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politische Umschau. Zu üem ZwilchenlsU in üer rstsrlottenvurger Luilenkirche. O. Ueber den weiteren Fortgang der Luisenkirch- Affäre teilt di« „Voss. Ztg." mit: Pfarrer Kraatz hat di« Absicht, wegeic der Störung Anzeige gegen di« Offiziere zu erstatten und hat in einem gestern abge gangenen Schreiben an das Konsistorium um Fest stellung der Namen gebeten. Zugleich erstattet« er kurzen Bericht über den Vorfall, eh« noch ferne vorge setzte Behörde ihn dazu aufsordern konnte. Vom Kö- nigin-Elisabeth-Regiment ist sowohl ein dienstlicher Bericht an das Generalkommando abgegeben, wie auch ein« Anzeige an das Konsistorium ergangen. Das Konsistorium hat bereits heute die Akten über den Vorfall geprüft, und wird in seiner morgen stattfin- oenden Sitzung die Angelegenheit besprechen. Da der Präsident des Konsistoriums bereits Freitag in Ur laub geht, wird die Entscheidung sicher noch hinaus geschoben werden. Silber ist, daß auch in Kreisen der Kirchenbehörü« die Anschauung vertreten ist, bas; die Offiziere über das Mas; erlaubter Kritik hinausge gangen seien. Sie hätten den Weg der Beschwerde beschreiten können, aber nicht impulsiv Selbsthilfe üben dürfen in einer Kirch«, die ihnen Lastrccht ge währte. Während sich die liberalen Blätter fast sämtlich in der Beurteilung des Falles einer sehr großen Zu rückhaltung befleißigen, erhebt die rechtsstehende Presse schwere Vorwürfe gegen den Pfarrer Kraatz. So schreibt die „Deutsche Tagesztg.": „Es würde doch gar zu häßlich aussehen, wenn ein Geistlicher, der durch eine Verteidigung des Unglaubens auf der Kanzel gläubige Hörer in die schwerste Gewissensnot gebracht hat, nachher noch ihnen gegenüber den De nunzianten spielen wollte!" — Die „Kreuzztg." meint: „Die Offiziere hielten es für ihre Dienstpflicht, die Soldaten zum Verlassen des Raumes zu veran lassen, in dem zurzeit nicht Gottesdienst gehalten, sondern gegen ein in geordnetem Verfahren von der gesetzlich zuständigen Instanz gefälltes Urteil agitiert wurde. Der Vorgang werde ja gründlich geprüft werden, aber, wenn man mit dem § 167 des Straf gesetzbuchs (Störung des Gottesdienstes) droht, so sind wir wirklich begierig zu erfahren, welchen inneren Zusammenhang inan konstruieren kann zwischen der kttchenpolitisck>cn Agitationsrede des Pfarrers Kraatz und einem evangelischen Gottesdienst." — Aus dem „Neichsboten" zitteren wir: „... bei dem schweren Ver stoß, den sich Pfarrer Kraatz gegen seine Amtspflicht zuschulden kommen ließ, was das Verhalten der Offi ziere zweifellos berechtigt, so sehr wir auch die Stö rung des Gottesdienstes und diese neue Verwirrung der Gemüter bedauern." Wir sind mit der Kirchenbehörde der Ansicht, daß die Offizier« Uber das Maß der angebrachten Kritik hinausgegangen sind und die Störung besser vermieden hätten. Anderseits können wir cs wohl verstehen, daß jemand die Sonntagspredigt nicht für geeignet hielte zu einer Besprechung des Falles Iatho. Jedenfalls scheinen aber die Herren, als sie mit ihrer Mannschaft den Gottesdienst unter emp findlicher Störung für die Zurückbleibenden ver ließen, sich nicht bewußt gewesen zu sein, daß man eine Ungeschicklichkeit nicht durch eine ungleich schwerere Entgleisung beantworten soll. Eine nach trägliche Beschwerde hätte die Angelegenheit ent schieden leichter aus der Welt geschafft. Deutlchlanü unü Gnglsnü. Von diplomatischer Seite wird der „N. Preuß. Korr." geschrieben: Die Rede des englischen Schatzkanzlers Lloyd George hat in der französischen Presse eine Er regung hervorgerufen, für die man in Berlin ge ringes Verständnis hat. In der Rede Les britischen Ministers ist keinerlei Anspielung auf Deutschland enthalten: sie aber so zu deuten, als ob die Worte Lloyd Georges auf Deutschland zielten, dazu liegt nicht der geringste Anlaß vor. Im Gegen teil, hätte der englische Schatzsekretär, als er sprach, Deutschland im Sinne gehabt, so hätte er sich mit den der deutschen Regierung bekannten Richtlinien der englischen Politik in einen auffallenden und bewußten Gegensatz gestellt. Denn es versteht sich von selbst, daß, wenn Verhandlungen zwischen zwei Mächten begonnen werden, an denen dritte Mächte interessiert sein könnten, diese über Absicht und Ziel dieser Verhairdlungen unterrichtet werden. Es ist dies schon aus dem Grunde selbstverständ lich, weil sonst die Gefahr bestünde, daß lange und schwierige Verhandlungen zwischen zwei Mächten, nachdem sie zu einem positiven Resultat geführt, durch Einspruch von seiten einer dritten Macht illu sorisch gemacht werden könnten. England ist also von dem Plane Frankreichs und Deutschlands, sich über die Marokkofrage zunächst direkt auszusprechen, for mell verständigt worden. Die englische Regie rung hat daraufhin dem deutschen Botschafter in London in bestimmtester Form die Zusicherung pe- oebcn, daß sie sich, solange die Verhandlungen in Berlin dauern, vollkommen zurückhalten werde. Es ist nicht anzunehmen, daß in London die Absicht besteht, diesen Standpunkt zu verlassen, am allerwenigsten auf so zweifelhafte Informationen hin, wie sie der „Times" oder dem geistesverwandten „Matin" zugänglich sind. 32. verdsnüstsg ües Bunües üeutlcher Bullrbtnüer-Hnnungen. n. R. Halle, 24. Juli. Am zweiten Derhandlungstage wurde zunächst die Bundesrechnung für 1910/11 erledigt und sodann der Bericht über die Verbandssterbekasse durch Schnee- melcher-Berlin erstattet. Dieser lautete finanziell günstig. Der Bericht über das Verbandsblatt „Zeit schrift für Deutschlands Buchbinder und verwandte Gewerbe", erstattet von ll n r as ch- Dresden als Schriftleiter, entfesselte eine lebhafte, mehrstündige Besprechung. Hier und da gemachte Vorwürfe über den Inhalt der Fachzeitschrift wurden entkräftet und dem Bundesvorstand ein Vertrauensvotum erteilt. Bezügliche Anträge der Osnabrücker Innung und des Verbandes Niedersachsen sowie des Verbandes der Rheinischen Buchbinder (Erhöhung des Bundes beitrages von 60 Pf. auf 1 und Errichtung eines Verbandsbureaus sowie Verlegung de» Sitzes des Bundesorgans nach Berlin) wurden später zu gunsten eines Antrages Unrasch-Dresden zurück gezogen. Der Bundesvorstand wurde gebeten, weitere Schritte bctr. Erhöhung des Bundesbeitrages und des weiteren Ausbaues des Vundesorgans zu unter nehmen. Der Antrag der Breslauer Innung: „Stellung nahme des Bundes gegen die Einführung des Religionsunterrichts in den Lehr- plan der Fortbildungsschule, ist durch Zurücknahme der bett. Vorlage seitens der Regierung gegenstandslos geworden. Mitgeteilt wurde, daß durch Ministerialerlass in den Fortbildungsschulen der Turn- und Schwimmunterricht eingeführt wird. Hierauf unterhielt man sich nach den Ausführungen des Referenten K a l l m a n n - Würzburg über den Bundestarif und die Vereinheitlichung der Einband preise für häufig vorkommende Werke, insbesondere Amts- und Gesetzblätter. Die Vereinigung selb ständiger Buchbinder der Provinz Sachsen be antragte, bei Neuherausgabe des Lundestarifs für 1912 diesen allen Mitglieder des Bundes unentgelt lich zu überlassen und sofort nach Erscheinen zuzu stellen. Damit wird sich der Bundesvorstand beschäf tigen. — Mit dem Bundestage war eine Ausstellung in das Fach einschlagender Artikel verbunden. Der Antrag Magdeburg: „Bei Neugriindungen von Landesverbänden übernimmt der Bund sämtliche Kosten im ersten Geschäftsjahr", wird mit der Moti vierung angenommen, soweit die Mittel dazu reichen. Gegen den unlauteren Wettbewerb der Geistlichen usw. im Handel soll energisch vorgegangen werden. Dies bezieht sich auf Bayern, wo die Sache anders gehandhabt wird als in Preußen. Die Buchbinde reien in Staats- und Gemeindebetrieben anlangend, wurde eine scharfe Aussprache veranlaßt, wobei na mentlich der Fall in Halle herangezogen wurd". Es wurde erklärt, wenn eine Stadt über eine Million Ueberschuß macht, wie dort im letzten Etatsjahre, so hat sie nicht nötig, dem Handwerk, das mit Steuern gerade genug belastet ist, Konkurrenz zu bereiten. Der seitherige Bundesvorstand wurde wiedergewählt und beschlossen, den 33. Verbandstag in Bremen abzuhalten. Deutsches Kelch. Leipzig 26. Juli. * Sozialdemokratischer Terrorismus. Ein für die Art des Verkehrs in der sozialdemokratischen Partei recht bezeichnendes Schriftstück wird uns übermittelt. Es hat folgenden Wortlaut und ist gedruckt, ist also in zahlreichen Exemplaren verschickt worden, was auch nicht ohne Interesse ist: „Werter Genosse! Laut Beschluß der Kreiskonserenz vom 10. Juli und der Generalversammlung vom 13. Juli dieses Jahres sind diejenigen Genossen, die ihren Maibeitrag bis zum 1. August 1911 nicht bezahlt haben, aus der Partei auszuschließen. Da auch Sie noch mit diesem Beitrag im Rückstand sind, teilen wir Ihnen diesen Beschluß mit. In der Erwartung, daß Sie Ihren Verpflichtungen recht bald nachkommen, zeichnet mit Parteigruß i. A.: R. Wirth, zurzeit Vorsitzender." Daneben ein Stempel: Sozialdemokratischer Verein für den 4. sächsischen Reichstagswahlkreis. — Der Einsender dieses Zirkulars bemerkt dazu durchaus zutreffend: „Das heißt soviel wie: Friß Vogel oder stirb! Entweder bezahle und wenn nicht, so wirst du ausgeschlossen und dann fliegst du selbstver ständlich auch aus der Arbeit. Das ist dann ein „freier" Arbeiter. * Reifedispositionen des Kaisers. Der Kaiser wird am 23. Juli programmäßig in S w i n e in ü n d e eintreffen und dort mehrere Tage verweilen. Während des Aufenthalts wird der Monarch wie in den früheren Jahren eine Reihe von Vorträgen ent- gegennchmen, darunter wahrscheinlich auch den des Reichskanzlers. Von Swinemünde wird sich der Kaiser nach dem Truppenübungsplatz Altengrabow begeben und dort Besichtigungen vornehmen. * Beileid der deutschen Regierung zu dem Brand unglück in Konstantinopel. Zur Brandkatastrophe in Konstantinopel schreibt die „Nordd. Allg. Ztg.": Die Nachrichten über Las verheerende Feuer, von dem die Hauptstadt de* Türkei betroffen worden ist, haben hier lebhafte Anteilnahme hcrvorgerufen. Den türkischen Staatsmännern, die unter inneren und äußeren Schwierigkeiten an dem großen Werk der Erneuerung ihres Landes arbeiten, sind durch die Verwüstung des Brandes in Konstantinopel weitere Mühen und Sorgen erwachsen. Besonders bedauern wir. daß der verdienstvolle Krieosminister Mahmud Schewket Pascha bei den Nettungsarbeilen ver wundet wurde. Erfreulichcrweiie gibr aber sein Zu stand keinen Anlaß cu Bedenken. Möge die so lange bewährte und mutige Ausdauer der jungen Türkei auch dieser neuen Prüfung standhalten! Dem Sultan, der türkischen Regierung wie der Bevölkerung Kon stantinopels drücken wir unsere aufrichtigen Sympa thien aus. * Bsuch der russischen Zarensamilie in Friedberg. Aus Friedberg meldet uns ein Privattelegramm: Trotz aller Dementis wird die Zarenfamilie bestimmt hierher kommen, und zwar voraussichtlich Ende näch sten M onat s. Es sind bereits wieder Be amte der politischen Polizei hier eingetrosfen. 0 Ein Dementi. Aus Mannheim meldet uns ein Privattelegramm: Gegenüber ter von einem Ber liner Montagsblatt gebrachten Nachricht, Herr von Kiderlen-Wächter habe im Frühling dieses Jahres an den Reichstagsabqeordneten Basser- mann einen Brief gerichtet, worin der Staats sekretär ersuchte, man möge von einer Inter pellation wegen Marokkos ab sehen, weil Ruhe geboten sei und man Frankreich zunächst gar nicht genug gegen die Algecirasakte sündigen lassen könnte, denn je mehr es seine Rechte überschreite, um >o mehr Gewicht erhalte dann die spätere Geltend machung der deut'chen Interessen, ermächtigt Abge ordneter Basiermann die „Neue Bad. Landesztg." strikte zu erklären, weder er. noch die national liberale Reichstagsfraktion hätte jemals einen solchen Brief erhalten. * Gegen das neueste Motuproprio. Aus München wird gemeldet: Zn Bayern macht sich eine Bewegung gegen das letzte Motuproprio des Papstes, das die Verlegung der Feiertage auf die Sonntage anordnet, bemerkbar. Eine Veriammlung irr Aschaffen burg richtete an den Bischof von Würzburg eine Eingabe, die katholischen Feiertage in der Diözese wie bisher zu belassen und be>onders von einer Verlegung des Fronleichnamsfestes abzusehen. Auch in anderen Diözesen macht sich eine ähnliche Bewegung gegen das Motuproprio des Papstes bemerkbar. — Diese Opposition dürfte nicht lange anhalten, denn auf die erste ernstliche Ermahnung aus Rom wird man dem Wunsche des Vatikans ohne Zweifel Rech nung tragen. — Was ja in diesem Ernzelfalle aus früher dargelegten Gründen noch nicht einmal be dauerlich wäre. * Die Kriegervereine und die Politik. Auf der Tagung des Deutschen Kriegcrbundes und Preußi schen Landeskriegerverbandes zu Detmold verlas der stellvertretende Vorsitzende, Geh. Negierungsrat Dr. Westphal-Berlin, ein Schreiben des Vorsitzen den, Generalobersten v. Lindequist, der erkrankt sei und deshalb eine Erklärung übersende, in der es heißt: In erster Linie kann kein Zweifel darüber herr schen, daß die deutschen Kriegervereine wie früher so auch jetzt den mächtigsten Wall gegen die Partei des Umsturzes bilden müssen, und das; dem Manne, der dies zuerst tlar erkannt hat, unserem verstorbenen Vorsitzenden v. Spitz, der Dank des Vaterlandes und des Deutschen Kriegcrbundes dafür gebührt. Obwohl in unjerm Programm jede Erörterung politischer und religiöser Angelegenheiten ausgeschlossen ist, so ist cs selbstverständlich, daß wir unsere Stellung zur Sozialdemokratie genau präzisieren. Es ist also gleichgültig, ob jemand von unfern Kameraden liberal oder konservativ ist, oder ob er dein Zentrum angehört. Wenn er nur die monarchische Gesinnung aus leine Fahne geschrieben hat, so ist er der uns hochwillkommen. Der Krieger bund hat die Pflege der vaterländischen Gesinnung in den Vordergrund seiner Bestrebungen gestellt, und so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß kein Kamerad der Sozialdemokratie angehören darf. Es sei ausgeschlossen, daß Arbeiter-Kameraden eventuell freien Gewerkschaften angehören, deren revolutionäre Tendenzen durch die Verhandlungen des Dresdner Gewerkschaftskongresses erneut darge tan seien, wohl aber christlich-nationalen Ge werkschaften. Zum nächsten Tagungsort wurde einstimmig Breslau gewählt. * Für den diesjährigen sozialdemokratischen Partei tag in Jena ist nunmehr folgende Tagesordnung fest- geietzt: 1. Geschäftsbericht des Parteivorstandes, Be richterstatter H. Müller, F. Ebbert: 2. Bericht der Kontrollkommission. Berichterstatter A. Kaden: 3. Par lamentarischer Bericht, Berichterstatter A. Geck: 4. die Reichsversicherungsordnung, Berichterstatter Hermann Molkenbuhr' ü. die Neichstagswaklen, Bericht erstatter A. Bebel: 6. die Maifeier, Berichterstatter W. Pfannkuch: 7. sonstige Anträge. Vor dem Partei tage findet am 8. und 9. September eine sozialdemo kratische Frauenkonferenz statt. Die vorläufige Tagesordnung dieser Konferenz lautet: Die Frauen und die Rcichstagswahlen, Berichterstatterin K.Zet kin: die Frauen und die Gemeindcpolitik, Bericht erstatterin K. Weyl. * Ein Eingedorenenaufruhr in Deutsch-Südwest afrika ist. wie wir der „Deutsch-Südwestairikanischen Ztg." entnehmen, vor einigen Wochen in Bethanien rasch unterdrückt worden: Bor einigen Wochen wurden vom Eingeborenengericht in Bethanien fünf Hottentotten zum Tode und vier zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Einge borenen, welche sich arbeitslos in Bethanien Herum trieben und verschiedenen Ansiedlern als Arbeiter zugewiesen werden sollten, haben sich zugestandener maßen zusammengetnn, um die Weißen in Betha nien zu ermorden und einen Aufruhr zu erregen. Sie hatten zu diesem Zweck ein Gewehr, einen Ka rabiner und Patronen acstohlen. An den zum Tode Verurteilten ist am 12. Juni in Bethanien das Urteil durch den Strang vollzogen morden. * Reichstagswahlvorbrreitungen. Eine Ver- trauensmännerversammlung des Bundes der Land wirte in Nordhausen hat einstimmig beschlossen, die Kandidatur des Lehrers Holtz-Charlottenburg, der sich im Fall seiner Wahl der Wirtschaftlichen Vereinigung anschließen will und bereits vor einiger Zeit von den rechtsstehenden Parteien gemeinsam ausgestellt wurde, zu unterstützen. — Der reichslän dische Zentrumsabgeordnete Hoen hat seine Kandi datur für Saargemünd zurückgezogen. — In einer Versammlung der Zentrumspartei in Münster wurde mitgeteilt, daß Freiherr v. Herkling, der sich von seiner letzten Krankheit gut erholt bat, er klärt hat, wiederum eine Kandidatur für den Reichs tag im Wahlkreise Münster-Coesfeld anzunehmen. — Die Sozialdemokraten stellten für den Wahlkreis Essen wiederum den Redakteur Gewehr-Elber feld auf. Kuslanü. Veslerreich-Llnstarn. * Kaiser Franz Josef wird, wie jetzt endgültig feststeht, an den großen ungarischen Manö ver n im Südosten des Landes nicht teilnehmen. Diese Entschließung ist auf keinerlei politische Gründe, sondern einng und allein darauf zurückzuführen, daß des Kaisers Leibärzte die großen Strapazen der kriegsmäßigen Manöver für die Gesundheit des Monarchen als schädlich erachten. An seiner Stelle wird der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und der Chef des Eeneralstabes Frei herr Konrad vonHoltzendorff den Manövern beiwohnen. * schwere Anschuldigungen gegen einen General. Aus Rom wird dem Wiener „Deucschen Bolksblatte" gemeldet: Der Deputierte Saluzzo hat an den Kriegs minister eine Interpellation gerichtet, um zu erfahren, ob die kürzlich erfolgte Pensionierung des Vorsitzenden der Artillerie-Material-Uebernahms- kommission, des Generals Ghilardini, als eine Folge der von dem Hauptmann de Mario gegen ihn gerichteten schweren Vorwürfe sei, er habe bei der Uebernahme von Artillerie-Material vielfach Leichtfertigkeit und Inkorrektheit bewiesen. Man ist im Parlamente sehr gespannt auf die Antwort, die der Kriegsminister erteilen wird. * Demonstrationen gegen die Fleischteuerung in Wien. Die Agitation gegen die Fleischteuerung wurde am Montag in Wien auf die Straße getragen. Die Christlichsozialen und die Sozaloemokraten hielten, wie das „B. T." meldet, sehr stark besuchte Versammlungen ab, nach denen cs auf der Straße zu Kundgebungen kam. Die Christlichsozialen haben ihre alte Taktik erneuert. Sie wenden ihren Gegnern gegenüber Brachialgewalt an und schieben den Juden uno Sozialdemokraten alle Schuld an der Fleisch teuerung zu. Sie zogen unter den Klängen der Volkshymnc vor die Redaktionslokale der Partei blätter. Die Sozialdemokraten demonstrierten durch einen Zug über die Ringstraße, an dein etwa 10000 Aroeitcr reilnahmen, die Ruse gegen die Re gierung und die Agrarier ausbrachten. Die Polizei hatte umfassende Vorkehrungen getroffen: es kam jedoch zu keinen Ruhestörungen. — Wie von allen Seiten verlautet, ist Freiherr v. Gautsch mit allem Nachdrucke bemüht, von der ungarischen Regierung die Zustimniung zur Einfuhr einer möglichst großen Menge argentinischen Fleisches zu er wirken, dancit er bereits am Mittwoch, wo im Ab geordnetenhause die Debatte über die argentinische Fleischeinfuhr beginnt, mit der Mitteilung vor das Parlament treten kann, daß das Ministerium Khuen-Hcdcrvary sich damit einverstanden er klärt hat. Italien. * Der Papst, der am Montag infolge einer leich ten Temperaturerhöhung das Bett hüten mußte, fühlte sich am Dienstag wohler, und die Aerzte er laubten ihm, aufzustehen, doch muß er das Zimmer hüten. * Der Papst gegen den Spiritismus. Der Papst wird — nach einer Meldung aus vatikanischen Kreisen — demnächst eine Enzyklika veröffentlichen, die die Beschäftigung der Geistlichen mit spiri tistischen Experimenten verbieten wird. Der Papst hat die>e Kundgebung infolge einer Rundfrage beschlossen, die über die okkultistischen Wissenschaften vorgenommen wurde. Eine Anzahl von Bischöfen hatte sich veranlaßt gesehen, den Geistlichen ihrer Diözesen die Beschäftigung mit spiritistischen Experimenten zu untersagen. Die Enzyklika des Papstes wird die Angelegenheit jetzt prinzipiell entscheiden. England. . * Die Rückkehr des Königs au» Irland. Aus Santander wird gemeldet: Der König ist an Bord der Jacht „Giralde", die von dem Kreuzer „Reina Negente" begleitet wird, nach England abgereist. Portugal. * Die konstituierende Versammlung beschloß in der Nachtsitzung vom Montag zum Dienstag, die Tagung bi» zur Gesamtabstimmung über den De,etzentwurf betreffend die Behandlung der Verschwörer fortzuletzen. Die Gesetzesvorlage wurde von mehreren Rednern lebhaft bekämpft. Rußland. * Der Prokurator für das Preßwese, in Finn land hat seine Demission gegeben, mit der Be gründung, daß sein Gewissen ihm die von der Regie rung geforderten Maßregeln verbiete. Ebenso haben die Polizeichefs der finnischen Städte Björneborg und Wiborg demissioniert. In den nächsten Tagen erwartet man eine neue Machtmaßregel der Regie rung gegen Finnland. China. * Unruhen in der Mongolei. Pekinger Meldungen aus der Mongolei zufolge nimmt die Empörung dort einen beunruhigenden Charakter an. Vier Pettnger Regimenter sind in dce bedrohte Gegend, entsandt worden, da der Aufstand einen fr« mden feindlichen Charakter angenommen hat. pretzltimmen. Zu dem neuen Motuproprio des Papstes, der die Verlegung der Feiertage anordnet, macht sich in Süddeutschland, wie wir an anderer Stelle berichten, einstweileu einige Opposition geltend. In diesem Zusammenhänge ist eine Aus lassung der „Germania" interessant, die sich in einer Auseinandersetzung mit dem früheren katholischen Priester Carl Zeutsch folgendermaßen äußert: Die Antwort (auf die Frage, was die deutschen Katholiken wohl tun werden) kann den deutscher Katholiken nicht schwer sem: sie wecoen „mit dem Papste durch dick und dünn gehen, sich allen seinen Geboten unterwerfen." Wie kann man denn auch nur eine Sekunde daran zweifeln? Katholizismus und Papst tum gehören zusammen und können nicht getrennt werden, «schon die Kirchengeschichte lehrt uns, daß es einen gegen Rom protestierenden Katholizismus nicht gibt. Protest mag im Protestantismus zu Hause sein, wo er geboren wurde: der Katholizismus hat in Glauberissachen hierfür das Wort: Autorität! So steht es schon im kleinen Kinderkatechismus. Gerade diese An hänglichkeit der deutschen Katholiken an Rom ist un erschütterlich." Zu der bekannten Rede des englischen Schaizkanz- lers Lloyd George im Mansion House in London bemerkt die „Köln. Ztg." beschwichtigend: „Obgleich die Rede des englischen Ministers Lloyd George in ihr-in Schlüsse ,ehr friedlich ausllang, wird man sich darauf gefaßt machen mugen, daß iyr erster Teil in der deutschfeindlichen Prege als eine gegen Deutschland gerichtete Mahnung oder Drohung dargestellt werden wird. Unseres Erachtens liegt kein Grund vor, sich einer solchen Beurteilung an- zuschließcn, denn die gleiche Rede mit ihren für Lis Großmächte geltenoen Grundsirtzen hatte auch jeder nichtenglische Minister hatten rönnen, uird wir er innern uns, daß ähnliche Wahrheiten auch schon au; der Tribüne des Deutschen Reichstags au-^geivrochen wurden, ohne daß man darin kriegerische Neigungen oder Drohungen gegen ein anderes Volk erblickt br:ie. Daß jede Nation, die sich in ihrer Ehre oder ihren Lebensinteresfen bedroht sieht, das Nicht freundnch und geduldig hinnimml, sondern sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen wehrt, ist wohl selbstverständlich. Mehr aber hat Hcrr Lloyd George auch nicht gesagt, und Z.rude die sonst immer so friedliche Richtung dieses Ministers gibt keinen Grund, in seine Rede Hintergedanken bincinzudeutcn, die in der Rede selbst nicht enthalten sind." Wesentlich anders faßt die Wiener „Neue Freie Presse" die Auslassungen Les Schaizkuvz- lers auf, wenn sie schreibt: „Nach dieser Rede ist die marokkanische Frage keine Angelegenheit, die nur zwischen Frankrei.ch und Deutschland schwebt. England be in u bt ji ch ganzofsen die Konversation in Berlin zu sprengen. Während die im Parlam.-nie ge stellten Fragen über Brhandlungen in Berlin stets mit der natürlichen Begründung zurtickgcwiese n wurden, daß es schädlich wäre, im gegenwärtig.'» Augenblicke über Angelegenheiten zu sprechen, die noch in der Schwebe sind und fremde Regierungen angehen, hat Lloyd George ohne jede Rücksicht vor der Oeffentlichkeit in die Berliner Konversation hin- eingcgriffen. Seine offenen Drohungen müssen daher auch den Zweck haben, mit Hilfe der leicht erreg baren öffentlichen Meinung in Frankreich jenen französischen Staalsmmännern, die eine frtedllche Auseinandersetzung mir Deutschland wün schen, die Freiheit ihrer Politik zu nehmen. Die englische Regierung mußte die Wir kung der Rede Lloyd Georges genau ooranssehen. sie hat gewußt, daß sie damit den Anstoß zu ecr.er leidenschaftlichen Behandlung der Marokko frage g. . sie hat gewußt, daß die Reoierung einec parlamentarischen Republik für öffentliche Stirn mungen besonders empfänglich ist. Die Rede Les englischen Schatzkanzler könne sonach mittelbar odcr unmittelbar den Erfolg haben, die Führung dcr auswärtigen Politik Frankreichs in die Hand Eng lands zu legen. Die Rede des ennlischen Scharzka rz- lers muß störend auf den Verlauf der Konversation in Berlin wirken. Sie hat durch den von ihr her- vorgerufencn Widerhall in der französischen Presse die Neigung zum Entgegenkommen in Patts jeden falls geschwächt und die Franzosen in dem Glauben gestärkt, daß Deutschland ganz Ungeheuerliches ver lange. England schiebt sich zwischen Frankreich und Deutschland, und das ist für den Frieden Europas niemals ein Vorteil gewesen." Wie man sich in Rußland in gewissen Kreisen die weitere Entwickelung der Ereignisse in Persien denkt, zeigen nachstehende Ausführungen der „No- woje Wremja": „Wir brauchen keine Erweiterung unserer Greifen. In beMg auf die Ausdehnung und die Mage fremder Bevölkerung niederer anthropolo gischer Typen sind wir überlastet. Wir begreifen daher die Abneigung unserer Diplomatie gegen eine entschiedene Handlungsweise in Persien. Aber sei nem Schicksal kann man nicht entgehen. Ob nun unser Auswärtiges Ressort will oder nicht, wir wer den offenbar die Ruhe und die Möglichkeit friedlicher Arbeit an der kaukasischen Grenze in zuverlässigerer Weise sichern müssen, als es jetzt geschieht." Eine köstliche Juli-Süßspeise. Geschmorte Himbeeren und Johannisbeeren sie passen gut zusammen — mit !V! 0 !1 d 3 m I n Mleksiammvfi. Köstlich, nahrhaft und erfrischend. Mondamin überall erhältlich u 60, 30 u. 15 Pjg. Akzepte aus jedem Paket. ck„r««