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Reinigung, daS „Werfen" (Worpen, Wörpen) bestellt darin, daß, nachdem die aus den Aehren gewonnenen Körner an einem Ende der Dreschtenne aufgehäuft worden sind, dieselben mittelst langstieliger, sogenannter Wurfschaufeln dem anderen Ende der Tenne zugeworfen werden. Diese Manipulation erfordert nicht allein was die Regelung des Windes anbetrifft (derselbe darf entweder gar nicht, oder nur eben im geringen Maße unter einem gewissen Winkel der Wurfrichtung ent gegen auftreten), sondern auch in Hinsicht des Werfens selbst einiger Erfahrung und Geschicklichkeit, und ist außerdem mit Zeitverlust ver knüpft, sonst würde sie immer, vermöge ihrer vortrefflichen Wirkung, den ersten Platz unter den Reinigungsmethoden des Laudwirths ein- nebmen. Indem die Mischung von Spreu, leichten und schwereren Kör nern mit gleicher Geschwindigkeit gegen die Luft geworfen wird, ver liert nach den oben näher besprochenen Gesetzen die Spreu zunächst ihre Geschwindigkeit; sie fällt zunächst aus die Tenne zurück; die leichten Körner folgen, diesen die schwereren u. f. f, so daß sich in concentrischen Bögen die Qualitäten des Getreides abscheiden. Die Spreu wird, im Verein mit den leichtesten Körnern, zur Viehfütternng verwendet, die darauf folgenden Körner (die sog. Hin terfrucht) wandern als ZinSsrucht auf die Böden der Regierung, oder als Sold für die mißliebigen Schullehrer und Prediger, die mittlere Lage ist, vielleicht noch in mehrere Grade getheilt, Marktwaare, das vordere, vollkörnige dient entweder zur Aussaat, oder — für den eigenen Hausbedarf. So vollkommen diese Methode, von geschickten Händen ausge führt, auch ist, so mangelt ihr doch, wie schon erwähnt, eine jetzt überall geforderte Eigenschaft — die Massenproduktion. Man hat deshalb zu anderen Mitteln gegriffen, man erzeugt einen künstlichen Luftstrom und läßt denselben sich gegen daS regelmäßig vertheilte Ge treide bewegen. Hierdurch würde sich eine sicherere, eben so vollkom mene wie die zuerst besprochene Reinigung erzielen lassen, wenn man das Getreide durch den Wind aus eine Fläche ausbreiten ließe, um dort eine ähnliche Absonderung zu bewirken, wie wir sie bei dem Werfen sehen. Man thut dieses nicht, man begnügt sich vielmehr da mit, die Spreu und die leichtesten Körner auszublasen und höchstens l mittelst Sieben die fehlende Sortirung zu bewirken. Dieses ist ein Rückschritt, Lurch welchen der Müller gezwungen wird außer der endgültigen Reinigung auch auf eine Sortirung des Getreides Bedacht zu nehmen. Eine höchst sinnreiche, bis jetzt wenig bekannte, dahin zielende Maschine, ist der Verfasser im Stande hier mitzutheilen. Gewöhnlich wird das Getreide, in die Mühle gekommen, zunächst irgend einem Mechanismus übergeben, welcher die beigcmengten Erd klümpchen, Käfer u. s. w. zermalmt, und in größerem oder geringerem Grade die Keimlappen und Rinden des Getreides entfernt. Diese Maschine verlassend, fällt letzteres aus das Sieb (siehe d. Abbild), dessen Maschen so groß, aber auch nicht größer sind, als zum Durch fallen der stärksten Körper erforderlich ist. Größere Körper, als: kleine Steine u. s. w. werden fin nuferer Zeichnung) nach rechts abgewor fen. Das durch s, gefallene Gut wird der Wirkung des Siebes b ausgesetzt, welches alle kleineren Körper, Staub, Sand u. dgl. von den Körnern normaler Größe absondert, und letztere bei v einem kräftigen Luftstrome auSsctzt. Die durch denselben ausgeblasenen leichten Thcile gelangen in den Raum ä und fallen mit den durch d abgesonderten Theilen rechts ab. DaS brauchbare Getreide gelangt aber über die schiefe Ebene s in den Kanal k, aus welchem der Ven tilator die nöthigc Luft bezieht. Der Luftstrom in k wiegt nun, so zu sagen, jedes einzelne Korn ab, läßt die als vollwichtig erscheinenden bei <j entfallen, wirft aber die zu leichten Körner in den Raum Z, aus welchem dieselben durch eine seitlich angebrachte Thür entfernt werden können. Die Fenster dir gestatten ein bequemes Beobachte» deS Vor ganges; Verfasser war überrascht, als er denselben zum ersten Male in der Godehardi-Mühle zu Hildesheim beobachten konnte. Die Klappe i dient zur Reguiirung des Luftstromes. Während des AuSlccrenS des Raumes g wird der Ventilator die nöthige Lust auf dem bequemeren Wege durch die geöffnete Thür ent nehmen, so daß innerhalb des Kanals k der oben besprochene Abwä gungsprozeß nicht stattfinden kann. Man schneidet deshalb während dieser Zeit durch Aufschlagen der Klappe dst den Getreidezufluß ab. Die Siebe a und K befinden sich in einem auf4 Federn II ruhen den Kasten, der durch eine seitlich angebrachte (im-Grundriß sichtbare) Kurbelwelle die nöthige rüttelnde Bewegung erhält. Eine so sorg fältige Reinigung und gleichzeitige Sortirung des Getreides, wie sie hier besprochen wurde, dürfte aber nur in Norddeutschland, England, Nordamerika und Frankreich für nothwendig gehalten werden. Die Oesterreicher, ein Theil von den Sachsen u. s. w. reinigen ihr Ge treide nur nothdürstig und verwenden mehr Sorgfalt auf Sortirung des Grieses (Prager Mahlsystem). Aber auch hier kann der Wider stand, den in der Luft sich bewegende Körper erfahren, nicht entbehrt werden. Ein künstlich erzeugter Luftstrom treibt den reichen in einem sog. Cylinder behandelten Gries in verschiedene hinter einander be findliche Kästen, wobei der schwerere, bessere in die vorderen, die leich teren, geringeren Sorten aber in die Hinteren Kästen fallen. In neuerer Zeit scheint es endlich zu gelingen, die Ventilation der Mühlsteine mehr und mehr einzuführen. Diese besteht bekanntlich darin, daß man auf irgend eine Weise einen Luftstrom zwischen den Mahlflächen erzeugt, und zwar am besten in der Richtung von innen nach außen. Vergleichen wir die vorliegenden praktischen Resultate dieser Ventilation, so können wir nicht umhin, sie vollkommen der obigen Formel (3) untergeordnet zu bezeichnen. Indem der Luftstrom zwischen den Mahlflächen sich nach der Peripherie derselben bewegt, reißt er die bereits genügend zerkleinerten Mchltheilchen mit sich forr, den Mahlflächen nur die noch zu bearbeitenden überlassend. Der Luftstrom läßt also die nicht unbedeutende Arbeit, welche nutzlos auf die zunächst genannten Mchltheilchen verwendet werden würde, crspa- i ren, er vergrößert die nutzbare Mahlfläche für die noch zu zerkleinern- ! den Mcblkörper, er ermöglicht eine größere Mehlprodnktion bei der selben Bctriebskraft und verhindert ein Warmwerden deS Melstes, indem es jetzt an überflüssiger mechanischer Arbeit fehlt, die sich in Wärme verwandeln könnte. Auf ähnliche Weise verwenden Schmirgelfabrikanten u. dgl. das besprochene Naturgesetz. Es werden durch einen künstlich erzeugten Luftstrom zunächst die kleineren Körner von den größeren getrennt, letztere kehren zu den Verklcinernngsmcchanismen zurück, wäbrend erstere durch den Luftstrom nach einem in Fächer getheilten Zimmer geführt werden, in welchem dieser seine Geschwindigkeit verliert und zugleich den Schmirgel in die nach den Feinheitsnummcrn geordneten Fächer fallen läßt. Die Lust tritt hier also zunächst aktiv auf, indem sie die feineren Körner mit sich fortrcißt, sie wirkt passiv, indem sie dem Niedcrfallen der Körper einen Widerstand entgegensetzt. Das Wasser, welches unter den tropfbarflüssigcn Körpern den selben Platz cinnimmt, wie die Lnft unter den elastisch-flüssigen, wird ebenfalls vielfach zur praktischen Verwendung des in Formel 3 ent haltenen Satzes benutzt. Namentlich verwendet man cs zu dem soge nannten Schlämmen. Des mangelnden Raumes wegen unterlassen wir die Besprechung hierhergehöriger spezieller Fälle, da überhaupt unsere Hauptabsicht war, auf eine Naturerscheinung binzuwcisen, die größere Aufmerksamkeit Seitens der Techniker verdient, als ihr bis her geschenkt wurde. (Mitth. d. G. V. f. Hannover.)