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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.07.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110726013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911072601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911072601
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-26
-
Monat
1911-07
-
Jahr
1911
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Februar 1911. * Wie verlautet, wird der französische Generalissi- mu>.. Michel zurücktreten. Als sein Nachfolger wird lsieneral Pau genannt. (S. des. Art.) * Fortgesetzt kamen Nachrichten von zahlreichen tödlichen Hitzschlägen aus allen Gegenden. (S. des. Art.) * In China forderte eine große Ueber- s cki w e m m u n g s k a t a st r o p h e viele Opfer. (2. des. Art.) * Das Frankfurter Komödienhaus ist in Konkurs geraten. (2. des. Art.) * Der Kölner Oberbürgermeister schreibt eine I o - hanncs-Fastenrath-Stiftung für deutsche Schriftsteller aus. (2. des. Art.) Die perMche Gegenrevolution. Die Bedenken, die selbst entschiedene An hänger der von England auf das europäische Festland verpflanzten parlamentarischen Ein richtungen gegen ihre Ausbreitung über unent- wutclle asiatische und halbasiatische Völker hegen, sind vielleicht nirgendwo in solchem Grade durch die Erfahrung gerechtfertigt, wie in dem mittelasiatischen Lande, das durch einige Jahrhunderte als die klassische Stätte eines ebenso fessellosen wie korrupten Despotismus gegolten hatte. Nachdem eine aus der englischen Gesandschafr betriebene „Volkserhebung" tehera- nischer Mollahs und Kaufleute im Sommer von 1806 dem schwachen und kränklichen Schah Muzaffer eine „Konstitution" abgepreßt hatte, empfingen wir unbefangenen Beobachter den künstlerischen Genuß, etwa in den Formen der altattischen Komödie eine Parodie unserer P lrteistreite in einer Bretterbude abspielen zu sehen, die die persische Welt nicht bloß bedeutete, sondern sie wirklich zu sein wenigstens den An spruch machte. Zunächst fiel es auf, daß die Herren Landboten ihre Tagung bereits eröff neten, als nach menschlicher Berechnung kaum ne Wahlausschreibung in die — beiläufig doch roch sehr drahtarmen — Provinzen gelangt sein 'onnte. Lian mußte also entweder annehmen, zaß die Wahlen schon — von einer ge heimen Ncbenregierung — vollzogen waren, che sie von irgend einer befugten Stelle i.'.geordnet waren, oder daß die Herren des ungpersischen Komitees einfach sich selber ge- vühlt hatten. Für die letzte Vermutung spricht eie eigentümliche, nicht einmal in der Türkei sich wiederfindende Erscheinung, daß die jung persische, nationale und liberale Partei der „Medschlis" gar keine Gegenseite hat, nicht ein einziger Anhänger des Schahs dem Konvente an gehört, und demgemäß man noch gar keine De batten kennt, die messerscharfen Deklamationen besonders gegen den Thronfolger und späteren Schah Mohammed Ali ohne jedweden Wider spruch ins Land gegangen sind. Erst der neue, vor wenigen Monaten angekommene Regent Nasr el Mulk hat die Leutchen belehrt, wenn sie ä, la Europa Parlamentspielen wollten, müßten sie sich auch zu Parteigruppen organi sieren. Seitdem gibt es „Demokraten", „Libe rale" usw. im Medschlis. Doch scheinen sie rein äußerlich, etwa wie die Riegen ziemlich gleich befähigter Turnerschaften, gesondert zu sein. Ein halbes Jahr nach Einführung der Ver fassung stieg der als ihr Gegner längst bekannte Mohammed richtig auf den Thron. Wenn es noch eine Möglichkeit gegeben hätte, seine Ab» necgung zu überwinden, mußte das Verhalten der Kammer sie ausschließen. Ihr Mißtrauen machte sich in der wunderbaren Form geltend, daß sie ihn seinen Eid durchschnittlich alle Monate wiederholen ließ: als wenn diese heiligste Bin dung für gläubige und sittliche Menschen nicht durch solche Wiederholungen eher entwertet als gestärkt werde, geschweige für solche unsichere Kantonisten, denen man von vornherein ihre Verletzung zutraut! Es kam, wie es kommen mußte: während der Medschlis zu schwätzen fort fuhr, ob die immer von frischem verknoteten Eidcsstricke endlich halten werden, drillte der Schah vor seinen Fenstern durch russische Offiziere ein Kosakenregiment persischer Nationalität; und als es leidlich aktionsfähig geworden war, da schoß er eines schönen Morgens die Bretter bude zusammen mitsamt den Abgeordneten, die gerade drin waren. Die anderen aber ließ er aus ihren Betten holen und unter Martern hinrichten. Inzwischen hatten draußen im Lande einige gescheitere Leute für diesen vorausgesehenen Ausgang allerdings zweckmäßigere Vorkehrungen getroffen. Sie hatten, Englands „langem Parlamente" gleich, so eine Art von Parlaments heer geschaffen — fehlte leider nur der richtige Cromwell. Vor allem in des Reiches be deutendster Industriestadt Täbris, die schon etwas russischen Typus angenommen hat, standen bereits seit mehr denn Jahresfrist die„Liberalen" unter Waffen. Tag für Tag schlug sich in den Straßen und vor den Toren ihr Häuptling Satar Chan mit dem Schah-Anhänger Rakhin herum. In des despotischen Persiens alter guter Zeit hätten sich die persischen Clodius und Milo um Roß- oder Kamelherden gebalgt; jetzt hatten sie ihren Streit geadelt durch die großen „Prinzipe" Schah oder Medschlis? Vor allem der kriegerische Stamm der Bachtiaren hatte sich unter das Banner des „Liberalis mus" gestellt. Als nun von Teheran die Nach richt des Staatsstreiches kam, da brachten sie nach einer Weile eine für persische Verhältnisse starke „Armee" zusammen, die imstande war, siegreich nach Teheran zu ziehen. Mohammed Ali mußte in die russische Gesandtschaft flüchten und auf Kapitulation, welche ihm eine aus reichende Pension beließ, in das Land seines Beschützers abziehen. Daß seine Laufbahn damit nicht zu Ende sei, daß er wiederkommen werde trotz seines neuen Eides und dessen russischer Verbürgung, dazu bedurfte es keiner übermenschlichen Propheten gabe bei einiger Bekanntschaft mit seinem Cha rakter und dem seiner Bürgen. Heute, knapp zwei Jahre seit dem vom August da tierten Thronverzicht, ist der Fall eingetreten. Der Entthronte pocht an die Tore Per siens. Seinen russichen Freunden hat er natürlich ein brillantes Alibi besorgt, indem er von seinem stündigen Wohnsitze Odessa die etwas sonderbare Reiseroute über Wien nach Persien gewühlt und auch aus jener Zwischen station ihnen keine Ansichtskarte gesandt hat, so daß die russischen Warnungs-Depeschen, welche merkwürdigerweise nach Marienbad adressiert waren, Warnungen blieben, die ihn nicht er reichten. Die Entscheidung des persischen Parteistreites wird voraussichtlich sehr bald erfolgen. Die Regierung, besonders der Medschlis, scheint voll kommen ungerüstet überrascht zu sein und den Kopf dermaßen verloren zu haben, daß sie dem schon inAsterabad Eingezogenen erst vor den Toren Teherans entgegenzutreten gewillt ist. Das lange Zögern Nasr el Mulks und sein Hin- und Herreisen in Europa, ehe er zur Uebernahme der ihm übertragenen Regentschaft in die Heimat reiste, macht seine Gesinnung ohnehin verdächtig; ebenso seinen Premier- Minister, den Sepehdar, sein kürzliches rätsel haftes Verschwinden aus der Reichshauptstadt. Die größere Wahrscheinlichkeit spricht für den Sieg des alten Schahs. Seinem Siege aber wird — vielleicht nach langer Anstandsfrist — die Rache folgen. Und dann setzt wieder die Gegenbewegung ein, vielleicht mit Meuchelmord, wie ihm einst Nasr ed Din zum Opfer fiel; und dem Morde folgte Anarchie. 2m Falle der Niederlage aber, oder wenn sich der bevorstehende Bürgerkrieg hinzöge, käme die Anarchie noch früher — in manchen Provinzen waltet sie ja heute schon. Der Rest wäre, so oder so, Besetzung des Landes durch die Ruffen und die Engländer entweder im Einvernehmen oder gegeneinander. Die englische Oktobernote batte ja schon einen in zwischen längst abgelaufenen Termin für den Einmarsch in Aussicht genommen. Und Deutschland? Uns waren ja doch durch eine gewisse, ihrerzeit mit gewaltigem Tamtam angekündigte „Potsdamer Ab machung" wenigstens allerlei wirtschaftliche Vorteile versprochen. Der Minister, der uns die „Abmachung" besorgen wollte, ist krank ge worden, und an seiner Stelle schaltet ein unver antwortlicher Verweser von vielleicht gutem Willen — für Rußland —, der die Potsdamer Akten zum Nichtwiederfindenkönnen verlegt hat. So wissen wir heute weniger noch als vor acht Monaten, was aus der Bahn Bagdad—Hanikim, was aus der Urmia-Schiffahrts-Eesellschaft, was aus der Teheraner Bank werden wird. Die persische Weltgeschichte aber hat inzwischen eine weitere Etappe zurückgelegt, die uns weniger gefällt als anderen Leuten. Auch find wir jetzt anderweitig beschäftigt. Der „Ml «Mer" in türkischer Kulksllung. Ueber Lie Beurteilung des in der Presse mit zunehmender Lebhaftigkeit erörterten Falles Dr. Richter von maßgebender türkischer Seite erfährt der „Deutsche Bote": Herr Dr. Richter ist von Anfang an durch alle türkischen Instanzen dringend vor der Aus führung seiner Reise gewarnt worden, und zwar nicht, weil er sich in ein Räubergebiet be gebe, sondern in ein Gebiet, in dem griechische Ban den beständig ihren politischen Guerillakrieg führen, der ihnen übrigens dadurch erleichtert wird, daß die Grenze nicht absolut f.'stgelegt ist, sondern mehrere Kilometer breite Streifen in bezug auf die Grenz regulierung unsicher sind. Nachdem Dr. Richter scyon in Berlin abgeratcn worden war, haben die Behör den in Saloniki auf das strikteste jede Verantwor tung abgelehnt, wenn er sich gleichwohl auf seine abenteuerliche Neise machte. Dr. Richter hat s e l d st eine Erklärung u n t e r s ch r i e b e n, der zufolge er auf jede Verant wortung der türkischen Behörden für seine Sicherheit verzichte. Beiläufig hatten die Behörden in ^cuouikr den Eindruck, daß er nicht zu wissenschaftlichen Unter suchungen, sondern nur als Tourist und zum Zwecke photographischer Aufnahmen den Olymp bereisen wolle und gemäß seiner Ausrüstung auch nur rönne. Die Gendarmen, in deren Begleitung Dr. Richter sich zuletzt befand, waren ihm nicht offiziell zugeteilt, sondern er hatte sie auf seinem Wege angetrosjen, und sie gaben ihm auf ihrem Patrouillengang cm Stück Weges das Geleit. Für die türkische Regierung handelt es sich darum, daß sie es nicht mit gewöhnlichen Räu bern, sondern mit griechischen Banden zu tun hat, die politische Kämpfe führen und für deren Absichten cs beiläufig ganz erwünscht rsr, wenn sie der Türkei auch durch die schwierige Situa tion, in die sie die Regierung gegenüber der be freundeten deutschen Regierung bringen, einige Ver legenheit bereiten. Für die Türkei ist nun die Frage: soll sie, lediglich um das Wohlbefinden des so orel gewarnten Dr. Richter besorgt, ein phantastisches — jetzt merkwür digerweise in deutschen Banknoten gefordertes — Lujegeld hinwerfen und dadurch die Aufrührer nur weiter stärken?, oder aber soll sie den ganzen Nach druck zunächst auf die Verfolgung der Banden rich ten, um, anstatt sie zu neuen Taten zu ermuntern, ihrem Treiben ein Ziel zu setzen? Sie befindet sich vor einem geradezu unlösbaren Problem, wenn sie zur Unterstützung der Banden durch phantasnsche Lösegelder gedrängt wird, anstatt ihre Verfolgung durchführen zu können, und würde es dankbarer aus nehmen, wenn die deutsche Presse, anstatt ihrerseits den Staatssekretär des Auswärtigen zu scharfen Vor stellungen zu drängen, Wege zur Lösung die.es Problems andeuten wollte. So, wie gesagt, die Auffassung maßgebender tür kischer Kreise. — Unseres Erachtens ist es ganz gleich gültig, wie die türkische Regierung oder die verant wörtlichen lokalen Behörden Dr. Richter aus tun .Händen der Räuber oder Banden herausbckommcn. jedenfalls muß alles geschehen, daß Richter seine Freiheit wiedererlangt. Wie die Behörden das an stellen, ist ihre Sache. Wenn die Türkei verlangt, daß sic als „Kulturstaat" irgendwie ernst genommen werden soll, so muß sie eben unter allen Umständen für Leben und Sicherheit auch der Landfremden einstehen. Ob sie das mit Banknoten oder mit ihren Machtmitteln erreicht, ist nebensächlich. Oss KsnMlche Düerkammsnüll. Paris, 23. Juli. Ein schwerer Konflikt ist im höchsten fran zösischen Kommando ausgebrochen. „Genera lissimus" Michel befindet sich im Wider spruch mit dem Chef des Eeneralstabs, mit allen Mitgliedern Les Oberen Kriegsrates und mit dem Kriegsminister Messimy; seine De mission st eht bevor. Es handelt sich nicht nur um eine Meinungsverschiedenheit über den Ober befehl im Kriegsfall, sondern über das gesamte taktische System der Kriegführung. Als General Michel vom Kriegsminister Brun auf den höchst ver antwortlichen Posten des Vizepräsidenten des Oberen Kriegsrates berufen wurde, billigte man allgemein diese Wahl, da Michel zu Len besten Korpsführern gerechnet wurde und noch jung genug war, um vor der unerbittlichen Altersgrenze eine ganze Reihe von Jahren hindurch die effektive Höchstleitung der Armee in Händen behalten zu können. Der Kriegs, Minister selbst ist Präsident des Obern Kriegsrates; aber da er zu sehr mit administrativen Fragen und mit seiner Verantwortlichkeit vor dem Parlament be schäftigt ist, liegt die eigentliche Kriegsvorbereitung in den Händen des Vizepräsidenten, der auch die großen Herbstmanöver kommandiert und schon in Friedenszeit für den Oberbefehl an der Ostgrenze vorausbestimmt ist, darum den Titel „Generalissi mus in partibus" führt. Bekanntlich wurde dos Ministerium Monrs über die Oberbefehlsfrage ge stürzt: Kriegsminister General Goiran hatte im Senat auf eine Interpellation geantwortet, es gebe keinen Generalissimus, sondern nur Führer für die Heeresgruppen an den verschiedenen Landesgrenzen; es wäre ganz unmöglich, einem einzigen Manne das gesamte Oberkommando anzuoertrauen, da» in Hän den de, Präsidenten der Republik, de» Ministerrats und Les Oberen Kriegsrates vntbleib«. In der Kammer wurde die Interpellation erneuert und der Minister, obgleich er andeutete, daß seine persönliche Ansicht nicht mit allen Verfügungen über das Höchst- kommando rm Kriegsfall übereinstimme, in die Minderheit gesetzt. General Goiran verschwand in der Versenkung, obwohl er sich bei den Herbst- manövern als Korpsführer besonders hervorgetan haben sollte. Und jetzt fordert eine militärrsch-poli- tische Konstellation ein zweite» Opfer; General Michel, dem man die höchsten organisatorischen und taktischen Fähigkeiten als Leiter der gesamten Herbst manöver nachrühmte, von Lem man die größten Dinge erwartete, und der noch während vier Jahren den höchsten aktiven Posten bekleiden sollte, wird ab geschwenkt wie ein simpler Oberst, der wegen zu großer Korpulenz den „blauen Brief" erhält. Schon unter dein Kriegsminister Bcrteaux war Michel mit einem Mitglieds des Oberen Kriegsrates, dem General Laffon de Ladöbat, über eine taktische Frage in Konflikt geraten; Berteaux gab Mick>el recht. Diesmal stellt sich aber der gesamte Obere Kriegsrat wie ein Mann dem Generalissimus entgegen. Der „Matin" (und andere Zeitungen be stätigen den Bericht) schreibt: „General Michel hat schon seit langem, zu Recht oder Unrecht, das Ver trauen Ler andern Mitglieder des Overen Kriegs rates verloren. Er befindet sich nicht nur mit dem Chef des Generalstabcs in einem besonderen Punkte, sondern mit dem gesamten Oberen Kriegsrat in allen Fragen im Widerspruch. In einer Ler letzten Sitzungen, der er präsidierte, und in der die ernstesten Fragen der Landesverteidigung diskutiert wurden, befand sich General Michel bei drei aufeinanderfolgenden Abstini» mungen mit seiner Ansicht allein. Alle übrigen Mitglieder stimmten ausnahmslos gegen ihn. Da es sich um die Hauptfrage und Lie Grund lage unserer militärischen Organisation handelte, er- wartete man, daß General Michel demissionieren werde. Das tat er jedoch nicht. Selbst die Komman danten der Armeekorps verheimlichen nicht, daß sie nicht die Ideen des Vizepräsidenten des Oberen Kriegsrates billigen. Einige von ihnen gingen so weit, zu sagen, Laß sie im Kriegsfälle seine „Aus schiffung" verlangen würden." Nach diesen verblüffenden Enthüllungen des „Matin" folgt ein Artikel des Deputierten Clö- mentel, Rapporteurs des Kriegsbudgets, Ler in allen Einzelheiten den Konflikt bestätigt und merk würdige Reformen ankündigt. Clämentel, der in einem nächsten radikalen Ministerium Aussicht auf das Portefeuille des Kriegsministers hat, erzählt, Laß der Konflikt begann mit einer Konferenz, die der Oberstleutnant Erandmaison vor den sog. Marschall- Schülern, Len zu Len „Arbeiten des Zentrums der höheren militärischen Studien" berufenen Oberst leutnants, hielt. Krandmaison entwickelte die Doktrin des Keneralstabes über die Offensive — „die einzig wahre für das französische Heer". General Michel glaubte die Konferenz in einigen wichtigen Punkten richtigstellen zu müßen. Diese auseinandergehenden Ansichten über ein taktisches Hauptprinzip ver ursachten in militärischen Kreisen höchste Aufregung. Der Konflikt hierüber brach offen zwischen Lem Gene ralissimus und dem Chef des Generalstabes, Dub.nl, aus. Michel verlangte darauf vom Kriegsminister eine schärfere Unterordnung des General stabschefs unter den Generalissimus. Messimy aber gab Dubail recht; darauf begab sich Michel „zur Inspektion" nach Belfort und stellte an den Kriegs minister Lie Vertrauensfrage. Dieser soll vom Mi nisterrat die Versetzung Michels, vielleicht auf den Gonvcrncurposten von Paris, verlangen wollen, und gleichzeitig die von allen Mitgliedern des Kriegsrate? befürwortete Ernennung des Generals Pau zum Chef des General st abes und zu gleich zum Generalissimus! Messimy soll durchaus für Lie Vereinigung aller Funktionen des Oberkommandos in einer Hand eintreten; schon in Friedenszeiten muffe stets das befähigtste Mitglied des Oberen Kriegsrates ausgewählt werden, um sich mit voller Autorität für das höchste Kommando im Kriegsfälle vorzubereitcn. Weiter wird Lazu gemeldet: Paris, 25. Juli. (Eig. Drahtmeld.) Der natio nalistische Deputierte Driand kündigte dem Kriegs minister an, daß er beim Wiederzujammcntritt der Kammer eine Interpellation an ihn richten werde über die politischen Einflüsse, die sich nach dem Rücktritt des Generals Trömeau geltend gemacht hätten, um der Armee einen Generalissimus a u f z u d r ä n g e n, der von sämtlichen Mitgliedern des Obersten Kriegsrates als für Liesen schwieri gen Posten ungeeignet bezeichnet worden sei. Das Land müsse jene Männer und jene In trigen kennen, die die Befehle einer geheimen und internationalen Körperschaft höher stellten als die Lebcnsinteressen Frankreichs. «ns her itsliensilhen Diplomatie Das diplomatische Revirement hat in Italien be gonnen. Im Einverständnis mit dem Leirer der aus wärtigen Angelegenheiten Marguis di San Giuliano hat der Ministerpräsident Giolitti den derzeitigen Botschafter am Goldenen Horn di Mayor des Planches seine Temissron einreichen lassen und den Polizeipräfekten von Genua Senator Garroni zum Nachfolger bestimmt. Die offiziösen Blätter beeilen sich, dem ersteren die Demissionskrank- heit zu bescheinigen, die Gegner des „Diktators Giolitti" (der Alte dürfte das Epitl-eton eines Gewalthabers bis an sein Lebensende nicht mehr los werden!) aber nehmen die Gelegenheit wahr, einmal gründlich mit der Consulta abzurechnen und ihr an der Hand von Beispielen aus der jüngsten Ver gangenheit die vollkommene Unzulänglichkeit zu atte stieren. Wer dies« Blätterstimmen liest — es sind die» die einflußreichsten Organe in Mailand, Rom und Neapel — muß zu der Ueberzeugung gelangen, daß di« auswärtigen Angelegenheiten Italiens teils von ausgesuchten Schurken, teils von unübertrefflichen Tölpeln geführt werden, und daß der einzig leistungsfähige Diplomat der eben in sei nen vorzeitigen Ruhestand trerende Botschafter in Konstantinopel wär«. Daß sein Nachfolger Garroni mit keinerlei diplomatischen Vorkcnntnijsen belastet ist (er hat sich in der Oesfentlichkeit nur durch seine polizeilichen Streitigkeiten mit den seinem Herrn und Meister oerbüudeteu Sozialisten bemerkbar gemacht).
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