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Lied -er Hirten Schlaf wohl, d« -immelsknabe du, Schlaf wohl, du süßes Kind! Dich fächeln Engelein in Ruh' Mit sanftem Himmelswind. Wir arme» Hirten fingen dir Sin herzige* Wiegenliedlein filr. Schlafe, Himmelssöhnchen, schlafe! Maria hat mit Mutterblick Dich leise zugedeckt; Und Joseph hält den Hauch zurück, Daß er dich nicht erweckt. Di« Schäslein, die im Stalle fino, Verstummen vor dir, Himmelslind. Schlafe, Himmelssöhnchen, schlase! Bald wirst du groß, dann flieht dein Blut von Golgatha herab; An» Kreuz schlägt dich der Menschen Wut, Dann legt man dich ins Grab. Hab' immer dein« Aeuglein zu, Denn du bedarsst der süßen Ruh'. Schlase, Himmelssöhnchen, schlafe'. Lhr. Fr. Daniel Schubarr. MM Das Festessen Sine heitere Weihnachtsgeschichte Don T. Berber Wer wohl den sentimentalen Unsinn er» fanden haben mag von den armen, verein samten Junggesellen am Heiligen Abend? Pro- fesior Wendt reibt sich vergnügt di« Hände, blickt auf da» hastige Treiben inmitten der tanzen den Schneeflocken auf der Straße unten und denkt an die Gänseleberpastete, die Christstolle und die staubige Rotsponflasche, die draußen in der Küche auf den Abend warten „Hallo, Fritz, großartig, daß ich dich treffe!" Der funge Privatdozcnt Mansfeld unterbricht rücksichtslos den poetischen Weihnachtstraum de» älteren Freundes und Kollegen. „Mensch, du mußt mir einen großen Gefallen tun. Spielst du heute abend mal den Wauwau?" Professor Wendt hält seinen Freund Werner zunächst mal für geistesgestört. Aber Mansfeld sprudelt schon weiter: „Stell dir vor, meine Braut kommt heute abend! Wir reisen noch mit dem Spätzug zusammen nach Groß- Mecheln, damit ich sie als lebendiges Christ kind den Eltern vorstrllen kann und die Der- lobungssestivität noch in den Weihnachtstagen steigt! Also sei kein Frosch und iß heute abend mit uns — sei «in liebenswürdiger Anstands wauwau, Fritz, fa? Sie wird begeistert sein, dich kennen zu lernen —" „Kann ich mir vorftellcn, mein Junge! Außerdem habe ich —" „Nicht» hast du, Fritz! Du bist fetzt ein an ständiger Mensch und gehst auf der Stelle zu Schnarcher, um einen hübschen Tisch für heute abend reservieren zu laßen, sa? Neun Uhr. Fritz, hörst du? Ich muß schnell noch " We, ist er! * Professor Wendt bummelt durch die Straßen, etwa» verstimmt durch den mißglückten Jung, gesellenabend. Ausgerechnet in der Christnacht mit zwei Verliebten zusammensitzen — na. danke schön! Aber Liebesleute sind nun mal hemmungslose Egoisten und Werner ist sonst «in lieber Kerl — also „Erstatten, gnädige» Fräulein" — Wendt wäre fast über einen reizenden kleinen Leder koffer gefallen, der «, sich auf dem Bürgersteig im Schnee bequem gemacht hat und dem noch «in Hutköffrrchen und «ine Reiscdecke folgen. Wendt sammelt dir Gegenstände auf und — vergißt fast, sie abzugcben. So reizend spitz- bübisch lacht ihn da ein blonder Mädchrnkopf an — „Wohin darf ich Ihnen dir Sachen tragen?" hört sich Wendt zu seinem eigenen, nicht ge ringen Erstaunen sagen . . . Aber der blonde Weihiachtscngel schleppt außerdem noch einen Das Christkind von Upern Ein Fronterlebnis, berichtet von Manfred Hagemeister „Der Kerl soll mit dem verfluchten Ge knatter aufhören!" schrie Leutnant Hart mann und schlug auf den Kistentisch, daß der bombensichere Unterstand dröhnte. Schon war einer draußen — „Und es waren Hirten auf dem Felde" — laktaktaktak — „die hüteten des Nachts ihre Herden" — taktaktak — „und siehe, der Engel des Herrn trat zu ihnen" — taktak. Der 24. Dezember ist Weihnachten, aber Dienst ist Dienst — taktak. . . Dann brach das Maschinengewehrfeuer unvermittelt ab und die Stille und Schön heit der Nacht wurde doppelt lastend für uns. Zehn Tage Negcn, zehn Tage knie tiefer Schlamm in den Gräben, klamme Finger, Fieber in den Knochen unter dem nassen Zeug, Zehn Tage dieses ewige Tropfen von den Balken, gleichmäßig wie das Maschinengewehrfeuer. Dann plötzlich klingende Kälte, Frost und zugcfrorene Pfützen und jetzt die erste sternklare Nacht über den Feldern non Ypern. Weihnacht — „Kleine Festüberraschung von - den Tommys, daß sie uns da hinten abgeschnitten haben", sagte der Mann am verstummten Maschinengewehr, den wir Hummel nann ten. Achtundvierzig Stunden Trommelfeuer hatten uns hier vorn im Graben von den Unseren getrennt. Keine Rede davon, daß ein Fouragewagen durch die Erdlöcher hin- durchkäme. Rationen konnte man da», was wir jetzt noch bekamen, kaum noch nennen. Und an Post oder Weihnachtspakete zu den ken, hätte keiner gewagt. „Na denn: fröh liche Weihnachten!" sagt Hummel und stiert in den Sternenhimmel, der schöner flimmert als der größte Lhristbaum. Darunter dehnt sich weit und weiß das „Niemandsland", und drüben, ziemlich fern, erhebt sich etwa», das ein poetisches Gemüt für die „Hürden" ans der heiligen Geschichte hätte halten können die Drahtverhaue des Feinde». Da poltert vor in «len Dntorstauck Herunter — vor: Di« Stille geht uns allen auf bl« Nerven. Drüben feiern sie natürlich auch ihr „Christinas", und wir stellen uns da» nicht ohne Erbitterung Trutbahn und „Plumpud- ding, und wie das Zeug alles heißt, und Zigaretten haben ja Trutbahn und „Plumw ding, und wie das Z< und Rum — die alle», was sie nicht entbehren können. Der Kuckuck soll die Stille holen — „Das letzte Licht, was?" fragt Leut nant Hartmann und zeigt aus den Stummel in der Flasche. Zur Ant wort kommt es nicht, denn da poltert wer in den Unterstand her unter. Kein« ge- ringe Sensation — es ist ein „Fremder", den die Wache da an bringt. Melde gänger der Bri gade mit einem Befehl. Leutnant Hartmann liest und runzelt di« Stirn, von „Stellung halten ständen —" Uns erscheint der Mann trotz des Befehls wie ein Weihnachtsengel. Kommt heute einer durch, kommen vielleicht morgen mehr und übermorgen möglicherweise sogar die Leute von der Proviantkolonne. Oder die Post — Ehe wir ihn ausfragen können, will er schon wieder zurück. „Was haben Sie denn da?" fragt Leut nant Hartmann. „Ach Gott, Herr Leutnant", sagt er und murkst an seinem Bündel herum, „hinter dem Gehöft da hinten lag ne tote Frau, jawohl. Aber da» hier, das lebt ja noch —" Und da liegt auf der Kiste in unserem Unterstand aus allerlei Fetzen und Lappen ein richtige» Baby — Junge, was für ein winziges Wickelkind! Uns bleibt erst mal allen die Sprache weg wie das da so liegt und fest, ganz fest schläft mit rosigen Backen und ganz kleinen Fäusten. Und plötzlich ist es gar nicht mehr dunkel bei uns. Das kommt nicht bloß daher, daß die Kameraden aus den Unterständen links und rechts plötz- lich auch da find und ihre Lichter mitgebracht haben — di« find alle nicht schlecht hoch- gefahren, wie es hieß: Unser Leutnant hat ein Kind gekriegt! — es kommt sicher daher, daß dieser Umstand so was Freundliche» noch nie in seinem Leben gesehen hat. Wir sind denn auch alle mucksmäuschen- still und kucken uns die Sache an und haben sicher die seltsamste Weih- nachtskrippe dar gestellt, die es je gegeben hat — Männer mit Stop pelbärten, mit drek- kigen Mänteln und Stiefeln an Stelle der heiligen Fami lie, der Hirten und der Herden, und in der Mitte so ein armseliges, kleines Kriegskind. IVir b»dea ckie seit? «usre VVeibnarchtslrrippe ckargestellt — Es steht was drin unter allen Um- Hummel, der immer für» Praktische war — er ist dann bald gefallen — der geht als erster nahe ran und sagt: „Leben tut es wirklich! Na Mahlzeit, da hätten wir ja nu unser Christkind weg!" „Und wo sollen wir nun damit hin?" fragt Leutnant Hartmann. „Hierher", ruft einer und hat auf der Holzpritsche des Leutnants gufgetürmt, was er nur an Mänteln und Unisormröcken hat erreichen können. Da liegt das Christkind nun und — „Wenn es aufwacht, muß es was zu trinken kriegen", sagt Hummel ernsthaft, denn er hat viere zur Hause. „Aber was?" „BUchsenmilch—" meint einer. Es ist zum Lachen. Seit Tagen haben wir kaum einen Kanten Brot und da faselt einer was von Büchfenmilch. Große Pause, all« denken nach. „Die drüben hätten welche", wagt schließ lich einer zu sagen . . . Und nach langem Hin und Her hat da» Christkind gesiegt. Wir dürscn versuchen, mit einer weihen Fahne die drüben, die Feinde, um eine Büchse Milch zu bitten. Erst wollten natürlich alle hinüber, und dann lauerten wir, daß die beiden, die das Los getroffen hatte, zurückkämen. Es dauerte, dauerte . . . Mensch, wenn sie die drübenoehalten haben, als kleine Weih- Nachtsfreude . . . Aber da kommen sie ja. Sie strahlen wir leibhaftige Weihnachtsmänner und erzählen, daß die Tommys sich hochanständig be nommen haben. Natürlich war großer Klimbim, wie wir uns das ausgemalt hatten. Aber alle haben was mitgegeben — Zigaretten und Schnaps und Büchsen- fleisch und Weißbrot und natürlich die Milch. „An den Herrn Leutnant von dem Herrn Leutnant drüben einen Weihnachts gruß . . ." Das wurde der heilige Abend 1917 im Schützengraben vor Ypern. Wir hatten keinen Weihnachtsbaum und keine Lichter, wir hatten keine Post von Zuhause be- kommen und überhaupt nichts. Und trotz, dem werden alle, die dabei waren und den Krieg überlebten, dieses Weihnachtsfest nicht vergefsen. — Am 26. Dezember setzte da» Trommel- feuer wieder ein. Abteilkosser und allerlei Pakete. „Ein anständiger Mann spricht «In anstän- dige«, junge» Mädchen nicht auf der Straße an . . .", lacht die Unbekannte. „Ein anständiges, junges Mädchen verliert nicht sein« ganze Reiseausstattung aus der Straß«. Aber am Hei ligen Abend ist sowohl das eine als das andere gestattet, nicht wahr?" Nach einer Viertelstunde V? sind sämtliche Koffer Mts« Itnvck» später «itrev sie del Sedanreber — und Pakete in der Gepäckaufgabe untergebracht und Fritz Wendt, Professor der Philologie, wandert gleichsam auf kleinen Roscnwölkchen neben einem entzückenden Mädel durch die weih nachtlich belebten Straßen. „Mein Zug geht in vier Stunden", erklärt sie freimütig, und Professor Wendt hat an gesichts dieser Eröffnung einen großartigen Einfall — * Eine Stunde später sitzt er mit seiner schönen Unbekannten an einem reizenden, vorbestellten Tisch bei Schnarcher und läßt sich ein Fcsteßen schmecken. Kurz nach neun Uhr wird plötzlich die Tür ausgerissen und herein stürmt — Werner Mans feld! „Na endlich, mein Junge", sagt Professor Wendt gemütlich und be lustigt in Erwartung der großen Ueberraschung für seinen jungen Freund. Aber die Reihe, überrascht zu sein, ist an ihm. Denn die schön« Unbekannte hängt plötzlich lachend an Werner» Hals: „Werner, ich freue mich ja so schrecklich daß du da bist!" Professor Wendt tritt ans Fenster. So — das asio ist Werner» Braut und er Idiot stürzt sich da in seelische Unkosten, schleift Koffer und Pakete, wiegt sich in Wcihnachtsftimmung, und dieser sunge Dachs da — — „Ich darf dich um eine Aufklärung bitten!" ruft er jetzt auch noch mit scharfer Stimme. „Darum wollte auch ich gebeten haben", sagt der Professor, wesentlich weniger scharf. „Wie kommst du dazu, hier ohne mich zu Abend zu essen? Meine Braut kommt heulend zu mir! Man hat sie weggeschickt mit der Be merkung, die Dame wäre schon gekommen, cs würde nur noch ein Herr erwartet! Hätte ich mich nicht glücklicherweise beim Anziehen ver spätet. wäre ich jetzt meine Braut los, indes du " „Werner, entschuldige, ich verstehe kein Wort! Deine Braut kommt heulend zu dir — hier fliegt sie dir lachend um den Hals — ich war den ganzen Nachmittag in ihrer Gesellschaft — bin ich verrückt oder du?" „Wieso? Meine Braut wartet unten im Wagen!" „Na, und das da?" fragt Wendt ziemlich unhöflich mit einem Fingerzeig aus di« blonde Unbekannt«. „Da» da? Da» ist meine Schwester Ilse, die vermutlich den gleichen Zug nehmen wollte, um nach Eroß-Mecheln zu reisen k" Und so klärt« sich alles zur Zufriedenheit auf E» wurv« ein Gedeck nachgelegt und als es Zeit zum Epätzug wurde, blieb Professor Wendt, der korrekte Gelehrte, nicht etwa trauernd aus dem Bahnsteig zurück, sondern stieg kurzerhand mit ins Abteil der jungen Leute — Richtung Eroß-Mecheln. Die Jugend hatte ihn über zeugt - Und noch eine andere Ueberzeugung datiert von jenem fröhlichen Christabend her: Professor Wendt ist durchaus nicht mehr sicher, daß Christ feste im Iunggesellenstil die schönsten Weih- nachtsfeiern sind. Jedenfalls macht er seiner jungen Frau Ilse, geborenen Mansfeld, gegen über gar kein Hehl darau»