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72 die Orakel offenbart haben. Die Prophezeiung in Bezug auf mich ist wenigstens, wie du weißt, nach ihrem Willen in Erfüllung gegangen; ich die gänzlich aufgegebene bin im gegenwärtigen Augenblicke noch am Leben. Und ich wußte damals nicht, daß ich meine Rettung bei mir trüge, nun aber glaube ich es zu begreifen. Die mit mir zugleich ausgesetzten Erkennungszeichen nämlich, die ich in den früheren Zeiten zwar immer bei mir zu tragen pflegte, hatte ich damals um so mehr, weil über mich Gericht gehalten werden sollte und ich meinen letzten Tag erwartete, mir verborgen um den Leib gegürtet, damit sie mir Unterhalt und meine nöthigen Bedürfnisse liefern, falls ich gerettet würde, wenn mir aber etwas widerführe, damit sie mir zum letzten Grabesschmuck dienen sollten. Unter diesen nun, mein lieber Theag?-- nes, die aus kostbaren Halsgeschmeiden und höchst werthvollen indischen und äthiopischen Steinen bestehen, befindet sich auch ein Ring, ein Ge schenk, welches mein Vater meiner Mutter bei der Verlobung gab, in dessen Kapsel der Stein, welcher Pantarbe heißt, eingefaßt ist und mit heiligen Buchstaben beschrieben ist; dieser hat nun, wie ich vermuthe, eine göttlichere Kraft, die das Feuer abhült und denen, die ihn haben, Unversehrtheit in den Flammen schenkt, wie sie auch mich mit dem Willen der Götter errettete. Dies sind meine Vermuthnngen und ich weiß es aus dem, was mir der göttlichste Kalasiris häufig an die Hand gab, der mir erzählte, daß diese Mittheilungen und Eröffnungen die Inschrift auf der mit mir ausgesetzten Binde gäbe, die ich jetzt um meinen Leib geschlungen habe. Dies ist wahrscheinlicher und stimmt mit dem, was dir wirklich begegnet ist, mehr überein, versetzte Thea genes : doch welche andere Pantarbe wird uns aus den Gefahren be freien , die uns morgen bevorstehen? denn nicht verspricht sie so, wie Unverletztheit aus dem Scheiterhaufen, so auch Unsterblichkeit, wie sie es sollte, weil muthmaßlich die schändliche Arsace eine neuere Art der Rache gegen uns ausdenkt. O möchte sie uns beide zugleich zu einem Tode und in ein und derselben Stunde verurtheilen, das würde ich nicht für ein Ende, sondern für ein Ausruhn von allen Leiden halten. Sei muthig, sagte Charikleia; in den uns gewordenen Prophezeihun gen haben wir eine zweite Pantarbe, und wenn wir uns auf die Götter verlassen, werden wir angenehmer gerettet werden und, falls es nöthig ist, frömmer leiden.