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1. Oonnerstas, 19. Mörz 1914. Leipziger Tageblatt. Nr. 141. Morgen-Nusgabe. Sette 7. Der fchon dienst- »scheu kte er beiden a der sfieren Seqen- ernisse st» der dabei ourde. Lrnnd !r An- s mit ! Ein- lif das enden gegen nts- Mo- ärz. mung. ktehen, eischer rwerk- ukten- iorgte, tände. Frau stigen, :s soll Fluq- r, auf n von Dem s nur lerden gehen gegen verbe- einen ntral- te ihn i g e n. irz. :te sich ! Juli ositvn- m der liser :r am Land kaiser, ischun- igeren tig in mgnis- lnächst 40 000 ,sn in zwei tust. Beginn behagen »nllnge» ige»ieser Denn Zahnung großes es Un- m vor- dernng. chweseln t wird, lehreren lgungs- 12 71S. z zweü- FLllen. blieben, g findet S) in iummer iS aus- rlangen ibert. »llt, »8. il eix" ssssa ax) e ^us- VS MW MW!! Kunst uncl wissenseliuft KSÜWWWW /lus -er Geschichte -er König, ltchen öibliothek zu Seriin. Am 22. Mär», dem Geburtstage unseres alten Kaisers, wird der größte Bibliotheksbau, der in Deutschland bisher errichtet worden ist, da» neue Heim der Kgl. Bibliothek zu Berlin, feierlich «ingewetht werden. Fast ist es genau ein Vierteljahrtausend her, daß die Kgl. Biblio thek zu Berlin zum ersten Male ein eigenes Heim erhielt. Damals war sie freilich noch keine könig liche, sondern es war die private Büchersamm- lung des Großen Kurfürsten, zu dessen Kultur taten auch die Schöpfung der Berliner Biblio thek zählt. Es war im Jahre 1661, als er im Obergeschosse des schönen Apothelenflügels seines Schlosses die neue Bibliothek eröffnete, die im Laufe der nächsten Jahre drei Beamte zu Ver waltern erhielt. Diese Bibliothek war eine Schöpfung des Großen Kurfürsten zu nennen, denn sein Büchererbe vom Vater her war nicht erheblich gewesen, er aber hatte den Bestand stattlich zu vermehren gewußt. Diese erste „Königliche Bibliothek" zu Ber lin, bestand aus einem Büchersaale von 150 Fuß Länge und 40 Fuß Breite, einem gewölbten Zimmer für die Handschriften und Kostbarkei ten und einem heizbaren Lesezimmer. Der Kurfürst setzte der Bibliothek, wie deren Ge schichtschreiber, Professor Adalbert Hortschansty, mitteilt, einen esten jährlichen Etat aus, der durchschnittlich ich auf 1000 Mark belief und bei feinem Tode umfaßte die Bibliothek bereits etwa 20 000 Druckschriften und über 1600 Hand schriften. Sogar an einen Neubau, der an den Apothekenflügel anstoßen sollte, hatte der Große Kurfürst bereits gedacht, aver sein Tod unterbrach diesen Plan und so verblieb die Sammlung zu nächst, wo sie war. Im übrigen aber nahm die Bibliothek un ter König Friedrich I. eme günstige Entwick lung. Ihre Einnahmen stiegen auf 600 Taler im Jahre und mehr, und die Bestände wuchsen in dem Maße, daß nicht mehr alle Neuerwerbun gen in den alten Räumen unterzubringen waren. Aber jetzt folgte, wie für alle Anstalten der Wissenschaft und Kunst, so auch für die Bibliothek unter Friedrich Wilhelm!., dem Soldatenkönig, eine trübe Zeit. Friedrich Wilhelm verringerte zuerst die Zahl und die Bezüge der Bibliothe kare, strich später ihre Besoldungen ganz und wies die Einnahmen der Bibliothek dem Ge neralmajor von Glasenapp zu. Von 17W bis 1735 wurden für die Vermehrung der Bibliothek im Ganzen 153 Taler ausgegeben; in den meisten Jahren wurden überhaupt keine Aufwendungen für sie gemacht. Als Friedrich Wilhelm I. starb, mag di« Ge samtzahl der Bände etwa 70 000 betragen haben. Ihr Aufschwung datiert aus der spateren Rc- gierungszeit Friedrichs des Großen, der nicht allein die Bücherbestände beträchtlich vermehrte, sondern auch das historisch gewordene „Nutri- mentum spiritus"-Gebäud« gegenüber dem Opcrnhause für die Bibliothek aufführte. Im Dezember 1780 begann ihr Einzug in das neue Heim, und zwar wurde damals für die Benutzung des Lesesaals sehr liberale Be stimmungen erlassen, das Ausleihen der Bücher aber ganz und gar verboten. Entscheidend für die weitere Entwicklung der Kgl. Bibliothek ist dann die Regierungszeit Friedrichs Wilhelms III. und besonders das Jahr 1840 geworden, als cs der Bibliotheksverwaltung endlich gelang, den Unterstock des Gebäudes, in dem seit den acht ziger Jahren des 18. Jahrhunderts die Deko rationen der Kgl. Oper untergebracht waren, für ihre Zwecke frei zu bekommen. Es war bitter nötig, denn die übrigen Räume des Gebäudes reichten für die nun ständig anwachsenden Bücher massen längst nicht mehr aus. So erfolgte im Jahre 1842 endlich der dringend benötigte Um bau. Damals waren täglich 3- bis 400 Bestellun *) Rußland als Großmacht. Urbersetzt und eingeleitet von Joseph Melnik- Stuttgart und Berlin UU3. Deutsch« Verlags anstalt- (XII und 103 S. S M.) gen iin Durchschnitte zu erledigen, 1907 waren es schon 1780, heute sind es wohl etwa 2000 und mehr am Tage. Die Zahl der Buchbinder bände wurde vor etwa fünfzig Jahren von Pertz auf 5- bis 600 000 geschätzt; heute beziffert man die Bestände der j^gl. Bibliothek, die jetzt die größte Deutschlands und di« drittgrößte Euro pas ist, auf etwa IVs Million Bände. Zürst G. Trubetzkoi.') Der Träger dieses in der russischen Politik und in der russischen Kunst berühmten Namens hat uns mit diesem, im Herbst 1910 nieder geschriebenen Buche eine Ueberraschung bereitet. Der Verfasser steht im Dienst deö russischen Ministeriums des Auswärtigen als Chef der nahöstlichen Abteilung. Sein Buch ragt nicht nur dadurch hervor, daß der vielseitig gebildete Verfasser die äußere und innere Politik Ruß lands in ihren tieferen Zusammenhängen ver stehen lehrt, sondern zumal durch die Schärfe und den Freimut seines Urteils, die bei einem Staatsmann in amtlicher Stellung selten sein werden. Rußland kann in vielem nur verstan den werden, wenn man von seinen äußeren politischen Beziehungen ausgcht. Rußland ist, so schildert Fürst Trubetzkoi seine weltgeschicht liche Lage durchaus überzeugend, ein Weltstaat, der nach Europa und Asien hin orientiert ist. Die politischen Probleme, die sich hieraus er geben, behandelt der Verfasser mit eindringen der Sachkenntnis. Fürst Trubetzkoi ist ein Staatsmann, der — sowohl er patriotischer Russe ist — nach sachlichen Gesichtspunkten, ohne von Stimmungen beherrscht zu sein, die großen Fragen der auswärtigen Politik behandelt. So ist denn namentlich seine Stellung gegenüber Deutschland durchaus objektiv, obwohl er viel leicht nicht gerade deutschfreundlich ist. Doch ist er ein Gegner des hetzerischen Nationalis- nrus, der im „Verband der echt russischen Leute" sein überaus gefährliches Spiel mit dem Feuer treibt. In einer Lage, wie sie gerade gegen wärtig besteht, kann dieses vortreffliche Buch uns zur Aufklärung über die innersten Antriebe dienen, die in der russischen Politik walten mögen. Rußland hat in Ostasien an Prestige ungeheuer verloren. Japan rückt auf dem Fest land mit außerordentlichem Geschick vor. Das russische Chardin dagegen ist völlig verfallen und ein Sammelplatz aller verwahrlosten Ele mente und Abenteurer im Osten. Im Innern halten sich zwar die revolutionären Kräfte zur zeit zurück, aber im stillen gärt es in den Tiefen. Auf dem Balkan hat der Panslawis mus eine Niederlage erlitten. So drängen man cherlei unheimliche Mächte Rußland in eine ge fährliche Lage. Daß die Energie der friedlich gesinnten Regierung im Bunde mit so hoher Intelligenz, wie sie in Fürst Trubetzkois Werk waltet, dieser unheimlichen Gewalten Herr wer den möge, kann man im Interesse der euro päischen Gesittung nur lebhaft wünschen. vr. R. St. Kabale unb Liebe. Neueinstrrdlert. 2. Gastspiel auf Anstellung von Robert Vogel. Die Neueinstudierung von „Kabale und Liebe" bedeutete eine interessante, wenn auch nicht gleichmäßige und stilistisch geschlossene Aufführung. Robert Vogel setzte als Ferdinand sein Gastspiel auf Anstellung fort. Leider enttäuschte sein Probe spiel gegenüber seiner neulichen Leistung als Gyges in verschiedener Hinsicht. Dor allem fehlt es ihm für diese von Sturm- und Dranggeist erfüllte Rolle an einem fortreißenden Temperament. Zumal im Affekt suchte er durch Fortissimo die mangelnd« Wärme zu ersetzen. Dabei war seine Leistung ohne innere Geschlossenheit angelegt. Er spielte stellen weise bewußt modern und ging im nächsten Augen blick in laute Pathetik über. Hier aber wird ein Darsteller vor das Entweder-Oder gestellt. Eine Mischung von Stilelementen wird niemals eine künstlerisch tiefe Wirkung schaffen können. Dem Gaste mag die Sphäre Hebbels besser liegen als die Glut Schillers. Die Liebesszene des ersten Aufzuges wirkte denkbar nüchtern. Die Haltung de» Gaste» ließ zuweilen zu wünschen übrig. Auch traten wiederum die Schwächen seiner Eprachtechnik hervor, vermutlich ist sein Tonansatz zu wenig nach vorn ge legt. Die Vokale haben einen gaumigen Beiklang. Bei allem können Talent und äußere Mittel, die sich im Gyges in vorteilhafterem Lichte zeigten, nicht be- zweifelt werden. Vielleicht liegt seine eigentliche Begabung mehr nach dem Eharakterfach zu. Ob freilich die Leistungen des Gastes so reif sind, daß sie ihn zu einer Anstellung an unserem StadL- theater befähigen, erscheint nach dieser zweiten Probe sehr fraglich. Aeußerst interessant war die Leistung Stielers als Präsident. Die Darstellung war so naturwahr, wie ich sie noch nie gesehen habe. Das frivole Spiel der Mundwinkel gab der Gestalt den charakteristischen Strich. Stieler führte seine Auf fassung und seinen Stil streng durch bis zuletzt. Vielleicht tat er in der Schlußszene mimisch etwas zu viel. Marya Leiko deckte sich äußerlich und im Ton wundervoll mit der Schillerichen Gestalt. Ihr Spiel war innerlich und beredt. Nur im lauten Affekt trifft st« nicht immer. Walter als Wurm, Huth als Miller und Mari« Dalldorf als Milleri» boten gediegene und ausgeglichene Lei stungen. Marie Schwarzer-Paschke als Lady sah vorzüglich aus, hatte aber leider im Spiel gegen Indisposition zu kämpfen. Die Regie von Adolf Wind» hatte der Handlung einen würdigen Rahmen gegeben. I)r. rnsänct» Sodreodt. Klavierabend von Paolo Denza. Man nahm herzlich wenig aus diesem Klavierabende mit hinweg. Ließ doch das Spiel des jungen Pia nisten'in intellektueller Hinsicht noch viel zu wünschen übrig. Bei der Wiedergabe der ein zelnen Stücke fiel er, wie man zu sagen pflegt, aus einem Straßengraben in den andern. Denn entweder spielte er alles mit einem starken Zug ins Weichlich-Sentimental« od«r mit anempfun dener Leidenschcttt und hohlem Pathos. Me aber Herrn PaoloDenzas Vortrag nicht zu inter essieren vermochte, so auch nicht in genügendem Maße seine bereits gut entwickelte Technik. Dazu gebricht es ihr zurzeit noch an hierfür erforder licher Klarheit, Sauberkeit und zuverlässiger Treffsicherheit. Auch machte sich sein nicht ge nügend entwickelter Sinn für klangliche Wir kungen wiederholt recht störend bemerkbar. So ließ er sich mehrmals, ganz besonders aber in Chopins As-Dur-Polonaise, zu wüster Paukerei verleiten, auch wurde die Anschlagsstärke beider Hände nicht in wünschenswerter Weise gegen einander abgewogen. Mehr Sorgfalt muß in Zukunft auf Behandlung des Pedals verwandt werden, wenn die Darbietungen an Wert ge winnen sollen. An Stell« von Busonis Be arbeitungen der beiden Bachschen Orgelvorspiele „Wachet auf" und „Nun komm der Heiden Hei land" hätten auf das Allerweltsprogramm — es enthielt die üblichen Namen: Bach, Beethoven, Chopin, Liszt — doch lieber zwei der zahlreich vorhandenen Originalkompositionen Bachs ge setzt werden sollen. 6. 8. Klavierabend von Josef Tnrezynski. Als Hauptwerk stand Robert Schumanns in dieser Saison wiederholt zum Vortrag gebrachte C-Dur-Fantasie Op. 17 auf dem Programm. Damit aber hatte sich Herr Josef Turczyn- ski eine Aufgabe gestellt, deren Schwierigkeiten er noch nicht gewachsen war. Denn über jene Modulationsfäyigkeit des Anschlags, den die Wiedergabe dieses an den mannigfaltigsten Ge fühlsäußerungen so reichen Werkes erheischt, verfügt der junge Pianist noch nicht. Am besten gelangen ihm noch die lyrischen Partien, die er mit schönem weichen Anschlag und gesangvollem Ton vermittelte. Für die' bewegten, leiden schaftlich-phantastischen Stellen aber fehlte es an Größe und Kraft der Darstellung, an plastischer Gestaltung, wirkungsvoller Herausarbeitung der einzelnen Stimmen, wie nicht zuletzt an voll kommener Beherrschung des rein technischen Ele mentes. Je mehr Aufmerksamkeit aber noch die mechanische Fertigkeit erfordert, um so weniger Sorgfalt kann aus eine geistvolle, ausdrucksreiche Vortragsweise verwandt iverden. Man kann eben auch in der Kunst nicht zweien Herren dienen. So gut nun auch manche LinzelAiten gelangen und dies aus das musikalische Empfinden des jungen Pianisten schließen ließ, so wenig ver mochte doch die Gesamtleistung tiefere Eindrücke zu hinterlassen und stärker zu interessieren. Dazu kam, daß Herr Turczynski in seinem Spiele zu wenig.auf klangliche Kontrastwirkungen bedacht war. Seinem Anschlag steht ebensowenig ein wirkliches Pianisjimo wie Fortissimo zu Gebote. Dies in der Hauptsache nur die mittleren Stärke grade verwendende Spiel nahm auch Bachs ge waltiger Chaconne ein gut Teil der Wirkung. Ourt Hermann. * * Aus der Theaterchronit. Fatznarr". ein histori ches Versdrama in vier Aufzügen von Her - bert Hirschberg, geht im Stadttheater in Eisenach als Eröffnungsvorstellung der nächsten Spielzeit in Szene. — Das Hoktheater in Gotha hat das Drama „Das Vorbild des Jscharioth" von Willy Alexander K a st n e r an genommen. — Die Over „Le Pays" von Ropartz und die Oper „ S e e g e s p e n st" von Musik direktor Professor Theodor Eerlach sind vom Hoftheatcr in Altenburg zur Urauf führung erworben worden. — „Maskerade", ein Schauspiel in einen» Akt von Herman,» Stein, dem Hamburger Schriftsteller, und Ella Kobold, einer Hamburger Künstlerin, ist vom Geheimrat Bachur zur Uraufführung im Thalia-Theater zu Hamburg, wo die Pre miere in allernächster Zeit stattfindet, angenommen worden. Kurt Zörbig, der Komponist der Operette „Das A m e r i c a n g i r l", die im Herbst am hiesigen Stadttheater zur Auiführuna gelangt, wird mit dem Schriftsteller F r a,»<; o r s B e r n o w eine einaktige senöie Oper, betitelt „DerSchatte n", nach einem Motiv von Märike zum Abschluß bringen. * Eine neu« Direktionskrifi» in Dresden ist, wie un» ein eigener Drahtbericht meldet, seit Mittwoch zu verzeichnen. Der Direktor des Zentraltheaters, Rachmann, scheidet mit dem 31. März d. I. aus seiner bisherigen Stellung aus, um, wie es offiziös heißt, sich einzig nnd allein seiner Tätigkeit als Impresario zu widmen. Rachmann hatte schon während seiner Direktionstätigkeit stets die Tätig keit als Impresario fortgesetzt. Er war erst im vorigen Jahre als Nachfolger des gleichfalls plötzlich ausgeichiedenen Direktors Eordon von Berlin nach Dresden gekommen. * Musikchronik. Der Stuttgarter Pianist Walter Georgi» wurde ab 1. April d. I. als Hauptfach lehrer für Klavierspiel am Konservatorium in Köln engagiert. * Ernst v. Dohnanyi arbeitet zurzeit an einer „Der Tenor" betitelten musikalischen Komödie. Dem Textbuch, das Ernst Goth verfaßte, liegt die Handlung von Sternheims „Bürger Schippe!" zugrunde. * Der oan-Eyck-Saal im Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin i,t neu arrangiert worden. Neben dem neuerworbenen Anbetungsbild von Hugo van der Goes, das die rechte Seitenwand des Kabinetts einnimmt, hat man auch noch das andere Goes- Bild der Galerie „Die Anbetung der Hirten" in den van-Eqck-Saal gebracht Ander dem Fenster qegenüberliegenden Wand hat man jetzt unter Fortlassung der Kopien die ganzen Außenseiten des Genter Altars der Gebrüder van Eyck placiert. Das neue Goessche Anbetungsbild präsentiert sich hier an der Seitenwand in seiner ganzen Schönheit und wird andauernd von zahl reichen Neugierigen umlagert. Nach Aufdeckung des Rahmens wurde durch Professor Hauser oben an dem Gemälde noch ein Stück Malerei bloßgelegt — ein Teil von dem leider verschwundenen Aufsatz, wo ursprünglich schwebende Engelgestalten dargestellt waren. An diese Engel erinnern die Gewänder fragmente. die jetzt oben auf dem Bilde freigelegt sind. * Hauptmann Dr. Filchner, der Leiter der letzten deutschen Antarktischen Expedltion, ist nunmehr, wie uns telegraphisch aus Berlin gemeldet wird, end gültig als Mitglied der A m u n d s e n - N o r d p o l- expedition verpflichtet. ver gute Name. 33j Roman von Georg Engel. cc.'opvrixkt ISl^ dx UrectUeln L <iu a. U. Aufatmend hielt sie ihr Roß und lauschte. Da wieherte nur wenige Schritte von ihr entfernt der heranbrausende Rappe des tollen Reiters, und ehe noch das Mädchen ihre Stute herumwerfen konnte, griff eine fremde Hand in ihre Zügel und brachte das Rößlein völlig zum Stehen. „Sie machen es Ihren Verehrern schwer. Ihnen guten Abend zu wünschen," begann der Kapitän mit einer halben Neigung und ließ seine Blicke neugierig über die nach Luft ringende Reiterin schweifen, „oder fürchteten Sie etwa, schöne Herrin, daß ich auf der Landstraße mir ein gewisses allerliebstes Stiefelchen einfordern könnte?" Holstein hatte mit der ihm eigenen gefälligen 2Lachlässigkeit gesprochen, aber gerade das, was dem schönen Mädchen sonst so an ihm gefallen hatte, erfüllte es jetzt mit heftigem Zorn. „Was soll das, Herr?" rief sie empört, und riß ihm tue Zügel aus der Hand, „welchen Grund haben Sie, eine fremde DPne wie eine Wege lagerer anzufallen?" Der Kapiiän klopfte seinem dampfenden Rap pen den Hals und zog die beiden Pferde bis an die «Leite eines niederhängenden Erlen- gestrüppes. Vor den Augen der Aristokratin begann es zu flimmern. Hoch schnellte sie auS ihrem Sat tel auf, die Reitgerte hob sich in ihrer Faust, als sollte sie ohne Verzug auf das Gesicht des Fremden niedersausen. „Wer gibt Ihne»» das Recht, mich auszu halten?" r:cj sie, zitternd vor Wut, und doch durchströmte sie in diesem Augenblick wieder das heiße Wohlgefallen für seine kecke Art. .Hassen Sie mich, Herr, Ihre Späße sind nicht amKsant genug, da» Verweilen in der Nacht luft angenehmer zu gestalten." x, » „Sie haben recht," gab der Kapitän ruhig zu, „ich würde untröstlich sein, wenn Sie sich meinet wegen den Schnupfen holten, aber noch eine Sekuitde." Er richtete sich im Sattel auf und streckte den Arm weit aus. „Wie heißt der Boden, auf dem wir rasten?" fragte er bedeutsam. Sylvia lachte schnippisch. „Dangerow, wenn Sie es nicht wissen." „Und kennen Sie auch seinen Herrn?" fragte Holstein mit erhobener Stimme. Ohne daß sie es wußte, begann Sylvia das Herz wild und unbändig zu klopfen. „Herr von Parchim heißt sein Besitzer," wollte sie trotzig zur Antwort geben, aber daS Wort stockte ihr un Munde. Da glitt der NLond hinter den Erlenbüschen hervor, Silberschatten huschten über die braune Heide, und die beiden Hadernden blickten sich zum erstenmal fest in die glänzenden Augen. Holstein erhob die Hand, und im Augenblick fühlte die Reiterin, daß er ihr Roß freigegeben hatte. „Bei allem was Wahrheit ist, ich lüge nicht," sprach der junge Mann mir seiner tiefen Stimme. „Alles, was Sie umgibt, ist mein, alles, was (Ne genießen, mein Besitz. Raub ist alles, was auf diesen Feldern blüht. Ich aber habe Ihnen nachgestellt und diesen romantischen Ritt durch Sumps und Erlen unternommen, um Sie zu warnen. Wie groß meine Macht über Ihren Vater ist, weiß ich im Augenblick noch nicht, aber ich ahne, daß ich ihn unschädlich machen werde —" Ein ängstlicher Schrei unterbrach ihn, aber der Kapitän achtete nicht darauf und fuhr ernst und unbeirrt fort: „Ich werde mir »nein Recht erzwingen und in das Herrenhaus dort emz»eyen, dessen Lichter so hell herüber blinken, und sollte icy mit Hau bitzen Bresche schießen lassen. Aber dann ist Ihr Vater, und alle-, was zu ihm gehört, geächtet, ebenso geächtet, wie ich eS jetzt bin, weil ich mein Alles einst an diese Scholle setzt«. Und nun hören Sie, mein Kind. Wenn ihr Frauen eure Tränen ¬ schleusen aufzieht, so schwimmt manchmal das köstlichste Stuck Logik fort. Vielleicht gibt Ihr Vater etwas auf Ihre Warnung, und das sollte mich freuen, schon deshalb," setzte er, in seinen gewöhnlichen Ton verfallend, hinzu, „damit nicht der Unrat des zusammenbrechenden Hauses Ihr schönes Haar bestäube." „Kapitän," scholl eine rauhe Stimme herüber. „Meine Raben schreien," meinte Holstein ent schuldigend, und stieß einen kurzen Pfiff aus. „Gute Nacht, gnädiges Fräulein." Noch einmal winkte er mit der Hand, dann gab er seinem Rappen die Sporen und flog in kurzen» Galopp quer über die Heide, auf die Lichter zu, die undeutlich durch die dunklen Pap peln auf und nieder zuckten. Das verlassene Mädchen jedoch saß unbe weglich auf ihrem grasenden Tier und blickte stier zu Bilden. Aber es war nicht Mitleid, oder Empfäng lichkeit für das verletzte Recht, das durch ihre Seele fegte, sondern eine schnürende, rasende Angst, es war die unheimliche Furcht, daß der entsetzliche Mann ihr Haus wirklich auseinander brechen könnte, daß aller Glanz und Reichtum von ihr schwinden würde, wie die unsicheren Nebel, die im Mondlicht über die Heide zogen. Und dann glühte das Bild des EntsoPlichen wieder vor ihr auf, der das Unheil bereits über ihrem Haupte zu>ammenzog, sie sah ihn dicht vor sich unter den erleuchteten Erlen, und neben ihre Angst drängte sich eine fast wahn- sinnige Sehnsucht, immer diese Stimme zu hö ren, die nicht müde wurde, sie zu peinigen. So saß sie auf dem ängstlich wiehernden Tier, planlos, sich selbst ein Rätsel, und lauschte dazwischen auf daS entschwindende Getrabe der Rosse, daS verhallend von der nahen Landstraße herübertönte. Unterdessen war der Kapitän wieder mit feiner Schar zusammengestoßen und ritt gemein sam mit seinen Leuten in den schweigenden Herrenhof ein. Aewaltig und massenhaft ragt« da» alte Schloß mit wenigen erleuchteten Fenstern aus der Dunkelheit heraus. Ueber dem uralten Park, der sich hinter dem Gemäuer ausdehnte, lagerte bereits undurchdringliche Nacht, und nur zahl reiche Leuchtkäfer schwirrten mit ihren bläu- lichen Phosphorflügeln ruhelos zwischen den »nächtigen Stämmen hin und her. Nichts regte sich auf dem großen Anwesen, alles lag wie ausgestorben, selbst der Kettenhund kauerte laut los vor seiner Hütte und blinzelte die Reiter tückisch an. Unterdessen wurde es in einem der Seiten gebäude laut, scheltende Stimmen wurden ver nehmbar, und allmählich unterschied man ein zelne Worte der Streitenden, die einen erbitter ten Handel miteinander zu führen schienen. „Dort fehlen wir," murmelte .Holstein grim mig, „die Burschen sollen sich über den neuen Käufer wundern." Leise erteilte er seinen Leuten noch einige Anweisungen und schritt auf das Gebäude zu, in dem der Verwalter des Gutes hauste. Noch einen Augenblick zögerte der Kapitän auf der Schwelle, dann klinkte er die Tür auf, und be fand sich in einer kleinen, traulich erleuchteten Stube. Die Männer, die um den grob gezimmerten Tisch saßen, hielten erstaunt in ihrem Wortgefecht inne und blickten forschend auf den späten Be sucher. Dann aber schnellte plötzlich ein sehr lan ger, lichtblonder Herr mit verworrenem Ziegen- bart und gelber Kontorjacke in die Höhe und setzte windschnell seinen Stuhl vor dem Kapitän zur Erde. „O — bitte um Entschuldigung, daß ich Sie nicht gleich erkannte, Herr Baron," stam melte der Lichtblonde, indem er das auf dem Tisch liegende Sacktuch des Verwalters ergriff und krampfhaft den Stuhl abzuwischen begann, „welche Ehre — bitte, wollen der Herr Baron nicht auf mein Jackett zu sehen belieben — keine Ahnung, daß ich noch mit solchem Herrn z»- sammentreffen könnte — ich — —"