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Seite s. Nr. 3O7. Ndenü»Nusyade. keipHiger Tageblatt. Sonnadenü, iS. Juni ISIS. in Zeebrügge liegen, führte ein andere» V-Boot einen an der englischen Ostkiiste aufgebrachten Dampfer gar nach Tuxhaven! Die Wut, die »olche Erfolge unserer H-Boote im Laaer der Gegner wecken, tobt am lautesten und kind lichsten in Frankreich und seiner Presse. Einer un serer Grauen brachte den Dampfer „FrLdüric Franc" zur Strecke. Der gutherzige Kommandant fragte die ausgestieaenen Franzosen, ob sie mit Wasser und Proviant versorgt wären, und schickte einen Segler, der sie Heimbringen sollte. Den Dank da für las er in einer französischen Zeitung mit der Be hauptung, er habe die Schiffskasse gestohlen und die Trikolore mit Fügen getreten. Darum kann unser Volk den Führern von Tauchbooten nur raten, weniger Gnade und Rücksicht als bisher walten zu lassen. Ein englisches, also dem Gegner ver ständliches Sprichwort sagt praktisch und wahr: lk ^ou bave Iba n.ime, vvu ma? plav tbe ^rrms. Wer uns grausamer Härte zeiht, wenn wir Güte und Milde bieten, hat zu erwarten, das? wir hart und immer härter werden. Der Unterfeekrieg rvrb. London, 19. Juni. Der Flottcnkorrespondent der „Times" schreibt: Die Tatsache, datz seit Anfang Juni nicht weniger als 73 Schiffe durch Unterseeboote versenkt worden sind, bildet einen seltsamen Kommentar zu Churchills Erklärung in Dundee, datz die Ilnterseebootsgefahr in bestimmten Grenzen eingeschränkt sei. Schweizerische Sorgen Mangel an Lebensmitteln und Rohstoffen rrtb. Bern, 1b. Juni. In der heutigen Sitzung des Ständerates begründete W h n i g e r - Luzern (Kathol.-Kons.) eine Interpellation, wodurch der Bundesrat um Ausschluß ersucht wird über seine Ab sichten hinsichllich der Organisation der Einfuhr von Le bensmitteln und Roh st offen im weiteren Verlause der Kriegszeit. Bundesrat Hoffmann, Borsteher des poli tischen Departements, führte in seiner Antwort u. a. aus: Die wirtschaftliche Lage der Schweiz ist viel ernster, als sie gemeinhin beurteilt wird. Durch die Macht verhältnisse hat sich ein breiter Graben aufgetan zwischen dem, was von Rechts wegen die Stellung un seres Landes wäre, und dem, wie sich tatsächlich unser wirtschaftliches Leden abspielen mutz. Redner er örterte die sich auf der Haager Konvention ergeben den Rechte und Pflichten eines neutralen Staates und betonte, datz die tasächliche Gestaltung der Dinge der Rechtslage nich. entspreche. Er sagte: Ein neu traler Staat kann den Wirtjchastskampf zwischen Kriegführenden n i ch t m i t m a ch e n, er kann weder nach der einen, noch nach der anderen Seite Stellung nehmen. Die geographische Lage der Schweiz hat es aber mit sich gebracht, datz sie durch Reperkujsion in den Streit mit hineingezogen wird. Allerdings nehmen die kriegführenden Staaten stets der Standpunkt ein, datz sie der Schweiz weitgehendes Entgegenkommen beweisen werden, ein Entgegen kommen, das aber stets nur im Rahmen des Kriegs- zu eckcs für möglich erachtet wird, io datz die Schweiz wirtschaftlich trotzdem in schwere Mitleidenschaft ge zogen wird. Es ist völlig ausgeschlossen, datz die Schweiz gegen die eine oder andere Gruppe der Kriegführenden sich vollständig abfchlietzt. Zur Be hebung der Uebclstände bleibt nichts übrig, als eine Einsuhrorganifation, den sogenannten Einsuhrtrust, zu schaffen. Dieser Trust soll eine zuverlässige, ver trauenswürdige, ausschließlich nationale Kontrolle chaffen. Er fall die freie Verwertung der schwei- i krischen Produkte aus eingeführten Waren ermög- ichen, soweit sie nicht den mit dem Kriegszweck zu- ammenhängcndcn Interessen der einzelnen krieg- ührcnden Staaten entgegenstehen. Der Redner erörterte sodann die Organisation des geplanten Ein fuhrtrusts und betonte, datz es sich nicht um die Gründung einer staatlichen Institut on bandele, viel mehr um eine rein private Gesellschaft, was die völlige politische Unabhängigkeit und Neutralität ge währleiste. Der zn bildende Verband ist als aus Vertrauenspcrsonen ausschließlich s ch w c i z e r i sch e r Rationalität zusammengesetzter Verein gedacht, der Rohstoffe, Halbfabrikate und Fabrikate in die Schweiz einführt und sie unter den Verpflichtungen an Syn dikate oder einzelne Importeure abgibt, die das ex portierende Land als Bedingung an die Aus- oder Durchfuhr knüpft. Der Verein wird die Einhaltung der Verpflichtungen überwachen. Die wirtschaftliche Politik des Bundesrates war stets neutral und wird in Zukunft streng neutral bleiben. Der Einfuhrtrust mutz, um annehmbar zu sein, die Möglichkeit schaffen, diese neutrale Stellung auch fernerhin etnzunehmen. Der Redner kam sodann auf die Schwierig keiten zu sprechen, die sich besonders in letzter Zeit der Bildung dieser Organisation entgegenstellen, indem die Vorschläge einer in Betracht kommenden Staatengruppe den Bundesrat überraschten und enttäuschten. Bei den vorhandenen vortrefflichen Beziehungen fei aber wohl zu erwarten, datz sie der Schweiz alles ersparen werden, was eine übermäßige Beeinträchtigung ihrer freien wirtschaftlichen Selb ständigkeit zur Folge haben könnte. Sollten die Verhandlungen über die Schaffung eines Einfuhr trusts wider Erwarten nicht zu einem befriedigenden Resultat gelangen und sollte die sich alsdann er- gebende Lage neue wirtschaftliche Schädigungen zeitigen und Opfer verlangen, so ist, fuhr der Redner fort, der Bundesrat gewitz, datz sie von dem schweize rischen Volke mutig und patriotisch getragen werden. Grund zu irgendwelcher Beunruhigung, namentlich bezüglich der Lebensmittelver sorgung, ist nicht vorhanden. Die kriegführen den Staaten haben in dankenswerter Weise für die Schweiz die Möglichkeit geschaffen, die für die Be völkerung erforderlichen Lebensmittel in einem Um fang einzuführen, der uns nicht nur bis jetzt ermög licht hat, ohne Not zu leben, sondern auch auf lange Zeit hinaus ausreichende Vorräte zu beschaffen und ohne große Sorge in die Zukunft zu blicken. Eine Organisation des Konsums ist bis heute nicht not wendig gewesen und wird auch zurzeit nicht ins Auge gefaßt. Sollte sie wünschenswert erscheinen, so wird unser Volk auch eine Einschränkung sich willig gefallen lassen. Bundesrat Hoffmann gab zum Schluß der Hoff- nung Ausdruck, datz die Schweiz dank der Sympathie und Anerkennung, die die auswärtigen Staaten ihrer loyalen, offenen Politik zollen, mittels einer mit den realen Verhältnissen rechnenden, gleich zeitig aber die Ehre und Selbständigkeit der Schweiz fest im Auge behaltenden Wirtschaftspolitik diese schwerste Krise glücklich überstehen werde, die die Schweiz seit IVO Jahren durchzumachen hatte. Der Interpellant erklärte sich über diese Auskr nft befriedigt und sprach dem Bundesrat das Vertrauen des Volkes in seine feste, klare Neu tralitätspolitik aus. 1-1-000 Kriegsgefangene. Nach der „Bäuerischen Staatszeitung" haben auf Grund von Berechnungen, die mit dem 1-1. Juni ab- schlietzen, deutsche und österreichisch-ungarische Truppen folgende Gefangene gemacht: 1240 000 Russen. 258 vvo Franzosen, 24 000 Engländer, 41 «NN Belgier, 5V 000 Serben Insgesamt: 1810 000 Mann. Die Zahl wird durch die letzten Siege in Galizien wesentlich erhöht. Minisierrat in Vien cvtd. Wien, 19. Juni. Gestern fand unter dem Vorsitz des Ministers des Aeußeren B a- ron Burian eine g e m e i n s a m e Mi n i st er- konferenz statt, in der mehrere mit dem 5brieg zusammenhängende wirtschaftliche und fi nanzielle Fragen einer eingehenden Erörterung unterzogen wurden. Am Schluß, der Konferenz wurden hinsichtlich der gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen des kommenden Budgetjahres provisorische Vorkehrungen getroffen. Wahrheitsliebe -er italienischen Generalstabsberichte n td. Wien, 19. Juni. Auch dem Kriegspretz- quartier wird gemeldet: Die Wahrheits tr e u e der amtlichen Verlautbarungen des italie nischen General st abes beleuchtet trefflich das Kriegsbulletin vom 13. Juni. Dort heißt es: Unsere Batterien schweren Kalibers beschoßen die Festung Malborgeth und setzten den oberen Teil des Forts in Brand, wodurch ein Munitionsdepot explodierte. Demgegenüber mutz festgestellt werden, daß das in Brand geschoßene Depot ein außer halb des Forts gelegener Holzschuppen ist, in dem gewiß keine Munition deponiert war. Vie Musterung -er ^ahresklaste 1-17 in Frankreich tu. Pari», 19. Juni. Nach einem „Havas"-Dementt versichert der „Matin", datz noch keine Maßnahmen zur Einberufung der Jahresklasse 1898 vorgesehen seien. Das Blatt habe erfahren, datz die Einberufung dieser Jahresklaße gegenwärtig nicht in Frage komme. Die Musterung der Jahresklaße 1917 ist am 17. Juni in der Stadt abgeschloßen worden. Am 18. Juni begann die Musterung in den Vororten. Dem „Matin" versichert eine Persönlichkeit, die an der Musterung teilgenommen hat, datz die 18jährigen körperlich durchaus tauglich seien, daß man sie sogar den Soldaten von 20 und 21 Jahren vor- ziehen müße, weil sie noch nicht vom Alkohol und anderen Lastern verdo.ben seien. die Steigerung -er Lebensmittelprelse in Englan- tu. Haag, 19. Juni. Die Steigerung der Lebensmittelpreise in England beträgt seit dem 1. Mai bis 1. Juni nach dem „Daily Telegraph" für inländisches Rindfleisch 15 v. H., ausländisches 12 v. H., inländisches Hammel fleisch 12, ausländisches 11 v. H., Fische 4, Brot 4, Tee 2, Kartoffeln 2, Eier 8, Käse 4 und Butter 1 v. H. Die „Times" fügen dieser. Aufstellung noch hinzu, daß die Ermäßigung des Brotprcises, die im Norden von London erfolgte, keineswegs auf das ganze Land ausgedehnt sei. Verzicht auf -as Streikrecht währen- -es Krieges in Englan- vtb. London, 19. Juni. Gosltng, Vorsitzender des Transportarbeiterverbandes, sagte in einer Rede in Plymouth, er sei die Verpflichtung einge gangen, während des Krieges auf das Stretkrecht zu verzichten. Alle Streitigkeiten würden durch ein obligatorisches Schiedsgericht ausgetragen werden. Gosltng betonte, die industrielle Wehrpflicht sei weder wünschenswert noch notwendig. firbeitermangel in -er Lan-wirtsthaft Englan-s vtd. London, 19. Juni. Im Unterhause teilte der Sekretär des Ackerbauamtes auf Anfrage mit, daß 150 000 Landarbeiter infolge der Kriege» derLandwirtschaft entzogen seien. Die Regierung werbe in Kanada gelernte Arbeiter für die Herstellung von Munition an. Staatssekre tär des Innern Simon sagte, die Internie rung feindlicher Ausländer gehe nur langsam fort wegen der Schwierigkeit, Unterkunft zu schaffen. Deutsche Kriegsgefangene als Hafenarbeiter tu. Genf, 19. Juni. Wie das „Petit Journal" meldet, mußte man zum Ausladen der im Hafen von Bordeaux zahlreich angekommenen Fracht dampfer, da die Arbeiter aus Marokko und Spanien nicht mehr genügen, deut sch .-Kriegsgefangene verwenden, die dafür einen täglichen Lohn erhalten. Sehebung -es Kohlenmangels in Spanien vtd. London, 19. Juni. „Morning Post" meldet aus Madrid: Premierminister Dato erklärte, daß der Kohlenmangel behoben sei: die Regierung habe für die Kriegsflotte 100 000 Tonnen in England gekauft. Der Premierminister teilte über die Anleihe von SO Millionen Pfund mit, daß, wenn dt« Schatzscheine nicht von privaten Finanzleuten ausge nommen würden, die Bank von Spanien den Rest übernehmen werde. Auflösung politischer Zrie-ensvereine in Frankreich (r.) Zürich, 19. Juni. (Eigene Drahtnach richt.) Nach einer Meldung des „Tagesanzeigers" aus Genf hat die französische Regierung in Paris die Auflösung der verschiedenen politischen Friedensvereine verfügt, die in Paris, Lyon und Marseille durch Schriften wechsel mit dem neutralen Ausland für einen mög lichst raschen Friedensschluss agitiert haben. die Note Amerikas an England je.) Genf, 19. Juni. (Eigene Drahtnach richt.) Der „Petit Parisien" meldet, Präsident Wilson habe auch über Form und Inhalt der neuen Note an England in Sachen der eng lischen Blockadepolitik den Rat der übrigen Präsidenten der amerikanischen Re- publiken eingeholt, um auf diese Weise ein einstimmiges Amerika hinter sich zu haben. Zreigabe rumänischer Petroleum-Transporte Die eine Zeitlang aufgehobenen rumänischen Petroleumtransporte sind nach dem „L.-A." seit einigen Tagen wieder in großem Umfange fretgegeben. Sicherstellung -es Munltionsbe-arfs ln Italien (».) Lugano, 19. Juni. (Eigene Drahtnach richt.) Die italienische Regierung hat eine Verfügung über die Sicher st ellung des Munitionsbedarfes erlassen. Die Ver fügung stellt alle für geeignet befundenen Fabriken zwecks Munitionserzeugung unter Staatsauf sicht. Lies Wenner Geschichte einer Ehe von Leontine von Winterfeld. Nachdruck vrebotrn.) Je weiter sic ging, — die lärmende Straße entlang, — desto sicherer ging sie, — desto fester, — stolzer. Denn sie wußte, sic mußte stark sein jetzt. Sic sollte ja einem Sonne brin- gen, — einem, — der mit dem Tode rang. — Niemand war bei ihm gewesen als Ernst. Ter hatte sie groß angesehen, als sie in die Tür trat. Daun war er still hiuausgcgangcn. Römer hatte sic noch erkannt. Ein glück liches Lächeln ging über sein Gesicht, das schon die wächserne Todesblässe überzog. Bis zuletzt kniete sic an seinem Bett und hielt seine Hand. Tann, — als die Sonne unterging, — schlief er ein, — für immer. Seine Kameraden waren noch gekommen, ihn zu sehen. Ernst stand vor der Tür und hielt Wache, — niemand durfte hinein. Tann — als alles zu Ende, — führte er Ellen hinaus. Er wollte sie nach Hause bringen, aber sie schüt telte den Kopf, — da ließ er sie gehen. Unten im Hausflur kam ihr Knut entgegen. Als er Ellen sah, flog ein Erschrecken über sein Gesicht, — ein tiefes Erstaunen. Sie sah ihn au in großer, großer Augst, er möchte etwas sagen, — etwas, das sie in dieser Stunde nicht ertragen könnte. Sie riß sich zusammen. „Knut, — willst du — eine Strecke — mit mir kommen? Ich habe dir etwas zu sagen." Langsam ging er neben ihr her durch die dämmrige Straße. Jetzt blieb sie stehen und lehnte sich an eine HauSwand. ,^knut, — was du heute erfuhrst, ist nur für dich. Als mein Heiligstes lege ich es in I deine Hände. Sprich mit niemand darüber, selbst nicht init Lies. Sie würde fragen, und das 1 ertrüge ich nicht. Sage cs auch Ernst. Ihr werdet beide schweigen, — ich weiß es. Nun rufe mir bitte eine Droschke. Ich kann nicht mehr." Er half ihr in den Wagen, — sorglich, — tiefbewegt. Daun drückte er ihre Hand. „Tu kannst dich auf mich verlassen, Ellen. Armes, armes Kind." Tann ließ er sie allein nach Hause fahren und ging zurück zu dem Toten. Keiner von ihnen hatte Gisela gesehen, die im dunklen Abendmantel auf der andern Seite der Straße stand. — Denselben Abend sagte Lies zu Knut, als sie beide allein waren: „Sonderbar, wie gefaßt Ellen ist. Ich hatte gedacht, ihr wäre die Sache mit Römer tiefer gegangen." Knut sah an ihr vorbei aus dem Fenster. „Wir irren uns so oft in der Beurteilung anderer. Will Ellen übrigens doch übermorgen fahren?" „Ja, leider, übermorgen mittag, sie hat an ihrem Rciseplan nichts geändert." LieS wischte sich die Augen. „Wann ist Römers Bcis^nng?" „Sein Sarg soll in zwei Tagen zur Bahn gebracht werden. Am Rhein irgendwo ist der Begräbnisplatz seiner Familie." — Leise strich Lies über das Lelio, das noch am Flügel lehnte. Wie hatte er gestern doch noch daraus gespielt? — „Es wird gar kurze Zeit nur sein." — Ganz besonders schwer wurde Lies diesmal I der Abschied von ihrer Schwester. Sie hatte sie noch viel zu fragen, mit ihr bereden mögen. Aber Ellen war so ernst und abwesend, hatte sich so ganz in ihr Inneres zurückgezogen und lies niemand hineinsehen. Lies ahnte nicht, was in der Seele ihrer Schwester vorging. Sie drang auch nicht weiter in die andere. Wenn Ellen Bedürfnis nach Aussprache hätte, würde sie schon von selber kommen. Mit doppelter Liebe und Zärtlichkeit umgab sie ihr Schwesterchen, nun die Trennung so dicht bevorstand. Es war ein kühler, regnerischer Tag, als sie dann mit Ellen zur Bahn fuhr. Knut hatte sie nicht begleiten können. Er wollte dem jungen Römer die letzte Ehre erweisen, den man heute zu seiner letzten Fahrt an die Bahn brachte. Hand in Hand saßen die Schwestern in der gc- schlossenen Droschke. Durch die Straßen Königs bergs pfiff ein kalter, häßlicher Wind. Da, an einer Straßenbiegung stockte der Verkehr. Vier schwarzbehängte Pferde zogen den blumenüber schütteten Sarg Römers. Auf und ab, in glei chem Schritt, wippten die Helme des nachfolgen den Offizierkorps. Sie mußten halten, bis der Zug vorüber war. Regungslos saßen die beiden Frauen. Lies liefen die großen Tränen über die Wangen. Ellen rührte sich nicht. Ta fiel ihr Blick aus ihren Geigenkasten, dee auf dem Rücksitz stand. .Hell und klar klang es in ihr Ohr, was er vor drei Tagen gesprochen: „Man merkt Ihrem Spiel an, daß Ihnen noch gewaltige, innere Erlebnisse fehlen." — Langsam bog der Trauerzug jetzt in die Bahnhofstraße ein. 18 Kapitel. Nun war es wirklich Winter geworden, eisiger, ostpreußischer Winter. Lies war, soviel e» ihre Zeit erlaubte, mit Gisela zusammen. sie aufzuheitern und „vernünftiger zu machen", wie Knut sagte. Ulli war nun schon ein Jahr alt und entwickelte sich immer mehr zur Freude seiner Eltern. Wenn Knut aus der Universität nach Hause kam, arbeitete er ost bis in die Nacht hinein an einem Geschichtswerk, das bald erschei nen sollte. „Ihr Brüder Rainer wollt viel zu schnell berühmt werden," sagte Lies ihm oft ein wenig schmollend, „kann das nicht ebensogut ein paar Monate später erscheinen? Du machst dich noch ganz krank." Ja, das mußte wohl so im Rainerschen Blut stecken, denn Ernst war auch von einer rastlosen Tätigkeit, mehr denn je. Seine Klinik hatte sich bedeutend vergrößert, seine Praxis so ausgedehnt, daß alle anderen erstaunt die Köpfe schüttelten, wie er's überhaupt nur schaffen konnte. Aber er schaffte es, — kühl, sachlich, un beirrt. Seine Patienten hatten ein grenzenloses Vertrauen zu ihm, aber ihm schien auch alles zu gelingen. Tie schwersten Operationen verliefen glücklich, sein Ruf ging weit über Königsberg hinaus. Auch den Titel eines Professors erhielt er diesen Winter schon, obgleich er noch sehr jung dafür war. Und doch war dieser gesuchte, ver götterte Arzt, der auf dem Gipfel seines Könnens und seines Glückes zu stehen schien, nicht glück lich. Trotzdem er sich auf das Kind freute, nach dem er sich so gesehnt. Gisela war launiger und eigensinniger denn je. Er trug es mit rührender Geduld und sagte sich, daß ein gut Teil davon auf ihren Zu'tand zu schieben sei. Aber er kam seiner Frau nicht näher, auch nicht in dieser Zeit, was Lies heimlich immer gehofft hatte. (Fortsetzung 1» der Conntagsausgabe.)