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14758 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 2SL, IS. Dezember 1S08. Arbeiter 4 obwohl keiner der drei Arbeiter diesen Lohn erhält. Herr Niemeyer schränkt seine Behauptung durch den folgenden Satz ein: -Nur Zeitschriften und wissenschaftliche Bücher lassen zu wünschen übrig». Das ist ja eben des Pudels Kern, und anderes hat das Sortiment auch nicht behauptet. Weil aber diese Literatur zu wünschen übrig läßt, so wünscht eben das Sortiment, daß bei dieser Lite ratur. die am meisten Arbeit macht und den größten Spesenaufwand erfordert, ein Wandel geschaffen, der Rabatt erhöht wird. Kein verständiger Sortimenter ver langt eine angemessene Erhöhung des Rabatts ohne Rücksicht auf die Verkaufsmöglichkeit der Bücher. Jeder weiß, daß eine Erhöhung des Preises ein sehr zweischneidiges Schwert ist. das sehr vorsichtig gehandhabt werden soll. Aber ist denn die Erhöhung des Ladenpreises der Bücher und der Zeitschriften so etwas Unerhörtes, noch nie Dagewesenes, daß es jetzt als Popanz dem Sortimenter vorgehalten werden kann? Wenn man die Preise neuer Auflagen mit denen der älteren vergleicht — natürlich unter Berücksichtigung etwaigen Mehrumfangs. so wird man im Laufe der letzten Jahre eine stete Erhöhung des Bogenpreises finden. Und die Journale! Ich will keine Titel nennen, sonst könnte ich eine ganze Reihe namhaft machen, die in den letzten 30 Jahren von 8 »O jährlich auf das Dreifache geschnellt sind — und dies ohne eine Erhöhung des Verlegerrabatts, ohne eine Entschädigung »Totengesängs anstimmender» Sortimenter. Und dies ist ja ganz natürlich. Der Verleger mußte der Erhöhung der Satz- und Druckpreise, der Autorenhonorarc. der gesamten Geschäfts spesen mit seiner Kalkulation folgen! Und das Publikum hat vielleicht gemurrt, aber es hat gezahlt! Und warum sollte es nicht? Weiß doch jeder, daß im Laufe der letzten dreißig Jahre alles mindestens auf den doppelten Preis gestiegen ist. In meiner Jugend kostete das Pfund Rindfleisch 40 heute mehr als eine Mark, für ein Paar Stiesel bezahlte man 12—1L heute das Doppelte. Und noch bedeutendere Erhöhungen weisen die Mietpreise für Geschäftslokale und Wohnungen auf! Also allein der Verleger sollte mit seiner Ware nicht heraufgehen — das war eben nicht zu machen. Natürlich wird jeder Verleger sorgfältig die Chancen jeder Unternehmung berechnen müssen, um den Erfolg nicht zu gefährden; aber man braucht sich deshalb von Herrn Niemeyer nicht graulich machen zu lassen, wenn er sagt: »Bei den immer wachsenden Produktionskosten (also doch!) müßte der Ladenpreis in absehbarer Zeit eine Höhe erreichen, die den Absatz so gut wie unmöglich machte, und darunter hätten Verlag und Sortiment zu leiden». Herr Niemeyer spricht mir aus der Seele, wenn er sagt: »Ein Geschäftsmann muß vor allem gegen sich streng, sehr streng sein. Vor allem muß er prüfen, inwieweit er selbst an semer Lage schuld ist». Gewiß! Möchte aber Herr Niemeyer behaupten, daß das Sinken des Geldwertes, das Auskommen der Warenhäuftr Schuld des Sortimenters sei? Vielmehr könnte man den Verleger für die übermäßige Pro duktion verantwortlich machen, die einen großen Teil der Schäden verschuldet. Da sagt aber Herr Niemeyer — er spricht davon, daß wissenschaftliche Bücher häufig nur die Kosten bringen, ja zuweilen Verlust verursachen —: »Nun wird man sagen: Warum verlegt er dergleichen Sachen? Der Grund ist einfach: er muß. wenn er über haupt weiter kommen will».— Ich will nicht anführen, was sich dagegen sagen läßt, ich will es gelten lassen. Wie kommt aber der Verleger, der weiter kommen will, dazu, vom Sortimenter zu verlangen, daß er an Bücher, die doch an sich unnützerweise auf den Markt geworfen werden, seine Arbeitskraft, seine Spesen wendet? Verlangt er es. so muß er dafür zahlen, und das kann er dadurch, daß er die ver käuflichen Bücher so rabattiert, daß der Schaden an den unverkäuflichen vom Sortimenter getragen werden kann. Fällt das Sortiment fort, so würde der Verleger Bücher, die er nur druckt, -um weiter zu kommen», ferner nicht verlegen können; des Sortimenters Arbeit ist billig. Inserate sind aber teuer. »Ist es denn richtig», fragt Herr Niemeyer, »daß die fünf Prozent mehr dem Sortiment in seinem ganzen Umsang zu gute kommen würden? Diese Frage wird jeder wissen schaftliche Verleger verneinen. Für ihn kommt nur ein kleiner Teil der Sortimente in Betracht, und diesem geht es im allgemeinen nicht schlecht. Nicht dem kleinen Mann, der es nötig hat, würde also der Vorteil des höheren Rabatts zugute kommen, sondern dem gutsituierten, und was dabei das Schlimmste wäre: daß diesem über jenen eine immer größere Macht zuteil würde». Also äiviäs st impsral Herr Niemeyer möchte einen Teil des Sortiments gegen den andern mobil machen, damit der Verleger als tsrtius gaiicksns sich cinstellen kann. Richtig an dem Satz ist nur. daß einen erheblichen Absatz an wissenschaftlicher Literatur nur ein kleiner Teil der Sortimenter erzielt, daß aber auch die Sortimenter, die für wissenschaftliche Literatur sich verwenden, ohne einen er heblichen Absatz zu erzielen, einen großen Anteil an der Bekanntwerdung wissenschaftlichen Verlags haben. Und bei Büchern, deren Absatz nach hundert oder hundertfünfzig Exemplaren zählt, wie Monographien und dergleichen, fallen auch die einzelnen Exemplare, die von den Sortimentern verkauft werden, die wissenschaftliche Literatur nur nebenbei führen, stark ins Gewicht. Würden diese Sortimenter diese Monographien ihren Kunden nicht mehr Kollegen, so würde der Umsatz so gering werden, daß an einen Druck dieser Schriften überhaupt nicht mehr zu denken wäre. Aber auch die Behauptung, daß es »diesen im all gemeinen nicht schlecht geht-, eine Behauptung, für die ein Beweis gar nicht versucht wird trotz der Einschränkung »im allgemeinen», ist schon um deswillen sehr anfechtbar, weil der gute Zustand dieser Handlungen großenteils nicht aus ihren Sortimentsverkäufen herrührt, sondern aus Antiquariat und Verlag. Aber ganz abgesehen davon, gibt Herr Nic- meyer am Eingang seines Aussatzes selbst zu, daß der Rabatt an Zeitschriften und wissenschaftlichen Werken ungenügend ist. Es heißt da wörtlich: »Nur Zeitschriften und wissenschaftliche Bücher lassen zu wünschen übrig». Weiter ist auch nichts behauptet worden. Wer aber nun erwartet hat, daß Herr Niemeyer daraus den Schluß zieht: »Folglich muß der ungenügende Rabatt genügend gemacht werden», wird sich sehr gelauscht sehen, wenn er erfährt, daß Herr Niemeyer gerade den Handlungen, die für ihn, den wissen schaftlichen Verleger, tätig sind, nicht etwa den Rabatt er höhen will, ihnen vielmehr zurust: -Euch geht es im all gemeinen auch so nicht schlecht!» Was nun?! Soll die ganze Bewegung ausgehen wie das Hornberger Schießen? Soll sie stecken bleiben in den Versuchen einzelner einsichtiger Verleger, die dankenswerterweise den Versuch gemacht haben, den Rabatt zu erhöhen? Soll das Sortiment abgespeist werden mit einem Stein statt Brotes, indem zu dem ungenügenden Rechnungsrabatt ein gänzlich ungenügender Bardiskont gefügt wird, der nur geeignet ist. die kapitalkräftigeren Glieder des Sortiments auf Kosten der weniger kapitalkräftigen zu stärken! Ich hoffe nicht. — Weih nachten naht, das Fest des Friedens und der Freude, das Fest, an dem jeder dem andern eine Freude zu machen, ihm ein kleines Angebinde zu stiften beflissen ist. Auch im Geschäfts leben erhalten kleine Geschenke die Freundscha't. Möge der deutsche Verlag darüber Nachdenken, ob es nicht auch ihm mög lich ist, Weihnachten 1808 zu einem Fest der Freude für seine fleißigen Mitarbeiter, die Sortimenterkollegen, zu gestalten.