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offiziöse Havas-Note besagt heute: ..Die nach Berlin telegraphierte Note, welche die der ..Nordd. Allg. Ztg." herbeiführte, beruht gewiß auf einer Konfusion oder irrigen Auslegung der Erklärungen de« Herrn Cruppi. Man weiß in der Tat, daß alle Konsuln ohne Ausnahme dem General Moinier den Kelten Empfang bereiteten, als er in Fez eintraf, und daß manche von ihnen, besonders die englischen und österreichischen Konsuln, mit ihrem französtichen Kol legen darin übereinstimmten, den Ernst der Lage der europäischen Kolonien anzuerkennen." Diese Verlegenheits-Ausrede vermag nicht aus der Welt zu schaffen, daß der Bericht aller Pariser Blätter über die Kommissionssitzung in dem Punkte üdereinstimmte, der den deutschen Konsul betraf. Ohne jeden Zweifel lag die Absicht vor, rn Madrid an ein ausgezeichnetes Einverständnis zwischen Berlin und Paris glauben zu machen. ,,Tcmps". .^Matin" usw. täuschten auch systematisch über die Haltung der deutschen Presse hinweg und versicherten, die deutschen Zeitungen schlössen sich fast ausnahms los dem französischen Protest gegen die spanische Aktion an. Da die Madrider Zeitungen fast ihren gesamten Nachrichtendienst nur über Paris beziehen, hoffte man so die guten Spanier zu erschrecken und einen Druck zugunsten der Intervention des franzö sischen Botschafters in Madrid auszuüben! Die kleine Note der „Nordd. Allg. Ztg." dementierte nicht nur eine unwahre Behauptung oder sagen wir „eine Konfusion": sie öffnete vielen Franzosen, die sich wieder in Sicherheit wiegten, die Augen, das; von einer Zustimmung in Berlin nicht die Rede sein kann. Die Berliner Korrespondenten zweier Blätter der Kolonialpartei telegraphieren heute auch ernste Warnungen. Der des „Echo de Paris" meldet: „Die Zukunft beunruhigt mich einigermaßen und ich frage mich, ob man in Frankreich wohl alle Gefahren derLage einsieht. Deutschland wartet ab. Das wird von allen Seiten gesagt, sowohl von deutscher wie von französischer Seite. Was wartet es ab? Ein glücklicher Zufall wollte, daß bis lang noch kern Deutscher in Marokko er mordet wurde. Würde uns Deutschland, falls ein solches Ereignis eintreten sollte, die Sorge überlassen, seinen Toten zu rächen und die nötigen Genug tuungen zu erlangen? Durch die Verträge ist es dazu keineswegs verpflichtet und es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß es es tun würde, wenn nicht vorausgehende Verhandlungen esdazu nötigen würden. Man nehme einmal an, daß es seine Rache selbst aus üben und sich auf irgendwelchem Punkte des marok kanischen Gebiets provisorisch niederlassen würde. Wie tonnten wir es davon vertreiben? Indem wir selbst die Punkte Marokkos verlassen, wo wieder Friede herrscht? Aber Deutschland kann von uns das Unmögliche verlangen, z. B. das Schauja-Lanl^ zu räumen, bevor uns die Entschädigungen ge-ahlt wurden. Haben wir an all das gedacht? Wäre es nicht besser, ein für allemal diesen Ge fahren vorzuoeuaen? Wir stehen rechtlich auf dem Boden des Ueoereinkommens von 1905, das Deutschland bislang loyal einhielt. Das Ueberein- tommen geht aber nicht so weit, uns die Ueber- wachung der deutschen Interessen in Marokko zu übertragen. Ls könnte also in diesem Punkte er weitert werden, wonach jede Möglichkeit einer deut schen Aktion in Marokko beseitigt wäre. Glaubt man in Frankreich nicht, daß eine solche Sicherheit schon wert wäre, um den Preis einer Konzes sion an D e u t s ch l a n d, selbstverständlich außer halb Nia rot kos, erkauft zu werden?" Darin wird sich Frankreich täuschen. Deutschland wird seine Kon zessionen in Marokko selbst ordnen, wenn es an seinem internationalen Prestige keinen Schaden .nehmen will. — Der Berliner Korrespondent des ,.Figaro' befürchtet gar ernen Konrlikt am Rhein oder eine fürchterliche Demütigung, und fragt, ob es nicht besser wäre, etwas preiszu geben, „statt mit großen Kosten die ausweichende Haltung sortzusetzen, die die Deutschen verlogen nennen". Das Blatt rät zu Verhandlungen, damit Deutschland nicht den günstigen Moment für eine Katastrophe erwarte, die in 10 Jahren, 10 Monaten oder 10 Tagen kommen könne. verrat militärischer Geheimnisse. Leipzig, 16. Juni. Da» Urteil im Prozeß Neman« ist, wie schon kurz berichtet, heute nachmittag in der dritten Stunde verkündet worben. Der Gerichtshof ist zunächst der Ansicht gewesen, daß di« von Josef Remane mit Josef Heeg in der Nacht zum 20. Juni 1909 in Schweidnitz oewtrkte Wegnahme zweier Infanterie gewehre, Modell 98, die im Eröfsnungsbeschlus; als rin Verbrechen gegen 8 3 des Spionagegesehes bezeichnet ist, sich als ein in Jdealkonkurrenz mit schwerem Diebstahl begangenes Delikt Larstellt. Es ist ferner erwiesen, daß Remane allein am 2. No vember 1909 zwei Kavalleriekarabiner aus der Ulanenkaserne in Gleiwitz gestohlen hat: hier liegt einfacher Diebstahl vor in Jdealkonkurrenz mit dem Verbrechen aus 8 3 des Spionagegeselzes. Endlich hat der Angeklagte am 22. Dezember 1909 eine große Anzahl von Schriften, Zeichnungen usw. uird andere Gegenstände aus der Kaserne des Erenadierregi- ments Nr. 30 in Schweidnitz entwendet. Hier liegt schwerer Diebstahl mittels Einsteigens und Er brechens von Behältnissen vor. Der Gerichtshof hat die gestohlenen Jnsanteriegewehre sowohl als auch die gestohlenen Karabiner als geheimzuhaltende Gegenstände angesehen, und daß durch deren Aus lieferung an eine fremde Regierung die Sicherheit des Deutschen Reiches gefährdet wurde. Diese Gegen stände sind zwar nicht vom Angeklagten selbst aus geliefert worden, sondern von seinem Genossen Heeg, aber mit Wissen und Willen des Angeklagten Re mane. Der Gerichtshof ist deshalb der Ansicht, daß in diesem Falle nicht bloß ein Berbrechen gegen 8 3 vorliegt, sondern daß ein gemeinschaftliches Ver brechen gegen 8 1 anzunehmen ist. Im zweiten Falle, wo es sich um die Kavalleriekarabiner handelt, ist vom Angeklagten selbst zugegeben worden, daß diese Waffen nach Frankreich gelangt sind: also war auch hier der 8 1 anzuwenden. Was den Diebstahl der Druckschriften usw. betrifft, so sind eine große Anzahl derselben als geheim anzusehen. Es steht fest, daß von Josef Heeg nach gemeinschaftlicher Verabredung mit Remane durch eine Reise nach Paris am 14. Juni 1910 ein Teil dieser Sachen an einen Agenten der französücl^en Regierung abgegeben wor den sind. Sie handelten mit dem Bewußtsein, der Geheim-Qualuät und dem Bewußtsein der Ge fährdung des deutschen Reiches. Ein anderer Teil der Beute ist dann von Heeg an Rußland ausgeliefert worden. Remane hat aber gewußt, daß Heeg die Sachen an Rußland ausliefern wollte. Er hat sie jenem zu dem Zwecke der Auslieferung überlasten, und deshalb hat der Gerichtshof auch angenommen, daß Remane auch hier gemeinschaftlich mit Heeg gehandelt har. Es ist dann auch zur Kenntnis des Gerichtshofes gekommen und als erwiesen erachtet worden, daß einzelne der Sachen auch einem eng lischen Agenten zugänglich gemacht worden sind, und endlich, daß versucht worden ist, sie auch an Oesterreich auszuliefern. Durch die österreichische Regierung wurde die deutsche aufmerksam gemacht, und dadurch ist die Sache zur Kenntnis der Behörde gelangt. — Der Senat ist in rechtlicher Beziehung anderer Ansicht gewesen als der Reichsanwall. Dieser hat sämtliche Delikt« als eine fortgesetzte Straftat angesehen. Der Gerichtshof vermißt aber den ein heitlichen Vorsatz und hat einen solchen nur ange nommen, soweit es sich um den Diebstahl von Schrif ten in Schweidnitz am 23 .Dezember 1909 und die Auslieseruna der Beut« an die fremden Neaierunaen handelt. Die anderen strafbaren Handlungen sind als selbständige angesehen worden, so daß drei selb ständige Handlungen vorliegen. — Die Marie Re mane ist wegen Beihilfe zu diesen Delikten ange klagt. Der Gerichtshof hat auch angenommen, daß die Handlungen der Mitangeklagten als Beihilfe handlungen angesehen werden können, nämlich die Hergabe von 200 Mark zur Ermöglichung der Reise nach Eleiwitz und zur Ermöglichung der Reise des Heeg nach Paris. Der Senat hat angenommen, daß sie damit zwei der Hauptstraftaten unterstützt hat. daß sie gewußt hat, daß das, was an die französische und an die anderen Regierungen verraten werde, durch Diebstahl erlangt und geheimzuhalten war. Sie war deshalb für schuldig zu erachten zweier Vergehen der Beihilfe zu den Verbrechen aus 8 1. — Was die Strafzumessung betrifft, so meinte der Rcichsanwalt, Josef Remane ver diene insofern eine gewisse Berücksichtigung, al» er nicht der geistige Urheber der Straftaten gewesen sei und sich nicht besonderer Intelligenz erfreue, fer. ner insofern, als er alles nur auf Anweisung des Heeg getan und ein Geständnis abgelegt habe, und zwar aus Reue. Der Senat hat sich nicht davon über zeugen können, daß er aus Reue gestanden bat, und zwar deshalb nicht, weil er auch heute offenoar noch mit der Wahrheit zurückgehalten und noch immer An gaben gemacht, deren Haltlosigkeit er bei einigem Nachdenken hätte einsehen müssen, und die er trotz alle dem aufrechtcrhalten hat. Er hat ein Geständnis erst abgelegt, nachdem er gesehen hatte, daß er nicht an ders handeln konnte, nachdem seine Schwester ihn in gewisser Beziehung im Stiche gelassen hatte. Die er schwerenden Umstände, die der Reichsanwalt hervor gehoben hat, liegen aber in ganz besonderem Matze vor. Remane hatte zu keiner redlichen Arbeit Lust und hat ein ausjchwciscndes Leben geführt. Bei der Ausführung der Diebstähle, insbesondere der zweiten Cchweidnitzer, hat er eine solche Planmäßigkeit und Dreistigkeit bewiesen und eine solche Intensität des verbrecherischen Willens, daß man ihn als einen ganz schweren Verbrecher ansehen muß. Wenn man ferner berücksichtigt, daß er Soldat war, noch in einem Mi litärverhältnis steht und als Deutscher sein Vaterland verraten hat in schnödester Weise, um Mittel zu aus schweifendem Leben zu erlangen, so gelangt man zu der Ueberzeugung, daß eine Strafe von 8 Jahren zu niedrig gewesen sein würde. Für den ersten (schwe ren) Diebstahl in Schweidnitz sind 7 Jahre aufge worfen worden, für die beiden anderen Fälle je 3 Jahre. Es ist gegen ihn erkannt auf 10 Jahre Zuchthaus 10 Jahre Ehrenrechtsverlust und Zu lässigkeit von Polizeiaufsicht. Bei MarieRemane waren einige Umstände vorhanden, die bei der Straf zumessung Berücksichtigung verdienten. Sie hat unter dem Einflüsse ihres Geliebten Heeg gestanden, und ihr Handeln war in gewisser Beziehung veranlaßt durch die Hilflosigkeit ihres Bräutigams. Für die Er möglichung der Reise nach Paris wurden ausge worfen 10 Monate Zuchthaus gleich 15 Monate Ge fängnis, für den anderen Fall 6 Monate Zuchthaus gleich 9 Monate Gefängnis. Es ist gegen sie erkannt auf eine Gesamtstrafe von einem Jahr« sechs Monaten Gefängnis und drei Jahren Ehren rechtsverlust, sowie auf Zulässigkeit der Poleizeiauf- sicht. Beiden Angeklagten wurden vier Monate der Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet. Zum üeutllhen Nunüllug. Die Schweriner Preise. Das Preisgericht hat, wie der ,,B. Z. a. M." aus Schwerin gemeldet wird, über die Verteilung der für die örtlichen, am 13. und 14. Juni ausge tragenen Wettbeweroe ausgesetzten Preise im Be trage von 3000 wie folgt estimmt: Es sind wäh. rend der örtlichen Wettflüae in der Lust geblieben: König zusammen 21 Min., Lindpaintner 19 Min. und Büchner 9 Min. Danach erhalten von den zu verteilenden 1500 König 643 Lindpaintner 582 und Büchner 275 Außerdem sind mit Passagieren geflogen: König Büchner 9 Minuten lang. Es haben daher von den zu verteilenden 1000 zu erhalten: König 264 Lindpaintner 501 und Büchner 235 Den Höhenpreis van 500 erhält Lindpaintner, weil er die größte Höhe mit 580 Meter erreicht hat. Es er halten mithin im ganzen: Lindpaintner 1583 König 907 -4t und Büchner 510 »tt. Weiter wird gemeldet: —o— Hamburg, 16. Juni. (Eigene Drahtmeld.) Leutnant Jahnow beabsichtigt, morgen am Start nach Kiel teilzunehmen. Auch der Apparat Müor Flinzer Am 14. Juni frühmorgens verschied (wie schon berichtet) ganz unerwartet, sanft und schmerzlos am Herzichlag der im In- und Auslande wohlbekannte StäotischcZeicheninspektor Prof. Fedor Flinzer in Leipzig, der seil 1873 als Zeichenlehrer an der Petrijchule wirkte. Er wurde am 4. Avril 1832 in Reichenbach i. V. als der Sohn eines Kaufmanns geboren. Seine Eltern siedelten später nach Dresden über, wo Flinzer vor seinem Eintritt in die Akademie Schüler des geist- und gemütvollen Schriftstellers Gustav Nie ritz war. 2n der Akademie waren die gefeiertsten Koryphäen der Kunst. Ludwig Richter, Schnorr und Rietschel, seine Lehrer, und Flinzer hat zeitlebens mit warmer Dankbarkeit von ihnen ge sprochen. Den stärksten Einfluß übte Ludwig Richters Persönlichkeit auf die Entwickelung Flinzers aus. Wenn unser Meister der Stunden tn Loschwitz ge dachte, wo Ludwig Richter nach des Tages Arbeit mit seinen Schülern in zwangloser Weise über die verschiedensten Gebiete der Kunst plauderte, dann strahlten seine Augen eine Glut inneren Glückes aus, deren Wärme auch die Seele des Hörers wonnig durchdrang. Mit dem unvergeßlichen Ludwig Richter hatte Fedor Flinzer das feine Verständnis für die zarten Regungen der Kindesseele gemein. Die Liebe nir das offenherzige kleine Volk ist bei beiden Künstlern die treivende Kraft gewesen, die so lieb liche Früchle zeitigte. Von großem Nutzen für den Zeichner und späteren Methodiker Flinzer war auch der Unterricht des formenkundigen Bildhauers Ernst Rietschel, der an jeder beliebigen Stelle einer Form den Durch schnitt zu zeichnen vermochte und daran die vom Schüler begangenen Fehler besprach. Er gab wohl die ersten Anregungen »u Flinzers Methode für das Körperzeichnen, welche die Schüler an Stabmodellen lehn, durch den Körper hindurchzuschauen, um sie dadurch zu befähigen, immer den ganzen Körper mit dem Lichte des geistigen Auges zu durchstrahlen. Nach Abschluß der akademischen Studien trat Flinzer in das Meisteratelier Schnorr von Carolsfeld» ein, um sich als Historienmaler auszubilden. In jener Zeit malte er seine ersten größeren Bilder, den Triumph des Märchens, der Sage, Szenen aus Leo nore, Faust u. dgl., die er im Dresdner Kunstoerein ausstellte und gut verkaufte. Als sich aber 1856 Deutschland zu einem bereit« unvermeidlich scheinenden Kriege mit Frankreich rüstete und sich infolaedessen die Kunstfreunde vor allen unnötigen Ausgaben hüteten, übernahm Flinzer die Stelle eines Zeichenlehrers an der Realschule zu Chemnitz. Hier entwickelte er eine aufsehen erregende Tätigkeit als Reformator de« Zeichen unterrichts, so daß ihn Dr. Panitz 1873 al« Organi sator de» Zeichenunterricht» nach Leipzig berief, wo er im Interesse seines Faches unermüdlich und so erfolgreich gewirkt hat, daß wohl au» allen kulti vierten Ländern der Welt Lehrer und Organisatoren »ach Leipzig kamen, um die Methode Flinzer» kenne» zu lernen. Bereitwilligst erklärte und begründete Flinzer jedem Gaste seine Methode, ja unterrichtete seine Hospitanten sogar monate-, selbst jahrelang ohne jede Vergütung in der eifrigsten und liebenswürdig sten Weise. Seine imponierende Beherrschung der organischen Formen, die er spielend in ihre Teile zerlegte, um sie daraus in allen möglichen Stel lungen wieder aufzubauen, und seine herzgewinnende Freundlichkeit erweckten in Schüler wie Gast ein un begrenztes Vertrauen zu ihm. Wenn er uns den Organismus einer Form aus seiner Vorstellung heraus illustrierte, oder wenn er ein Kunstwerk analysierte und seine Skizze bald mit Worten von drastischer Kürze, bald mit einem Rede fluß hoher Gedanken begleitete, standen wir ost wie vom Zauber gefesselt still am Platze, dis ein Scherz wort des Meisters den Bann löste. Sein in sechs Auflagen erschienenes Lehrbuch des Zeichenunter richts galt infolge des Gedankenreichtums und der zwingenden Logik lange Zeit als das beste dieser Art. Auch als Illustrator von Jugendbüchern hat Flinzer Vorzügliches, sogar jahrzehntelang, als Speckter tot war und Ludwig Richter langsam er blindete, das Beste geleistet. „König Nebel", „Wie die Tiere Soldaten werden wollten", „Die Tierschule". „Der Tierstruwwelpeter", „101 neue Fabeln" von Frieda Schanz, „Die Vögel in Sage, Geschichte und Leben" zeigen den Meister auf der Höhe seines künstlerischen Schaffens und enthalten köstliche Proben seines Humors. Die aus Anlaß der Feier seines 75. Geburtstages im Leipziger Kunstverein ausgestellten Handzeich nungen haben daselbst eine solche Fröhlichkeit, ein so herzliches Lachen hervorgerufen, daß selbst die wärmsten Verehrer der sonnig-heiteren Kunst Flinzers überrascht waren. Nur in wenigen seiner Publikationen wendet sich Flinzer an Erwachsene, so mit dem Prachtwerk ,,Der Tanz in humorrstischen Tierbildern" und mit seinen Skizzen büchern. In der Darstellung des Tieres mit der Feder leistete Flinzer Unübertreffliches. Er notierte nicht kühl, was seine Augen erfaßten, sondern suchte im Spiegel der Seele, im Auge des Tieres zu lesen. Seine Naturstudien sind wie seine Kompositionen Produkte des Verstandes und Herzen». Noch in den Pfingstferien waren die nimmer müden, sicheren Hände des 79jährigen Künstlers tätig, um die Brider seiner regen Phantasie zur Freude seiner Mitmenschen auf das Papier zu bannen, bis der Tod dem rastlosen Schaffen dieses an Geist und Gemüt hervorragenden Menschen ein rasches Ende bereitete. Ruhe in Frieden, edler Meister! Du hast Freude aesäet, wo Kinderherzen dir entgegenschlugen. und vu hast darum Liebe in so reichlichem Maße geerntet, daß wir dich allezeit al« einen der glücklichsten aller Menschen preisen konnten. Leipzig. kritr Borger. Bayreuth 1911. Das Verzeichnis der Mitwirkenden der heurigen Bayreuther Festspiele ist so eben erschienen. Ls enthält wieder viele bekannte Namen, aber auch eine große Anzahl von Neulingen für Bayreuth. Unter den Orchesterdirigenten be findet sich zu aller Freude wieder Altmeister Dr. Hans Richter, feiner dirigieren noch Sieg fried Wagner, Dr. Karl Muck und Michael Balling. Vom darstellenden Personal weist, wie schon früher, wieder der „R i n g" «ine nur einfache Besetzung auf. Den Wotan singt auch diesmal Walter Soomer-Leipzig, ferner im „Rheingold" den Donner A. Schützendorf-Bellwidt aus Wien, den Froh Dr. v. Szekelyhidy-Pest, den Loge Heinrich Hensel-Wiesbaden, den Alberich Eduard Habich- Berlin. den Mime Hans Breuer-Wien, den Fasolt Karl Braun-Wiesbaden, den Fafner Eugen Guth- Brünn (neu), die Frida Luise Reuß-Berlin. die Freia Lily Hafgren-Waag-Mannheim, die Rhein töchter: Gertrude Förstel-Wien, Sophie Bischoff- Daoid-Berlin und Margarete Matzenauer-Berlin. Ferner den Siegmund in der „Walküre" Jakob Urlus-Leipzig, den Hundina Ernst Lehmann- Mülhausen i. E., die Sieglinde Minnie Salzmann- Stevens-Paris. die Brünhilde Ellen Gulbranson- Christiania: ferner im „Siegfried" den Siegfried Al fred v. Dary-Drcsdcn, die Stimme des Waldvogels Gertrude Förste!: in der Götterdämmerung" den Gunther Hermann Weil-Stuttgart, den Hagen Carl Braun, die Eutrune Julie Körner-Prag, die Wal traute Margarete Matzenauer, und die drei Nornen Ernestine Schumann-Heink, Margarete Matzenauer und Olga Band-Agloda-Stuttgart. Im „Par- sifal" ist die Besetzung der Hauptrollen eine dop pelte. Als Parsifal selbst erscheint nach längeren Jahren wieder Ernest van Dyck-Antwerpen: er wech selt in der Partie mit Heinrich Gensel-Wiesbaden ab. Die Kundry wird gesungen von Anna Bahr- Mildenburg, Gurnemanz von Carl Braun und Richard Manr-Wien, Amfortas von Werner Engel- Zürich und Hermann Weil-Stuttgart. Klinqsor von Sckmtzendorf. Bellwidt. Titurel von Ernst Lehmann- Mülhausen r E. In den „Meistersingern" alternieren als Hans Sachs Walter Soomer und Hermann Weil-Stuttgart, den Walther Stolzing singt Walter Kirchhof-Berlin, den Beckmesser Hein rich Schulz-Weimar, den Kothner Nicola Geiße- Winkel-Wiesbaden, den David Karl Ziealer-Wien, die Eva Lily Haiaren-Waag und die Magdalena Gisela Staudigl-Wien. Dreifaches Jubiläum. Die Hofbuchdruckerei Trowitzsch L Sohn in Frankfurt a. d. Oder feiert heute ein dreifaches Jubiläum: Das 200jährige der Hofbuchdruckerei und des Buchverlags, das 100jährige der im Verlag er scheinenden „Frankfurter Oderzeitung" und das 25jährige der gleichfalls von ihr verlegten Zeitschrift „Der praktische Ratgeber für Obst, und Gartenbau". Die altrenommierte Firma Trowitzsch L Sohn ging aus der 1711 in Küstrin gegründeten Hei« nichenschen Buchdruckerei hervor, die, nachdem sie 1756 beim Bombardement Küstrin» durch die Rußen ab« Thelen» ist hier eingetroffen. Der Morane-Lin« decker von Wienczier, steht bereits flugferttg auf dem Flugplätze. Für den Abend sind nach Ab flauen des zurzeit noch ziemlich starken Windes Schauflüge von Lindpaintner, Büchner, Schauenburg, Wienczier», La Lisch und Gorrissen geplant. — Aus Schwerin wird gemeldet, daß Wittenstein mit der Montage seines Flugzeuges vollständig fertig ist. — Der Wettbewerb durch Schauflüge begann um 6,55 Uhr. Zunächst startete von Gorrissen, der durch einen kurzen Flug über die Länge der Bahn den ersten Preis von 300 für den ersten star tenden Flieger holte. Als Zweiter stattete Lind« paintner mit seinem Passagier Leutnant Hailer. O? Hamburg, 16. Juni. (Eig. Drahtmeld.) Wiencziersist 7 Uhr 44 Min. aufgestiegen, um zunächst seine Unfallstelle zu erreichen und dann den Rest der Etappe Schwerin—Hamburg zurückzulegen. 07 Schwerin, 16. Juni. (Eig. Drahtmeld.) 7 Uhr 26 Min. ist Dr. Wittenstein von hier ab geflogen, obwohl gegen 5 Uhr noch starker Sturm herrschte. Vor seinem Ausstieg besichtigte das Gro ß- Herzogspaar den Apparat Dr. Wittensteins und unterhielt sich längere Zeit mit dem Flieger. Das Befinden des abgestürzten Fliegers Müller. 07 Magdeburg, 16. Juni. (Eig. Drahtmeld.) Nach Aussage des den Flieger Müller behandelnden Arztes ist in dem Befinden des Verunglückten eine leichte Besserung eingetreten. Müller hat manchmal klare Augenblicke, im übrigen zeigt er an dauernd tiefe Benommenheit. Die Flugoeranstaltungen in Hamburg. 07 Hamburg, 16. Juni. (Eig. Drahtmeld.) Die heutigen Schauflüge hatten einen glänzen den Erfolg. Unter den zahlreichen Zuschauern be fanden sich die Vertreter der Behörden. Alle Flieger, die hier anwesend sind, unternahmen Flüge. Als gegen 9 Uhr sich vier Flieger zugleich in der Luft befanden, erschien auf dem Flugplatz das Reklameluftschiff „P. L. VI", Las von den Fliegern umkreist wurde. Zur selben Zeit erschien Dr. Witten stein, der, von Schwerin kommend. 9 Uhr 1 Min. auf dem Flugplatz glatt landete. Letzte Depelchen unä Lernlprechmelaungen. Der Kaiser iu Hannover. F Hannover, 16. Juni. (Eig. DrahtmeldZ Der Kaiser mit Gefolge traf um 3 Uhr 20 Minuten nachmittags auf dem Rennplatz auf der Großen Bult zum Kaiserrennen ein, wo er von dem Präsi denten des Direktoriums General von Alten und dem ersten Vizepräsidenten Stadtdirektor Tramm empfangen wurde. Das zahlreiche Publikum berei tete dem Kaiser stürmische Ovationen. In der Kaiser loge fanden sich u. a. ein: Eeneralseldmarschall von Bock und Po lach, der kommandierende General E m m i ck. der Komandeur des Königsulanen-Regi- ments Oberstleutnant von Franlenverg uno L ud w i g s d o r f, der Fürst zu Inn- und K n y, p- hausen und Oberpräsident Dr. von Wentz«t. Mil letzterem unterhielt sich der Kaiser längere Zeit. Der Kaiser sah das Hohenzollern-Jagdrennen, worin Leutnant von Egan-Krieger auf Rittmeister von Rosenbergs „Halka" siegte und das Brandenbur ger Jagdrennen, worin wiederum Leutnant von Egan-Krieger auf Rittmeister von Zitzewitz' „Melinda" Erster wurde, sodann das Heyden-Linden- Jagdrennen. In diesem Handikap liefen drei Pferde. Freiherr von Wangenheim auf Leutnant von gebrannt war, an I. F. Grünow verkauft wurde 1779 gelangte sie an Karl Gottlob Trowitzsch. der ans dem Erzgebirge stammte und von Friedrich dem Großen noch im selben Jahre als preußischer Hof buchdrucker bestätigt wurde. 1813 zog Trowitzsch mit seiner Buchdruckerei, der Regierung folgend, nach Königsberg in die Neumark, später nach Frankfurt an der Oder. Der Sohn Trowitzsch' errichtete nach dem Tode des Vaters in Berlin ein Kalender-Debit kontor aus dem von der Berliner Akademie der Wissenschaften übernommenen Kalenderverlage. Das Berliner Haus ist seit 1888 im Besitz von Edm. Mengelsdorf, das Frankfurter Haus seit 1877 im Besitz des Hofbuchdruckers Eugen Trowitzsch. Das Haus Trowitzsch repräsentiert in seiner Geschichte ein gutes und ehrenvolles Stück Geschichte des deutschen Buchhandels. * Kunst unü Dillenlchsft. * Die Gründung eine» Kunstvereins ist in Bautzen unter dem Vorsitze des Amtsgerichtsrates Dr. Ulbricht erfolgt. Der Verein will durch Aus. stellungen, Vorträge, Kunstlehrzirkel das Kunstinter esse wecken und den Kunstgeschmack heben. Er hat auch die Veranstaltung von Verlosungen, von Ge« mälden usw. mit in sein Programm ausgenommen. * Tie Berliner Akademie der Wissenschaften hat große Summen für wissenschaftliche Unternehmungen bewilligt. Geh. Rat Engler, der Direktor des Botanischen Gartens in Dahlem, erhält zur Fort führung des Werkes „Das Pflanzenreich" 2300 >4, Geh. Rat Franz Eilhard Schulze, der Zoologe der Berliner Universität, zur Fortführuna de» Unter nehmens „Das Tierreich" 7650 Dem Direktor des Berliner physikalischen Universitätsinstituts, Geh. Rat Heinrich Rubens, wurden zur Fortführung seiner Untersuchungen auf dem Gebiete der lang welligen Strahlung 1000 bewilligt, dem Göttinger Physiker Prof. Woldemar Voigt, korrespondieren dem Mitglieds der Akademie, zur Beschaffung eines Magneten zur Untersuchung der Gesetze der kompli zierten Typen des Zeemann-Effektes 5000 Außer, dem hat die Akademie noch eine ganze Reihe von Zuwendungen in Höhe von 500—1000 für andere wissenschaftliche Zwecke gemacht. * Ferdinand Hummel hat soeben die Kompost, tion einer einaktigen Oper vollendet, welche den Titel: „Jenseits des Strom«" führt. Die Text« dichtung de« Werkes ist von Fräulein Gustave Helene Witte verfaßt. * Kunstchronik. Der durch seine künstlerischen Leistungen als Illustrator und wissenschaftlicher Zeichner in der Gelehrtenwelt weithin bekannte Lithograph Adolf Giltsch ist in Jena im Alter von 60 Jahren gestorben. 8t. Hochschulnachricht. Der außerordentliche Pro fessor der Kinderheilkunde an der Universität Inns- brück, Dr. Johann Loo», ist zum ordentlichen Pro. fessor ernannt worden.