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mittags S Uhr verlegt, die ich als Dresdner Gymna- fiast vor 60 Jahren mit Borliebe besuchte. So sind also diese Vespern — ob sie heute noch bestehen, ent zieht sich meiner Kenntnis — der letzte Rest der alten Matutin- und Besperordnung. Es kann nun nicht meine Aufgabe sein, die einzel ne« Persönlichkeiten, die in jahrhundertelanger Folge das Amt eines Kantors an der Dresdner Kreuzkirche verwalteten, in diesen Heimatblättern einzeln einer Betrachtung zu unterziehen, wenn auch manche hohen Verdienste um die Kirchenmusik eine solche begründen würden. Es soll mir daher an einer kurzen Auf zählung dieser Kantoren unter Hervorhebung beson derer Verdienste genügen. Es ist bekannt, daß nach Einführung der Refor mation in Sachsen im Jahre 1539 sofort eine Neuorga nisation der Schule einsetzte. Man wandte sich daher behufs Neubesetzung der beiden für Dresden wichtigsten Posten, des Rektorates und des Kantorates an der Krenzkirche, nach dem für die Reformation seinerzeit geistigen Mittelpunkte Deutschlands, nach Wittenberg, um sich von dort tüchtige Kräfte aus den dortigen Univerfitätskreisen zu erbitten. Da war es wieder Melanchtho«, der bei seinem großen Interesse für das Schulwesen überhaupt und das Dresdens im beson deren des öftern bei Vakanzen die geeigneten Män ner in Vorschlag brachte. Und so kam es wohl auch, daß er neben der Empfehlung des Rektors K Niko laus Caesius für den Kantorposten einen Nürnberger präsentierte, da ein solcher Melanchthon wohl beson ders nahegestanden sein dürfte, da Luthers Freund Ser WiMWemi« zu M'W. Bon Johannes Thomas, Riesa. Quelle: -Vota privat«, ab 1833, Bl. 7 flg., Archiv. Bobers. Aus einem im Gasthof zu Bobersen am 3. Febr. 1844 aufgesetzten Protokolle des Amtsaktuars Ernst Albert Liebe vom damaligen Justizamt Großenhain erfahren wir zu obigem Thema folgendes: Der Bobcrsener Biertelhüfner Johann Gottfried Dietze hatte die Absicht, auf seinem Grund und Boden eine Windmühle zu bauen. Auf feinen Antrag hin verfügte sich am 3. 2. 1844 der Großenhainer Justiz amtmann Böttger mit seinem Bice-Aktuar Liebe die- serhalb nach Bobersen, um daselbst unter Zuziehung des Ortsrichters Johann Gottlob Möbius, des Gc- meindevorstands Johann Gottfried Krctzschmar und natürlich auch des Antragstellers Dietze den zum Aufbau einer Windmühle von letzterem anscrsehenen Platz zu betrachten. Dieser Platz lag auf dem zum Dietzeschen Viertelhufengut gehörigen Besitztum, etiva 500 Schritte vom Dorfe Bobersen entfernt, nach dem Röderauer Walde zu. In polizeilicher Hinsicht wurde nun nach dieser Betrachtung, so sagt das Pro- tokoll, gegen die Gewährung des Dietzeschen Gesuchs, eine Windmühle daselbst zu erbauen, ein Bedenken nicht gefunden; nach den Erklärungen des Gemeinde vorstandes hatte auch die Gemeinde Bobersen nichts gegen die Ausführung des Dietzeschen Vorhabens ein- zuwenden; im Gegenteil, die Gemeinde begrüßte die Erbauung einer Windmühle recht sehr, da die Ge meindeglieder bisher genötigt waren, ihr Getreide deshalb auswärts mahlen zu lassen, weil sich im Orte eben keinerlei Mühlenbetrieb befand. Aus dem von -en benannten Personen unterzeichneten Protokoll geht auch hervor, daß Dietze beabsichtigte, die Wind mühle nur mit einem Mahlgang zu bauen und zu betreiben. Von -em Ergebnis -es 3. 2. 1844 unterrichtete das Justizamt Großenhain am 13. 2. 1844 mittels Schrei seinerzeit als Lehrer am heute noch bestehenden Melanchthon-Gymnasium in Nürnberg wirkte. Das war Sebaldns Baumann, um 1515 in Nürnberg ge boren. Daß er sofort nach Einführung der Reforma tion als erster Kantor an der Dresdner Kreuzkirche wirkte, bezeugt eine Handschrift vom Jahre 1555 „Allerlei beschwerungcn von Hern Daniel Greifern Pfarhern furbracht, sein aigene Handtschrift", des ersten Superintendenten an der Kreuzkirche, indem er schreibt: „Bon Schuldienern meldunge zu thun, so habe ich bey meinem antrit gefunden: M. Nicolaum Eoestum als Rectorem, M. Johannem Tctelbach als Supremum, Sebaldum Baumannum als Can- torem," Jetzo Wirth oder Gastgebern zum Güldenen Lewen, Antonium Rudolphi als Baccalaurium". Hieraus erfahren wir auch, daß Baumann also später sein Kantorenamt aufgab und, einer inneren Neigung folgend — sollte vielleicht seine Nürnberger Abstammung daran schuld sein? — Gastwirt wurde und zwar im „Goldenen Löwen". Baumann hatte diesen Gasthof noch bis Ende der Achtziger Jahre inne, denn nicht nur Greiser erwähnt ihn noch einmal 1587, auch in den Akten des Dresdner Ratsarchivs erscheint er 1588 wieder, wo er um Konzession nachsucht, frem des Bier einführen zu dürfen (vielleicht Nürnberger?). Baumann erreichte ein Alter von über 70 Jahren. Er war in der kurfürstlichen Kapelle ein nicht unbedeu- tender Sänger lTenor), welcher Eigenschaft er wohl auch sein Kantorat zu verdanken hatte. Schluß folgt. bens auch den damaligen Rittergutsbesitzer von Bo bersen, den Senator Mogk in Oschatz: zugleich erbat das Justizamt Mitteilung darüber, — „ob Ihnen gegen die Gewährung des Gesuches ein Bedenken bei geht oder nicht, und ob Sie etwa die Auflegung eines Erbzinses zu beanspruchen haben." Am 17. 2. 1844 richtete Senator Mogk von Oschatz aus folgendes Antwortschreiben nach Großenlrain: „Die von dem Biertelhüfner Dietze in Bobersen beabsichtigte Erbauung einer Windmühle auf seinem nach Nöderau hin gelegenen Feldstücke finde auch ich unbedenklich. Einen dafür von Dietze alljährlich zu erlegenden Kanon lim Sinne von regelmäßiger Norm einer Abgabe) glaube ich mit Bezug auf die Bekanntmachung vom 20. 4. 1838 und gestützt auf altes Herkommen mit Recht beanspruchen zu können, und es ergeht daher an das Kgl. Justizamt hiermit das ge horsamste Gesuch, mau wolle bei Erteilung der Er laubnis zu dem in Frage stehenden, eingängigen Mühlenbau dem Biertelhüfner Dietze für sich un feine Nachbesitzer der Mühle die Verbindlichkeit zur Uebernahme eines alljährlich zu Ostern an das Rit tergut Vobersen zu entrichtenden Kanons von zwei Talern in rechtsbeständiger Form auflegen." Die Höhe dieses Erbzinses ward späterhin, aber noch vor Erteilung der Konzession, auf 1 Taler 10 Neugroschen ermäßigt. Dem Gesuch des Biertelhüsners Dietze, die ge plante Windmühle erbauen zu dürfen, ward die Ge nehmigung sodann auch zuteil, worüber uus eiue am 11. Mai 1844 vom Justizamt Großenl-ain ausgestellte KonzessiouS-Urkunoe belehrt, die inhaltlich dasselbe berichtet, was wir aus diesen Zeilen schon erfahren haben, und tertlich deshalb hier nicht wiedergegebcn zu werden braucht. Ende 1844 eröffnete ter Biertelhüfner Dietze so nach in der b«s dahin fertiggestcllten neuen Wind- mühle den segensreiche»' Beruf eines Müllers. Druck und Verlas von Langer u. Winterlich. Riesa. — Für di« Redaktion verantwortl'-d: üeinrich Ublemann. Riesa. Hermai Matter zur pflege der Keimatlieöe, der Keimatforschung und des Keimaischuhes. Erscheint in zwangloser Folge al« Beilage zum Riesaer Tageblatt unter Mitwirkung de« Verein« Heimatmuseum in Riesa. Naltdruck. auch mH Qukllciuneate »er»«« Nr. 55 Riesa, 24. Dezember 1S3Z 6. Jahrgang Die Dresdner Wenn ich mich in meinen Ausführungen über die Einführung der Reformation in Dresden (Nr. 41 bis 42, 1931 dieser Hcimatbeilage) u. a. auch mit der Umstellung der Dresdner Krcuzkirche auf die evange lische Lehre Luthers beschäftigte, so möchte ich heute in kurzen Umrissen auf die nachkatholische Zeit, auf die Einführung der Kantoren in Dresdens Krenzkirche zu sprechen kommen, da sie immerhin auch dein Fern stehenden ein interessantes Bild jener Kulturcpoche Deutschlands aufzeigen wird. Tas Dresdner Rats archiv sowohl wie das sächs. Hauptstaatsarchiv ent halten urkundliches Material über jene kirchliche Einrichtung der Kantoren an der Kreuzkirche, das ich in einer Doktordiffertation an der philosophischen Fakultät in Leipzig verwertet fand (Karl Held: „Das Kreuzkantorat zu Dresden." Leipzig 1894.) und das uns über dieses interessante Kapitel einiger maßen Aufklärung bringt. In meinem obenangeführten Artikel über die Einführung der Reformation habe ich auch wieder holt der Kreuzschule in Dresden Erwähnung getan, da sie, wie seinerzeit schon erwähnt, offenbar ursprünglich eine Schule zur Ausbildung von Kir chensänger«» und Ministranten der katholischen Kreuz kirche war. Die Gesangsformcn der römisch-katholi schen Liturgie, die wir anderwärts in Klosterschulcn und Domschulen (Meißen) eine Pflege finden sehen, wie auch der Kultus der lateinischen Sprache erfor derten auch in Dresden ein Institut, in dem eben Latein »nd Gesang geübt wurden. Wir wissen aus früheren Ausführungen, meinerseits, daß die Burg grafen zu Dohna vor 600 und mehr Jahren eine über ragende Rolle auch in der Geschichte Dresdens spiel ten, und es wird uns daher nicht verwunderlich er- scheinen, wenn in einer Urkunde vom 6. April 1300, gegeben zu Dohna, als Zeuge ein „6unr»öus ksowr pusronim in Dresden" angeführt wird oder es in einer andern Urkunde des Klosters Zelle — auch hierüber habe ich in diesen Heimatblättern schon geschrieben — vom 10. März 1334 heißt: ^UsrwLouus roetor parvu- loruw'. Kreuzkantoren. Wir wissen nun aus früheren Ausführungen — auch in meinen Ausführungen anläßlich des 200jähr. Bestehens der heutigen Frauenkirche habe ich diesen Punkt berührt —, daß die Hauptkirche Dresdens ursprünglich die Liebfrauenkirche am Neumarkt war, während der Sreuzkirche nur eine untergeordnete Rolle zukam. Doch das hat nicht lange gewährt, da jene Frauenkirche, wie wir wissen, außerhalb der Dresdner Stadtmauer lag, während die Kreuzkapelle von der Stadtmauer mit umschlossen war. Der Kreuz kapelle kam aber auch um deswillen eine erhöhte Be deutung zu, weil sie im Besitz einer wertvollen Reli quie, eines Holzspanes vom Kreuz Christi, war, den 1234 Heinrich des Erlauchten erste Gemahlin Constan tia aus ihrer Heimat mitgebracht hatte. So wurde die Sreuzkapelle zur Wallfahrtskirche — nach Franz Dibelius war die Kapeue ursprünglich dem heil. Niko laus gewidmet, während nur eine für die Reliquie angebaute Kapelle den Namen Kreuzkapelle trug, wel cher dann auf das ganze Gotteshaus übertragen ward. Diese Kapelle vergrößerte sich aber im Laufe der Jahre so sehr, daß Markgraf Wilhelm der Einäugige im Jahre 1400 sogar den Versuch machte, sie zum Rang eines Dornstiftes zu erheben; stieg doch die Zahl ihrer Altäre, wie wir schon wissen, im Laufe der Jahre auf 28, während die alte Frauenkirche deren nur 8 auf wies. Aber nicht nur anläßlich -er Wallfahrten, son dern bei kirchlichen hohen Festen überhaupt hatte die Kreuzkirche eine erhöhte Bedeutung, so daß die Bevöl kerung in Massen zu ihr strömte, abgesehen davon, -aß zu ihren Füßen sich ein sehr lebhafter Marktver kehr entwickelte. Fanden doch sogar große Prozessio nen statt, bei denen die Kreuzreliquie durch die ganze Stadt getragen wurde, verbunden seit 1480 mit dem Johannisspiel am Johannistag, das aber mit Einfüh rung -er Reformation zum Verschwinden kam. Hieraus schon geht hervor — und meine Ausfüh rungen über die Einführung der Reformation in Dresden bestätigen es — daß zu jener Zeit, in der 1. Hälfte des 13. Jahrh., ein sehr reges kirchliches Leben in Dresden herrschte. Und ist es da verwun«