Volltext Seite (XML)
Seue 2. Nr. 648. Morven-Nosgave. Leipziger Tageblatt. England» oder Schottland» nähert, torpedieren und dadurch den größeren Teil der Nahrnnqsmittelzusuln abichneiden." Er wiederholte: „Wae würde Anierikada^u sagen? Hieße es nicht, England mit demselben Matz messen, mir dem es uns mißt?" „Hat Deutschland genug Unterseeboote, um durch .Mähren, was auf eine teilweise Unterseeboots blocknde Englands hinausläust?" „Ja, in Unterseebooten größeren Typs sind wir England überlegen." Nach einer Unterhaltung über das japanische Problem kam Wiegand aus den Krieg zurück und fragte, wie lange der Krieg dauern möge. „Das hängt von Englandab. Man sagt, England wolle den Krieg bis aufs Messer. 'Wenn England darauf beneht, so können wir ibm dienen; aber >:» gibt etliche, di« da hoffen. England werde verständig sein und auf die stimme der Ver nunft hören." Das Wort ..verständig" klang mir sehr be- deuiian.. .sind Eure Eizellen; einer von denen, die diese Hoffnung hegen?" Er antwortete mir der Gegcnsragc: ,Mauden sie. das; England verständig sein wird?" „Tas hängt davon ab. was Eure Erzellenz mit dem Worte „verständig" meinen könnten; ralls Ge- neigtlctt Englands zu einem frühzeitigen und an gemessenen Dritten, so bin ich im Augenblick nicht besonders epi mistijch." „R: i n, ich bin nicht einer von denc n", gab er ols Antwort auf meine erste Frage, ohne da bei seine eigene zu definieren. „Dann nehme ich an, daß Deutschland den Krieg nicht bis zum bittersten Ende, oder, wie Eure Erzellcnz sagten, bis aufs Messer führen wird." „Das ist gewiß nicht unsere Absicht oder unser Wunsch. Aber wenn England daraus besteht, den Krng bis aufs "Messer zu führen, so werden wir natürlich mittun." „Welche Wirkung wird Kitcheners neues Heer auf den Krieg ausüben?" fragte ich ihn. „Wir sind nicht im geringsten wegen Kitcheners Millionen beunruhigt. Denn wir haben auch noch mehrere Millionen voll kommen tauglicher L e u t e, auf die wir zurückgrcifen können: und wir werden, falls nötig, die nicht ganz dem gewöhnlichen Durchschnitt ent sprechenden nehmen, und können somit weitere M i l l i o ne n ins Held stellen. Tag wir, wenn diese Notwendigkeit an uns herantritt, bis zum letzten Ende kämpfen werden, wird die Welt, denke ich, nicht länger bezweifeln." Weiter richtete Wiegand u a. folgende Frage an Tirpitz: „Ist eine der Lehren des Krieges die, daß große Kampfschissc sich durch dir Anwendung der Torpedoboote überlebt hätten?" „Es ist schwierig, schon jetzt Schlüsse zu ziehen. Das; die Untersee b oote ein neues und großes Kampfmittel in der seetriegsührnng sind, ist nicht zu bestreiten. Man darf indessen nicht ver- qess.m, das; die Unterseeboote am besten an den Küsten und in flachen Gewässern operieren und daß aus diesem Munde der englische Kanal be sonders dafür geeignet ist. Die bisherigen Erfolge berechtigen noch nicht zu der Schlußfolgerung, daß große schiffe sich nun überlebt lchtten. Das ist noch eine Frage, ob die Unterseeboote in anderen Gewässern sich so ausgezeichnet hätten halten können. Wir baden in diesem Kriege sehr viel von den Unterseebooten gelernt, wir glaubten früher, sie könnten kaum länger als drei Tage von ihrer Basis sonblciben, da die Bemannung dann er schöpft sein müßte. Wir haben aber bald erfahren, daß der größere Typ dieser Boote um England hcrumrahrcn und sogar 14 Tage lang draußen bleiben kann. Dazu ist nur not wendig. daß der Besatzung Gelegenheit zur Rnbe und Erholung gegeben wird, und diese verschossen sich unsere Leute dadurch, daß das Boot in flaches, ruhiges Wasser und dort an den Mund geht, wo es still liegen bleibt, damit die Mannschast sich aus schlafen kann. Das ist nur möglich, wo das Wasser verhältnismäßig slach ist. Beiläufig möchte ich noch erwähnen, was an scheinend kein Geheimnis mehr ist und was ich aus anderen Quellen erfahren habe, daß Deutschland IN neue Unterseeboote von größerem, Ml- Tonnen Typ baut." „Wird die deutsck>e Flotte sich der englischen zur schlacht stellen?" „Wenn die Engländer nns Gelegenheit zur schlacht geben, gewiß. Kann man aber erwarten, daß unsere Flotte, die an Zahl nur ein Drittel der englischen ausmacht, c>nc sür sie ungünstige mili tärische Mlcgenheit benutzt und die englische Flotte zur schlacht heransfordert? soviel wir wissen, liegt die Flotte der englischen großen Kampfschifse auf der Westseite Englands, an der i r i s ch e n 2 e e." „Ist etwas ZIZahres an den Berichten, daß eine Invasion Englands mit Zeppelin-Luf-t- schiffen vorbereitet wird?" - Ich glaube, ein Untersee bootskrieg aegeu Englands Handelsschiffe ist eher noch wirksame r." In diesem Augenblick wurde Mas Tisza, der ungarische Ministerpräsident, der beim Kaiser war, r.ugemeldet. Die Unterredung war beendet." die englischen Helme im Ligurischen Meere. Aus Rom wird dem „B T" gemeldet" Die bet Livorno an den Strandgeschwe m m ten englischen Helme werden immer zah l- rcicher. Es sind schon mehr als. vierzig. Außer dem sahen Fischer aus dem Meere bei der Insel G o r- gona Hunderte und aber Hunderte englischer Sol- datenhelmc treiben, ebenso wurden Rettungs gürtel angespült. Es handelt sich also offenbar um Schiffbruch eines englischen Trnppcntrans- portdampfers. Einzug -r» neuen Sultan» von fiegppten in Kairo. Kairo, 21. Dezember. (Reuter.) Der neu« Sultan von Aegypten hielt gestern seinen Einzug in den Abdtn-Palast. Auf dem Wege durch die Straßen wurde er durch die Volks menge lebhaft begrüßt. Asa Khan, der Führer der indischen Mohammedaner, ist hier eingctroffen, um an der Feier der Thronbesteigung teilzunchmen. Kronprinz Seorg von Sachsen wie-er im Zelö. Der Kronprinz von Sachsen hat nach de- endeter Kur Wiesbaden verlassen und sich wieder in» Feld -«geben. Eiserne kreuze. Das Eiserne Kreuz haben ferner verliehen er hallen: der Oberleutnant Gustav von Goß 1er, ein Sohn des Mneralmajors von Goßler in Königs berg (der Ausgezeichnete erhielt das Eiserne Kreuz 1. Klasse persönlich vom Mneral von Mackensen an- gclxsteti, der Major Rehieldt, Kommandeur de» Infanterie-Regiments v. Boyen in Memel (1. Klasse), der Vizeseldrvebel der Reserve Flieger Reichardt (1. Klasse), der Oberleutnant der Landwehr Otto Beissert, Unteroffizier im Reservc-Insanterte- Regiment 3 Gottlieb Guskc aus Königsberg (unter gleickxzeitiger Beförderung zum Vizefeldwebel), der Mncralmajor von der Lank«n, Kommandant von Thorn, der Mneralmajor beim Gouvernement in Thorn Griepenkarl, der Generaloberarzt Enn tz e, lbarnisonurzt in Thorn, der Oberleutnant der Reserve und Adjutant Ingenieur Dr. Max Krause, Vorsitzender des Verbandes der deutschen Ticfbauunternehmcr, der Leutnant der Reserve in einem Reserve-Insanrerie-Regiment Ingenieur Bruno Lange aus Lharlottenburg, der Oberarzt in einem Feldlazarett Dr. Bloch, der Oberlehrer Dr. Schlett aus Marburg. Dr. Alsred Oet tinger. Sohn des Ziegeleibcsitzers Moritz Oet tinger in Rackwitz (Posen), der Major der Reserve im bayr Leibregiment. Geheimrat Dr. von Lum m. Mitglied des Reichsbankdirektoriums, zurzeit in Brüssel, der Ofsiz.crstellvertrtter Rechtsanwalt Dr. Friedrich Schiller in Halle. (Er befindet sich zurzeit in Pflege der Diakonissenanstalt zu Halle. Sohn des Pnvatus Friedrich Schiller in Delitzsch.) Zürs Vaterland gefallen. Wie aus den Fc miliennacl richten der vorliegen den Ausgabe unseres Blattes erüchuich ist, starben den Heldentod fürs Vaterland: der Eini.-Gesreite im Füsilier-Regiment 36 Skud. med. Walter Baum, der Kriegsfreiwillige Emil Kunze, Stud. chem. der Hochschule zu Karlsruhe, der Kriegs freiwillige im Infanterie Regiment 106 Arthur Stein. Angestellter der Firma Herold L Wilhelm, der Gefreite rm Infanterie-Regiment 107 Verand- leitcr Richard Sieder. Ihm widmet auch die Firma Gebrüder Heine einen Rachruf. Die Leip ziger Schnellpresscnfabrik. Akt.-Gei., vorm. Schmie'S, Werner L Stein, zeigt den Heldentod folgender Ar beiter an: Tischler Karl Ziegler. Hilfsarbeiter K arl Wagner. Dreherlehrling Kurt Warnig. Die Beamten der Berufsscuerwchr widmen ihrem Kameraden Richard Eifert einen Nachruf. Ferner fielen auf dem Felde der Ehr:: der Major im Grenadier-Regiment 4 Julius Sten z- ler, Ritter des Eisernen Kreuzes, der Unteroffizier Aldin Herfurth. d:r Gefreite im Infanterie- Regiment 107 Versandleiter Richard Sieder, der Gefreite der Landwehr im Infanterie- Regiment 107 Arthur Prokubek, der Einj. - Kriegsfreiwillige Paul Fritz Thiclke, der Pionier in der Reserve-Pionierkompanie 54 H e i n r i ch A r t h u r Leis: ring. der Soldat im Infanterie-Regiment 106 Carl Kälber, der Landwehrmann im Infanterie-Regiment 106 Richard Eifert, der Kriegsfreiwillige im In fanterie-Regiment 114 Kurt Lyhrc. sämtlich aus Leipzig: der Kriegsfreiwillige im Rcservc-Infan- tenie-Regimrnt 262 Paul Hupka aus Dessau, der Unteroffizier der Reserv: im Infanterie-Regiment 177 Arthur Hoffmeister, der Zahlmeister Ernst Braut, der Jäger im Reserve-Iager-Bataillon 26 Richard Glöckner, der Soldat im Insanterie- R.giment 177 Bruno Glöckner, sämtlich aus Dresden: der Jäger im Rcserve-Iäger-Bataillon 25 W alterHorst Brc n n e r aus Borna, der Ersatz reservist im Reserve - Infanterie - Regiment 241 Arthur Hesse aus Borna, der Landwehrmann im Infanterie Regiment 106 Paul Pötzsch aus Pegau, der Laudwehrmann im Infanterie-Regi me»! >1 M az Hcrtling aus Rötha, der Soldat im Brigade Ersatz-Bataillon Friedrich Bern hard Döhler aus Epahusdorf, Amtsbauptmann- ichast Borna, der Laudwehrmann im Reserve-In- santerie-Regiinent 24.', Paul P e st n e r aus Tracheuan. d r Hornist im Landwehr Iniantcrie- Re-giment 105 Andreas Freimuth aus Wervnu. der Oberleutnant der Landwehr und Kom- pa nies »ihrer im Reserve Infanterie Regiment 2l7 Fritz Krause. Mitbesitzer der Ivhannisapoth'ke in Crimmitschau, der Soldat im Infanterie Regi ment 160 Ernst Willy Schürer aus Crim mitschau. der Grenadier im Grenadier-Regiment IW A lsred Seysarth aus Plauen, der Kranken träger der Reserve Sanitätstompanie l I A u g u st Jahn. Ritter des Eiurnen Kreuzes, der Soldat im Infanterie Regiment 179 M a r Fuchs, sämtlich aus Plauen, der Unteroffizier der Reserve im In fanterie Regiment 2ll! Heinrich Richter aus Oelsnitz. d r Soldat iia bayr. Infanterie Regi ment 17 Kurt Reidhardt aus Meerane, der Leutnant beim Gardedukorps Regiment Gras W i l- helm von Redern, bisber Besitzer der Herr schaft Lanke, die vor kurzem in das Eigentum der Stadt Berlin überging fder Gefallene befand sich bei Kriegsausbruch aus .'iner Reise nach Amerika, geriet in englische Gefangenschaft, wurde aber sreigelassen und stellte sich dann bei seinem Regiment), de: Leut nant der Reserve im Infanterie-Regiment 89 Archi tekt B r u n o K rause . Sohn b.'s Stadtrats Krause in Eberswalde der Flugbcoleiter Kohn sbeim Ab sturz seines Flugapparcnesl. Ehre ihrem Andenken! Weitere Mel-ungen. Jever aufmerksame Leser wird das Bedürfnis haben, außer der fortlaufend berichtetenden Tages zeitung auch ein Nachschlagewerk zu besitzen, das eine Ueberjicht über die Geschehnisse und jederzeit über den Verlauf der Dinge zuverlässige Auskunft gibt. Als solche Zeitgeschichte empfehlen wir das bei Felix M einer in Leipzig erscheinende, von Dr. Purliy bearbeitete 2verk: „Der Europäische Krieg in aktenmäßigerDarstellun g." Es sind bis jetzt fünf Lieferungen erschienen. Sie enthalten nicht bloß eine chronologische Aneinanderreihung von Tat sachen, sondern auch alle wichtigen Urkunden, Akten stücke und zahlreiche Zeitungsstimmen. Dazu kommt ein ausführliches Register, so daß das Werk seinen Zweck in ganz hervorragender Weise erfüllt. * Die Stadtverordneten der Stadt Halle bewilligten in ihrer gestrigen Sitzung 20 000 .E als H t n den b u r g - S p: n de für da» Lsthcer. Der Magistrat harte 70000 .g oorgeschlagen. Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet: Der Kaiser empfing vor seiner Abreise zur Front den Professor Lucas von Cranach, unseren bekannten Schmuckkünstler, zur Ueberrcichung eine» Kriegs ringes. Der Kaiser sprach dem Künstler, wie uns mitgcteilt wird, fein« Befriedigung Lver di« künst lerische Arbeit aus. Aus Ersuchen der britischen Regierung behält Sir Francis Bertte den Botschafter posten in Pari», den er Ende dieses Jahre» aus gaben wollte. * Der deutsche Dampfer „Senator Os wald" lief am Sonntag in Pmuiden ein. Das Schiff wurde vorläufig durchsucht und unter Be wachung gestellt. Die Bestimmung des Dampfers war Zeebrügge. Semerkenswerte Urteile über England aus früherer Zeit. Es hätte an sich keinen Zweck, scharfe Urteile über England und das englische Volk zu sammeln, da am Ende jedes Volk bei diesem o^er jenem Besucher oder Geschichtsschreiber mißfällige Meinungen hervor rief; allein es ist doch auffallend, wie in io manchen Zeugnissen aus früherer Zeit grave die Beobachtungen wiedcrtehren. die auch rn dielen Tagen des großen Kampfes sich förmlich aufdränaten. Aus dem Leierkreise werden wir auf das Buch des Dichters F. M. von Klinger „Geschichte eines Deutschen der neuesten Zeit" aus dem Jahre 1798 aufmerksam gemacht Klinger, der ZeitgenosseGoethes. bekannt als Urheber der „Sturm- und Drangperiode" schrieb: „In England forschte ich vergebens nach jenen Tugenden, mit deren Geräusche dieses nach allen Teilen der Welt handelnde Volk seine verblendeten Bewunderer so lange täuschte. Längst hat die Gold- gierdc sie oericlstungen Mich überfiel ein Schauder bei dem Gedanke r. dajz dieses von politiichcr Freiheit träumende V lk. welches gleichwohl allen wirklichen Wert nur in Gewinn setzt, die unschuldigsten und ältesten Bewohner der Erde in der scheußlichsten Sklaverei hält — —. Ich sehe sie alle Meere durch fahren. alle Küsten der kultivierten und wilden Völker besuchen, überall handeln und tauschen, Gewalttätigkeiten und Raub ausüben - — uno doch treibt dieses, durch seine Reichtümer auf geblähte Volk seinen mißverstandenen Stolz soweit, da»; es alle Völker der Erde verachtet . Und wenn die Engländer nun alles Geld der Erde zu- lammengehäutt haben, wer en sie nicht ärmer durch iären Reichtum sein? Welches bloß kaufmännische Volt der alten und neuen Welt rief nicht in der Zeit der Not seinen Götzen vergeblich um Hilfe an? O, es ist ein trugvoller Götze, und die Zeit wird einst die gemißhandeiten Völker der Erde an seinen feurigen Anbetern rächen!" An das Verhalten Englands in den napoleonischen Zeiten erinnert uns eine Zuschrift, die an das 1897 erschienene Buch des württembergiichen General majors Albert'Pfister „Aus dem Lager der Ver bündeten 1814 und 1815" anknüpft. Es wird darin berichtet, wie Metternich 1813 von Frantfurt aus Unterhandlungen mit Napoleon führte, und da heißt es: „Was endlich die Engländer bewogen haben mag. einem Friedensversuch beizutreten, ist nicht recht klar. Es war der einzige Staat in Europa, der sich bei dem Kriege wohl befand. Dadurch, daß es Kriege auf dem europäischen Festlande beförderte, anfiifrete und nährte, ist England groß geworden, har seine Reichtümer gesammeit und jein Kolonial- reich zusammengerafft. Der Leichengeruch auf dem Kontinente duftete jedesmal ungemein lieblich durch die Handelswelt der Engländer und lockte die Geier herbei, ihre Beute zu holen. Aut Kosten der verblutenden Staaten des Kon tinents hatte jetzt wieder England seinen Handel und seine Industrie entwickelt. Auch heute vermag cs sich nur auf der Höhe zu halten, wenn es die Staaten des Festlandes aureinanderhetzl und jeder Gelegenheit ausweicht. die es zwingen könnte, den Nachweis, für -leine eigene Berechtigung zur Groß- mächtäellung zu liefern." Der zerstörte ZrieShof. Lodz, 12. Dezember. (2.Z Außerhalb der Stadt, auf einem e.was er höhten Punkt, liegt der Friedhof der Juden von Lodz Die sind nicht nur fromme, sondern zum großen Teil auch tchr reiche Leute die viel Geld daran wandten, die letzte Wohnstätte ihrer Lieben schön zu errrchten und zu vrhalten. Sie legten einen stim mungsvollen Hain an. mit prächtigen Pflanzen, lieblichen Blumenbeeten und kostbaren Denkmälern — aber was ist nnrer dem Granatenhage!, der darüber wegging. davon geblieben! Zertrümmerte Denk mäler, verwüstete Blumenbeete, zerzetzte Bäume! Der Krieg kennt keine Pietät — der Friedhof liegt an einer strategisch sehr wichtigen Stelle, und die Russen stellten hinter ihm als Deckung ihre Geschütze aus. Viele der deutschen Granaten, die diesen galten, nahmen ihren Weg durch den Totenhain der Juden von Lodz und machten ihn binnen wenigen Stunden zu einer traurigen Verwüstungsstätte, zu einem dieser furchtbaren Anjchauungsdilder von der Grausamkeit des Krieges. Gleich ein paar Schritte vom Eingang bietet sich uns so ein lehrreiches Bild dar — ein durch eine Granate zerstörtes Grab. Der zchwarze Granitstein. der es ichmückte, liegt in viele Trümmer gerissen auf den Nachbargrübern herum und das Geschoß steckt tief drunten im Sarg. Doch ist dieser Tote noch gut weggekommen — zwei, drei Gräber sah ich nach, her, da hat die Granate, die hineinfuhi, die Särge herausgejchleuvert uno ihre Trümmer in der Nach barschaft verstreut. Wie im Leben, so habe» die Feinen und Reichen auch im Tove schönere Quartiere als die Armen. Die Gräber der vornehmen Jude» liegen an der Hauptstraße, die der unteren Klassen nn Viereck darum herum Jene haben kostbare Monumente, hochragende Mausoleen, diese schlickte weiße Sand- steine, am denen der Name des Verstorbenen und — in blauen oder roten Farben gemalt — eine Thora rolle zu zehen sind. Aber selbst diese ärmlicken Gedenksteine haben kein Erbarmen beim Kriege ge funden. Durch den einen juhr eine Granate durch wie durch ein Stück Papier: die anderen wurden zersplittert, zerfetzt. Und erst die Gräber der Reichen! Sie sind prunkvoller, stolzer und größer uno boten daher den Granaten viel mehr Ziele. Kems ist unter ihnen, das nicht etwas abbekommen — wie viele aber sind von Grund ans zerstört! Da fällt einem gar bald ein prunkvolles Mausoleum, ein von Säulen ge tragener Rundbau aus Marmor in einem kleinen, von einem kunstvolle» Eisengitter umfriedeten Blumengarten auf „Poznans»" steht in großen Bromeletiern auf dem Fries des Tempels; das ist der Name der reichsten Iudenfamilre in Lodz, die man die Rothschilds von Polen nennt, vier Gra naten genügten, um diese etwas protzige Herrlichkeit vollkommen zn verwüsten. Drei von ihnen machten aus den sorgfältig gepflegten Winterbeeten formlose Erdhaufen uno rissen einige der Zierbäume um; die vierte traf das Dach, fegte eine der mächtigen Kon« folen herunter und warf sic gegen das Gitter, dessen dicke Stäbe wie Bambusrohr geknickt wurden. Diesem Grab gegenüber liegt von einer hübschen Balustrade aus gelbem Marmor umgeben die Ruhe stätte «iner anderen vornehmen Familie. Durch die fein und zierlich gearbeitelen Säulchen der Balu strade suchte sich eine Granate ihren verderblichen Weg — in Atome zersplittert liegen sie nun auf den Nackbargriibern herum Am schlimmsten wurde aber dem Grabe eines gewissen Silberstein mitgespielt. Sein Schmuck bestand au» «iner kunstvoll gemeißelten Säule, die auf einem hohen, den Namen de» Toten tragenden Sockel stand. Eine Granate schlug auf diesen Sockel auf, warf den mehrer« Zentner schweren Dienstag, 22. verenmer is,4. Block gegen das dahinter sich erhebende Eisengitter, das er trotz dessen Stärke durchbrach, um mehrere Schritte weiter auf einem fremden Grabe zu landen. Die Säule wurde in zwei Terle zerhauen: der eine liegt ein paar Meter noch über den Sockel hinaus, der andere flog gegen das daneben errichtete Mauso» leum einer Familie Kipper, zerschmetterte die Treppen und warf den freistehenden Sarkophag glatt um. Wenn man die infernalische Kraft dieser Geschosse sieht, wenn man sieht, daß sie mit schweren Marmor blocken spielen wie kleine Kinder mit Gummidällen, dann macht einen die Vorstellung schaudern, welche Wirkung sie haben müssen, wenn sie unter diese weichen, lebenden Menschenleider fallen, für die sie bestimmt sind. Zur Seite des Friedhofes zieht sich ein weites, ödes Feld hin — das war irllher der Garten, in dem der Friedhoisaärtner die Blumen sür die Gräber zog. Die Russen machten aus diesen Blumenbeeten ihre Batterienhanzen und heute ist ihr Boden weit und breit mit den Sprengstücken der deutschen Granaten besär. An den Schanzen ist nicht viel zu sehen, sie sind nicht sehr sorg fältig ausgebaut, und nur oje Unterstände nnt Schronttüren gedeckt und mit Matratzen ausstaifiert. Das Mcuerial dazu holten sich die russischen Soldaten aus dem aus der anderen Seite des Feldes stehenden Hause des Frieohofsgärttisrs. Und da sie einmal orrn waren, schlugen sie gleich alles, was sie nicht brauchen konnten, kurz und klein. Vielleicht hätten sie das Haus des verhaßten Juden überhaupt nieder gebrannt, wenn nicht darin ihr Balte.ietelephon untergebracht worden wäre. Eine deutiche Granate aber fuhr in das Zimmer, in dem der Apparat stand, und machte dem Telephon mit samt dem Telepho nisten den Garaus. Mein Gott, zehen das Haus und seine Neben gebäude aus! Die Gtastmu.er in Scheiden, der Obitoarten ohne B.'ume, deren Stämme zum Bun der Unterstünde für die rnsnschen Artilleristen ver wendet wurde. Der Friedhossgürtner war vor dem Kriege ein wohlhabender Mann, jetzt ist er er» Bettler. Nicht einmal den Bretterzaun um sein Anwesen haben sie ihm gelassen Den haben .hm ^ie armen Leuie aus seiner Nachbarschaft zerschlagen und ge raubt. Um mit dem geraubten Holz ihre zerschossenen Zimmer m heizen oder ein paar Kartoffeln dafür einzutauschen. Ernst Klein, Kriegsberichterstatter. Vas unsere Soldaten schreiben. Die Beschießung von Reims. (Abdruck für das „Leipziger Tageblatt" amtlich genehmigt.) Vieux, 15. November. „Lieber Schwager und Schwägerin! Heute zum Sonntag wurde ich sehr erfreut durch Eure Sendung. Ich sage Euch dafür meinen besten Dank, und bin vor allem Otto dankbar, daß er für mich das „Leipziger Tageblatt" bestellt hat. Hoffentlich ist es mir ver gönnt, Euch allen mündlich meinen Dank abzustatten. Ich bin heute in der Lage, Euch einen Brief zu schrei ben, da mein Stangenfahrer einige Briefbogen und Kouverts erhalten hat. Bis zum vorigen Dienstag waren wir der Ee- fechtsstasfel zugeteilt, und wurden abgclöst, da unsere Pferde rrschöpst waren. Bisher hat keiner von uns ein Bett zu sehen bekommen. Viele Rächte haben wir, m den Mantel gehüllt, stehend neben unseren Pferden zubringen müssen. Ost schon waren wir bis auf die Haut durchnäßt. Einige Male hatten wir Gelegenheit, unsere Zelte aufzuschlagen, um sie schleunigst wieder abzureißen. Wir danken Gott, -aß jetzt wenigstens die langen Märjche die Nacht durch nachgelassen haben. Der längste Marsch von« 52 Stunden durch Belgien, mit dreimaliger Unter brechung von je Stunde zum Füttern der Pferde, ist noch in aller Erinnerung. In zen:r Gegend waren fast alle Häuser weggebrannl. die an der Hecres- straße lagen. Rechts und links vor uns lagen jeden Abend brennende Dörfer. Teilweise haben wir so dicht hinter unserer Artilleriefront gelegen, daß wir wirklich etwas zu hören bekamen: uns wurde der Rückzug befohlen, nachdem zirka 100 Meter hinter uns die Granaten einschlugcn. Das großartigste Schau spiel bis jetzt war di« Beschießung von Reims. der wir, 6. Kolonne, von einem bereits er oberten Forts aus zusehen konnten. Ge^en 700 Ge schütze donnerten gegen Reims oder Umgebung. Der Boden erzitterte. Man dacht.', er schwante unter den Füßen. Ich fahre, wie Ihr misten werdet, als Vorderreiter, und hierzu werden die gewandtesten Leute rausgesucht. Der schrecklichste Tag war dem 3. Zug, nämlich 5 bis 7 Wagen unserer Kolonnr (der 5. der meinige) Vorbehalten. Wir bekamen gegen 9)4 Uhr abends den Befehl, unsere 3 Wagen Muni tion (jeder Wagen 36 Schuß) direkt nach ccr Feuer linie zu fahren und bei der 7. Batterie vom Regiment abzulieseru. Die Fahrt ging quer über Felder und Wiesen, zuerst im Trabe, die letzten 1!L Kilometer im Galopp los. Wir erreichten die Batterie glücklich, aber wenn wir uns gedacht: Geschosse runter, dann zurück, hatten wir uns geirrt. Dort bekamen wir Be fehl, bei der Batterie zu bleiben. Die Batterie feuerte, und wir mußten unsere nicht daran ge wöhnten Pferde in den Zügeln festhalten. Da plötz lich. gegen )N2 Uhr nachts, bekam die Batterrd Feuer. Wir drei Munitionswagen mußten sofort 200 . bis 300 Meter rechts zur Seite fahren. Hier fielen zuerst gegen 4tlO Schüsse ungefähr l50 Meter vor uns, plötzlich aber zirka 50 Meter hinter uns. In dieser furchtbaren Lage mußten wir verharren, bis die Batterie gegen !43 Uyr früh eine andere Stellung einnahm. Ich stand an mein Sattelpfcrd gelchnr und meine 3 anderen Kameraden, zum Wagen ge hörig. hinter diesem. Kein Mensch sprach auch nur ein Wort, meine Gedanken weilten in dieser Zeit bei meinen Lieben daheim. Hätten die feindlichen Batte rien die Entfernung nur um 100 Meter verändert, wir alle dr.'i Wagen mit Munition wären gewesen. Als die Batterie die Stellung wechselte, bekamen wir Befehl, im Galopp zu folgen, und so mußten wir über Stock und Stein, durchs Gräben folgen; cs hieß, was stürzt, bleibt liegen. In eine solche Fahrt müßt Ihr Euch einmal reindenken. Zweimal hatten wir bisher Gelegenheit, feindliche Schützengräben, die vor wenigen Stunden genommen, zu über fahren. Danket Gott, wenn Ihr so etwas nicht zu sehen braucht. Hunderte von Leichen kreuz und quer gelegen, «in Anblick, daß man sich nicht traute, hinzuschauen. Aber wenn es auch zum größten Teil Franzosen waren, so lag doch mancher der Unirigen dabei. Mancher Familienvater von den Regi- mentern .... Hi.'r gibt es keine Gelegenheit, um tote Menschen herumzufahren, hier hieß es. Pferde fest in die Zügel, vor allem die Handpferd' und über alles hinweg. Gerade diese Vorgänge spielen sich meist in der Nacht ab, und sind daher recht schauer lich. Es muß dies aber in der Finsternis geschehen, damit der Feind keine Gelegenheit hat, die Kolonne zu beschießen. Mitunter sind die Stellen, auf denen unsere Batterien standen, und die Umgebung durch '«indliche Geschosse geradezu durchwühlt. Ein schweres Geschütz reißt .'in Loch von 1)4 Meter Ties« und 3 Meter im Umkreis« in den Boden, und da heißt e», Augen aus. Durch Bomben von feindlichen Fliegern -ab«» wir bi» setzt b Mann mch 1«