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Anlehen benutzt und 5.555,000 Thlr. befanden sich in wirklichem Betriebe. Die Verlnste betrugen nur 13,805 Thlr., wovon 12,451 Thlr. aus den Dresdner Verein entfielen, und zwar durch dessen eigene Schuld. Die Dividenden waren 4, 5, 7, 20, 30, 40, ja bis 50 und mehr Procent Reingewinn, so Laß sich mit magnetischer Gewalt die Vorschußbanken zu Sparvereinen in Form von Depositenbanken ge stalten werden. — Die Verwaltung solcher Vereine muß sehr solid sein, weil bei einer Krisis kommerzieller oder politischer Natur oder ausbrcchendem Mißkredit Alles sofort eilt, die Vorschüsse zu kündi gen. Schulze-Delitzsch stellt daher die Norm aus, daß das Eigenvermögen der Bank bei Gründung mindestens IO, nach 2 bis 3 Jahren durch fortgesetzte Mitgliedcreinlagen und Gutschreiben der Dividenden 20—25, nach längerem Bestand 50 "/(, alles auf solida rische Haftbarkeit aufgenommenen fremden Vermögens betragen solle und die Einhaltung Lieser Norm streng überwacht werde. Mit gerech tem Stolze kann also Schulze-Delitzsch aus die geringen Verluste seiner Justitnte, wenige 1000 Thaler auf 19—20 Millionen Thlr. Vorschüsse in ganz Deutschland blicken. Die rasche Entwickelung, große Leistungsfähigkeit und Solidität der Verwaltung treten in ein um so glänzenderes Licht, als die Höhe der realiflrten Reingewinne die Kreditnoth Derjenigen beweist, welche dabei immer noch das Kredit-Institut segnen. Man hat zwar die Reingewinne den In stituten zum Vorwurf gemacht, allein sie fallen den Vvrschußneh- mern pro rstn ihrer Einlagen, also theilweise wieder zu. Daß mit Zins und Provision auch der Vorschuß selbst regelmäßig zurück bezahlt werden kann, beweist unter allen Umständen eine wohlthätige Wirkung der Vorschußbanken. Auch den Rohstoff-Associationen hat Schulze-Delitzsch einen scharfen Anstoß zu verleihen verstanden. ES sind ihrer etliche 30, fast ausschließlich unter den Gewerben der Schneider, Schuhmacher und Tischler. Die Lederbezüge der Schuh macher find oft um 20—60"/o, die Tuche und Futterstoffe bei den Schneidern um 16—20'7„ billiger, als auf dem Wege der Einzel anschaffung. Auch in England hat dieseArt Associationen sich von den Zwischenhändlern und deren theuern Zwischenhandels-Provisionen befreit. Zweierlei also charakterisirt die Schulzeschen Associations bestrebungen: die wesentliche Angehörigkeit derselben an die Interessen des kleinen und mittleren Handwerker standes u nd den Grundsatz der Selbsthilfe, also, die Ent nahme der Mittel aus den betreffenden Klassen selbst unter Ausschlie ßung von Gemeinde- und Staatsmitteln von Außen her. Das ist neben der politischen Seite, die untrennbar davon bleibt, festzuhalten als Gegensatz zu Lassalle, welcher sagen konnte, daß Schulze- Delitzsch nur die unterste Klasse der selbstständigen Unterneh mer und Kapitalisten rcpräsentire und trotz seiner hochachtbaren Ver dienste um das Handwerk doch nicht die Fahne des eigentlichen Ar- beiterthums emporhebe. So konnte Schulze-Delitzsch, als pcrsonifizirtes Prinzip der Selbsthilfe, von der Fortschrittspartei zur Parole genommen werden, denn er steht hiermit grundsätzlich auf dem Boden der Staatsanschauungen der liberalen Bourgeoisie. Der staatsökonomische Katechismus der liberalen Bourgeoisie ist die soge nannte Manchesterdoktrin. Unbedingte Freiheit des Handelns und Zurückführung des Staats auf den Sicherheitsschutz oder „Nacht- wächtcrdienst", wie eS Lassalle in seiner despektirlichen Manier ausdrückt, will der Bourgeois vom Staate. Denn wer Lurch Kapital mächtig ist, kann durch freien Vertrag Alles erlangen und braucht von der höheren Macht, welche Staat heißt, kaum mehr als Sicher heit für Person und Sicherheit für das Eigcnthum nach innen und außen. Der Staat der liberalen Bourgeoisie, als verdünntester Rechtsstaat, braucht daher auch nicht mehr zu thun. Die Politik des Inissor-knire, Inis^er-itUvr ist der Geldaristokratie angenehm, wenig stens erträglich und geistig auch wirklich aus ihr, aus dem monieä intorest Englands, bcrvorgewachscn Schulze-Delitzsch geht also handelspolitisch mit den Manchestermänncrn, politisch mit den liberalen Fraktionen. Er ist aber mehr als die meisten liberalen Oekonomistcn und Politiker Abgesehen von seiner Rednergabe und seinem entschiedenen Frcimuth, hat er theoretische Prinzipien zur praktischen Durchführung gebracht und durch die Genossen schaften die unterste Klasse des in der Zeit der Maschinen gewaltig umgährendcu deutschen BürgcrthumS cmporgehoben; er ist „Volks mann", Wohlthäter eines großen wichtigen Theils der gewerblichen Bevölkerung geworden. Daher kein tauglicherer Mann, um jene neuerdings proklamirte „Einigung sämmtlicher Volksparteien" zu vermitteln, eine politische Brücke von der Bourgeoisie zum Arbeiter stand zu schlagen und jenes Parteikonglomcrat zusammenzuhalten. welches dem preußischen Kampf zwischen parlamentarischer und mo- § narchischer Superiorität und dem preußischen Bedürfniß nach Auf saugung Deutschlands als Stütze untergcstellt worden ist. Und kein besserer Name, um den Gegensatz des Liberalismus gegen die sociale Demokratie zu überdecken, den Arbeitern einen demokratischen An ziehungspunkt, ein verwandtes Element darznbicten. Die ökonomi schen und politischen Wortführer haben denn auch wabrlich Kapital ans dem Namen Schulze-Delitzsch gemacht und mit ihm, weil er ans liberalem Boden praktische Demokratie repräsentirt, ohne weiter sich in Prinzipienstrcit einzulassen, Lassalle abgetrumpft. Schulze-Delitzsch muß man neben der Eigenschaft als Socialreformer vor Allem in seiner politischen Bedeutung auffaffen. Sein europäischer Ruf mußte ihm schon von vornherein Stellung in der Partei verschaffen, er ist aber einer der energischsten Gothaer und Nationalvereinler, einer der eiferndsten Kleindeutschen gegen Oester reich und Süddeutschland. Er gehört mit ganzer Seele der Partei des parlamentarisch accentuirtcn Konstitutionalismus an, der Partei, i welche für Preußen die Herrschaft des Parlaments, für Deutschland ! die kleindeutsche Einheit will. Er besitzt nun als Leiter der Anwalt schaft für die deutschen Genossenschaften, als Verfasser der Jahres- ! berichte, als Redakteur des Genoffenschaftsorgans („Innung der ! Zukunft"), als Berufer der jährlichen Vereinstage, die, Gesammt- Deutschland umfassend, jetzt wieder Gau- und Provinzialvcrcine grün den, eine gewaltige Macht. Er ist der sociale Prophet des Handwer kers. Und wenn es Unrecht wäre zu sagen, er nütze diese sociale j Macht politisch aus, so darf man doch wohl nicht annchmen, daß in i Schulze-Delitzsch beide Pole als fremd in unvermitteltem Dua lismus neben einander herlaufen. Bei dem parlamentarischen Kampfe ! in Preußen hat sein Name in den unteren Schichten des Volkes der j Fortschrittspartei sehr viel genützt. Dieselbe wünschte aber, wie gesagt, dieArbeiter nicht als aktivePartei, sie strebte,,BildungSvereine"sür sie an, in denen ihre Lehrer den Arbeiterstand patronistren konnten. Der Arbeiter sollte ein äußerlich verfügbares Material sein. Man rieth den Arbeitern, vom Beitritt zum Nationalverein fern zu bleiben und > sich, von der Politik abgewandt, lieber den Bildungsvereinen und der materiellen Besserung ihrer Lage zuzukehren. Dies wurde der Anstoß, um Lassalle in entschiedene Opposition gegen die Fortschrittspartei ans die Bühne zu führen. Das Schriftchcn, welches so viel Lärm gemacht hat, ist das „Offene Antwortschreiben an das Leipziger Centralcomits zur Berufung eines deutschen Arbeiterkongresses", hervorgegangen aus einer Aufforde rung Seitens des Comits's, sich über die Arbeiterbewegung uud über die Mittel auszusprechen, deren sie sich zu bedienen hat, um die Ver besserung der Lage des Arbeiterstandes in politischer, materieller und geistiger Beziehung zu erreichen, sowie über den Werth der Associa tionen für die unbemittelte Volksklasse. Die ausgcstrcute obroiii<kue sennüsleuss über die Persönliche kcit Lassalle s übergehen wir gänzlich. Der Inhalt dessen, was er schreibt, ist originell, geist- und kenntnißreick, die Form stachlich und ! beißend. Seine Bücher über Heraklit (1857. 2 Bände) und sein „System der erworbenen Rechte, eine Versöhnung des positiven Rechts und der Rechtsphilosophie" (1861. 2 Bände) werden von Fachge lehrten geschätzt und als tüchtig anerkannt. Alles aber zeigt jene we nig gewinnende Manier, deren stärkste Probe in den „Setzcrscholicn" I gegen Julian Schmidt sich findet, in denen er formell über alles Maß binans und um so verletzender auftritt, je mehr er sachlich grobe Blößen enthüllt. Lassalle war übrigens schon lange vor jenem „Antwortschreiben" mit seinen eigenen Prinzipien hervorgetreten in dem im Berliner Arbeiterverein vorgetragenen: „Arbeiterprogramm" oder „über den Zusammenbang der gegenwärtigen Gcschichtsperiode mit der Idee des Arbeiterstandes". Schon in diesem Programm trat er mit einer grundsätzlichen Vcrichiedenheit in der Auffassung der Staatsidce der Bourgeoisie und Mauchcsterschule gegenüber und cs ist somit nicht wahr, daß er, wie seine Gegner sagten, ein „ogent provoosteur der Reaktion", erst jetzt damit hervorgetreten )ei. Lassalle s Ideen über den Staat formiren sich nun ungefähr so: Die sittliche Idee der Bourgeoisie wolle nur, daß dem Einzelnen unbedingt nichts Anderes als die nngebinderte Selbstbethätigung seiner Kräfte zu garantiren sei. Wären Alle gleich stark, gleich ge- scheidt, gleich gebildet und reich, so würde die Idee als eine ausrei chende und sittliche angesehen werden können. So aber führt, da dies nicht der Fall sei, diese Idee in ihren Konsequenzen zur Unsittlich- kcit, zur Ausbeutung des Schwächeren durch den stärkeren, Gc- - scheidteren, Reicheren, während in einem sittlich geordneten Gemein-