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35 also nur diesen jungen Leuten sagen, daß ihnen ihre Wohnung, auf Befehl des Thyainis, in unserem Palaste bereitet ist. 12. Der Aufseher war sogleich willig dazu, da er von Cybelens tiefer List nicht den geringsten Argwohn hatte, sondern vielmehr glaubte, den Fremdlingen zugleich eine Wohlthat und der Arsace einen Gefallen zu erzeigen, der keinem schaden könnte. Er sagte daher den jungen Leuten, da sie niedergeschlagen und weinend sich ihm näherten: Ihr thnt nicht recht und nicht nach den Gesetzen unseres Landes, zumal, da es auch schon vorher untersagt worden ist, über den Tod eines Hohenpriesters zu weinen und zu wehklagen. Unsere heiligen Bücher gebieten uns vielmehr, seine Trennung von der Erde mit fröhlichen Zurufen zu feiern, da er jetzt eine glückseligere Ruhe genießt und sein Theil bei den Göttern hat. Doch ist es euch zu verzeihen, da ihr einen Vater, wie ihr sagt, einen Versorger und eure einzige Hoffnung mit ihm verloren habt. Ihr müßt aber auch nicht allen Mnth sinken lassen, denn sein Sohn Thyamis scheint ihm nicht nur in seiner Würde, sondern auch in seinen Gesinnungen für euch uachzufolgen. Er hat mir gleich anfangs aufgetragen, für euch zu sorgen; und jetzt ist euch schon eine prächtige Wohnung ausbedungen, wie sie ein Reicher und einer von unfern eigenen Landsleuten wünschen könnte, geschweige denn Fremdlinge, deren Glücksnmstände ziemlich dürftig zu sein schei nen. Folgt also dieser Frau (und er wies auf Cybele), die ihr jetzt als eure Mutter ansehen müßt, und thut, was sie euch sagen wird. Theagenes und Charikleia gehorchten dem Aufseher, theils weil ihre Betrübniß über diesen letzten, unerwarteten Zufall sie zum Nach denken ungeschickt machte, theils weil es ihnen in ihrem jetzigen Zu stande lieb sein mußte, nur ein Dach und eine Zuflucht, bei wem es auch sein möchte, zu finden. Doch würden sie ohne Zweifel sich sehr gehütet haben, ihre neue Wohnung zu betreten, wenn sie alles das Tragische, die äußersten Unglücks fälle, die sie da erwarteten, hätten vorhersehen können. Denn das Geschick, das sie verfolgte, das ihnen nach den wenigen Stunden Ruhe, nach der flüchtigen Freude, die es ihnen eben vergönnt hatte, so viel Elend bereitete, führte sie nunmehr in Fesseln, die sie gleichsam sich selbst anlegten, in die Gewalt ihrer Feindin, und setzte die jungen Fremdlinge, die nichts von alledem mnthmaßten, was ihnen bcvorstand, unter dem menschenfreundlichen