Volltext Seite (XML)
Morgen - Ausgabe N»r Leipzig und Vorort» durch unf»r« rrSgrr vkAuAvpr»!^ » » und Sproitrur» »mal täglich In» yau» g»drachtr monatlich 1.2» M., virrtrltührUch Z.7S M. 0»t Ser O»schäft»st»U», unsrrn ZUiat»» unS ftuogabesteUen adgehoit: monatlichlM .vierteUahrllchSM. Durch Sl« Post: lnoerhald veutschlanS» unS Ser Seutschen llolonlru monatlich l^S M., vlerteljührlich « SS M., auoschlletzUch postdesteUgelS. va» LelpzlgerLagedlatt erscheint werktags »mal, Sona. u.Zeiertagslmal. Su Leipzig, Sen Nachbarorten unS Sen Orten mit eigenen ZNialen wir» Sie flbenSauogab« noch am stbenS Seo Erscheinen» la» Hau» geliefert. Leriiner Nrüoktion: Zn SenAeUe» 17. Zernsprech» Anschluß: Moabit Nr. «»7. Arntsbllrtt des Rates und des pollzercrrnLes der Stadt Leipzig KeSaktlon unS SeschSftsstelle: lobannisgast« Nr.», o Zernsprech'flnschlug Nr. 14SS2. 14443 unS 14444. Nr. 130 srkilsg, Sen 13. MM. ISS. Jahrgang für Snserat» au» Leipzig an» Umgebung Sie . ispaitigrP»titz»ii»2Z pf., Sie Nekiamririlel M . von au»wart» SS Pf., NeNamen 1.24 M-, Klein» stnzeigra Sl»p«tltzellr nur 2Spf.b.wi»S»rbot.Nab..Snserote oon VrkSrürn lm oin«licheai»il Sie Petit' z»il» SS Pf. O»schaft»anzrigrn mit plahvorschrlft im Preis» »rhSht. Nadati aach Larif. S»llag«a: S»lamtaufl.»M.So» LausraS au»schl. Postgebühr. stuzeigenFflnaabm«: 1obonni»gasse». bei sämtlichen Ziliaien S»»Leipziger Lagedlatt«. unS aUea stnnon<en-4»peSition«n Se» Sa» unS stuolonSr». SeschäftssteU« für SerUn u.Sie pr. vranl-enburg - virektionwalterZiirgei, veriin V IS Morgarrtkenstrah» ». Zernsprech»flnschiust: LüNow »471. 1914. Vas Wichtigste. * Die Erste Kammer erledigte am Don nerstag Rechenschaftssachen und Petitionen. * Die ZweiteKammer verabschiedete am Donnerstag die beiden Dekrete, die sich auf die Altersrenten bank beziehen und beschäf tigte sich dann mit der fortschrittlichen Inter pellation über die handelspolitischen Be ziehungen zum Auslände. (S. Art. u. Ber.) * Der Reichstag hat am Donnerstag das Postscheckgesetz in dritter Lcssnng angenommen. Das Gesetz wird am 1. Juli d. I. in Kraft treten. Außerdem beschäftigte er sich noch mit anderen sog. „Kleinen Bor lagen". (S. Art. u. Ber.) * In der französischen Kammer kam an Donnerstag das Kadergesctz zur Be ratung. (S. Pol. Nebers.) * In Cherbourg ist bei einer Schifss- Lbung ein französisches Torpedoboot ge sunken. (S. Ausl.) * Die Wa h l r c ch ts w e i b e r verübten in Stetvarton einen neuen Anschlag, indem sie ein Gebäude in Brand steckten. (S. Nachr. v. Tage). * Ter König von Albanien hat am Donnerstag eine Proklamation an sein Bolk erlassen. (S. Pol. Uebers.). kolonialpolitischer Van-el. Berlin, 12. März. Die Auseinandersetzungen, die in diesen Tagen im Reichstage zum Kotoniatctat gepflogen wurden, haben bei euten bürgerlichen Betrach tern ohne Unterschied der Partcistellung (auch bei solchen, die überhaupt keiner Partei ange hören) eine starke Genugtuung ausgelöst. Es ivar, als ob ein ncncr Geist in die Versamm lung eingezogen wäre. Lurker Hand, rechter Hand — diesmal war wirklich alles vertauscht. In Einzelheiten, die zugleich Unbcträchtlichkcileu waren, mochte man auseinandcrgeyen, in der Hauptsache stimmten alle überein: in unseren Kolonien eine Saat auf Hof>nung zu sehen, ein schon sehr Aöescntucves unter' den Besitz tümern unseres jungen Reichs. Aus zwei Quellen vornehmlich war durch lange, lange Jahre unser koloniatpolitischer Jammer geflossen. Wir gingen an die Kolo- nialpolitik in jener Klcinbürgergesinnung her an, die noch ein Erbe des Vormärzes war. Wir mochten uns nicht in die Auffassung schicken, daß die Männer, die draußen täglich und stünd lich ihr Leben aufs Spiel setzten, nicht mit den Maßstäben ängstlicher Phüistcrmoral ge messen werden dürften; daß zumal für die Be ziehungen der Gejchlcchtcr unter der heißen Lonne des Tropentandcs andere Grundsätze gel ten müssten, als in einem Lausanner Pensionat für höhere Töchter. Daß damit nicht einem dreisten Libertinismus das Wort geredet wer den sollte, versteht sich von selbst. Zynische Lcbe- iünglingc, denen das ^Dasein sich aus Genuß und Begierde zusammensetzt, waren natürlich in den Kolonien so wenig am Platze wie daheim. Schon weil ihnen die Autorität fehlen mußte, und wer selber sich nicht zu zügeln lernte, auch indere nicht im Zaum zu halten verstehen wird. Dem starken Temperament aber, das mit regem Pflichtgefühl heißen Lebensdrang verband, war manches nachzusehen. Schließlich möchten die gar zu korrekten Bürgersleut', die sich allabend lich pünktlich um die neunte Stunde die Bett decke über die Ohren ziehen, sich auch schlecht zu einem Leben voll Wagnissen und Gefahren eignen. Roch mehr aber ist uns Deutschen die kolo nisatorische Betätigung durch den Krämergeist oerekclt worden, der jedem, der draußen nach neuen Erwerbsmöglichkeiten schürfte, den Ge winn nach Mark und Pfennigen nachrechnete. Wenn man sich früherer Debatten im Reichstage erinnert und der lächerlichen Kommentare, die dazu von einem großen Teil unserer Presse geliefert wurden, überkommt's einen heute noch wie ein leises Frieren. Was war das für eine närrische, im tiefsten Grunde spießbürgerliche Vorstcllungswclt! Wer sein Geld in kolonialen Unternehmungen anlegte, wer es also, auf aut W'utstb gesprochen, hiugab, um gegen vielleicht k'Ä sicucre Rieten zwei Gewinnmöglichkeitcn ein- zutauschen, der sollte sich mit einem Profit be gnügen, wie einer, der bei uns zu Lande Staats- vapierc oder gute Stadtanleihen kaufte. Wehe, wenn er mit der Hoffnung oder dem Wunsche sich trug, für das autzecgewöhnlichc Risiko auch mehr als alltägliche Gcwiunftc einzuheimsen! La ward er in Presse und Parlament gehetzt wie einer, der sich trübseliger Schiebungen schul dig gemacht hätte. Woher cs denn auch kam, daß die Neigung kapitalkräftiger Kreise sich in Deutsch-Nebersee zu betätigen gar nicht erst auf kam, oder, wo es dennoch geschah, bald sich verflüchtigte. Schließlich hatte man keine Lust, für seine von Patriotismus beflügelte geschäft liche Loyalität auch noch Spießruten zu laufen oder auf offenem Markt sich stäupen zu lassen. Da boten dem in die Ferne weisenden kauf männischen Wagemut innerhalb der englischen Welt sich doch noch andere Chancen, wo mau dem Mann von Verdienst es nicht als Ver brechen anzurechncn pflegte, wenn er nebenher auch noch etwas verdiente. Erst langsam, ganz langsam ist das bei uns anders geworden. Rur zögernd, unter dem Druck patriotischer und ähnlicher Velleitäten, sind un sere Kapitalistenkreisc dazu übcrgegangen, in größerem Maßstabe ihr Geld ui deutscyc kolo niale Gründungen zu stecken. Im Vorjahre ver suchte es die Sozialdemokratie noch mit einem Rügeverfahren in dieser Richtung; aber das Be ginnen, daS sich leicht wie ein Reif in Früh lingsnacht auf die jungen Triebe hätte legen können, ward im Keime erstickt und Heuer nicht mehr erneuert. Wir brauchen Männer, die un sere Kolonien mit ihrem Gelde befruchten und sie uns so erschließen helfen; wir wollen sic nicht durch neidische Piennigfuchser von dort uns verscheuchen lassen. In einem anderen Belang scheinen sich die alten Unsitten, die unsere Kolonialpolitik schä digten, freilich noch nicht ganz verloren zu haben. Ter Küstentlatsch grassiert offenbar nach wie vor und es ist nach dem Wenigen, was »vir über die Reibungen zwischen Pflanzern und Kaufleuten und Behörden vernahmen, noch nicht einmal sicher, ob diesem Küstcnklatsch sich nicht auch Küstenintrigcn gesellen. Diese Uebelstände zu beseitigen wird nicht so leicht sein. Im engen Raum stoßen sich nicht nur die Sachen, stoßen sich auch die Personen. Hunderte von Meilen von der Heimat entfernt, in einem Kreis, dessen einzelne Angehörigen sich bequem auf zählen lassen, und die darum einander ganz nahe auf den Leib rücken, verdoppeln sich alte Eigen schaften der Kleinstadt, auch alle ihre Unarten. Und ob man sie, die mit ihrem Kastengeist, der Eifersucht zwischen Zivil und Militär, zwischen höheren und mittleren Beamten und der Freude am Gerede über den Nächsten, doch ein Stück Natur, eben echte deutsche Klcinstadtnatur sind, je wird ganz auszutreiben vermögen, wird uns — »vir bekennen cs offen — schwer zu glauben. Indes ist doch .auch in diesen Dingen ein Wandel zum Bessern nicht zu verkennen. Früher fanden Küstcnklatsch und Küstcniutrigen im Reichstag ihre fröhliche Fortsetzung und boten durch viele .Tage Stoff zu reichlichen Debatten. Diesmal ließ man sich'S in Anklage und Abwehr an ein paar audeutciiden Strichen genügen. Da gegen wird natürlich nichts zu erinnern sein. Das Uukrat nach Kräften auszujäteu, bleibt selbstverständlich unser aller Pflicht. „Kleine vorlagenÜm Reichstage. (Stimmungsbild aus dem Reichstage.) L> Berlin, 12. März. Die Beratung der Kolonialfragen ist heute im Reichstage unterbrochen worden, um ein paar von den sogenannten kleinen Vorlagen zu erörtern. Die Bezeichnung „kleinere Vorlagen" klingt ein wenig geringschätzig. Dabei handelt es sich hier aber um in ihrer Art unge mein wichtige Entwürfe. In erster Reihe stand nämlich die Vorlage über Bürgschaften des Reichs zur Förderung des Baues von Klei nwohnungen der Reichs und Mi litär bedien steten. Die Bedeutung des Gesetzes ist in diesen Blättern schon vor ein paar Tagen von sachkundiger Feder dargetan worden. Sie spiegelt sich auch in den Reden des heutigen Tages wider; zeigt aber darüber hinaus noch etwas anderes, etwas überaus Freundliches und Erfreuliches: Das sympathische Bild eines in der Haupt sache völlig einmütigen Reichstags. Von Herrn Göhre angefangen, der die Sozialdemo kratie vertritt, bis zum Sprecher der Konser vativen war im Parlament nur eine Stimme der Genugtuung, und selbst darin klangen die Meinungen der sonst so verschiedenartig Ge stimmten zusammen, daß die Regierung mit einer ähnliche»» Forderung schon viel früher hätte kommen müssen und daß sie auch mehr hätte fordern dürfen. Der Entwurf ging an die Wohnungskommission. Dann ist man bei der dritten Lesung des Postscheck gesetz es. Die Sozialdemokratie beugt sich dem Kompromiß, aber sie ist mit ihm auch heute noch nicht zufrieden. Herr Südekum meinte zusammenfassend: Das Gesetz würde viel leicht den Postanweisungsverkehr ganz angenehm ergänzen, mehr zu leisten würde es nicht imstande sein. Wenn es indes nach den sozialdemokratischen Vorschlägen gegangen wäre, dann, so verhieß Herr Dr. Südekum im Tone des Propheten und Sehers, hätte cs zu einer grundlegenden Aen- derung des ganzen Depositenverkehrs führen und die Macht derDepositenkasscn brechen können. Das sozialdemokratische Zukunftsbild stieß jedocki I allenthalben auf ungläubiges Kopfschütteln. Weder Herr Beck, noch Herr Goth ein, noch der Zentrumssprecher Nacken glaubten an die Möglichkeit seiner Verwirklichung, und somit ward die Erörterung geschlossen, das Gesetz end gültig angenommen und aus Antrag des Abg. Beck zugleich bestimmt, daß es am 1. Juli in Kraft zu treten habe. Hinterher kam man nach einem kleinen Zwischenfall zum Haupt stück des Tages: Zum Luftverkehrs gesetz. Herr Dr. Lewald vom Reichs amt des Innern als zuständiger Mini sterialdirektor spendet zu Beginn der Aus sprache die übliche amtliche Erläuterung. Er konnte mit Recht darauf hinweiien, daß die Vorlage im allgemeinen freundlich beurteilt worden sei, freilich gegen die Haftpflicht hätte man allerlei Einwände erhoben, und sie bilde auch heute noch den Gegenstand scharfer Kritik. Sowohl der sozialdemokratische Sprecher Landsbcrg, als auch Dr. Belzer vom Zentrum fanden die Be handlung der Haftpflichtssrage zu milde und zu zaghaft. Dr- Quarck-Koburg aber lobte — ähnlich, wie er das schon in unserem Blatte ausgeführt hatte — gerade diese vorsichtige Ge staltung der Materie. Die in der Vorlage vor gesehene Haftsumme erschien allerdings auch ihm nicht hoch genug. In manchen Stücken ähnlich äußert sich der Sprecher der Fortschritt lichen Volkspartei; Herr Oertel aber behalf sich nach seiner Gewohnheit mit allerlei Witzen. Die Vorlage ging dann an eine Kommission von 21 Mitgliedern. Morgen soll das ruhige Gleichmaß der Tage, in dem sich seit Wochen nun schon die parla mentarischen Verhandlungen abspielen, durch die Ducllinterpellation unterbrochen werden. Zu diesem Ende will man bereits um 10 Uhr in der Frühe zusammenkommen, unter Umständen gibt das also eine Monstresitzung. Vie SeSeutung Ser Reichsämter und ihre Leiter. 1 Die erste Stelle unter den Neichsämtcrn nimmt unbedingt oas Reich samt des Innern ein. Sem Vorstand ist — abge.ehen von seinem besonderen Geschäftszweige — allgemeiner Stellvertreter des Reichskanzlers und Mitglied des preußischen Staats- Ministeriums. Letzteres gilt übrigens auch für die Staatssekretäre Les auswärtigen Amtes und des Reichsmarineamtes. Daß dadurch ihr Einfluß wesent lich gestärkt wird, ist klar. Anderseits zeugt auch diese Personalverbinbung von dem engen Zusammenhänge der Politik des Reiches Mit der Preußens. Unmög lich könnte z. B. einer dieser Staatssekretäre beim Reiche etwas vertreten, womit er im Schoße des preustischen Staatsministeriums nicht durchgedrungen ist. Es würden ihm dann zum mindesten die preußi schen Stimmen im Bundesrate fehlen. Denselben Ge danken einer Verkettung des Reiches mit Preußen verfolgt bekanntlich die übrigens nicht verfass, ngs- rechilich festgelegte — Tat.ache, daß der Reichskanzler zugleich preußischer Ministerpräsident ist, woraus ja in der Gegenwart nicht immer die erwarteten und möglichen Folgen gezogen werden. Bismarck räumte den drei genannten Staatssekretären deswegen Sitz und Stimme im preußischen Staatsministerium em, damit sie dort die Stellung des Reichskanzlers ver stärken und „Reichsgedanken vertreten" möchten. Wenn man u alledem noch hinzunimmt, daß beinahe sämtliche Staatssekretäre Preugen sind, so wird es immer schwieriger, die echt vreuß.schen Leute zu ver stehen, die über eine Zurückdrängung Preußens im Reiche jammern zu sotten glauben. Bismarck in seiner Weisheit hat schon genügend für die eisernen Klam mern gesorgt, wodurch die deutsche Vormacht, ohne die wir das deutsche .Kaisertum nicht hätten, mit dein Reiche fest verbunden ist. Jenen Leuten ist es auch wohl weniger um die Stellung Preußens, als um ihre eigene Stellung in Preußen zu tun. Richt ohne Reiz für diejenigen, die sich etwa für Rangoerhältnissc unter Staatsdienern interessieren, wird übrigens folgendes sein. An sich rangieren die Staatssekretäre des Reick>es hinter den Staats ministern. Zwar unmittelbar, aber doch hinter ihnen. Trotzdem war cs möglich, daß einst der jetzige Reichskanzler, obwohl er schon preußischer Staats minister war, doch noch Staatssekretär des Innern beim Reiche werden konnte. Das „Geheimnis" wird wohl darin liegen, daß jener Staatssekretär zugleich preußischer Minister ist. Schließlich mag die Er nennung zum allgemeinen Stellvertreter des Reichs kanzlers mitgcwirkt haben, um den Stellenwechsel zu ermöglichen. Auch Dr. Delbrück, zu dem wir uns nunmehr wenden wollen, war schon preußischer Staatsminister. Nein sachlich steht die Vorstandschaft des Reichsamtes des Innern weit über der Aufgabe etwa des preußi schen Handelsministeriums. Dieses Reichsamt ist tvs größte und wichtigste im Reiche. Ganz abgesehen von den großen Gebieten, die einst den Bülowblock beschäftigten wie dem Vereins- und Börsenrecht, ab gesehen auch von sonstiger rein juristischer Gesetz gebung. die ihm das Reichsjustizamt vielleicht allzu neidlos überläßt, vereinigt sich im Reichsamt des Innern die gesamte Förderung deutscher Kultur, so weit sie nicht den Gliedstaaten verblieben ist. Wir erinnern hier nur an das Flugwesen. Vom Reichs amt des Innern ging die Reform des Staatszugebö- rigkeitsrcchtes und die neue Verfassung von Elsaß- Lothringen aus. Genannt sei ferner nur bcifpiels weise das Reichsgesundheitswesen, das gewerbliche Schutzrccktt, das Versicherungswesen. Vor allem aber laufen hier zusammen die Fäden der Handels und Schutzzollpolitik des Reiches und — di« gesamte deutsche Sozialpolitik. Es muß dem Staatssekretär Dr. Delbrück, der als allgemeiner Vertreter des Reichskanzlers außerdem noch politischer Beamter von allererster Bedeutung sein muß und ist, nach gerühmt werden, daß er dieses ungeheure Gebiet in Wahrheit persönlich leitet und sein Amt in der Hand behält. Sein Auftreten ist das eines Mannes, der seinen Weg selbständig geht, und Hal stets ein« per sönliche Rote, deren Kennzeichen Sachlichkeit ist. So namentlich gegenüber der Sozialdemokratie. Das verstehen manche nicht, denen mehr am Geräusch als an der Arbeit gelegen ist. Ata» hat wohl nie gesehen, daß Delbrück in der Sache selbst vor der roten Flur zurückwich. Er hat aber verstanden und — dein Sinne nach — auch ausgesprochen, daß man die Sozialdemokratie mit Aussicht auf dauernoen Erfolg nur bekämpfen kann, wenn man die bessernde Hand an die Zustände legt, die sie erzeugt haben und ihr immer neue Nahrung zuführen. Man nennt das Sozialpolitik. Mag er manchem ungeduldigen Dränger zu langsam vorwärtsgehen. Die Geschichte wird ihm recht geben, daß der Staat, wenn aus irgendwelchem Gebiete, so auf diesem, nur ganz sicher«, gemessene Schritte tun darf. Etwa nach dem Worte Goethes: Ohne Hast, ohne Rast. Erfreulich ist auch di« Leitung des Reichsschatz- a m t e s, das früher an die Türen der Bundesstaaten schleichen und sich sein Brot erbetteln mußte. Auch jetzt noch darf «s sich mit der Allmacht des preußischen Finanzministeriums kaum vergleichen. Immerhin ist «s durch die Finanzgesetzgebung der letzten Jahr« mehr und mehr auf eigene Füße gestellt und zu einer ungeahnten Bedeutung gelangt, die ihm durch keine Reichsverdrosscnheit wieder geraubt werden kann. Sein gegenwärtiger Vorstand hat sich in der allerersten Zeit fast zu bescheiden selbst in den Schatten der starken Persönlichkeit seines Vorgängers gestellt, und er mag drum anfänglich als ein soge nannter Gcschäftsminister eingeschätzt worden sein. Diese Beurteilung des bezwingend liebenswürdigen, gcist- und humorvollen Mannes, dessen knappen Worte immer den Nagel auf den Kopf treffen und nichts zu sagen übrig lassen, ist längst erledigt. Seitdem er die großen Gesetze des Jahres mit sicherer Hand in den Hafen steuerte, weiß man, daß das Finanz wesen des Reiches in ihm den geborenen Führer besitzt. Die Marine gilt uns als der eigenste Aus-' -ruck der Kraft des wi-K-ergeeinten Vaterlandes. Es schmälert den Ruhm unseres Kaisers gewiß nicht, wenn wir den jetzigen Staatssekretär des Neichs- marineamts als den großen Organisator unserer Flotte bezeichnen. Es ist sein persönliches Werk, daß er uns — unter Ueberwindung so mancher offener und geheimer Widerstände und vor allem mit einer beispiellosen parlamentarischen Geschicklichkeit — zu dem Ziel« geführt hat, daß die deutsche Seemacht jetzt eine Potenz darstcllt, die durch ihr Dasein die Achtung Englands erzwingt und damit den Frieden sichert. Der Mann, der — wie er selbst ein mal sagte —, immer die Nase über dem Wasser be hielt, die See mochte so hoch gehen, wie sie wollte, verdient wie kaum ein anderer Staatsmann den Dank der Nation. Vielleicht ist eine spätere Zeit noch mehr als die Gegenwart zur richtigen Ein schätzung seiner Lebensärlieit fähig. Wer weiß, ob nicht Herr von Tirpitz von allen jetzt lebenden Staats männern am ehesten in der Lage wäre, unsere aus würtigen Angelegenheiten aus dem Zauberkrcisc der Illusionen, in der wir wie gebannt zu sein scheinen, zu erlösen. Dazu wär«, so meinen gar viele, der klare Blick dieses Seemannes, der die Dinge sieht, wie sie wirklich liegen, wohl geeignet und — nötig. politiletie UebeklieM Aum Wahlkampfe in Sorna-Pegau. Am 10. März sprach für den nationallibcralen Kandidaten N i tz s ch k e - Leutzsch, in Colditz der Zittauer Oberbürgermeister Dr. Külz über Ziele und Aufgaben der nationalliberalen Partei. Zu gleicher Zeit tagte in Colditz eine konservative Ver sammlung, in der Rcichstagsabg. Warmuth, Mit glicd der Rcichspartei, sprach. Trotzdem war die liberale Versammlung von zirka 30V Personen aus allen Bevölkerungsschichtcn besucht. Oberbürger meister Dr. Külz, der in Colditz ganz besonders ge schätzt ist, erntete für seine Ausführungen großen Beifall, ebenso der nationalliberale Parteisekretär N ä t h e r-Flöha, der einzelne Ausführungen des Referenten unterstrich und beleuchtete. Der Wahlausschuß für die Kandidatur Nitzschke hatte für Sonntag nachmittag eine öffentliche Wähler Versammlung nach Chursdorf und für den Abend eine nach Wolkenburg einberufen, die von Dr. Degcnng-Rochlitz geleitet wurden. Jede dieser Versammlungen war trotz des schlechten ^Vetters von ca. 80 Personen besucht. Als Redner war Gemeinde Vorsteher und Gutsbesitzer Dusche aus Isernhagen bei Hannover gewonnen. In cinstiindiger Rede ent wickelt« der Redner in sachlicher, klarer Weise das Programm der nationalliberalen Partei, besonders in bezug auf Landwirtschaft, Mittelstand und Ar beiterschaft. Seine aus vollster Ueberzcugung vor getragenen Worte fanden den lebhaftesten Ben'all d«r Versammlung. Gegner meldeten sich trotz wieder holter Aufforderung nicht zum Wort. Das Schluß wort sprach in Chursdorf Herr Dusche und in Wolkenburg H«rr Dr. Deg« ring, die beide auf die Verdienste des Landtagsabgeordncten Nitzschke für seine engere Heimat hinwiesen und den Wählern sein« Wahl empfahlen. Die „Deutsche Tageszeitung" hat sich in den letzten Tagen wiederholt, zum Teil in recht wenig urbanen Formen, über di« Mitteilung der „Sachs. Umschau" aufgehalten, daß einig« Konservativ« in Borna—