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Das arme Mädchen fiel auf diese Nachricht in Convulsionen, die ihr den Tod drohten. In der Tiefe ihres Jam mers schreibt die älteste nach Frankreich die offenbare Beschimpfung, die ihnen angethan worden. Die Nachricht bewegt ihren Bruder auf's schrecklichste, er ver langt seinenAbschied, um in so einer ver wirrten Sache selbst Rath und Hilfe zu schaffen, er ist im Fluge von Paris zu Madrid, und der Bruder — bin ich! der alles verlassen hat, Vaterland, Pflichten, Familie, Stand, Vergnügen, um in Spanien eine unschuldige, unglückliche Schwester zu rächen. Ich komme, bewaffnet mit der besten Sache und aller Entschlossenheit, einen Verräther zu entlarven, mit blutigen Zügen seine Seele auf sein Gesicht zu zeichnen, und der Verräther — bist du! Clavigo. Hören Sie mich, mein Herr — Ich bin — Ich habe — Ich zweifle nicht — Beaumarchais. Unterbrechen Sie mich nicht. Sie haben mir nichts zu sagen und viel von mir zu hören. Nun, um einen Anfang zu machen, sei'n Sie so gütig, vor diesem Herrn, der expreß mit mir aus Frankreich gekom men ist, zu erklären: ob meine Schwester durch irgend eine Treulosigkeit, Leichtsinn, Schwachheit, Unart oder sonst einen Feh ler diese öffentliche Beschimpfung um Sie verdient habe? Clavigo. Nein, mein Herr. Ihre Schwester, Donna Maria, ist ein Frauen zimmer voll Geist, Liebenswürdigkeit und Tugend. Beaumarchais. Hat sie Ihnen je mals seit Ihrem Umgänge eine Gelegen heit gegeben, sich über sie zu beklagen, oder sic geringer zu achten? Clavigo. Nie! Niemals! Beaumarchais saufstehend). Und war um, Ungeheuer, hattest du die Grausam keit, das Mädchen zu Tode zu quälen? Nur weil dich ihr Herz zehn andern vor zog, die alle rechtschaffener und reicher waren als du. Clavigo. Oh mein Herr! Wenn Sie wüßten, wie ich verhetzt worden bin, wie ich durch mancherlei Rathgeber und Umstände — Beaumarchais. Genug! (Zu Samt George.) Sie haben die Rechtfertigung meiner Schwester gehört; gehn Sie und breiten Sic es aus. Was ich dem Herrn weiter zu sagen habe, braucht keine Zeugen. Clavigo (steht auf. Saint George geht). Beaumarchais. Bleiben Sie! Blei ben Sie! (Beide fetzen sich Ivicder.) Da Wir nun so weit sind, so will ich Ihnen einen Vorschlag thun, den Sie hoffentlich billigen werden. Es ist Ihre Conveuienz. und meine, daß Sie Marien nicht heirathen, und Sie fühlen wohl, daß ich nicht gekom men bin, den Komödienbruder zu machen, der den Roman entwickeln und seiner Schwester einen Mann schaffen will. Sie haben ein ehrliches Mädchen mit kaltem Blute beschimpft, weil Sie glaub ten, in einem fremden Lande sei sie ohne Beistand und Rächer. So handelt ein Niederträchtiger, ein Nichtswürdiger. Und also, zuvörderst erklären Sie eigenhändig, freiwillig, bei offenen Thüren, in Gegen wart Ihrer Bedienten: daß Sie ein ab scheulicher Mensch sind, der meine Schwe ster betrogen, verrathen, sie ohne die mindeste, Ursache erniedrigt hat; und mit dieser Erklärung geh' ich nach Aranjuez, wo sich unser Gesandter aufhält, ich zeige sie, ich lasse sie drucken, und übermorgen ist der Hos und die Stadt davon über schwemmt. Ich habe mächtige Freunde hier, habe Zeit und Geld, und das alles wend' ich an, um Sie auf alle Weise auf's grausamste zu verfolgen, bis der Zorn meiner Schwester sich legt, befrie digt ist, und sie mir selbst Einhalt thut. Clavigo. Ich thuc diese Erklärung nicht. Beaumarchais. Das glaub' ich, denn vielleicht thät' ich sie an Ihrer Stelle eben so wenig. Aber hier ist das andere: Schreiben Sie nicht, so bleib' ich von diesem Augenblick bei Ihnen, ich verlasse Sie nicht, ich folge Ihnen überall hin,