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21 Clavigo. Nein, Carlos! Es gehe« wie es wolle, das kann, das werd' ich nicht leiden. Beaumarchais ist ein wür diger Mensch, und er soll in keinem schimpflichen Gefängnisse verschmachten um seiner gerechten Sache willen. Einen andern Borschlag, Carlos, einen andern! Carlos. Pah! Pah! Kindereien! wir wollen ihn nicht fressen, er soll wohl aufgehoben und versorgt werden, und lang' kann's auch nicht währen. Denn siehe, wenn er spürt, daß es Ernst ist, kriecht sein theatralischer Eifer gewiß zum Kreuz, er kehrt bcdutzt nach Frankreich zurück, und dankt ans das höflichste, wenn man ja seiner Schwester ein jährliches Gehalt aussctzen will, warum's ihm vielleicht einzig und allein zu thnn war. Clavigo. So sci's denn! Nur ver fahrt gut mit ihm! Carlos. Sei unbesorgt. — Noch eine Vorsicht! Man kann nicht wissen, wie's verschmäht wird, wie er Wind kriegt, und er überläuft dich, und alles geht zu Grunde. Drum begieb dich aus deinem Hanse, daß auch kein Bedienter weiß, wohin. Laß nur das nöthigste zusam- menpackcn. Ich schicke dir einen Bur- scheu, der dir's forttragen nnd dich hin bringen soll, Wo dich die heilige Her- mandad selbst nicht findet. Ich Hab' so ein paar Mauslücher immer offen. Adieu! Clavigo. Leb' wohl! Carlos. Frisch! Frisch! Wenn's vorbei ist, Bruder, wollen wir uns laben. Gnilberts Wohnung. (Sophie Guilbert. Marie Beaumarchais mit Arbeit.) Marie. So ungestüm ist Bnenco fort? Sophie. Das war natürlich. Er liebt dich, und wie konnte er den Anblick des Menschen ertragen, den er doppelt hassen muß? Marie. Er ist der beste, tugendhaf teste Bürger, den ich je gekannt habe. (Ihr die Arbeit zeigend.) Mich dünkt, ich mach' es so? Ich ziehe das hier ein, nnd das Ende steck' ich hinauf. Eö wird gut stehn. Sophie. Recht gut. Und ich will Paille-Band zu dem Häubchen nehmen! es klcid't mich kein's besser. Du lächelst? Marie. Ich lache über mich selbst. Wir Mädchen sind doch eine wunderliche Nation: kaum heben wir den Kops nur ein wenig wieder, so ist gleich Putz nnd Band, was uns beschäftigt. Sophie. Das kannst du dir nicht nachsagen; seit dem Augenblick, da Cla vigo dich verließ, war nichts im Stande, dir eine Freude zu machen. Marie (fährt zusammkn »nd sieht nach der Thür). Sophie. Was hast du? Marie (beklemmt). Ich glaubte, es käme jemand! Mein armes Herz! O es wird mich noch umbringen. Fühl', wie es schlägt, von dem leeren Schrecken. Sophie. Sei ruhig. Du siehst blaß; ich bitte dich, meine Liebe! Marie (aus die Brust deutend). Es drückt mich hier so. — Es sticht mich so. — Es wird mich umbringen. Sophie. Schone dich. Marie. Ich bin ein närrisches un glückliches Mädchen. Schmerz und Freude haben mit all ihrer Gewalt mein arme« Leben untergraben. Ich sage dir, es ist nur halbe Freude, daß ich ihn wieder habe. Ich werde das Glück wenig ge nießen, das mich in seinen Armen er- wartet; vielleicht gar nicht. Sophie. Schwester, meine liebe Ein zige! Du nagst mit solchen Grillen an dir selber. Marie. Warum soll ich mich be- trügen? Sophie. Du bist jung und glücklich und kannst alles hoffen. Marie. Hoffnung! O der süße ein zige Balsam des Lebens bezaubert oft meine Seele. Muthige jugendliche Träume schweben vor mir, und begleiten die ge liebte Gestalt des Unvergleichlichen, der nun wieder der Meine wird. O Sophie,