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Leipziger Tageblatt S. Vellage. Sonntag, 19. Ivtt 1914. Nr. 3S2. SonmsgS'Nusgsve. Seite t Unterhaltungsbeilage wenn Dann schloß Khan sich wieder am zeigte sich die Er« Erblickst Vu durch «in dunkles Glas die Welt. Dann wird die Rose selbst vergeblich blühen, Doch wer ein leuchtend Glas vors Auge hält, Dem wird selbst die verwelkte Ros« glühen. Ludwig Meyn. er eine Gefahr witterte, die seinen jungen bedrohte. Die jungen Leute sahen einander an, als wären. das Eitler wurde zum ihre Blicke zusammengeschmiedet hallten Schritte auf den Stufen, sich wieder, und der junge Mann gerufen. Am nächsten Abend fand er Springbrunnen ein, und abermals sckeinung am Fenster. Am dritten Abend beugte sie sich hinaus und flüsterte: „Wenn du ein Christ bist, rette mich? Ich Heike Dragomira!" „Ich werde dich retten, so wahr ich ein Christ bin und Parvu heiße. Plötzlich bewegt sich das Eitler, öffnet sich halb, vom Mondschein beleuchtet, und im rötlichen Schimmer einer Lampe erscheint ohne Schleier das schönste Mädchengesicht, das er ie gesehen halte. Er begann am ganzen Körper so sehr zu zittern, daß sein Araber den Kopf und die Nüstern vorstreckte, als ob Herrn Dragomira. Bon Carmen Sylva, Königin Elisabeth von Rumänien. Krim-Ghirai, der Führer der Tataren, hielt zu- Baktchiserai einen prächtigen Hofstaat. Niemals hatte man einen ähnlichen Luxus an Teppichen, nie mals so viele edle Steine gesehen. Die Zügel der Pferde funkelten, die Steigbügel und die Sporen waren aus reinem Gold, die Decken waren reich be stickt. Wenn Knm-Ehirai mit seinem Gefolge heran sprengte, fragte sich die Sonne, ob nicht eine andere Senne auf Erden wandle. Im Gefolge Krim-Ehirais war ein junger Ru mäne, den er selbst als Kind von einem Kriegszug aus Suchawa mitgebracht hatte. Der junge Rumäne war von schlankem, hohem Wuchs, biegsam wie eine Tanne, und Locken umrahmten seinen schönen Kopf. Aber der Ausdruck seiner Augen war traurig: denn oft fragte er sich, wer er wäre. Niemand konnte ihm Auskunft geben. Krim-Ghirai hatte ihn aus den Armen einer schönen Frau gerissen, die von ihm erdolcht wurde, weil sie geschrieen hatte. Er wußte nicht, ob diese schöne Frau seine Mutter oder seine Amme war. Er war ein Fremder, ein Findelkind, und dennoch schien er aus vornehmem Geblüt zu sein. Eines Abends stand er im Palasthof gegen seinen edlen Araber gelehnt, der den Kopf von Zeit zu Zeit nach ihm umwandte und die Schnauze an der Schulter seines jungen Herrn zum Zeichen guter Freundschaft rieb. Er hatte einen langen Ritt ge macht und erwartete jetzt, zu Krim-Ghirai geführt zu werden, um Bericht zu erstatten. Er blickte träu merisch auf den Springbrunnen, der im Mondschein plätscherte. Eine Hälfte des Palastes war in Schatten gehüllt, die andere hingegen ganz hell vom Mond beleuchtet. Der Blick des jungen Mannes irrte gleichgültig über die Flucht der länglichen vergitterten Fenster, hinter denen Krim-Ehirais Harem lag. Man er zählte sich Geschichten von versteckten Huris und Ge- fanaenen, deren Zahl täglich wuchs. Der junge Christ erschrak darüber, und sein« Traurigkeit und sein Heimweh steigerten sich noch mehr. Speisen, auch der Hühner Essen, und alle Dinge, bis zu der Zeit, so man sich auf der Galeere schicken mag. Führe auch rauhe Gersten mit dir, daß man daraus Gefftenwasser sieden mag, das ist gar nützlich. Die beste Stätte in der Galeere, vorausgesetzt wem das Fahren weh tut, ist hinter dem Mastbaum, zwei oder drei Klafftern gegenüber der großen Porten, das ist fast in der Mitte der Galeere, und so Fortuna (Sturm) ist, so geht die Galeere allentwegen in der Mitte am stetesten. Kauf auch zu Venedig sechs Ellen grob schwarz leinenes Tuch, das ist gut zu Borhängen, wenn du auf dem Rücken liegst, so mags einer Vorhängen, daß man einem nicht alles genau zusehen mag, wenn einer aussteht oder sich mederlegt, und wenn sich einer ab- oder anzieht. Ebenso auf eine Person zwei Tafeln seife und drei Maß Essig auf eine Person und ein Maß oder zwei Agrest (Obstestig), ebenso zwei frische neue Parillen, dahinein man Wasser faßt, wenn man ans Land kommt, so laß diese allwegs mit gutem frischem Wasser füllen. Danach kauf auch ein Schreibzeug, Papier und Tinten, daß einer unterwegs für die Langeweile mög schreiben, was einer unterwegs sieht. " War nun der Reifende in Jaffa glücklich an Land gekommen, so begann nach den Acngsten auf See die Landrerse mit allen Nöten. Man hat die braven Pilger nach Kräften gezwackt, vom „Trutzel- mann" (Dolmetscher) und dem Geleite bis zum hohen Pascha selbst, der besonders den vornehmen Leuten, die Gulden im Sack hatten, fatale Ueber- raschungen bereitete. Auch in Aegypten, wohin die Pilgerfahrt von Jerusalem über das Katharinen kloster am Sinai meist ging, wurde den frommen Wallern die Daumenschraube angesetzt. Aber trotz dem war ihnen gerade das Land am Nil ein Reich voll märchenhafter Dinge. Der Nil selbst kam natürlich aus Indien. Bor Kairo stand ein alter hohler Feigenbaum, der Maria mit dem Kinde auf der Flucht als Wohnung bedient hatte. Die Pyra miden waren natürlich die Kornhäuser Josephs. Un erhört erschien ihnen das Gedränge auf den Straßen, der Prunk des Mameluckenheeres, bei dem sie man chen fanden, der gleich ihnen als Pilger gekommen war. Wunderbarer aber als die Trümmer des alten Pharaonenreiches erschienen ihnen zwei Einrichtun gen: die Brutanstalt, in der durch Ofenwärme die Küken zum Ausschlüssen gebracht wurden, und die Brieftaubenpostcn. Sowohl in Kairo als auch in Alexandrien wurden schon vor einem halben Jahr tausend Brieftauben zum Nachrichtendienst gezüchtet. Erschien auf der Reede vor Alexandrien ein Schiff, so fuhr der Hafenkommandant auf einem „Renn boote" hinaus, um zu sehen, ob es ein Korsar oder ein friedlicher Kauffahrer sei. War ihm die Sache verdächtig, so ließ ei Tauben fliegen, die schnell die Besatzung alarmierten. Auch nach Kairo bestand von der Küste aus ein solcher Dienst. Auf ägyptischem Boden waren die Pilger besonders vielen Placke reien ausgesetzt, der Glaubenshaß war hier beson ders fanatisch. Anspeicn, Steinwürfe, Verletzungen waren nichts Unerhörtes. Oft genug mußten die Konsuln gefangene Pilger aus den Ketten lösen, die mit Borlicde gerade dieses Lösegeldcs wegen aller möglichen Verbrechen beschuldigt wurden. Die Re publiken Venedig, Genua und Pisa unterhielten einen Konsulatsdienst rin den Häfen des Mittel meeres und selbst bis Aleppo.,Hi^Hrmus sandteL die Venezianer ihre Konsuln. " In WHandricn besaß der Konsul Venedigs als einziger Christ auf ägyp tischem Boden das Recht, in seinem „Fondik" Schweine zu mästen. Jeder andere Christ wäre da für dem Tode verfallen gewesen. Von Alexandrien aus nahmen die Pilger dann wieder auf venezia nischen Galeeren den Weg in die Heimat, und jeder pries sich selig, der die heimischen Mauern wohl behalten wiedersah. Sie schloß schnell das Gitter. Am Tage darauf rückte Krim-Ghirai mit seinem ganzen prächtigen Gefolge auf einen neuen Kriegs zug aus. Er selbst, mit einem Halbmond aus Dia manten auf der Pelzmütze, schwenkte sich auf seinen Araber und ließ ihn sich aufbäumen: denn er wußte, daß hinter den vergitterten Fenstern die Augen aller Frauen und aller Sklavinnen auf ibn gerichtet waren, aber vor allen Dingen die Augen der schönsten Sklavin: Dragomira. Der Ruf ihrer Schönheit war weit verbreitet, und mehr als einer seiner Feinde dachte daran, ihm seine kostbare Beute zu entreißen. Ihr war mit den furcht barsten Strafen gedroht worden, wenn sie sich ohne Schleier sehen ließe: ihre Fußsohlen würden Stock streiche erhalten, und der finsterste Kerker ihre Schönheit begraben. Ihre großen Augen blickten durch das Gitter, aber nicht nach Krim-Ghirai, den sie fürchtete. Nach Parvu blickte sie, der an seiner Seite ritt, und dessen Bild sie schon lange im Herzen trug. Der Kriegszug dauerte kaum drei Wochen, und reich mit Beute beladen kehrten die Tataren heim. Parvu hatte Wunder an Tapferkeit geleistet und Ehirai dadurch das Leben gerettet, daß er den Schlag eines Jatagan aufgefangen und dem Feind den Kopf gespalten hatte. Der Häuptling versammelte im Hof seine Ge treuen um sich und belohnte jeden fürstlich. Endlich wandte er sich zu Parvu: „Und du, mein Sohn, hast große Dinge vollbracht es gibt keine Belohnung, die mir für dich zu hoch wäre. Aber vielleicht hast du einen Wunsch, den ich dir erfüllen kann. Sprich! Was du auch forderst, wirst du erhalten, ich gebe dir mein fürstliches Wort." Parvu gibt seinem Pferde die Sporen: nach einem leichten Handschlag beugt das edle Tier ein Knie, und Parvu sagt mit erhobener Stimme: „Wenn es Euer Gnaden gefällt, einen meiner Wünsche zu erfüllen, bitte ich Euch, mir Eure Sklavin Dragomira zum Weib zu geben/ Todesstille im Umkreis. Jeder Blick war angstvoll auf Ghirai geheftet, der plötzlich flammendrot geworden war. Mit den Zähnen knirschend kaute er an seinem Schnurrbart. „Kennst du sie denn?" fragte er endlich. „Wer kennt Dragomira nicht? Aber ich erbitte sie nicht zum Weibe, weil sie schön ist, sondern weil sie Christin ist." Ghirai schwieg von neuem. Endlich schien er einen großen Sieg über sich errungen zu haben. „Nun, ich halte mein Wort, und noch heute soll die Hochzeit sein." Dragomira hatte jedes Wort gehört. Bald blaß, bald rot, mit fliegendem Atem, wie in einem Tau mel, hatte sie gelauscht. Dann sank sie auf die Knie und dankte Gott, der sic von einem elenden Dasein erlöst hatte und einem großmütigen Christen zum Weibe gab. Sie war zum Neide der anderen Frauen aus ihrem verhaßten Gefängnis befreit. Sie sollte die einzige und geehrte Frau eines Mannes werden, den sie liebte. Es wurde schleunigst ein Priester hcrbeigerufen, und wunderbar geschmückt trat die Braut dem strah lenden Helden entgegen, der vor ihr in die Knie sinkxn wollte wie vor einer Erscheinung aus einer anderen Welt. Als di« religiöse Zeremonie beendet wär, b^cjäV sich das junge Paar in das Brautgemach, das für sic hcrgerichtet und mit persischen und indischen Schals geschmückt worden war. Ein präch tiges Ruhebett wartete ihrer dort: eine Lampe hing von der Decke und verbreitete magisches rosiges Licht in dem mit Düften erfüllten Zimmer, zu dem kein Geräusch drang. Die Türen waren kaum geschlossen, als sich Drago mira ihrem Gatten zu Füßen warf, seine Knie um klammerte und sagte: „Ich werde dich wie einen Gott lieben. Ich werde dich wie einen Heiligen anbeten. Ich werde dir wie meinem Herrn dienen. Denn du hast mich vor der Schande, vor der Verbindung mit einem Heiden ge rettet. Jeder Atemzug von mir wird dir gehören!" Er zog sie an seine pochende Brust. Er legte den Schmuck ab, der sie von ihm trennte und war trunken vor Freude, die schönste Frau unter dem Himmel sein eigen nennen zu können. „Du bist mir teurer als mein Leben", wieder holte er immer und immer. Als sie ruhiger waren, begannen sic sich ihre Leiden zu erzählen. Ferne Erinnerungen stiegen wieder herauf, immer fernere, bis zu der Epoche, in der sie geraubt wurden. „Aus welchem Ort bist du entführt worden?" fragte Dragomira. „Aus Suchawa." „Ich auch! Und ich erinnere mich noch des Namens meiner Amme, sie hieß Tornasa." Auch meine Amme hieß Tomasa", rief Parvu. „Ich hatte noch kleine Brüder, einer hieß Bogdan, und ein anderer hatte im Nacken ein kleines Schön- heitsmal." In diesem Augenblick sprang Parvu auf, lehnte sich gegen die Wand und bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen. „Was hast du?" rief Dragomira angstvoll. Da kniete er vor ihr nieder, zeigte ihr seinen Hals und fragte sie: „War es wie dieses?" Mit einem verzweifelten Schrei taumelte Drago- mira zurück: „Aber ... du bist es nicht?" „Ja, dein Bruder!" sagte Parvu und begann bitterlich zu weinen. Sie versuchten lange, sich zu überzeugen, daß sie nicht Bruder und Schwester waren, aber vergebens, es war zu gewiß. Sie waren von verschiedenen Räubern entführt worden, und durch die Trennung hatten sie nie mehr etwas voneinander gehört. Diese ganze Nacht füllte die traurige Abschieds szene aus. Als der Tag anbrach, ließen sie sich bei Krim-Ghirai melden. Starr vor Staunen empfing er das junge Paar, das traurig und gebeugt vor ihm stand. Sobald sie ihre verhängnisvolle Geschichte erzählt hatten, rief er: „Dann müßt ihr sterben!" „Das ist unser Wunsch, denn das Leben ist uns eine Last." „Aber ihr seid Christen, Christen müssen euch richten." Eine Synode von Priestern wurde gebik>et, die entschied, daß ihre Unwissenheit d«n Tod nicht ver diente, sondern daß sic ihr Verbrechen dadurch sühnen sollten, daß sie jeder ein Kloster bauten. Sie kehrten in ihre Heimat zurück und errichteten zwei Klöster in der Nähe von Suchawa. Parvu nannte das von ihm errichtete: Dragomira. Sie lebten dort hochgeehrt, er als Abt, sie als Oberin, und auf dem Totenbett wollte sie das Abend mahl und die letzt« Oelung nur von seiner Hand empfangen. Er küßte ihre bleiche Stirn und sein langer weißer Batt zitterte. Kaum ein Jahr überlebte er sie, und sie fanden sich dort wieder, wo kein menschliche» Gesetz sie trennen konnte. Drei unbekannte Sriefe Richard Wagners. Der Verlag von Hesse L V«cker in Leipzig bereitet gegenwärtig den zweiten Band seiner „Gesammelten Briefe" Richard Wagners vor, deren Herausgabe in den berufenen Händen von Julius Kapp und Emerich Kastner liegt. Aus den unbekannten Briesen, die neben allen bisher bekannten hier zum ersten Male veröffentlicht werden, können wir dank dem freund lichen Entgegenkommen des Verlages bereits heute nach den Aushängebogen drei Briese Richard Wag ners aus seiner Dresdner Kapellmeistcrzeit mitteilen. Der erste davon, am 9. Februar 1844 geschrieben, ist an Friedrich Schmitt in Nürnberg gerichtet und lautet: „Lieber Freund! Zum ersten Male seit der Zeit, da wir uns zuletzt sahen, erfahre ich endlich Deinen Aufenthalt. Zwar erhielt ich schon vor mehreren Monaten einen Brief, worin ich erfuhr, daß Du Dich jetzt in Nürnberg aufhieltest, in diesem Briefe war mir jedoch Deine Adresse nicht angegeben. Beim Theater warst Du auch nicht mehr, und bloß „an Herrn F. Schmitt in Nürnberg" konnte ich doch nicht schreiben. Durch eine dritte Perlon wollte ich den Brief nicht bestellen lassen. Endlich nun erfahre ich auch Deine Adresse. Ich schreibe Dir sogleich, kann aber nicht anders beginnen, als mit dem Vorwürfe: warum hast Du mir, von dem Du immer leicht wissen konntest, wo er sich aufhielt, nicht ein einziges Mal geschrieben? Als wir uns zuletzt in Leipzig trcnn- ien sagtest Du, Du gingest nach Frankfurt — ich konnte Dir damals nichts schreiben noch schicken. In Riga gelangte ich durch zweijährigen Aufenthalt nach Abzug von Vorschüssen und Deckung gerichtlich mich verfolgender Schulden endlich so weit, auch an meine schuld gegen Dich (aus der Magdeburger Zeit) denken zu können, als ich plötzlich um meine dortige Anstellung kam und von da ab an nichts mehr denken konnte, als meine eigene Lage vor dem Äeußersten zu bewahren. Ich schrieb Dir nicht, weil ich nicht erfahren konnte, wo Du Dich aufhieltest. Während meiner dr«i Jammerjahre in Paris war meine eigene Not so groß, daß ich an nichts anderes denken konnte. Als ich 1842 nach Deutschland zurückkam, erfuhr ich durch meinen Bruder Julius in Leipzig, Du habest Dich einmal in der äußersten Not selchst an ihn ge wandt. Warum ließest Du keine Zeile an mich ge langen? Konnte ich Dir nicht zurückzahlen, was ich Dir schuldete, so hätte ich durch Darstellung meiner eigenen hilfsbedürftigen Lage wenigstens den ab scheulichen Verdacht benehmen können, welchen Du dadurch, daß Du mir nicht schriebst, zu erkennen gabst, den Verdacht, als ob ich mich Deiner nicht erinnern wollte? Das Glück ist mir nun aufgegangen, ich siehe an einem Ziele, das ich nie so schnell zu erreichen glaubte: Du bist verschollen und schreibst mir nicht? Du schreibst mir auch jetzt noch nicht selbst? — Geh? Sage mir, wodurch ich das verdient habe? Dadurch, daß ich selbst mit eigener Not so rang, daß ich änderet nicht gedenken konnte? — Dav wäre gerecht und grausam. — Jetzt mach' es gut und schreibe mir! Schreibe mir ausführlich, wie es Dir ergangen und wie es Dir geht; meine Schicksale wirst Du so ziemlich kennen. Schreibe mir genau, was ich Dir schulde: ich weiß es wahrlich nicht mehr ganz sicher: ich habe seitdem wieder so viel gebraucht, so viele Verpflichtungen auf mich gehäuft, wieder be zahlt und kann immer noch nicht zu Ende kommen. Indessen ich sehe einer schönen Zukunft entgegen, und jedes Opfer, das ich jetzt bringe, um mir gebrachte Opfer zu vergüten, bringe ich mit Freuden dar: es muß sein. Ich erwarte also umgehend einen Brief von Dir: es wird mich herzlich freuen, wenn er mir iagt, daß es Dir jetzt wenigstens gut geht, und daß Du wenigstens nie an meinem guten Freundes herzen gezweifelt hast. Meine Antwort wird dann länger sein als dieser Brief. Adieu, Alter! Sei mir gut! Dein Richard Wagner." An Ferdinand Hiller richtet Wagner am 24. Februar 1847 folgende Zeilen: „Lieber Hiller! Zch bin gestern abend ohne Entschuldigung von Ihnen ausgeblieben, trotzdem ich Ihre freundliche Einladung angenommen hatte, und es liegt mir nun wenigstens daran, daß ich mich entschuldige. An und für sich etwas müde und matt von den Anstrengungen des Tages, bekam ich endlich während des Konzertes auch noch so kalte Füße, daß ich, der ich meine Gesundheit so weit kenne, es durchaus für nötig hielt, nach Hause zu gehen und mit Respekt zu sagen, Strümpfe und Stiefel zu wechseln — darüber ward es spät — und das Weitere ist leicht logisch zu ordnen. Nun mache ich Ihnen aber noch mein Kompliment wegen der „Ruinen von Athen". Die Aufführung war vor trefflich und die Wirkung des Ganzen auf mich eine totale, wie ich sie immer einzig beanspruche und daher selten erhalte. Wenn Sie dies wieder auf- iühren, gebe ich Ihnen aber doch noch folgenden Rat. Die erste Erläuterung müßen Sie dem Sprecher er sparen, und in der Art, wie sie abgefatzt ist, wird sie sich vortrefflich als Anschlag an der Eingangstür ausnehmen. Aber Scherz beiseite: Sie glauben nicht, was Sie dem größeren Eindruck geschadet haben, daß das Publikum nicht darauf aufmerksam gemacht war, daß das Thema im letzten Chor ein absichtlich ge wähltes ungarisches Volkslied war und warum dies Lied verwendet worden. Auch mich, der ich die Be züglichkeit nicht gleich verstand, chokierte diese Er scheinung anfänglich garstig. Nun wissen Sie, woran Sie sind." Der Ihrige Richard Wagner." Ferdinand Hiller ist auch der Empfänger des dritten unbekann ten Briefes, den Wagner am 6. Oktober 1847 aus Berlin an ihn richtet. Er lautet: „Lieber Hiller! Ich habe gerade ein halbes Stündchen bis zum Esten und will Ihnen nur in Kürze Ihren gestern von mir erhaltenen Brief beantworten. Sie närrischer Freund, lassen Sie sich durch das Gerede auch noch irreführen? Lassen Sie sich ganz trocken die buchstäbliche Wahrheit jagen: — ich habe außer mit Herrn von Küstner, den hiesigen Regisseuren und Sängern, noch mit keinem Berliner Menschenkinde verkehrt, ich weiß daher nicht, ob von irgendeiner Seite auf mich für eine .Kapellmeisterstelle reflektiert wird; ganz gewiß aber weiß ich, baß ich auf keine hiesige Kapellmeisterstelle spekuliere. Solange ich ohne Kapellmeisterei nicht cristieren kann, mache ich die Sache unbedingt viel lieber in Dresben ab, aus tausend Gründen, die uh olle eidlich beschwören will. Sie wissen, wie gern ich eine leidliche Pension haben möchte, um die vielen Bücher lesen zu können, die ich besitze und mir noch verschaffen werde — solange ich eine solche Pension nicht habe, trage ich mein Dresdner Kapellmeisterjoch. — Daß es gut wäre, wenn hier Hennig pensioniert würde, ist unleugbar, die Sänger behaupten, es ginge mit ihm nicht mehr. Ich sehe aber, es geht doch, und vermute, daß es noch eine Zeitlang geht. Toudert sagte mir, er habe gehört, Lackmer spekuliere was vor SSS Jahren zu einer Seereise gehörte. Don Dr. Alfred Funke. (Nachdruck verboten.) Venedig war vor einem halben Jahrtausend für uns das, was heute Bremen und Hamburg sind. Im Fondaco dei Tedeschi stapelten die Leipziger und Nürnberger Kaufleute und alle, di« den Rhein und die Elbe entlang Messen und Märkte versorgten, die Waren des Orients. Noch suchten di« Portugiesen den Weg nach Indien um das Kap herum. Wer die Seiden Chinas und die Gewürze Indiens, die Wohl gerüche Arabiens und das köstliche Elfenbein wollte, war auf den Wog von Venedig nach der Levante an gewiesen. Aber neben dem Krämer nahm der Pilger, der einzige Reisende zur See, der nicht aus Gewinnsucht oder Abenteuerlust mit dem Patron einer Galeere verhandelte, die mit Ruderbänken, Masten und Rahen am Lido und vor der Piazetta auf der Flut lag, seinen Wog gen Osten. Das Ge lübde frommer Stunden oder höchster Not trieb den „Pilgram", das Wagnis zur See zu bestehen. Für ihn, dem der Bodensee schon ein Meer und Rhein und Etsch gewaltige Wasserfluten waren, bedeutete eine Seereise von Venedig bis Jaffa ein ungeheures Wagnis. Lauerte nicht an der Küste Illyriens der furchtbare Drache, der ganze Städte mit seinem giftigen Hauche entvölkert hatte? Ruhte nicht auf dem Vorgebirge Malea der Geist, der die fürchter lichsten Stürme sandte, sobald er seine Flügel regte? Und was der Aberglaube nicht eifrig verbreitete, das meldeten Gefangene, die aus der Sklaverei der Korsaren aus Tunis und Algier entwichen oder los gekauft waren. Aber der Drang, die heiligen Stätten zu sehen und dort in gläubigen Gebeten Ablaß zu empfangen, war stärker als die Furcht vor Wind und Wogen, Un geheuern und Piraten. So ging denn der Pilgers mann mit dem Patron der Galeere vor die hohe Obrigkeit und machte seinen Kontrakt. Dreißig Dukaten zahlte er auf den Tisch, dazu für den Ein- ganigszoll in Jaffa noch zwanzig, stipulierte mit dem Kapitän Unterkunft, „Liebung", „Freßgeld" und „Korthesey" (Trinkgeld), und wenn das Pergament mit dom Siegel versehen und von hoher Obrigkeit beglaubigt war» so hatte es oft genug dennoch nur einen Ermneyzugsuittt. DLgtz deutschen Pilger setzten 'meistem ihre Berich^me Notiz, daß „dennoch von diesen Stipulationen meist nichts gehalten werde." Die Kapitäne scheinen Wert darauf gelegt zu haben, daß den deutschen Pilgern die Schiffskost möglich widerwärtig war. Sie sparten dadurch. Auch während des Aufenthaltes im Hafen gab es keine Rationen. Wer nicht ausdrücklich anders vereinbart hatte, erhielt auch keine Kost, wenn er seekrank unten im Raume lag. Jedenfalls gaben sich Kapitän und Besatzung nicht viel Mühe mit den Passagieren, sondern überließen diese dem alten Rezept: Hilf dir selbst! Das geschah denn auch, wahrscheinlich auf Gründ böser Erfahrungen, in ausgiebigstem Maße. Heute genügt ein Schiffskoffer mit wenigem Inhalt, um die Reise über das Mittclmeer zu bestehen. Wenn wir die Ausrüstung eines Pilgers ansehen, der in Venedig an Bord ging, so ist es, als gehe ein Aus wanderer von Lande, der für alle Zufälle eines neuen Daseins gewappnet sein wollte. Jedenfalls machten die Krämer zu Venedig gute Geschäfte mit den Seefahrern nach Palästina. Die brauchten schwarzes Tuch und dünnes Zeug, Basso genannt, Hemden, Unterzeug, Nachthauben, große unv kleine Tücher, einen Leibrock von gelbem Led^r, er probt gegen die Nachtkühle des heiligen Landes, kurze Stiefel, wie sie im Morgenlande getragen wurden, gute Schuhe, Sattelzeug mit hölzernen Steigbügeln — eiserne hätten die bösen Sarazenen ihnen gestohlen! —, Matratzen, Polster und Kissen, leinene Tücher: ja sogar den Stuhl für die Nacht kauften die Reisenden, ehe sie an Bord gingen. Dazu kam eine völlige Kücheneinrichtung, Flaschen und Trichter, Schüsseln, Teller, Löffel, Tisch- und Handtücher. Herr Johann Tücher aus Nürnberg gibt seinen Zeitgenosten gute Ratschläge für die Ausrüstung auf die Reise: „Kauf auch Schüsseln, Teller, Löffel, Tischtücher, Handzwelen, auf für jede Person 15 oder 20 Pfund Butter, auch kauf zwei Pfund Wachslicht und ern Feuerzeug, auch kauf für einen halben Dukaten frischen Käse für eine Person, dazu Weinbeerletn, Rosinen, Mandeln, Erbsen für einen halben Dukaten ungefähr. Auch kauf dir zu Venedig eine gute lange Truhe, darauf du des Nachts auch liegen mögest, da an der Erde gar viel Flohe sind. Kauf auch für einen halben Dukaten der allerbesten Biscoten, das ist zweimal gebackenes Brot, und für einen Dukaten Stockfisch. Auch laß dir machen einen Hühnerkorb, dahinein man vier oder fünf Paar Hühner tun mög, kauf auch Gerste, Hirse und Sorgo den Hühnern zu essen, kauf zu Venedig zwei Parillen (Fäßchen) Friaulerwein, nebst zwei Pfund Zucker und Zucker Candit, das ist gut zu Zeiten für den Durst, auch ein Maß Siropo Violato, wenn einem der Durst so wehe tut, so ist er getrunken gut, mit frischem Master gemengt. Zu Venedig wechsle dein Geld in Dukaten de Zeckea (Zechinen), auch für jede Person acht oder zehn Dukaten der Venediger Münze, und daß dle auch neu gemünzt seien, die nimmt man in der Heidenschaft auch unterwegs gern. Auch wechsle für jede Person vier oder fünf Dukaten Venediger Schillinge, die sind gut auf dem heiligen Lande zu Korthesy (Trinkgeld) zu geben. Mehr so kauf für deine Gesellschaft zu Venedig, wo fünf oder sechs seien, einen Kessel, darinnen man sieden mag zwei oder drei Hennen, die macht man da mit einem Ueberlid, das ist eine Pfanne, darinnen man darf kochen, Eier sieden und backen, was einer will. Auch ein Rost und ein Bratspieß und ein kleines Hand beil, die Dinge alle find notwendig. Kauf zu Venedig auch ein oder zwei Kübel oder Schafs, daraus man die Fische sieden mag. der bedarf man sonst zu mancherlei Sachen. Auch kauf Stricke dazu, damit man Master auf das Schiff ziehe. Ebenso in die obengenannten Sache tue zu Venedig allerlei auf die etwa vakant werdende Stelle. Dieser ist Kästners Intimus, und wenn man Hennigs Pension etwas beschleunigen könnte, so wäre dies höchstens Küstners Wunsch, Lachner hierher zu bringen. Meine Oper wird höchstwahrscheinlich um acht Tage ver schoben werden und erst am 22. herauskommen, Krankheiten usw. Mir ist's nicht unlieb, denn des Königs Geburtstag soll aus vielen Gründen un günstig sein. Leben Sie recht wohl und nehmen Sie mir meine Dresdner Kapellmeisterstelle nicht weg — oder tauschen wir mit den Revenuen? Werden Sie lieber Berliner Kapellmeister, schon damit Lachner es nicht wird! Gott befohlen! Der Ihrige Richard Wagner." 1914. schnitt. Die kurzen und -eebadreisen. her Kinder. St». l)!s! äsrnsts Isn. tliebs !lt :r iria, vl»r» «lauster um Riviera. dis Xuvdr. Mult u. boks natur. IValst- buv§. Rerr- ttvegs. Nie litt«, Kems ressaute Lee- ^ttralltioueu rltkastss. »,karlistr.il.