Volltext Seite (XML)
doch, man lebt nur Einmal in der Welt, hat nur Einmal diese Kräfte, diese Aus sichten, und wer sie nicht zum Besten braucht, wer sich nicht so weit treibt als möglich, ist ein Thor. Und heirathen! heirathen just zur Zeit, da das Leben erst recht in Schwung kommen soll! sich häuslich niederlassen, sich einschräuken, da man noch die Hälfte seiner Wande rung nicht zurückgelegt, die Hälfte seiner Eroberungen noch nicht gemacht hat! Daß du sie liebtest, das war natürlich; daß du ihr die Ehe versprachst, war eine Narrheit, und wenn du Wort gehalten hättest, wär's gar Raserei gewesen. Clavigo. Sieh, ich begreife den Menschen nicht. Ich liebte sie wahrlich, sie zog mich an, sic hielt mich, und wie ich zu ihren Füßen saß, schwur ich ihr, schwur ich mir, daß es ewig so sein sollte, daß ich der Ihrige sein wollte, so bald ich ein Amt hätte, einen Stand — Und nun, Carlos! Carlos. Es wird noch Zeit genug sein, wenn du ein gemachter Mann bist, wenn du das erwünschte Ziel erreicht hast, daß du alsdann, um all dein Glück zu krönen und zu befestigen, dich mit einem angesehenen und reichen Hause durch eine kluge Heirath zu verbinden suchst. Clavigo. Sie ist verschwunden! glatt aus meinem Herzen verschwunden, und wenn mir ihr Unglück nicht manchmal durch den Kopf führe — Daß man so veränderlich ist! Carlos. Wenn man beständig wäre, wollt' ich mich verwundern. Sieh doch, verändert sich nicht alles in der Welt? warum sollten unsere Leidenschaften blei ben? Sei du ruhig, sie ist nicht das erste vcrlaßne Mädchen, und nicht das erste, das sich getröstet hat. Wenn ich dir rathen soll, da ist die junge Wittwe gegenüber — Clavigo. Du weißt, ich halte nicht viel auf solche Vorschläge. Ein Roman, der nicht ganz von selbst kommt, ist nicht im Stande mich einzunehmen. Carlos. Ueber die delikaten Leute! Clavigo. Laß daß gut sein, und vergiß nicht, daß unser Hauptwerk gegen wärtig sein muß, uns dem neuen Mini ster nothwendig zu machen. Daß Whal das Gouvernement von Indien nieder legt, ist immer beschwerlich für uns. Zwar ist mir's weiter nicht bange; sein Einfluß bleibt — Grimaldi und er sind Freunde, und wir können schwatzen und uns bücken -- Carlos. Und denken und thun was wir wollen. Clavigo. Das ist die Hauptsache in der Welt. (Schellt dem Bedienten.) Tragt das Blatt in die Druckerei. Carlos. Sieht man euch den Abend? Clavigo. Nicht wohl. Nachfragen könnt ihr ja. Carlos. Ich möchte heut Abend gar zu gern was unternehmen, das mir das Herz erfreute; ich muß diesen ganzen Nachmittag wieder schreiben. Das endigt nicht. Clavigo. Laß es gut sein. Wenn wir nicht für so viele Leute arbeiteten, wären wir so viel Leuten nicht über den Kopf gewachsen. (Ab.) Guilberts Wohnung. (Sophie Guilbert. Marie Beaumarchais. Don Buenco.) Buenco. Sie haben eine üble Nacht gehabt? Sophie. Ich sagt's ihr gestern Abend. Sie war so ausgelassen lustig und hat geschwatzt bis Eilfe, da war sie erhitzt, konnte nicht schlafen, und nun hat sie wieder keinen Athem, und weint den ganzen Morgen. Marie. Daß unser Bruder nicht kommt! Es sind zwei Tage über die Zeit- Sophie. Nur Geduld, er bleibt nicht aus. Marie (aufstehend). Wie begierig bin ich, diesen Bruder zu sehen, meinen Rich ter und meinen Retter. Ich erinnere mich seiner kaum.