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111 Meineidigen, der ihn betritt, die Füße versengt: diejenigen aber, die sich von diesen Lastern rein erhalten haben, unbeschädigt auftreten läßt. Diese wiesen sie nun dem Dionysos und den andern Göttern zu, außer zwei oder drei hellenischen Mädchen, die bei dem Betreten des Herdes als Jungfrauen erkannt wurden. 9. Als dasselbe auch bei Theagenes der Fall war, bewunderten ihn alle wegen seiner Größe und Schönheit und namentlich, daß ein so blühender Mann bisher sich der Freuden der Liebe enthalten habe; er wurde also ausgerüstet, um der Sonne zum Opfer dargebracht zu werden. Bekommen diejenigen, die rein und keusch leben, einen solchen Lohn bei den Aethiopiern? fragte er; erwartet die Züchtigen der Altar und die Schlachtbank? Weshalb gibst du dich aber nicht zu erkennen, meine liebste Charikleia? Welchen Augenblick erwartest du noch, etwa den, daß man dir den Hals abschneidet? Sprich, ich bitte dich, und zeige dein Geschick an. Vielleicht wirst du auch mich retten, wenn man von dir erkannt hat, wer du bist, und wenn du für mich bittest. Aber auch abgesehen von mir, wirst du doch offenbar der Gefahr entgehen: wenn ich das weiß, so habe ich gegen den Tod nichts einzuwenden. Mit den Worten: Nun ist der Kampf nahe, jetzt steht unser Geschick in der Schwebe, zog sie, ohne den Befehl der damit Beauftragten ab- zuwarten, ihr heiliges Unterkleid als delphische Priesterin an, das sie aus einem Täschchen, welches sie bei sich trug, hervorholte, und das mit Gold dnrchwirkt und von rothen Streifen durchzogen war. Mit wal lendem Haar und in der Erscheinung einer Gottbegeisterten eilte sie zum Herde, sprang hinauf und stand lange Zeit unverletzt da, während ihre noch mehr als sonst glänzende Schönheit alles blendete, da sie auf der Erhöhung Jeglichem sichtbar war und durch die Art ihres Gewan des mehr einem Götterbilde, als einem sterblichen Weibe glich. Alle ergriff nun Staunen: sie erhoben ein undeutliches, unartikulirtes Geschrei, welches ihre Bewunderung ansdrückte, sowohl über das übrige, als auch namentlich darüber, daß dieses Mädchens übernatür liche, unberührte Schönheit noch einen höhern Schmuck durch ihre Sittenreinheit in der Fülle der Jugend erlange. Auch andere aus der Menge schmerzte es, daß sie zum Opfer passend erschien, und trotz ihrer abergläubischen Furcht vor den Göttern hätten sie es am liebsten ge sehen, wenn Charikleia durch ein Wunder errettet wäre. Am meisten