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14756 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 2S5, IS. Dezember 1968 Nichtamtlicher Teil. Was nun?« Betrachtungen zur Lage von R. L. Prager. Das Jahr geht zur Neige, und die Erwartungen des Sortiments auf Erhöhung des Verlegerrabatts warten noch immer der Erfüllung. Wohl hat eine Anzahl von Verlegern Versuche gemacht, die Kosten des Sortimentsbetriebs, nament lich der Verwendung für Neuerscheinungen in ein etwas günstigeres Verhältnis zum Rabatt zu bringen. Aber diese Versuche sind bisher vereinzelt geblieben. Die Depression des Sortiments dauert fort. Diese Depression, die schon lange das Sortiment er griffen hat, so daß sie nahezu zu einer — wenn auch nicht gerade zu einer lieben — Gewohnheit geworden ist, diese Depression ist nur zu begreiflich. Die Lebensbe dingungen des Sortiments sind im Laufe der Jahrzehnte ganz andere geworden, während die Bezugsbedingungen, die der Verleger bestimmt, zum Teil dieselben geblieben, zum Teil aber auch noch verschlechtert worden sind. Während sämtliche Unkosten, persönliche wie geschäftliche, gestiegen sind, und zwar in ganz außerordentlichem Maße, ist der Rabatt eher heruntergegangen. Freilich darf man annehmen, daß wenigstens bei einem Teil der Handlungen auch der Umsatz gestiegen ist und somit der Bruttonutzen; doch reicht diese Steigerung keineswegs aus, um die Verteuerung, von der ich gesprochen habe, wett zu machen. Dazu kommen alle die Faktoren, die bestrebt sind, an dem Umsatz des Sorti menters teilzunehmen. Die Verleger selbst, die Warenhäuser, die Versandgeschäfte, der Reisebuchhandel, die Buchbinder Vereine und Gesellschaften. Endlich die Vermehrung der Betriebe, die in keinem Verhältnis zur Vermehrung der Bevölkerungszahl, geschweige denn zur Vermehrung der Bacherkäufer steht. Die Hoffnung setzt das Sortiment auf eine Erhöhung des Verlegerrabatts, der, wie auch vom Verlage zugestanden ist, zur Deckung der Unkosten, bzw. zur Erzielung eines bescheidenen Nutzens, namentlich bei wissenschaftlicher Literatur nicht genügt. Der Brutto nutzen an den Verkäufen fällt nicht, wie es bei anderen Geschäften der Fall zu sein pflegt, nach Deckung der Un kosten ungeschmälert dem Sortiment zu, vielmehr muß ein sehr erheblicher Teil zur Deckung der Kosten für nicht verkaufte Bücher in Abzug gebracht werden. Freilich gibt es eine Anzahl hochrabattierter Bücher, die Massenliteratur und die Konkurrenzartikel. Diese kommen aber dem Verbreiter wissen;chaftlichec Literatur gar nicht zu gute, können aber auch sonst dem Sortiment kein genügendes Äquivalent für den mangelnden Nutzen an der wissenschaft lichen Literatur gewähren. Die hochrabattierten Bücher sind zudem gerade die, nach denen Warenhäuser, Versand geschäfte, Reisebuchhandlungen und Buchbinder greifen und mehr und mehr dem regulären Sortiment entziehen. Ob es möglich sein wird, durch eine Rabatlerhöhung das Sortiment in seinem Bestände zu erhalten, wage ich nicht zu entscheiden. Dies ist aber auch nicht der springende Punkt. Wenn es feststeht — und eine Widerlegung ist bis her nicht versucht worden —, daß die Spesen des Sortiments 18—20"/, betragen, so ist ein Rabatt von 2b"/, nicht aus reichend. Dies trifft zu bei großen und kleinen Betrieben, besonders wenn der Verbreitung von Neuigkeiten Sorgfalt und Tätigkeit gewidmet wird. Es trifft vielleicht nur nicht zu bei den Handlungen, die, ohne Lager zu halten, ohne sich um Neuigkeitenvertrieb zu kümmern, lediglich ein Versand- geschäst betreiben, lediglich die Bestellungen ausführen, die ihnen zugehen. Wenn also das Sortiment, namentlich das wissenschaftliche, auch ferner in rationeller Weise für Neu erscheinungen tätig sein will, muß der Bruttonutzen erhöht werde». Bei dem jetzigen Rabatt ist auch der Nutzen größerer Betriebe ein so geringer, daß, wenn diese Handlungen nicht außer dem Sortnnent noch mit anderen Zweigen, wie Antiquariat, Verlag und Leihbibliothek, sich befaßten, auch bei ihnen der Nettonutzen zu einer bescheidenen Existenz kaum ausreichen würde. Man könnte ja nun wohl meinen, daß es ganz gleich sei, woher der Nutzen komme; dem wäre aber mit dem Argument entgegenzutreten, daß es aus die Dauer nicht angeht, den Schaden am Sortiment mit dem Nutzen an anderen Zweigen des Handels auszugleichen. Aber auch der Verlag ist nicht aus Rosen gebettet. Die Konkurrenz unter den Verlegern ist noch erheblich größer als die unter den Sortimentern, und muß schließlich dahin führen und hat bereits dahin geführt, den Monopolcharakter des Buches nahezu aufzuheben. Durch die Zunahme der Betriebe, die auch im Verlag stattgefunden hat, durch die Konkurrenz, die sich die einzelnen Verleger machen, durch das Eindringen des Kapitalismus in den Verlagsbuchhandel ist die Überproduktion geschaffen worden, die Verleger und Sortimenter in gleicher Weise schädigt. Diese Überproduktion ist eine wesentliche Ursache des Mangels an Verwendung, den die Verleger dem Sortiment zum Vorwurf machen. Von Jahr zu Jahr wächst die Menge der Bücher, die Ver wendung heischt. Von Jahr zu Jahr füllen sich mehr Regale, aber nicht in gleichem Maße wächst die Anzahl der Kunden, wächst ihre Kaufkraft. Wohin soll der Sortimenter mit all den Büchern, die täglich und wöchentlich erscheinen? Fast jeden Tag, möchte ich sagen, ist ferner die Gründung einer neuen Zeitschrift zu verzeichnen, die gewöhnlich nicht nur den bestehenden Zeitschriften, sondern mehr noch den Büchern Konkurrenz macht. Gerade die Zeitschriften müssen von den wissenschaftlich Arbeitenden eher gelesen werden als die Bücher; je mehr Zeitschriften erscheinen, um so mehr wird die Zeit des einzelnen dem Lesen und noch mehr dem Studieren der Bücher entzogen; desto weniger Aussicht haben die Bücher, verkauft zu werden. Ein Buch macht dem andern, eine Zeitschrift dem Buch und den anderen Zeitschriften Konkurrenz, und es ist nicht abzusehen, wie diesem Segen Einhalt zu tun wäre. Dem einzelnen Verleger kann man freilich nur einen Teil der Schuld zuschieben; denn ein Keil treibt den andern. Wohl aber sollten sich die Verleger bei jedem neuen Buch, das ihnen angeboren wird, namentlich aber bei jeder neuen Zeitschrift, deren Herausgabe ihnen angesonnen wird, fragen, ob wirklich ein Bedürfnis zur Herausgabe vorhanden ist. In jedem Falle sollten die Verleger, namentlich die Spezial oerleger davon absehen, die Konkurrenz übertrumpfen zu wollen, in ihrem Verlage alles vereinen zu wollen. Bei dieser Erhöhung der Produktion ist der Verleger freilich mehr als früher darauf angewiesen, selbst Absatz für seinen Verlag zu suchen und sich nicht nur aus die Verwen dung des Sortiments zu verlassen. Andrerseits soll er aber diese Verwendung nicht unterschätzen; sie macht sich häufig erst nach Jahren geltend und dann gewöhnlich nicht zum Vorteil dessen, der die Verwendung geübt hat, sondern zu dem eines anderen; aber dem Verleger kommt sie immer zu gute, er soll sich deshalb auch nicht sträuben, den Sorti menter instand zu setzen, eine solche Verwendung zu üben, wenn sie bei der Fülle der Neuerschei-