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WpMcrTaMlM l «92 (R-cht-»s»l»tz) A . s 14 892 lNachtauschlu», Tel.-Anschi. 14 893 Tel.-Änschl.^ 14M Amtsölatt des Rates «nd -es Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis filr Inserat« au» Uetptia und Umgebung di« 1Ipaltige P«ttt»ril« ls Bf^dte Rrklame- ,etle l Mk.: von aurwärt, M Pf, Reklamen ILO Mk.. Inserat« von Behörden im amt lichen Teil di« Petit,eil« SU Ps Gelchästoanzeigen mit Platzoorlchristrn u. in der Adendaurgad« im Preile erhöht. Rabatt nach Taris. Beilagegebüdr Gesamt auslage 5 Mk. p. Tausend erkl. Postgebühr. Teildeilage höher. Festerteilt« Auftrage können nickt zuril<k- aezogen werden Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plagen wird kein« Garantie übernommen. An»rigen - Annahme. I»banai»gass« 8, bei sämtlichen Filialen ir. allen Annoncen- Elpedltionen de» In» und Auslände». Druck »ud Verlag de» Leipziger Tag«- dlatt«, S. Volz. Inhaber: Paul Rarst«». Redaktion »nd SeschLftsstell«: Iohannisgasse 8. Haipi - Ailiil« Dresden. Eeestrave 4. t (Telephon 4621). Nr. t70. Mlnwoch. üen 2l. Toni lSll. 105. Jahrgang. Die vorliegende Ausgabe umsaßt 6 Selten. Die Stichwahlen in Gelterreich haben im wesentlichen das Bild vervollkommnet, das bereits das Ergebnis der Hauptwahlen erkennen lieb' der Zusammenbruch der christlich sozialen Partei ist endgültig; von ihrer aus schlaggebenden Stellung im Parlament ist sie in folge der überraschend starken Mandatsverluste an die vierte Stelle gedrückt worden, hat also ihren Platz mit den Deutschfreiheitlichen ge tauscht. die nunmehr die stä rkst'e Partei im Reichs rat bilden, und dabei sogar eine gröbere Mandats ziffer aufzuweisen haben als die Christlich-Sozialen im vergangenen Reichsrat. In Wien haben die Christlich-Sozialen nur drei von zwanzig Mandaten behaupten können. Alle christlich-sozialen Führer sind durchgefallen; die Partei steht vor dem Schicksal eines Zerfalls. Die Sozialdemokraten sind aus der Wahlschlacht an Mandaten nicht unerheblich geschwächt zurückgekehrt und haben ihren Platz den Tschechen abtreten müssen, deren Einbube nicht so sehr ins Gewicht fällt. Zweifellos wird die völlig veränderte politische Machtverteilung im Parlament eine Kabinettskrisis zur Folge haben. Der nicht wieder gewählte Minister Weib kirchner hat bereits seine Demission eingereicht; aber es erscheint sehr fraglich, ob es bei diesem einen Ver zicht bleibt, denn da die Deutschfreiheitlichen nun mehr statt der reaktionären Christlich-Sozialen an die erste Stelle gelangt sind, wird die ganze inner österreichische Politik einer neuen Orientierung be dürfen. Das kann jedoch nur durch eine Neubildung des Kabinetts geschehen. Das Wahlresultat, wie es bis jetzt oorliegt, wird in folgender Depesche zu- sammengefasit: Wien, 21. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Don 516 Abgeordneten sind bisher endgültig 446 ge wählt worden, und zwar Deutschfreiheitliche 194 gegen 79 im alten Hause, Sozialdemokraten 80, dar unter 24 autonomistische. gegen 87, bürgerliche Tschechen 82 gegen 84, Christlich-Soziale 78 gegen 96, Bukowinaer Nuthenen 5 gegen 5. Rumänen 5 gegen 5, Alldeutsche 4 gegen 3, jüdischer Klub 1 gegen 3. Wilde 6 gegen 4. Bei dem Polenklub, den Italienern. Len Südslawen und den galizischen Ru- tbenen sind noch Wahlresultate ausständig. End gültig gewählt sind: Italiener 15, bisher ein Ge winn, Polcnklub 32, bisher 4 Gewinn, drei Verluste; Südslawen 34 gegen 37, galizische Nuthenen 3 gegen 26. bisher ein Verlust. Unbekannt sind noch die Er gebnisse von vier Stichwahlen; außerdem sind noch drei Stichwahlen und 58 neuerliche Wahlgänge in Galizien erforderlich. — Unter den Gewählten befindet sich der frühere Mi nister Praschck. Unterlegen sind Weidenhöffer und Graf Iaroslaw Thun. — Die Wahlbewegung und Wahlagitation im Wiener Eemeindebezirke war sehr lebhaft. Ernstere Zwischenfälle sind nicht vor gekommen. Die lchöne Erzellenz. 6s Roman von T. Tschürnau. (RachSruck verboten.) „Ihr Ruhm wurde gar zu arg ausposaunt", sagre sie lachend. „Es war nicht mehr zu ertragen. Wo hin ich ram, hörte ich Ihren Namen. Wird er kom men? Wann wird er kommen? Ob er wohl hier bleibt? Seine „Plaudereien aus fernen Zonen ' jiuo das Reizendste, was je geschrieben worden ist! So schwirrte es hin und her. Ich kam zuletzt dahin, Ihnen um dieses unleidlichen Tatams willen gram zu werden. Aus purem Wrderstandsgeiste habe ich Ihr Buch gar nicht gelesen. Das wird Sie nun aufs neue beleidigen." Gülzow sah so außerordentlich vergnügt aus, daß über seinen gänzlichen Mangel an SchriftsteUereiiel- keit kein Zweifel obwalten konnte. „Ich kann Ihnen unmöglich aussprechen, wie dank bar ich Ihnen dafür bin", jagte er lächelnd. „In den drei Tagen meines Hierseins habe ich diese unglüa- lichen Plaudereien schon einige Dutzend Riale in den innersten Höllenlreis gewünscht. Stellen Sie sicb vor, gnädige Frau, daß man überall, wohin «i«. kämen, die Frage an Sie richtete: „Esten Sie gern Fische?" Nur die Form ändert sich zuweilen. Also eiwa: „Wie denken Sie über Fische als Mittags» speise?" oder: „Essen Sie Karpfen lieber blau oder mit polnischer Sauce?" Sie würden zuletzt allen slostenbegabten Wasserbewohnern ein gemeinsames schnelles Ende wünschen. So geht es mir mit meinen Plaudereien. Ich zittere schon vor Ungeduld, ehe meine Bekannten noch den Mund aufmachen. Ich weist, was kommen wird. Ich ärgere mich im voraus. Ich fühle mich versucht, ihnen ein „Stillgeschwiegen'." zuzudoanern. Das sind Anwandlungen, die ich unter drücke, um nicht in den Ruf eines Kannibalen zu kommen. Dast ich schon mit den Augen gerollt une die Fäuste geballt habe, bedarf nach dem Voran gegangenen kaum einer Versicherung." „Natürlich nicht! O, Sie Aermster! Welch ein tragisches Schicksal! Aber wissen Sie, was ich tun werde?" „Mich künftig bester behandeln, hoffe ich." „Vielleicht auch das. Außerdem aber werde ich Ihre Plaudereien lesen. Vielleicht sind sie doch unterhaltend. Ich glaube es jetzt beinahe. Doch da kommt Herr von Brenken. Ist der Wagen da? Schön, dann kann ich aufbrechen. Sie getreuer Eckarr haben wohl auf Posten gestanden, bis er kam? Das war sehr liebenswürdig von Ihnen. Zum Dank da Ueber die Wahlunruhen in Drohobycz liegt jetzt ein amtlicher Bericht vor, der die gestrigen Meldungen von der blutigen Wahlschlacht mit ihren zahlreichen Opfern bestätigt. Auch in Pilsen ist es zu einer weiteren Schlägerei gekommen. Wir ver zeichnen über diese Vorgänge folgende Depeschen: Lemberg, 21. Juni. (Eigene Drahtmeld.) In dem amtlichen Berichte der amtlichen „Lemberger Zeitung" über die Vorgänge in Drohobycz heißt es: Schon vom frühen Morgen ab nahmen die vor dem Wahllokal versammelten Zionisten eine drohende Haltung gegen die Wahlkommission ein. Der Führer der Zionisten, Dr. Aberbach, richtete im Laufe des Vormittags Ansprachen an die Menge, in denen er behauptete, man brauche das Militär nicht zu fürchten, weil es wegen der Wahlen keinen Gebrauch von der Waffe machen dürfe. Daraufhin wurde das Militär mit Stei nen und anderen Gegenständen beworfen. Zwei Husaren erlitten Verletzungen, davon einer schwere. Im weiteren Verlaufe demolierte die Menge die Wohnung des Präsidenten der israelitischen Kultus gemeinde, erstürmte die Wohnung des Bürgermeisters und kündigte die Demolierung des Wahllokals an. Das gab Len Anlast zum Vorgehen des Militärs. Obwohl der Wahlkommistar mehrfach vor Gewalt tätigkeiten warnte, weil das Militär von der Waffe Gebrauch machen könnte, setzte die Menge das Der- nichtungswerk fort und empfing die anrückende In fanterie mit Steiuwllrfen. Der befehligende Offizier kommandierte angesichts der gefährlichen Situation: „Fertig!" In diesem Moment fiel von dem Balkon eines in der Nähe befindlichen Hauses ein Revolverschust, den das Militär mit Ge wehrschüssen beantwortete. 14 Personen wurden ge tötet und 23 schwer verletzt. Nach den Schüssen stob die Menge auseinander. Das Militär sperrte die Strasten ab. Jetzt befinden sich in Drohobycz zehn Kompanien Infanterie, drei Schwadronen Kaval lerie und eine Maschinengewehrabteilung unter dem Kommando eines Generals. Wien, 21. Juni. (Eig. Drahtmeld.s Die „Neue Freie Presse" meldet aus Pilsen: Nach Verkün digung des Wahlresultats, nach dem der National- Sozialist Fresl gegen den sozialdemokratischen Kan didaten gewählt erscheint, kam es in der ganzen Stadt, insbesondere in den Vororten, zu stürmt, schen Zusammen st östen zwischen den An hängern der beiden Parteien. Die Sozialdemokraten warfen den National-Sozialisten Wahlschwindel und Terrorismus vor. In einem Vororte Pilsens be warfen sich die National-Sozialen und die Sozial demokraten mit Steinen und hieben mit Stöcken auf einander los. Aus der Menge fielen mehrere Schüsse. Polizei und Gendarmerie erwies sich als machtlos. Bisher wurden 15 Personen mehr oder we niger schwer verletzt. für sollen Sie jetzt auch das Vergnügen haben, mich hinausbegleiten zu dürfen. Hier meine Garderobe nummer! Leben Sie wohl, Herr Graf. revoir!" Sie nickte ihm, schon halb abgewandt, über die Schulter hin leicht zu und rauschte dann am Arme des hochbeglückten Eardeleutnants zum Saale hinaus. Lächelnd sah der Graf ihr nach. Sie hatte sich nicht verändert in diesen drei Jahren der Trennung. Wie er sie verlassen hatte, so fand er sie wieder — unberechenbar, launenhaft wie April wetter, aber reizend, unendlich reizend in ihrer kapriziösen Schönheit. Als er im Begriff stand, nach dem Emvfangssaale zurückzukehren, wäre er beinahe an einen kleinen Herrn angerannt, der so hastig herausstürmte, als ob es hinter ihm brenne. „Holla, wohin so eilig?" fragte Gülzow. „Pst — ich bin auf der Flucht. Die Kraulewitz war drauf und dran, mich für das Souper zu kapern. Zum Glück bemerkte ich ihre Absicht noch zu rechte: Zeit. Wie isl's? Kommen Sie mit? Eölling und der lange Thadderich sind schon voraus zu Ferrom. Sie bestellten das Souper und brauen die Bowle. Das Gros der Deserteure wird sich bei Ferroni zu sammenfinden. Schnell, kommen Sie. oder ami! Es ist Gefahr im Verzüge. Dieser Krautewitz traue ich alles zu: sie ist imstande einem im letzten Augenblicke nocki den Weg zu verlegen." Die beiden Herren traten aus dem Ministerhotel auf die regennasse Straste hinaus. Gülzow trug nur einen leichten lleberzieher und liest sich Regen und Schnee sehr unbekümmert ins Gesicht weben, während sein Begleiter den Kragen seines Gehpelzes hach herausschlug, la dast von seinem Gelicht nicht« zu sehen war als ein stumns«, höchst un klastische Nase und ein vaar muntere Neuglein, die mit sich selbst und der ganzen Welt sehr zufrieden zu sein schienen. Selbst das abscheuliche Wetter störte die ante Laune de-- kleinen Herrn "ich' „bwohl er unter der Unbill demselben sebr zu leiden schien. Er wich ängstlich jeder Pfütze ans dem Straßen- pflaster aus und setzte seine mit Glanzstiefeln be. kleideten Fiiste so zierlich, als wolle er eben zu einer Quadrille antreten. Eine langsam daherrasselnde Droschke veranlostte ihn, sieben zu bleiben. „Soll ich sie anrufen?" kragte er „Nein, nein", wehrte Gülzow ..Die Berrepuna 'st ja eine reine Wohltat nach dem stundenlangen Stehen dort oben." «rhxr h»s diesem Hundewetter!" „Das bistchen Regen!" Oer Seemsnnsltretk kann jetzt, soweit die Cunatd-Dampfschiffahrts-Ge- sellschaft und die amerikanischen Küstendampferlinien in Betracht kommen, alsLeigelegt gelten, da diese Gesellschaften den Ausständigen Lohnerhöhungen be willigt haben. In den Häfen des Firth of Forth und in Amsterdam besteht dagegen noch keine Neigung zur Wiederherstellung normaler Verhältnisse, ja es wird sogar von Unruhen und von einer Zunahme der Ausständigen berichtet. Immerhin kann angesichts der zuerst erwähnten Tatsachen die so bombastisch angekündigte „Internationalität" Les Streiks der Seeleute als gänzlich gescheitert gelten. Was zur Zeit noch übrig goblieben ist, sind lokale Ausstände, die zweifellos in nicht allzu langer Zeit ebenfalls ihr Ende nehmen werden. Das Nähere besagen fol gende Depeschen: London, 21. Juni. (Eigene Drahtmelduna.) Die Cunard - Dampfschis fahrtsgesellschaft hat Len Seeleuten, Heizern und Stewards eine Lohn erhöhung von 10 Schilling, die Allan-, Sie Lenlans- und die White-Star-Linie ähnliche Zugeständnisse ge macht. Soweit die großen atlantischen Linien in Frage kommen, besteht fetzt Aussicht auf eine bal dige Beilegung Les Ausstandes. Der Präsident der Internationalen Transportarbeit r» Vereinigung Tom Mann sagte in einer Massen versammlung in Liverpool, der Ausschuß der Seeleute habe sein Bestes getan, um eine Lohnerhöhung von 15 Schilling zu erreichen, sei aber der Ansicht, daß die vorgeschlagenen Bedingungen angenommen werden sollten. Die Seeleute, Heizer uno Stewards haben gestern nachmittag begonnen, ihre Namen in die Listen der Dampfer der ooen bezeichneten Linien einzu tragen. London, 21. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Der Ausstand der Seeleute ist jetzt, soweit die Cunard Company in Betracht kommt, als beendet a n - zusehen, da in einer Zusammenkunft zwischen den Vertretern der Company und der Seeleute, die gestern in Liverpool stattgefunden hat, eine Einigunq er zielt worden ist. Amsterdam, 21. Juni. (Eigene Dvahtmeldung.) Di« Anzahl der Aus ständigen nimmt zu und beträgt jetzt 500. Der Dampfer „Charlois" der American Petroleum Company lief mit voller Mannschaft aus. 27 Deutsch« sind hier eingetrosfen, um an Bord der Dampfer der Moderland-Compangie Dienst zu tun. Eine Anzahl holländische Seeleute ließ sich für englische Dampfer anwerben. New York, 21. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Der Aus st and der Seeleute der Küstendamp- ferlinien ist beendet, nachdem Reeder wie Seeleute Zugeständnisse gemacht haben. London, 21. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Ge stern sind aus den Häfen des Firth of Forth mehrere Dampferausgelaufen, die nicht zum Verbände der Seeleute gehören und Mannschaften an Bord hatten. In Leitch nehmen die Bureau angestellten der Schiffseigentümer die Stelle der streikenden Dockarbeiter ein. Die Mann schaften von 30 Dampfern haben gekündigt. In Eoole ruht jeder Hafenoerkehr. Die Schiffe, die nach den Häfen des Kontinents unterwegs sind, sollen dort «rufgehalten werden, bis der Konflikt bei gelegt ist. Der Reederverein von Goole gab bekannt, daß er fremde Arbeiter beschäftigen werde, wenn die Arbeit nicht bis zum Montag wieder ausgenommen sei. Der Dampfer „Ezarstian", der mit Schiffs offizieren bemannt worden ist, wurde bei der Aus - fahrt mit Steinen beworfen, durch die der Kapitän ver w'u ndet wurde. 2m Selchen üer englischen krönungskelerlichlretten. London, 21. Juni. (Eig. Drahtm.) Ter deutsche Kronprinz überreichte dem König im Auftrag des Kaisers einen Feldmarschallstab. Am Tage zuvor machte der Kronprinz Besuche bei sämtlichen Mitgliedern Les Königlichen Hauses. Das Frühstück nahm der Kronprinz gestern im Army and Navy Club. Im Laufe des Nachmittags begab er sich nach Olympia, während dort keine Konkurrenzen stattfan den, und besichtigte die dortstehcnden Pferde der deut schen Offiziere. London, 21. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Ge stern abend fand im Buckingham-Palast ein Staatsbankett statt, zu dem 560 Gäste er schienen waren, die an einer Reihe von kleinen Tischen saßen. Der König führte den Vorsitz an der einen Tafel, die Königin an der zweiten. Auf der rechten Seite des Königs saß die deutsche Kron prinzessin, auf der linken die Prinzessin Higaschi Fu- schinu von Japan. Auf der rechten Seite der Königin saß Erzherzog Karl Franz Joseph, auf der linken der deutsche Kronprinz, neben ihm die Kronprinzessin von Rumänien. Die Banket lhalle war glänzend ^leuchtet. Das prachtvolle goldene Tafelservice, das sechzig Zentner wiegt, war von Windsor nach dem Buckingham-Palast gebracht worden. London, 21. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Das Unterhaus vertagte sich gestern wegen der Krö nung bis zum 26. Juni. London, 21. Juni. (Eig. Drahttneld.) Gestern abend fand in der Alberthall ein Shakespeare- Ball statt, an dem fast die ganze vornehme Welt Londons teilnahm. Die innere große Halle stellte einGartenimStilderTudorzeitan einem sonnigen Sommertage dar. Alle Anwesenden erschie nen in Kostümen aus der Zeit Shakespeares, viele verkörperten Charaktere seiner Dramen. Um Mitter nacht erschienen, nachdem das Bankett im Bucking ham-Palast stattgefunden hatte, die fremden Fürstlich keiten, darunter das deutsche Kronprinzen paar, Prinz Heinrich von Preußen, die Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen, das Prinzcnpaar Friedrich Karl von Hessen, das Großherzogspaar von Hessen, der Eroßherzog von Mecklenburg-Strelitz, Prinz Rupprecht von Bayern, Herzog Albrecht von Würt temberg und das Prinzenpaar Johann Georg von Sachsen. Das Erscheinen der Fürstlichkeiten gab das Zeichen zu einer der glänzendsten Szenen Les Abends. In der Richtung auf die vier königlichen Logen bewegte sich ein Zug, der den Hofstaat der Königin Elisabeth dar st eilte. So manche von den Beamten und Würdenträgern dieses Hofstaates wurden von ihren direkten Nachkommen repräsentiert. Nachdem sich Ler Hof zu einem präch tigen Bilde geordnet hatte, wurden reizende Qua drillen getanzt, die durch Shakespearische Stücke ange regt waren. Unter den Tänzerinnen befanden sich die „Gott der Gnade", klagte der Kleine, „das nennt der Mensch ein bißchen Regen! Ich werde morgen einen schönen Schnupfen haben und eine Stimme wie eine verrostete Türangel. Ich kenne meine Natur!" Gülzow lachte. „Unsinn, lieber Dahlen", sagte er, „Sie tun, als ob Sie ein achtzigjähriger Greis wären. Wie kann man sich nur so verweichlichen?" Der andere machte einen verzweifelten Sprung über eine Pfütze, die sich zwischen den Trottoirsteinen eingenistet hatte, betrachtete dann besorgt die Spitzen seiner Lackstiefel und sagte hierauf mit komischer Ent rüstung: „Ja, das reden Sie so hin, lieber Gülzow. Be denken Sie gütigst, daß ich mich nicht gleich Ihnen zwei Jahre lang unter Indianern, 'Negern, Hotten totten und ähnlichem wenig bekleideten Gesindel Herumgetrieben habe. Ich bin zivilisierter Europäer, speziell Norddeutscher, und gehe von dem Grundsatz aus, daß Vorsicht die Mutter der Weisheit ist. Wenn Sie leichrfertige Gewohnheiten angenommen haben, Io ist das Ihre Sache; mit der Gesundheit Ihrer Freunde sollten Sie etwas rücksichtsvoller umgehen. Hätte ich doch nur die Droschke angcrufen! Wenn ich nasse Füße bekomme, bin ich verloren. Und dazu ist morgen Teeabend bei der Prinzessin Friederike! Gräßlich! Wenn ich daran zugrunde gehe — ich meine an der Erkältung — so ersck^eine ich Ihnen als Gespenst in dem obligaten Bettlaken, das steht fest. Wehe Ihnen! Ein verschnupftes Gespenst! Es muß der schrecklichste der Schrecken sein; a propos, was sagen Sie zu der heutigen Soiree bei Göhlings? Ist so etwas erlaubt? Ist es menschenwürdig? Drei hundert Personen in Räumen, die kaum für zwei hundert Platz bieten, und dazu ein Büfett für hun dert, höchstens für hundert! Es ist eine Schande, ganz polizeiwidrig! Derartige Attentate auf Ge sundheit und Charakter seiner Ncbenmenschen mützren durch allerhöchste Kabincttsorder ein für allemal verboten werden. Ja, da lachen Sie nun —aber ick, finLe dabei gar nichts zu lachen, auch nicht das min- desic. es ist mein bitterer Ernst. Dieses Büfettspeisen ist einer der ärgsten sozialen Schäden unserer Zeit. Wir gehen körperlich und geistig zugrunde, wenn dem nicht gesteuert wird. Ein entscheidendes Wort müßte hier gesprochen werden. Entweder — oder! Entschließt Euch, die Gäste, die Ihr in Eure über füllten Säle preßt wie Sardinen in Blechbüchsen, auch ordentlich zu nähren, oder erklärt im voraus, daß jeder sich sein belegtes Butterbrot und seine Feld flasche mit Rotspon in der Tasche mitzubringen hat. Dann weiß man wenigstens, woran man ist, und kann sich danach einrichten. So aber — es empört mich, wenn ich nur an das Büfett denke. Ich hatte mich vor dem Konzert schon daran herumgcschlängelt. Das tue ich nämlich aus Vorsicht stets bei solchen Gelegen heiten, um mich zu orientieren. Nun, ich versichere Sie, es gab mir einen schmerzhaften Ruck durch den Magen, als ich das Jammerbild sah. Wenn man die Torten und Baumkuchen abrechnet, die Ihre Exzellenz nur vom Konditor entleiht, um sie am nächsten Mor gen unberührt zurückzusenden, so blieb nur ein Nichts, eine Bagatelle. Für einen Mann meiner Natur gab es bei einem so miserablen Büfett überhaupt keine Aussichten. Ich habe in dieser Beziehung schon schreck liche Erfahrungen gemacht. Was nützt es, daß ich mich mit Todesverachtung durchdränge und es darauf ankommcn laste, daß mir einer den Sekt über den Rücken gießt oder mir mit der Gabel durch die Hals binde sticht? Nichts nützt es mir! Absolut nichts! Ehe ich ankomme, sind doch alle guten Bisten längst weg. Von der Fasanschüstel lächelt mir nur noch der Kopf dieses angenehmen Piepvogels aus der papier- nen Halskrause ironisch entgegen, und vom Hummer salat sind nur noch ein paar rötliche Tropfen da, die schwermütig an entschwundener Herrlichkeit ge mahnen. „Behüt dich Gott!" denke ich, suche mir aus den bcrcux reales ein Brötchen und einige Scheiben Salami und ein Glas Wein hervor, und nun kon zentriere ich mich rückwärts, nach irgendeiner ent- legenne Ecke, balancierend, komplimentierend, süß lächelnd, während doch nur ein heißer Groll gegen die Menschheit im allgemeinen und die anwesende Ge sellschaft insbesondere in mir brennt. Gott sei Dank, meine equilibristische Leistung gelingt, ich erreiche die Ecke und mache mich aufatmend daran, das mühselig Errungene meinem inneren Menschen einzuverleiben. Daß die Salami inzwischen im Weine schwimmt und das Brötchen eine merkwürdige Aeynlichkeit mit einem gut aufgegangenen Hefenkloß gewonnen hat, ist unter diesen Umständen selbstverständlich. Und dabei soll man sich seinen von Natur edlen Charakter bewahren! Unmöglich! Man holt sich mit der Zeit ein Magenleiden! Was mich betrifft, ich bin schon für Karlsbad reif. Ich spüre schon die Symptome eines schweren inneren Leidens!" „Don dem Ihre Außenseite aber nichts ahnen läßt!" lachte Gülzow. „Sie sehen so rosig <aus wie " ein Radieschen, lieber Dahlen!" (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)