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Iriedrich Georg Wieck s Nr. 2. 1861. Unter besonderer Mitwirkung der Kerren M. M. Freiherr von Weber. Or. F von SIcinbei« Or. Wilhelm Killer von Schwor; Or. Lnapp, Professor der angewandten Chemie in München. W. Vcchelhäuser, Mencral-Direct. t. Cnnlincntal GaS-Gesellsch. in Deßnll. Or. M. Kiihlmann, Prof, der König!. Polytechn. Schule, Rillcr ic. in Hunnorcr. Or. Rudolph Vieh, Großhcrzogl. Bad. Geb. Rcferend. im Handels Mimst., Ritter >c. in EarlSrude. Or Lrnfl Lngel, Kgl. Prcuö Meli. Rcg.-Ratb, Direktor der Kgl. Statist. Bureau, Ritter re. in Berlin. 'M) A. M. Killer von Surg, K. K. Rcg.-Ratb u. Prof., Mitglied r. Akademie d. Wissenschaften, VerwaltungSrath rc. in Wren. K. K. SectionS: Ratk und Ikanzlei-Director LcS österr. General-Eonsulars rc. in Paris. Direkt, d. K. Württemb. (Zentralstelle f. Handel u. Gew., Comth. u. Ritter ic. in Stuttgart. Ingen., K. Sächs. Finanz-Ratk u. StaatSeisenb.- Director, Eomtlmr u. Ritter in Dre-den. Herausgegeben von Or. Heinrich Hirzri. Wöchentlich 14—2 Bogen. Zu beziehen durch olle Buchhandlungen und Postämter. Sechsnndzwanzigster Jahrgang. Ueber das deutsche Genossenschaftswesen. Von Th. Schwartze. Das Uebergewicht des großen Kapitals über das kleine ist eine selbst vom volkswirthschaftlichen Standpunkte aus so allgemein an erkannte Thatsache, daß es einer theoretischen Begründung der Be hauptung: „Es muß so sein" nicht mehr bedarf. Das große Kapital treibt, im allgemeinen Kampfe der Wirth- schaften und Interessen, eine dem kleinen Kapitale stets verderblich werdende Concurrenzmacherei. Es beschränkt nach und nach den Gewinn desselben auf ein Minimum, ja, es vernichtet schließlich allen Gewinn desselben und zwingt es sich selbst aufzureiben. Mit gelehrten Demonstrationen konnte hier nichts gebessert werden, es galt zu handeln und — das deutsche Volk hat gehandelt. Das deutsche Volk hat das Radicalmitiel gefunden, durch wel ches allein demUebermächtigwerden des großen Kapitals entgegen gesteuert wird. Dieses Radicalmitiel ist das Genossenschaftswesen. Der Schwer- und Stützpunkt des Genossenschaftswesens liegt in dem längst anerkannten Principe, daß schwache Kräfte, eng an einander geschlossen, zu einem compacten Ganzen vereinigt, selbst starken, mächtigen Kräften siegreich widerstehen können. Wie alles Große, Dauernde, so entwickelte sich auch das deut sche Genossenschaftswesen aus geringen, kleinen Anfängen. In den preußischen Landstädten Eilenburg und Delitzsch entstanden, auf An regen des Kreisrichters Schulze-Delitzsch, im Jahre 1850 zwei Handwerkervereine, sogenannte Vorschußvereine. Diese beiden kleinen Vereine waren der Mittelpunkt, von wel chem aus sich die Kreiswellen der neuen Bewegung über ganz Deutsch land ausbreiteten. Dem echt deutschen Manne, unserm Schulze-Delitzsch, gebührt der Ruhm , den ersten Anstoß zur neuen Bewegung gegeben und dieselbe, mit allen Kräften, flott erhalten zu haben. Zwei alte, echt deutsche Kernsprüche wurden auf die Grund steine geschrieben, über denen das neue Haus — zum Schutze deut scher Arbeit — errichtet werden sollte. Diese alten, deutschen Sprüche lauten: „Hilf dir selbst und Gott wird dir helfen" und der der andere: „Alle für Einen und Einer für Alle". Der Wahlspruch, welchen Schulze-Delitzsch seinen ersten Vereinen mit gab auf den Weg lautete nämlich: „Selbsthilfe und gemeinsame Haftung" und dieser Wahlspruch hat seine Kraft und innere Wahrheit zur Geltung gebracht. Anfangs zwar errangen sich die neuen Vereine nur mühsam Anerkennung und Sympathie. Man warf sie mit den bereits früher entstandenen Unterstützungskassen, mit Vereinen, deren Tendenz war, ihre Unterstützung als Wohlthätigkeitsäußerung zu betrachten und dieselbe als ein Almosen zukommen zn lassen, in eine Klasse. Der gesunde Sinn des deutschen Handwerkerstandes verschmähte aber im Allgemeinen solche Unterstützungen. Einzelne freilich wur den, da auf anderem Wege nicht Rath geschafft werden konnte, wohl durch dieNoth gezwungen, die Unterstützung solcher Wohlthätigkeits- anstalten in Anspruch zu nehmen. Im Allgemeinen aber fanden solche Wohlthätigkeitsvereine nur eine sehr beschränkte Inanspruch nahme. Die Furcht, seinem Kredite, durch eine Berührung mit den selben zu schaden, überwand oft die Noth des Augenblicks. Als man aber den Grundsatz der neuen Vereine nach und nach erkannte, als man sich bewußt wurde, daß es hier gelte, sich durch eigne Kraft zu helfen und daß man nicht nothig habe, Jemand für eine Wohlthat zu danken, sondern daß es sich um eine Crediterlan- gung handle, da erwachte ein Zug und Drang nach Bildung solcher Vereine in den Gewerbtrcibenden, der in kulturhistorischer Beziehung bereits von bedeutenden Folgen begleitet wurde und noch bedeuten dere Folgen haben wird. Im Laufe weniger Jahre sind, nach Franz Wirth (man lese dessen 1. Flugblatt des volksw. Vereins für Südwestdeutschland),