 11. Inni. (Eia. Drahtb « rtcht.) Za dem vom Kriegs minister eingesetzte« A«sschohzurDerleldiga»g»o» Paris gehör« außer de» zuständigen Offiziere« des Kriegsministerttnns aach «chrere Mitglieder des Parlaments, besonders der Senator Paal Do » « er and der sozialistisch« Abgeordnete Groasfker. Französischer Heeresbericht vom 10. Juni abends. Während des Meilen Tages der Offensive vermochte der Feind durch mächtige und von neuen Streitkräften unaufhörlich verstärkte Angriffe in Richtung auf Eströes, St. Denis und RWöcourt vorzndringen. Unsere Truppen leisteten dem Feinde hartnäckigen, zähen Widerstand- Der Feind konnte durch wiederholte Sturmangriffe und um den Preis schwerer Opfer die Dörfer Mery, Dclloy und St. Maur nehmen. Die Hocheben« von Belloy war der Schauplatz heldenmütiger Kämpfe. Südlich Ressons- sur-Matz faßten die Deutschen in Marqueglise Fuß nnd weiter östlich setzte sich d« Schlacht auf die südlichen Zugänge von Elincourt. Auf unserem rechten Flügel gelang es dem Feinde, aus dem Walde non Thiescourt herauszukommen. Auf unserem linken Flügel zwischen Caorcclles und Ribecourt brachen wir die feindlichen Angriff« und behaupteten unsere Stellungen. Im Osten der Oise scheiterte eia Ver such der Dentschen, Port wieder,«nehmen. Der vierte Streich (Drahtbericht unserer Berliner SchrifklettuNg.) Die leisen Hoffnungen, die inan hier und da — nicht überall — vor Pfingsten noch auf das Zustandekommen der Wahl rechtsvorlage, auf ein irgendwie geartetes Kompromiß gesetzt hatte, sind nun endgültig zerstört. In einer endlosen Reihe namentlicher Abstimmungen ist heute unwiderruflich entschieden worden, daß das gleiche Wahlrecht oder etwas, was ihm auch nur entfernt ähnlich ist, in diesen: Hause, in dieser Versammlung keine Mehrheit hat. So war, was inan heute nach stundenlangem Zusammcnbleiben erreichte, nach einem verhältnismäßig kurzen und inhaltlich nicht sonderlich be langreichen Redeakt und dann nach den Abstimmungen ohne Zahl, im Grunde eine zwecklose Sache. Zwar eines ist doch erreicht worden: Das viel berufene Vakuum, die reichlich bekrittelte Lücke ist nun ausgefüllt worden. Aber was statt ihrer in der Vor lage steht und worüber, ehe das Herrenhaus sich damit zu be fassen hat, die Zweite Kammer noch einmal in fünfter Lesung sich schlüssig zu machen haben wird, ist sch l i m m c r als eine Lücke. Es ist der Versuch, mit kleinlichen Mitteln einem ernsten Problem, das nachgerade das ganze deutsche Volk erregt, beizukommen und — es wird schwer, das harte Urteil zu unterdrücken — geradezu ein M usterbespiel hinterhältiger, nur noch von den Rücksichten der Taktik, dem Wunsch, sich lm Besitz zu halten, bestimmter Politik. Herr Lohmann, der jetzt den Vorsitz in der nationalliberalen Fraktion nledergelcqt und so unhaltbaren Zuständen ein Ende ge macht hat, hat heute in einer advokatorischen Rede sich bemüht, den Antrag, zu dessen Gegnern er zählt, und für den er sich in erster Reihe mit verantwortlich fühlen darf, reinzuwaschen. Ge lungen ist es ihm nicht, obschon er in seiner Argumentation nicht gerade wählerisch war und Vermutungen, Hoffnungen, persönliche Wünsche als vollwertige Gründe in die Wagschale warf. Gerecht denkende Arbeiter, so behauptete er unter dem Gelächter der Linken, würden stch durch die Verweigerung deS gleichen Wahl rechts nicht za einer Verbitterung hinreißen lassen. Aber vielleicht wird auch den am gerechtesten und ruhigsten denkenden Arbeitern das Blut zu sieden beginnen, wenn sie hören, daß von den Herren, die sich in dem Kompromißantrag für den Paragraph 3 verwen deten, -le Anregung des nationalliberalen Abgeordneten Hage meister, auch den Kriegsteilnehmern eine zweite Zusatzstimme zu gewähren, Mann für Mann kalt und trotzig niedcrgestimmt worden ist! Aber all diesen Fechterstücken, diesen Scheinargumenten, die auS der Seele des Arbeiters herauszulesen versuchen, was ihnen just gefällt und ihn gleichzeitig als unmündig und -ringend ver dächtig behandeln, ist nicht mehr beizukommen. Geredet ist über die preußische Wahlrechtsvorlage als preußische Einzelerscheinung, als deutsches Gesamtproblem nachgerade genug. In Für und Wlder ist alles gesagt worden; was die reife Taktik in parlamenta rischen Schachzügen ergrauter Landboten erreichen konnte, ward versucht; wir haben mit alledem uns bislang nur im Kreise gedreht. Nun, da Worte nichts mehr ausrichten, keinen mehr überzeugen können, wurde es Zeit zu handeln. Temperamentvolle Leute, die dte Ernte lieber heute als morgen in die Scheuern gebracht sähen, meinen: Die Regierung solle erklären, sie hätte genug des grausamen Spiels und wäre es müde, das Hin- und Herzerren noch länger anzusehen, sollte kurzerhand das Haus hcimschicken und es zu irgendeiner ihr gelegenen Frist dann auflösen. Wir verkennen nicht, dcH diese Auffassung manches für sich hat. Nicht nur das dramatische Moment. Ein solcher schlichter Abschied würde auch sonst seinen Eindruck nicht verfehlen. Aber wenn die Regierung, wie wir anzunehmen C^und haben, diesen Weg nicht geht, wird man sie um deswillen nicht schelten dürfen. Die Hoffnungen, daß stch im Herrenhause di« Mehrheit für die Wahlrechtsreform ergeben wird, die im Abgeordnetenhause nicht vorhanden war, mögen gering sein, wir für unser Teil halten sie sogar für sehr gering. Immerhin wird es nicht wertlos sein, das Herrenhaus über seine eigenen Wünsche zu hören, über die Art, wie die derzeitigen Peers von Preußen sich für die Zukunft die Zusammensetzung ihrer Körperschaft denken. Diese Wünsche ließen stch dann in die neue Vorlage einarbeiten, dte die Regierung im Herbst dem neuen Landtage zu unterbreiten hat, und dann dürfte wenigstens in der Ersten Kammer glatte Bahn sein. Irgend welche Widerstände von Belang könnten der Regierung nicht mehr dort erwachsen. Darüber — das möchten wir hier mit allem Nach druck festgehalten haben —, daß die Regierung zur Auflösung eitt- schlossen ist, kann irgendein Zweifel nicht bestehen. Herr Dr. Drews hat heute den Kompromißantrag der Rechten und der Rechtsnattonallkberalen als für die Regierung unannehmbar er klärt. Damit sind die weiteren Wege für die Regierung vor gezeichnet. Man darf wohl annebmen, daß im Frühherbst, etwa in der Oktobermikte die Auflösung des HaaseS ausgesprochen werden wird. Dann werden wir im November die Neuwahlen nnd bald hernach auch die neue Wahlrechtsvorlage haben. Bliebe nur noch ein kurzes Wort über die national liberale Landtagsfraktion zu sagen. Herr Lohmann, wir erwähnten es schon vorhin, hat heute den Vorsitz in der Fraktion niedergekegt. Auch wer den menschlich schönen Eigen schaften des bisherigen Fraktionsfahrers alle Gerechtigkeit wider fahren zu lassen gewillt ist, wird bekennen müssen: Es war die höchste Zeit. Herrn Lohmann hat das Erfordernis gefehlt, daS ein nationalliberaler Führer am allerwenigsten mißen kann: Er hat stch nicht zu objektivieren, hat nicht über den Richtungen und Strömungen zu stehen vermocht. So ist er statt zu führen schließ- lich der Geführte geworden und hak die Fraktion bis dicht vor die Grenze geleitet, wo die Scheidung beginnt. Wer ihm zum Nach folger gewählt wird, ist noch unsicher. An sich läge es ja in der Hand der Mehrheit, zu der sich seit der letzten Abstimmung im Plenum noch ein paar schwankende Elemente geseift haben, Herrn Dr. Lohmann von neuem mit dem Vorsitz zu betrauen. Dos wär» ab« nahezu der Kriegsfall, und wir hören denn auch, daß Herr;