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Morgen-Ausgabe Se,ugspk-!s«: monatlich l.rr m., v!»rt«yäh»Uch Z.7S m. Ski d»r s»fthast»st»ll», unfrrn Malen unü fluozadrstellen abgeholl: monatlich 1M., v!»rt»YLH»Uch r M. vurch Sie Post: innerhalb deutsch land, und Ser Seutfchen Kolonien monatlich 1.« M., vierteilühriich ».so M., aaoschli,glich postdesteUgel». va» Leipziger Tageblatt erscheint Werktag» »mal, Sonn. u. Zeiertagotmal. In Leipzig, Sen Nachbarorten u»S Sen tdrten mit eigenen Maien wirS Sie stdenüausgab« noch am flbenS Se» «krscheincns in» hau» geliefert, verlink-Uoüaktionr In d»aSelt»a 17, Zrrnsprech.NnschluK: MoabitNr.4»7. Nr. 289. hmrdelsSeiturrs /trntsblLtt desRockes und despollreüuntes der Stadt Lerpzrs Neüaktion un» SeschSftssteller )ohannl»gaff» Nr.». o Zernsprech.stnschluy Nr. I4S02, 14b»z un» >4so«. ISS. Jahrgang . sür Inserat» au» Leipzig unS Umgebung Sie /INAeigeNpreifr. Ispalt>g»p»titz»tt»2rpf.,»i»n»klamei»tt»,m., von auswttrt» SS Pf., Neklamen 1.20 M., Klein» stnzeigen Siepetitzrile»! ropf.d.wleSerhol.Nab.,Inserat» oonSeborSen im amtlichenTeil Sie Petit zeil» so Pf. ch»schSft»anz»ig»n mit planoorschrift im Preis» »rhSht. Nadatt nach Tarif. Vetlagrn: -»samtaufl. SM. Sa» TausrnS au»schl. postgrdühr. stnzrigrn.flnnahmr: ^ohanniogast»», bei sämtllck»«n.Filialen S»» Lripzige» Tagrdlattr» unS aU«n stnnoncen-Lxp»Sition«n S»^ In» unS stuolanSr». Seschüft»st«llr für Srrlin u.Si» pr. VranSenburg: virektionWalterZliegel, Vrrlin w. 1», Margarethenstrag, 4. Zernsprech-stnschlust: Lühow S»7I. Miilwlliii, Sen iS. Juni. 19l4. Das wichtigste. * Der Zustand des erkrankten Großher zogs von Merkten burg-Strelitz ist nach wie vor sehr ernst. (S. Dtschs. R.) * Der „Reichsanzeigcr" veröffentlicht heute das Gesetz gegen deu Verrat militärischer Geheimnisse sowie das Etatsgesetz für Preußen. * Die Tagung des Reichs Verbandes Deutscher Städte wurde am Dienstag ge schlossen. (S. Ber.) * Ribot hat dem Präsidenten Poincarö mitgetcilt, daß er bei seiner Kabinettsbil dung erfolgreich gewesen sei. (S. bes. Art.) * Der italienische Proteststreik hat sich besonders über ganz Obcritalien ausgc- breitet. (S. bes. Art.) * Die von dem ökumenischen Patriarchen wegen der Griechenverfolgungen angeordnete Schließung der griechischen Schulen und Kirchen darf von den Konstantinopeler Blättern nicht veröffentlicht werden. (S. Ausl.) * Die Meldung, daß Fürst Wilhelm seine Residenz aus Durazzo verlegen wolle, wird als unrichtig bezeichnet. (S. bes. Art.) * Das neue serbische Kabinett wird wahrscheinlich wieder von Pa fit sch gebildet werden. (S. Ausl.) Der Kampf um das Zi-eikommißsesetz. Von Dr. Böhme, M. d. R. Das Fideikommißgesetz wird das preu ßische Abgeordnetenhaus in diesen Tagen beschäftigen, nachdem es vom Herrenhause schon durchberaten wurde. Die Bedeutung der Materie reicht aber über die Grenzen des preußischen Einzelstaates hinaus. Der prinzipielle Gegner des Fideikommiß- wesenS wird seinen grundsätzlichen Standpunkt mit sehr guten Gründen vertreten können und auch diejenigen Gesichtspunkte, die heute noch zur Verteidigung der Fideikommisse in den Vorder grund gerückt werden, mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Nationale Rücksichten, insbesondere die Stärkung der deutschen Bevölkerung in den östlichen Gegenden, dürfen sicherlich nicht für die Erhaltung der Fideikommisse geltend gemacht werden. Die in deutscher Hand befindlichen Fi deikommisse der Provinz Posen wiesen 84 Pro zent slawische und nur 46 Prozent deutsche Be völkerung auf. Bauernkolonisatiouistda das einzig Gegebene. Eine landwirtschaftliche Ucber- legenheit des Fideikommißbesitzes wird auch von seinen Freunden geleugnet. Pro fessor Gering stellte auf der Konferenz der Gesellschaft zur Förderung der inneren Koloni sation am 24. April 1914 fest, daß die Fidei kommisse im großen und ganzen extensiver be wirtschaftet werden als die freien Gutsbezirke. Von den großen Führern der Landwirtschaft auf technischem Gebiete — man denke an die Namen Schulz-Lupitz, Rimpau, und wie sie sonst heißen mögen — ist unseres Wissens niemand aus dem Fideikommiß hervorgegangeu. Aber in der Waldwirtschaft soll ihre Uebcrlcgen- heit und Notwendigkeit beruhen. In der Tat betrug der Massenertrag pro Hektar in Preußen 1899/1900 für die Privatforsten 1,96, für die Kommunalforsten 2,67, für die Fideikommiß- sorsten 3,04 Festmeter. Aber unvergleichlich über legen sind den Fideikommißforsten die Kron forsten mit 3V? und die Staatsforsten mit 3,44 Festmetern. Der gegebene Weg ist also: Erwerb der Forsten durch den Staat. Verwendung der für die innere Kolonisation brauchbaren Do mänen für die Aufteilung und Anlegung der so erworbenen Mittel durch Ankauf privater Wäl der. Sozialpolitisch mag eine gewisse Uebcrlegen- heit des Fideikommißbesitzes gegenüber dem freien Großgrundbesitz vorhanden sein, gegen über den Bauerndörfern ist es nicht der Kill. Wie man aber auch zu den Fideikominissen stehen mag, die Macht der Tatsachen verbietet es auch dem prinzipiellen Gegner der Fidei kommisse, von vornherein die heutige Regie rungsvorlage abzulehnen. Man muß vielmehr alle Möglichkeiten versuchen, dem heutigen Zu stand- der keine Schranken für die fideikommis sarische Neubildung kennt, entgcaenzutrcten. Ge- wisse Fortschritte bringt in dieser Hinsicht das Gesetz. Neue Fideikommisse dürfen zwar Wald land in unbesmr-nktcm Umfange fcstlegen, aber landwirtschaftlichen Boden nur bis 2500 Hektar. Dieses Maximum ist zu hoch. Mit vollem Recht weist Gering darauf hin, daß dabei eine persön liche Leitung der Wirtschaft nur in Ausnahme fällen möglich ist, und er verlangt eine Herab setzung der Grenze auf 1500 Hektar. Nicht mehr als 10 Prozent des landwirtschaftlichen Bodens der Kreisfläche sollen in Zukunft fideikommissa risch gebunden werden. Auch dies wäre ein wesentlicher Fortschritt, wenn auch eine Her abminderung des bestehenden Fideikommißlandes in solchen Kreisen zu erstreben wäre, in denen heute bereits über 10 Prozent der landwirt schaftlichen Flüche fideikommissarisch gebunden sind. Als weiterer Fortschritt wäre die Bestim mung zn erstreben, die vom Landesökonvmie- kollegium auf Anregung Serings einmütig 1912 angenommen wurde:,Nur solche Persönlichkeiten dürfen landwirtschaftlichen Boden sideikvmmis- sarisch fcstlegen, die seit 50 Jahren entweder selbst oder durch ihre Familien im Besitz dieses Grundbesitzes gewesen sind. ES wäre dies eine der wesentlichsten Schranken, eine Bestimmung, die die Neubildung von Fideikommissen aufs äußerste erschweren würde. Das Herrenhaus hat, anstatt diese Bestimmung anzunehmen, sogar in Kreisen, in denen einschließlich der angrenzenden Kreise bereits 10 Prozent der Kreisfläche gebunden sino, für Familien der oben gekennzeichneten Art trotz dem die Neubildung weiterer Fideikommisse frei-- aegeben. Es ist bestimmt zu erwarte», daß das Abgeordnetenhaus diese Verschlechterungen be seitigt, und es ist zu wünschen, daß es sich die Verbesserungen zu eigen macht, die vorhin als notwendig bezeichnet wurden. Wenn unter diesen Voraussetzungen das neue Fideikommißgesetz einen Fortschritt bringt, so ist die Öffentlichkeit merkwürdig still an den geradezu haarsträubenden Bestimmun gen vorübergegangen, die die finanzielle L>eite der Fideikommißgründung betreffen. Ge rade diese Bestimmungen sind so unerhört, daß ein Appell an die Öffentlichkeit ganz^ fraglos zu ihrer Beseitigung führen wird. Nach den heute bestehenden Gesetzen wird bei Gründung der Fideikommisse ein Stempel von drei Pro zent des Wertes der Fideikommisse entrichtet. Schon 1895 bei der Beratung der Stempel novelle wurde von agrarkonservativer Seite der Versuch gemacht, diesen Stempel zu beseitigen, herabzusetzcn oder doch seine 24 jährige Stun dung zu erreichen. Ein Zemrnmsabgeordneter, Schmidt-Warburg, war es, der diesen Antrag als unpopulär, ungerechtfertigt und unbillig be zeichnete, der den feudalen Sprechern das Wort entgegenrief: „Sie sagen immer: Noblesse oblige; das ist aber nicht die Noblesse, was Sie verlan gen." Trotz dieser scharfen Zurückweisung sind immer wieder Versuche unternommen worden, für die Zukunft eine Herabsetzung des Stempels und andere Vergünstigungen, wie Abzug der Schulde« bei der Wertbemessuug usw., zu er reichen. Tatsächlich bringt nun auch die Regie rungsvorlage, die das Herrenhaus nicht ver ändert hat, eine ganz wesentliche Herabsetzung des Stempels: Für landwirtschaftliche Grund stücke bis 400 000 Mart 1,5 Prozent, bis 500 000 Mark 1,8 Prozent, bis 600 000 Mark 2,1 Pro zent, bis 700 000 Mark 2,4 Prozent, bis 800000 Mark 2,7 Prozent, erst über 800 000 Mark wieder den alten Satz von 3 Prozent. Für Forstfideikommisse betrügt der Stempel nur die Hälfte der obigen Sätze, d. h. für kleine Forst- fiderkommisse unter 400 000 Mart ist der stem pel nur noch Prozent, also auf V« des bis herigen Satzes herabgesetzt. Was helfen alle Be stimmungen zur Beschränkung der Neugründung von Fideikommissen angesichts einer derartigen zur Vermehrung anreizenden Kostenvcrminde- rung! Dazu kommt die weitere Bestimmung: Der Ertragswert wird zugrunde gelegt und nicht der Verkaufswert. Der Führer der konser vativen Partei Ostpreußens, Gras Mirbach, war sogar mit diesen Vergünstigungen noch nicht zufrieden und verlangte in der Sitzung des Herrenhauses vom 25. Mai 1914 auch noch den Abzug der Schulden durch eine spä tere Novelle. Man muß derartige unge heuerliche Konzessionen und noch anmaßendere Forderungen bei der Beurteilung des Fideikom- mißgesetzcs im Auge behalten. An sich wäre so gar eine besonders hohe Belastung der Fidei kommisse infolge der starken Privilegien und > Sicherheiten, die ihnen gewährt werden, gegen über dem übrigen Grundbesitz gerechtfertigt. Aber mit vollem Recht ist von feiten der preußi schen Regierung bei den Beratungen der Herren hauskommission darauf hingewiescn worden, daß dieser Fideikommißstcmpel nur einen Aus gleich bedeutet gegenüber dem Umsatzstempel, der für den freiverkäuflichen Grundbesitz im Falle des Besitzwechscls erhoben wird. Für den freiverkäuflichen Grundbesitz sind, ganz abgesehen von Gcmeindeumsatzsteucrn, an Kreis- und Preu- ßischer Umsatzsteuer durchschnittlich mindestens 2 Prozent vorhanden. Seit 1905 ist der Be sitzwechsel niemals unter 4 Prozent gewesen. Er wird sich in Zukunft sicher nicht unter 4 bis 4»/, Prozent bewegen. 4'/, Prozent Bfitzwcchscl auf dem Wege des Verkaufs bedeutet, daß im Durch schnitt in Preußen von den Besitzungen über 2 Hektar jede alle 22 Jahre ihren Besitzer auf dem Wege des Verkaufs wechselt und eine Umsatzsteuer von 2 Prozent zu zahlen hat, der die Fideikommisse nicht unterworfen sind. Wäh rend demnach — man nehme nur den kurzen Zeitraum von 100 Jahren an — in Preußen der freiverkäufliche Grundbesitz durchschnittlich mit 9 Prozent Unisatzsteuer belastet wird, ist in dem gleichen Zeitraum die Belastung der Fideikommisse nach dem bestehenden Gesetz nur 3 Prozent. Der freiverkäufliche Besitz trägt somit in 100 Fahren die dreifache, in 200 Jah ren die sechsfache Belastung der Fideikommisse. Nach deni kommenden Gesetz würden die kleinen Waldfideikommisse mit Vi Prozent in 100 Jahren nur Vi2, in 200 Jahren nur der Last der freiverkäuflichen Güter tragen. Der frciverkäuf- liche Grundbesitz zahlt außerdem den Prozentsatz nach dem neuen Gesetz von dem weit höheren Verkaufswert, die Fideikommisse nur pxuu Er tragswert. Das ist eine weitere starke Vergünsti gung. Damit nicht genug, erhob man die höchst erstaunliche Forderung des Abzugs der Schulden. Werden diese Schulden etwa auch abgezogen bei dem Umsatzstempel? Davon ist keine Rede. Be rücksichtigt sind bei diesem Vergleich überdies nur die Besitzungen von über 2 Hektar. Wie unvergleichlich stark ist aber der Bejitzwechscl ge rade bei den kleinsten, den Parzellenbetrieben, in den Gegenden der Freiteilbarteit! Die Regierungsvorlage ist in steuer licher Beziehung unannehmba r. Kaum je mals hat eine StaatSregierun^ den finanziellen Wünschen des bestfundierten veiles des Groß grundbesitzes in so unerhörter Weise nachgegeben. Nicht ohne Erniedrigung, eine Erhöhung des Fideikommißstempels ist die Forderung des Tages. Wer der Regierungsvorlage nachgibt, wird dazu beitragen, die Empörung der schwer geschädigten breiten VolkSmassen, insbesondere der weiten Schichten der aufstrebenden Land bevölkerung, aufs äußerste anzustacheln. fiuf -em Wege zum Kabinett «idot. Dem greisen Ribot ist es glücklich gelungen, sein Kabinett vollständig zustande zu bringen, wenn sich auch in der Besetzung der einzelnen Posten vielleicht noch etwas ändern wird. Für dos Kabinett Ribot ist der wesentliche Punkt nicht eigentlich die Frage der Militärdienstzeit, da diese gesetzlich geregelt ist, sondern die Finanzfrage. Ribot will vor allein mit Rentenanlehen Vorgehen. Dann will er dahin wirken, daß die Steuerreform noch in das Budget von 1915 ausgenommen wird. Ebenjo denkt er an eine Besteuerung des Reichtums. Damit will er sich dem Programm von Pau nähern^ und gewisse radikale Gruppen gewinnen. Sollte die Frage der Dienstzeit in der <5orm von Anträgen in die Kammer kommen, dann würde das Ministerium Ribot sich jeder Abänderung des Dreijahr gesetzes widersetzen, dann käme es eben zur Kraftprobe. Ucber die Zusammensetzung des Kabi netts berichtet die folgende Meldung: Paris, 9. Juni. Infolge der augenblicklichen Ab wesenheit Löon Bourgeois' wird die endgültige Zu sammensetzung des neuen Ministeriums erst heute abend bekanntgegeben; immerhin hat Ribot dem Präsidenten Poincar« gemeldet, daß er erfolg reich gewesen sei. Die wahrscheinliche Zusammen setzung des Kabinetts ist folgende: Ministerpräsident und Justiz: Ribot; Auswärtiges: Lc-on Bour geois; Inneres: Ventral; Krieg: No ulens; Marine: Delcassö; Finanzen: Clömentel; Kolonien: Emile Chautemps; Landwirtschaft: Dariac; öffentliche Arbeiten: Jean Dupuy; Handel: Neville; Unterricht: Dessoye; Ar beiten und soziale Fürsorge: Manourny. Paris, 9. Juni. In einer ministeriellen Erklä rung, die Ribot heute abend seinen Mitarbei tern vorlegen wird, wird bemerkt, daß das Drei- jahrsgesctz erst vor einem halben Jahre an genommen worden sei, daß seine Anwendung kaum begonnen habe, daß sich in den Umständen, die zu seiner Annahme führten, nichts geändert habe, und daß daher das Gesetz nicht zur Diskussion gestellt werden könne. In finanzieller Hinsicht be stehe die erste Aufgabe des Kabinetts darin, das finanzielle Gleichgewicht wiederherzu stellen und die Ucbereinstimmung der beiden Kam mern über die E i n k o m m e n st e u e r n, die in dem Finanzgesetz enthalten sind, hcrzustellen. Die Negie rung werde nach dem Boden für eine Verständigung zwischen den beiden Kammern über die Wahl reform suchen. Wenn diese Frage wieder auf geworfen werden sollte, werde die Regierung die Vertrauensfrage nicht stellen. Der italienische Proteststreik. Der Proteststreik hat sich über ganz Italien ver breitet, am stärksten aber in dem industricrcichen Obcritalien. In Florenz ist cs zu schweren Aus schreitungen gekommen. Das Eiscnbahnperwnal hat sich bis jetzt dem Streik ferngehalten, ebenso sind fast überall die Läden offen geblieben. Wir verzeichnen folgende Meldungen: Rom, 9. Ium. Der in Ancona ausgebrochenc all gemeine Proteststreik erstreckt sich mehr oder minder groß auch über Bologna. Florenz, Vcncdlg, Genua, Mailand, Turin. Beraamo, lcrmi, Brescia, Civita vecchia, Bari und Livorno. In Bologna verkehren die Straßenbahnen wei ter und die Läden sind geöffnet. Zahlreiche Auto mobile verkehren. In Genua sind die Lüden geöffnet, im Hafen wird überall gearbeitet. In Turin geht der öffentliche Wagenoerkehr weiter; auch der größte Teil der Läden ist geöffnet. Zn Rom dauert der allgemeine Proteststreik an. Die Läden sind fast alle geöffnet. Der private Auto mobil- und Wagenoerkehr ist durch den Streik un berührt. Die Behörden untersagten eine Versamm lung, die der Generalrat der Arbcitcrvereinigungen auf der Piazza del Popolo veranstalten wollte. Gruppen von Manifestanten, die sich nach der Piazza del Popolo begaben, wurden von der Polizei zer streut. In Florenz ist es am Schluß einer Protest oersammlung der ausständigen Eisenbahnarbeiter zu schweren Ausschreitungen gekommen. Als die Polizei einen Trupp Manifestanten zerstreuen wollte, wurde sie von der Menge mit Ziegel- und Pflaster steinen beworfen. Die Beamten gaben darauf mehrere Revolverschüsje ab. Ein Polizeileut nant wurde schwer verletzt; mehrere Beamte erlitten Verletzungen. Von den Tumultuanten wurde ein junger Mann namens Poggiolini getötet; zwei andere wurden leicht verletzt. Eine neu hinzu kommende Abteilung Polizeibeamte zerstreute schlieAich die Menge. In der Nähe des Bahnhofs von Fabriano wurde ein Eisenbahnzug durch Aufreißen der Schienen zum Halten gebracht. In den Städten, in denen der Streik proklamiert wurde, erscheinen keine Zeitungen. Auch das Syndikat der Eisenbahnarbeiter von Ancona hat den Streik beschlossen und sich dem für die Dauer des Ausstandes gebildeten allgemeinen Ar beiterausschuß angeschlossen. Dieser Ausschuß schürt die allgemeine Unzufriedenheit unter den Bahnarbeitern, doch wickelt sich auch heute der Zug verkehr ordnungsmäßig ab. In Mailand fand auf dem Domplatz eine sozialdemokratische Kundgebung wegen der Vorfälle von Ancona statt. Die Polizei mußte einschreiten und nahm zahlreiche Verhaftungen vor. Auf Be schluß des hiesigen Bundes der Arbeiter und der römuchen Zentralleitung der sozialdemokratischen Partei hat heute morgen auch hier der Massen ausstand begonnen, der aber diesmal nicht so großen Umfang angenommen hat wie sonst. Der Straßenbahnoerkehr ist nur teilweise ein gestellt. Die Stadt hat ihr gewöhnliches Aussehen bewahrt, obgleich der hiesige sozialdemokratische „Avanti" die Parole ausgegeben hatte, daß die Ar beit nicht nur in den Fabriken, sondern daß auch alle Betätigungen des städtischen Lebens aufhören müssen. Die Vereinigung der Buchdrucker beschloß, sich dem Streik anzuschlicßen, so daß die Zeitungen ihr Erscheinen einstellen müssen. Wirren in Albanien. Endlich einmal eine Aeuszerung über die Absicht des Fürsten, die aus eine gewisse Entschlossenheit und Energie hindeutet! Daß darin die Nachricht einer Uobersiedlung nach Skutari dementiert wird, will nicht viel besagen — die Absicht dazu scheint doch nicht vollständig ferngelegen zu haben —; aber daß sich der Fürst allmählich mir einem strafferen Auf treten vertraut gemacht har. ist nur zu begrüßen. Denn das lehrt der bisherige Verlauf der Dinge, daß die albanischen Verhältnisse nicht mit geduldigem Hoffen und Harren zu ordnen sind. Wir verzeichnen folgende Meldungen: Keine Verlegung der Residenz. Wien, 9. Juni. Die „Politische Korrespondenz" meldet ausDurazzo: Die Meldungen von angeb lichen Uebersicdlungsplüncn des fürstlichen Hofes rufen an unterrichteten Stetten in Durazzo Erstaunen hervor. Der Gedanke einer Verlegung der Residenz habe bei dem Fürsten aus politischen oder persönlichen Gründen niemals Raum gewonnen. Der Fürst hatte und habe der gegenwärtigen Erhebung gegenüber nur ein Programm: die Anwendung aller verfügbaren Mittel zur friedlichen Bei legung der Streitigkeiten und für den Fall einer erfolglosen Erschöpfung derselben die Nied er ring ung der von der großen Mehrheit ber Al banesen verurteilten Erhebung mit Gewalt. Der deutsche Vertreter in Albanien. Berlin, 9. Juni. Herr von Luccius, der bis herige erste Sekretär bei der deutschen Botschaft in Petersburg, der bekanntlich nach Durazzo ver setzt ist, wirs seine Reise voraussichtlich am Donners tag dorthin antreten. Seine Stellung in Durazzo wird, was schon vor einiger Zeit hier berichtet wurde, als die eines „siplomatischen Agenten und Ge neralkonsuls mit dem Range eines außer ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten M i - nisters" bezeichnet. Herr von Luccius steht cm 45. Lebensjahre. Er ist ein Sohn des preußischen Staatsministers und war in feinen früheren Stellungen u. a. in Paris, Lissabon, Hamburg und zuletzt in Petersburg. Reichsverbandstag veutsther Städte. 118. Berlin, 9. Juni. Am heutigen zweiten und letzten Verhandlungs tag nahm der Reichsoerband Deutscher Städte zu nächst Stellung zum Entwurf eines Ausführungs gesetzes ,zu tz 1 des Reichsgesetzes über Aenderungen im Finanzwesen vom 3. Juli 1913: Zuwachs»