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Ur.20S. lOL. Urlttrysnü. hat dem Faß den Boden ausgeschlage». ^Welche Fähigkeiten bringt Herr Garroni für die orienta - Irschen Fragen mit?" fragt das „Liornale o'Iralia". .Kern«! Wann hat er sich «it auswärti ger Politik deichästigr? Niemals! Was eignet ihn für die Diplomatie? Nichts! Oder hat er wenigsten» ein« parlamentarische Vergangenheit? Ein« allge mein politische Bildung? Kein« Spur! Oder ist er wenigstens ein« hervorragend« Persönlichkeit zu nen nen, «in Mann von Nang und Wert, «in Funktionär, der «in gewisses Prestige besitzt? Nichts von alle dem . . In Vieser Tonart geht cs weiter. Wenn man dem „Giornale d'Italia", dem „Eorriere della Sera" usw. Glauben schenken will, mutz Italien unmittelbar vor dem Nuin stehen, wenn ntcht schleunigst der Leiter der auswätrigen Politik das Bündel schnürt Nicht die Botschafter h.il^n die angeblichen Mißerfolge Italiens in Konstantinopel bei der albanischen und tripolita- nischen Frage und in Paris und Berlin bei der marokkanischen Frag« verschuldet, sondern einzig und allein Marquis di San Giuliano, der viel angefcinderc Leiter der Consulta. Er ist überall zö gerns, furchtsam, zurückweichend gewesen und hat es — immer nach dem Zeugnis der genannten Blätter und ihrer sehr maßgeblichen Hintermänner, zu denen der friil)erk Ministerpräsident Connrno und der aus wärtige Minister di Guicciardini in erster Reihe zählen — durch seine A n g st h a s e n p o l i t i k zuwege gebrecht, daß Italien im Konzert der Groß- möchte nicht mehr ernst genommen wird! Im Falle Garroni vergißt man. dast beispielsweise Herr Ti to n i. dessen Verdienste nm di« auswärtig« Politik rast nirgends bestritten werden, vor seinem M i - nisterdebüt gleichfalls simpler Polizei präfekt qervesen war! Nun sollen auch di« Bot- schafter in Berlin und Wien für den Fall reif sein. Besorgte Italiener fragen, was für unbekannte Größen der Diktator Giolitti für diese Posten auf seiner unheimlickren Kandidatenliste haben mag! 2-1. verdLnüstay des Lüch- lilrhen Znnungs-Verbsnües. Freiberg, LI. Juli. Am Montag hielt der Sächsische Jnnungsverband seine Haupiversommlung ab. Der VerbandsvorsitzenLe Kamincrrat Sradtral Schröer Dresden eröffnete die Versammlung mit begrüßenden Worten. Die Rede schloß mit einem Hock, aus den König. Amtshaupt mann Dr. Vollmer betonte in seiner Begrüßungs rede, dast die Innung als solche nur dann Erfolg baden kann, men» sreies, frisches Leben in ihr herrscht. Die Negierung sichere dem Handwerk ihre Sympathie und Unterstützung zu. — Otrerbürgermeister Haupt- Freiberg gemahnte zum Selbstvertrauen, Gcmein- 'chaftszesübl uno technischen Fortschritt. — Ncichs- latzsaogeordnelcr Dr. Wagner-Freiberg meinte, daß un Handwerk und Kleingewerbe auch der Satz gelte: „Trotz Fleiß manchmal kein Preis." Es müße aber wieder Lazu kommen, daß ehrliche Arbeit wieder Len Preis findet. Len sie verdient. Das einzige Mittel zur Erreichung der Ziele des Handwerks sei Einigkeit, und da^u rate er. — Landtagsabgeord- neter Direktor Sch m i d t-Freiberg hob in seiner Begrüßungsrede hervor, datz der Pund der Land» kewuger Tsyev!»n. wirte dem Handwerk aus wirtschaftlichen und voli- tlschen i ,runden das allergrößte Dnteresse und seine Unterstützung cntgegenbringr. — Im Namen der sächsiichenchewe. bcta.nmeni begrüßte Gewerdekammer- vorsitzender G r u n e r-Lerpzig den Innungstag. Hierau» erfolgten Beratungen über die allgemein« Einführung der vierjährigen Lehrzeit im Handw ik. Berichterstatter hierzu war Uhrmacher obermeister Schmidt-Dresden. Der Berich! gipfelte in einem Antraae, wonach der Verbandsvorstand bei den Gewcrbekammern vorstellig werden soll, datz den um die Einführung der vierjährigen Lehrzeit an suchenden Berufen enrgegenaetommen und ihre Ein führung für das gan,e Land beim Miniüerium des Innern nachgesucht werden soll. — In der Debatte wurde rn Uebcrcinstimmung mit dem Re ferenten beklagt, datz sich trotz aller Schule bei den tsieiellenprüfungen hinsichtlich der "christlichenArbeiten der Prüflinge vielfach traurige Resultate eezeigt haben. Die zwangsweise Einführung der vierjährigen Lehrzeit für das ganze Land wurde als bedenllich bezeichnet. Schließlich fand der Antrag gegen eine Minderheit A nun hm e. Danach hielt Bürgermeister Dr. Eberle- Nossen einen Vortrag über Las Submissions wesen. Er trat mit Entschiedenheit für die Beseitigung des Grundsatzes des Mindestgehalts aus den staatlichen und kommunalen Sub- missionsoronunacn ein. Bei den Werkverträgen werde gegenwärtig zu viel auf das Geld und zu wenig auf die Leistungen gesehen. Es müsse in Zukunst auch beim Lieferungsvertrage der natürliche Grundsatz des angemessenen Preises gelten. Staat und Gemeinde könnten Gott danken, wenn sie für jeden ausgegebenen Plennig angemessene Gegenleistungen erhalten. Diese Grund sätze sollten nun in Dresden zur Durchführung kommen, womit die Bedenken praktischer Art hin fällig würden. Zum Schluß ermahnte der Redner die Handwerter zu Einigkeit und Zusammenschluß und empfahl das Submissionsamt und die Mittel standsvereinigung als geeignete Organisation hierzu. Weiter sprach Malerobermcister Engelhardt- Zwickau über die Jnnungsarbeitsnachweise, deren Erhaltung bzw. Errichtung, und erklärte hier- bei, daß die Leistungen der öffentlichen Arbeitsnach weise sebr bemcrlenswert sind, für die Innungen aber nicht vorteilhaft wirken, weil sie meist un- gelernte Leute vermitteln oder die Arbeitsuchenden an faftche Stellen bringen. Gegen die paritätuchen Arbeitsnachweise müßten die Innungen Front machen, weil jeder Arbeitsuchende organisiert sein muß, worunter der unorganisierte Arbeiter leidet. Wenn die Meister Herren in ihrer Werkstatt bleiben wollten, müßten die Innungsnachweise erhallen werden. Während in der Debatte mit Wärme für die Erhaltung der Innungsnachweise eingetreten wurde, fehlte es auch nicht an der Meinung, daß in den Großstädten gegenüber dem Drucke der Gewerk schaften sich die Innungsnachweise wohl kaum werden halten können. Einige Redner erblickten in den paritätischen Arbeitsnachweisen neue Instrumente soz,aldemotratischer Machtenifalrung. Die Mehrheit der Debatteredner sprach sich für die Erhaltung der Jnnungsnalbweise als das Beste für das Handwerk aus. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. Es folgte ein Referat des Schlosserodermeister» Neuschild-Dresden über die immer dringender werdende Notwendigkeit der Inkraftsetzung des 2. Ab- Schnittes des Gesetzes zur Sicherung der Baufocde- rungeu. Das Referat gipfelte in folgender Rejo- lunon: „Der 2t. lächüschc ^nnunzstag erklärt »n An lehnung an den Beschluß des voriährigen Innungs tages: l) Latz die Bestimmungen des ersten Teiles oes Gesetzes zur Sicherung der Bauforderungen un genügend sind, 2) daß die Se»dsthiljc und 8 :tk» des Gewerbcgssetzes keine Abhilfe bringt, sondern dieselbe nur durch Gesetzeskraft erreicht werden kann ourch Bcieitigung der Mängel im Grundstückshandel und Hypotheken wesen, durch Bekämpfung des Boden wuchers und der Terrainspelulation, sowie der Bau- gelLgever und Baubanken, die einzeln oder ge meinsam den Bauunternehmer ausnützcn und über vorteilen. Nach einer kurzen Mittagspause erstattete Hof- zimmermeister N oack-Dresden Berichs über die Idee, das Programm und den derzeitigen ^tand der Säch sischen Handweits-AusjteUung zu Dresden iin Jahre füll und lud zu deren Forderung und Beschickung ein. Weiter stand aui der Tagesordnung die Be schlußfassung über die geplante Altersrentenkasse für sächsische Handwerker. Hierzu referierte für den geschäftsfiihrenden Vorstand König!. Kammerrat Stadtral Schröer-Dresden. Ein versicherungstechnisches Gutachten Hal ergeben, daß die Beiträge in dem vorliegenden Satzungs entwurf zu niedrig eingeietzt waren. Demnach ve- rmtragtc der Verbandsvorstand: 1- den Ltatuten- entwurf dem technischen Gutachten entsprechend abzu ändern, 2) die Veröandsinnungen zu verpflichten, von jedem ihrer Mitglieder eine jährliche Extra steuer von 10 zugunsten der Altersrententasfe zu erheben und 3) oen geschäftsfiihrenden Vorstand mit dem Erlaß eines Aufrufs zur Sammlung von frei willigen Beiträgen zur Beschaffung eines Reserve fonds zur Altersrentenkasse für sächsische Handwerker zu beauftragen. Die grotze Sitze. Berlin, 2b. Juli. Trotz einiger Nachtgewitter brütet die Hundstagshitze hier unvermindert weiter. Mehrere tödliche Hitz sch läge sind sestgestellt. Der Arbeiter Wrensch aus der Sickingenstraße war auf dem Dach« beschäftigt. Kurz vor 9 Uhr brach er, vom Hitzschleg getroffen, plötzlich zusammen. Seine Arbeitsgenosscn brachten ihn rasch nach dem Kranken haus: er starb aber auf dem Weg in die Droschke. — Ein Arbeiter Joseph Czesnat, der sich ohne Woh nung hier aufhielt, wurde vor dem Hause Weber straße 22 besinnungslos aufgefunden und starb eben falls auf dem Wege nach dem Krankenhause. — Tot nufgefunden wurde in der Fröbelstraße ein ebenfalls wohnungsloser Mann namens Wilhelm Thiel. Der Arzt des städtischen Obdachs konnte nur noch fest stellen, daß er bereits tot war. Berlin, 2b. Inli. lRnhrfällc.s Auf dem Truppenübungsplatz in Döberitz, wo sich das L. und 4. Garderegiment sowie verschiedene Reservcabteilunqen zur Uedung befinden, sind meh rere Fälle von Ruhr aufgetreten. Der ganze Truppen übungsplatz wurde abgcsperrt und umfangreich hygienische Maßregeln getroffen, doch wird der Dienst aufrecht erhalten. MMwoÄ, 26. IMi lSN. Xöl». 25. Juli. Die große Hitze hat gestern in der Rheinprovinz zum größten Teil angehalten. Sie erreichte an der Mosel mit etwa 52 Grad rn derSonne ihren höchsten Stand, Es werden zahlreiche Unglücksfälle infolge der Hitze gemeldet. In Koblenz riß sich gestern ein Gefreiter d«s 9. Fup artillerieregiments die Kleider vom Leibe und sprang von der Schiffsbrücke in den Rhein. Er verschwand in den Wellen. Weiter werden zahlreiche ^itzschläge mitgeteilt, besonders auch Verluste an Diehtrans- porten. In Krefeld ertranken gestern zwei Beton arbeiter beim Baden. 5>i. Köln, 25. Juli. In den letzten Tagen sind aut der mittelrheinischen Strecke insgesamt .50 Per sonen durch Hitzschlag oder Ertrinken zu Tode gekommen. St. Mainz. 2b. Juli. Die Hitze verursachte eine solche Dürre, daß die Obstzüchter ganz bedeutenden Schaden erleiden. Das halbreife Ob st fällt fast vollständig gedörrt von den Bäumen und, was noch schlimmer ist. auch Obstbäume selbsi gehen massenhaft zugrunde. Trier, 25. Juli. Infolge eines Blitzschlages brannten heute nacht die Wirtschaftsgebäude der Domäne Roscheiderhof ab. Viele hundert Zentner Heu und Stroh wurden vernietet Bei der ab normen Hitze fehlte es an Wasser. Minden. 25. Juli. Infolge der großen Hitze ist der Wasserstand der Weser so niedrig, wie seit vielen Jahren nicht. Die Schiffahrt ruht fast gänz lich: Kähne können höchstens halbe Fracht aufladen. Das macht sich besonders unangenehm bemerkbar für die zahlreichen Viehzüchter, die gewohnt sind, ihre Futtermittel. Gerste, Weizen usw. auf dem Wasser wege zu beziehen. Duisburg, 25. Juli. Hier ertranken beim Baden im Rhein in Len letzten Tagen elf Personen, Larunter fünf Schüler. Obgleich die Mehrzahl der Verunglückten Les Schwimmens unkundig war, hatte sie die große Hitze doch ins Wasser getrieben. Straßburg. 25. Juli. Hier ertranken vier Personen, darunter ein Soldat. Alle konnten schwim men, erhielten aber im Wasser einen Sonnen st ich und gingen unter. München. 25. Juli. Infolge der Hitze sind aus verschiedenen Orten Bayerns Todesfälle an Hitzschlag gemeldet worden. In Ansbach kann das Wasserwerk das erforderliche Wasserquantum nichr mehr herveischaffen. Von einem in München ange- kommenen Schweinetransport waren 60 Tiere infolge der Hitze verendet. Nürnberg, 25. Juli. Infolge des dnrch die Hitze veranlaßten hohen Wasserverbrauches hat der Ma gistrat eine Einschränkung der Wosserabgabc ange ordnet. um einem Notstand vorzubeugen. Laut amt licher Mitteilung ist das Thermometer auf der hiesigen Wetterwarte am Sonntag bis auf 66 Grad und im Sonnenbad aus dem Westfriedhof sogar bis auf 71 Grad gestiegen. I'. O. Wien, 25. Juli. Die mörderische Hitz«, die 38 Grad Telsius im schatten erreichte, hat zahlreiche Opfer gefordert. Vier der vom Hitzschlag getroffenen Personen find im Laufe der Nacht gestorben. Andere Oer Äci; üer Seiüe. Von Johannes Trojan. t^'achvruck verboten.) Heid« wird lM Osten unseres Vaterlandes viel fach ein Wald genannt, zumal Kiesernwald, der auch Kicsernheide heißt, und auch größere Forsten, in oenen Nadelwald und Laubwald miteinander ge mischt sind, heißen Heid«. Di« eigentliche Heide ober, di« richtige Heide, möchte ich jagen, wird im nordwestlichen Deutschland aus weilen ossenen Boden- ,lachen gebildet, die ganz von Heidekraut überwachsen sind. Unter dieser Heid« stellen sich viel«, Vic si« nicht kennen, eine öde, langweilige tvegenv vor, in der nichts zu holen ist; wer aber die Heide kennt, weiß, wie reizend sie ist, und welchen Zauber sie in sich birgt. Das muß man ja zugeben, daß di« richtige Heide bis in den Sommer hinein fahl und braun aus- neht. als wäre sie tot. Sic mach: Liesen Eindruck nn FrüLIing, wenn man aber genauer zwisä>en dem auch nur scheinbar abgestorbenen Strauchwerk, das sie be eckr, zujiehl, findet man da doch einige sehr hübsche kleine Blüicnpflanzen, darunter zwei LKerensträuct)- lein, die Krähendeere und dl« Bärentraube mit nied lichen rötlich-weißen und roten Blumen, den zier lichen Gaspcldorn oder Stechginster sowie einen anderen kleine» Ginster, beide mit gelben Schmetter- lingsblüten, und die allerliebste Moo.heide oder La- vcndelheiöe, auch Grünte genannt, deren botanisck-er Name Andromeda lautet. So ist sie von Linno ge nannt ihrer Schönheit wegen, durch di« sie ihn an die einst vom Perseus gerettete Königstochter dieses Namens erinnerte. Da die Prcißelbeer« auch schon früh ihre netten Blütentroubchen entwickelt, so fehlt es der Heide schon im Mai und Juni durchaus nicht ganz an Blüten, über denen die Heidelerche ihr Lied erschall«« läßt, ihr« wundervolle Färbung aber er hält die Heide erst gegen Ende des Monats Juli. L wi« ost bin ich in zwei Sommern, in d«nen ich meine Sommerfristt)« zu Wiesen an der Aller adhielt, um die Zeit der Heidekrautblütc in der Lüneburger Heide umhergewandert viele Stunden lang, und bin keinem Menschen begegnet außer dem Hirten, der mit dem Strickstrumpf in den Händen hinter seiner Herde von schwarzen Schäflcin, den Heidcschnuclen ging, und habe nichts sonst gehört als das Summen der Bienen! Wie fern liegt einem da das Geräusch und der Lärm r»er großen Siadt! Ja, diese Stille und Einsamkeit der Heid« erfüllen das Herz mit Frieden und dringen es zur Ruhe. Das Bienengesumme singt es ein, wie das Schlafliedchen der Mutter an der Wiege des Kindes tönt cs. Mit dem llmherwandern aus der Heide ist cs ein eigen Ding. Bor lauter Wegen, könnte inan sagen, sieht man den Weg nicht. Von alten Zeilen her führen große Straßen über die Heide, da aber jeder gehen kann, wo er will, ohne auf bebautes Land zu kommen, so bestehen diese Straßen aus einer Unzahl von Wegen, die nebeneinander und durcheinander laufen. Viele davon sind im Lause der Zeit rief cingerreten oder cingeiahren, zum Teil aber schon wieder mit Heidekraut überwachsen. Daß man über haupt «inen Weg unter sich Hai. ist einem manchmal recht lieb, weil an vielen Stellen das Heitekraut- hedüsch halbe Mannshöhe erreicht. So ho<d wird da» Heidekraut doch lange nicht, wo es im Wald« vor- kommt. Die am meisten auf der Heibe verbreitete, ihr« Eharakterpslanze, ist das gewöhnliche Heidekraut, von den Botanikern EnUnnu vulL-u-it», früher türsiou vul^ru-is genannt. Ihr deutscher Name lautet auch einfach Heide, wie auch das aus dem Griechischen gammende Wort zugleich Heide und Heidekraut be deutet. Besenheide ist auch eine Benennung des ge meinen Heidetrautes geworden, weil es dem Bescn- binder brauchbares Material Larbietet. Als Besen zu dienen, kann wohl nicht gerade für vornehm gel- rcn; trotzdem ist das Heidekraut mit seinen wie klei- nen Tannennadeln gestalteten Blättck^en und den zier lichen roten Blüten ein feines Kraul, das sicherlich mit mir viele, wenn es zu blühen ausängt, mit kaum weniger Freude begrüßen als im Frühling die ersten Veilchen. Und welch ein Jubel wird erst bei den Bienen l)«rrsä)en, wenn es — jo etwas sprich! sich ja rasch herum — eines Tages heißt: „Das Heidekraut blüht!" Wie bei anderen rotdlütigcn Pflanzen — dasselbe gilt von blau- und violettblütigen — komm» auch beim Heidekraut ab und zu ein Exemplar mit weißen Blüten vor. Einzeln« weißblütige Heidetrautsträuch- lcin habe ich oft und an vielen verschiedenen Orten gesunden, in der eigentlichen Heide aber auch eine ganze Anzahl solcher lxsieinander stehend, jo daß ein Stticklein des Bodens völlig weiß dadurch gefärbt war. Weiße Heid« zu finden, so heißt es, dringt Glück. Daß es immer Glück dringt, glaube ich nicht mit Bestimnnheit sagen zu können, in zwei Fallen aber traf es bei mir ein. Einmal, nachdem ich weiß blühende Heide gesunden hatte, gelangte ich bald dar auf aii einen Brombeerstrauch mit zahlreichen reifen Früchten, die mir köstlich mundeten. Ein andermal entdeckte ich nach dem LLeißheidcnsund in einer Boden senkung eine sich sonnende Kreuzotter, die zu beob achten mir viel Freude «nachte. Eine unserem gewöhnlichen Heidekraut sehr ver wandte Art ist die Moor- oder Glvckenheide (Li-iea T«t.rulix). die auf feuchtem Heideboden und auf dem Moor wächst. Es ist ein« sehr anmutige Pflanze mit bläulich-grünen Dlättck)en und fleischfarbenen Blüten glöckchen, die mitunter auch weiß erscheinen. Dl« G'.ockenheidc, die etwas früher erblühend als ihre Verwandte, Lem Boden einen rosigen Schimmer ver leiht, ist im wesentlichen eine Pflanze des westliä)«n Deutschlands und kommt im Osten nur auf vereinzel ten Plätzen vor, zuletzt „och auf der Halbinsel Hela, wo ich sie vor Jahren in Menge gefunden habe. Die Fischerlinder dort binden kleine Sträuße aus Moor heide, womit ein nicht uneinträglicher Handel betrie ben wird um die Zeit, da die Badegäste aus Zoppot mit dem Dampfschiff aus Besuch nach Hela kommen. Heide und Bloor gehören zusammen, es zählen daher reizende Moorpslanzcn mit zur Flora der Heide. Solche sind ein hoher großblütiger Enzian lOonricum I'neumon.inrstcf von herrlich blauer Dlütenfarbe, der rundblütterigc Sonnentau (I>cx-arn r-otunäi- roliu), der eine der sonderbaren „fleischfressenden" Pflanzen ist, der start aromatisch duftende Porst oder wilde Rosmarin der als „Mottcnkraut" auf die Märkte unserer Städte kommt, die Sumpfheidelbeerc und die Moosbeere (Vnecinium oxvooeax>s), deren wie winzige Aepfelchen anzusehendeu Früchtlein nicht weniger hübsch sind als die im Frühling erscheinenden langgestielteu kleiner. Blüten. In der Heide werben hier und La die Früchte der Moosbeere für den Küchengedrauch gesammelt, und zwar im Winter, wenn der Frost das Moor, das im Sommer nur mit großer Vorsicht zu betreten ist, gangbar gemacht hat. Das rut dem Wert der Beere leinen Eintrag, denn durch den Frost erst wird sie geniegbar und schmackhaft. Von viel mehr Wichtigkeit und Wert als das Einjammeln der Moosorereu ist das oer Preißel- deererr. Da es sehr darauf ankommt. Lag die Ernte gut aussällt, so wird in der Heide obrigkeitlich be- tunnlgemacht, wann mit dem Einsammeln begonnen werden darf, wie in den Weingegenden amtlich der Lag der beginnenden Lese bekanntgegeben wird. In der Heide geschieht das bei den Preißelbeeren des- halb, um zu verhüten, daß einer unreife Früchte ein- sommeln oder sich vor andern einen geschäftlichen Vorsprung verschaffe. Ganze Familien ziehen dann, wenn gesammelt werden darf, mit Kind und Kegel am frühen Morgen schon unter Mitnahme von etwas Nahrungsmitteln auf die Heide hinaus, um erst am Abend ins Haus zurückzukehren. Das liefert, wenn es kern schlechtes Preitzelbecrjahr ist, einen recht hübsche» Ertrag. Dazu blüht di« Preißelbeer« oder Kronsbeere, wie sie in der Heide heißt, zweimal im Sommer, zuerst im Mai und Juni und dann im August noch einmal: cs folgt deshalb der Hauptleje, die um di« zweite Blütezeit stattfindel, noch eine Nachlese im Oktober. Schad«, daß es beim Wein in jedem Jahr nur eine Lese gibt! Von ganz besonderem Wohlgeschmack sind die in der Heide aus frisch gepflückten Preißelbeeren be reiteten Speisen. Eine andere Delikatesse der Heide kommt von den grauen und schwarzen Schäflcin. So eine vier bis fünf Pfund wiegende Heidschnuckenkeule schmeckt wie der leckerste Wildbraten. Endlich ist der Honig, der immer noch in der Heide gewonnen wird, «ine Kostbarkeit ersten Ranges. O wie vieles, was man in der Welt als Honig aufgetischt bekommt, hat mit der Süßigkeit, die von den Bienen aus den Blumenkelchen herausgeholt wird, so wenig zu tun wie oer nachgcmachte Wein mit dem Rebstock. Ader der Honig der Heide ist echter Honig. Dcneben wird noch das Wachs gewonnen, das von alter Zeit her das schönste Belcuchtungsmaterial für den 3veih- nachtsbauin liefert. In der Heide ist mancherlei Interessantes zu sehen, so zum Beispiel viele aus uralter Zeil stammende Hünengräber. Die größten davon sind die sieben Sleinhäuser von Fallingbostel. „Sieben" wird immer noch gesagt, fünf aber sind nur noch da, denn zwei von ihnen wurden in neuerer Zeit zerstört und wcggetrogen. Diese fünf, bei denen gewaltige Granit-Frndlingsblöckc die Trag- und Declsteine bil den, sind eine große Sehenswürdigkeit. Wo solche Grüber sind, das ist die Gegend, in der es umgeht; wo der Wanderer des Nachts einem drei- dcinigcii Hunde mit funkelnden Augen oder einem j Mann ohne Kopf begegnet oder eine feurige Kugel hinrollen sieht. In solche Gegend gehören die Irr lichter, die auf dem Moor tanzen. Mancher denkt, es fehle der Heide an fließendem Wasser, das ist aber durchaus nicht der Fall, wenig stens nicht in der Lüneburger Heid«. Die Flüßchen, die sie durchströmen und sich in die Aller ergießen, kommen auf der einen Seite vom Harz, auf der an dern von einem ansehnlichen Höhenrücken herunter. Sie erinnern an Gebirgswässer in ihrem Gang und trete» nicht selten über ihre Ufer. Biele Mühlen werden von ihnen getrieben. Sehenswert sind die Dörfer, di« über die Heide verstreut liegen. Da finden sich noch die alten deut schen Bauernhäuser ohne Schornstein, mit der großen Diele und den beiden Pferdelöpfen am Giebel des Strohdaches. Dann stehen in den Dörfern und der ihnen mächtige alte Bäume, Eichen und auch Buchen, auf denen die Stare abends ihre Versammlungen abhalten. Auch die Heide selbst ist übrigens nicht ganz ohne ursprünglichen Baumwuchs. Es gedeiht auf ihr der WachoÜ>er, der gewöhnlich als Strauch, mitunter auch in hochstämmiger Baumform nor- kommi. Wo viel Wacholderstcäucher mit zugespitzren Wipfeln dastchen, erinnert die Landschaft an einen Friedhof. Um die Heidedörfer herum ist selbstverständlich seit langer Zeit schon das Heidekraut ausgerotret und das Land in Felder und Wiesen verwandelt. Dort erblickt man auch häufig ein Ackerstück, das mit Buch weizen oder Heidekorn bestellt ist. Nicht weil es zur Heide gehört, sondern weil es von den Heiden, den Tartaren, zu uns gekommen ist, heißt dieses Gewächs so. Wenn es in voller Blüte steht, sieht es aus, als wäre der Boden mit Milch übergossen. Im übrigen ist nicht viel Verlaß auf den Buchweizen, bald ge deiht er gut, und bald mißrät er, wie auch — wenn auch nicht in demselben Matze — das Sommerlorn. In Ostpreußen, wo der Duchrveizen nach Lem littau ischcn „xrisikni" Grick heißt, gibt es ein Sprichwort: „Sommerkorn und Trick Bringen dem Bauer Glück." Ein anderes Sprichwort lautet: „Sommerkorn und Grick Bringen den Bauer zurück." Noch manche» ließe sich über die Heide sogen Eigener Art find auch die Bewohner der Heide, bei denen sich mit dem alten Bauernhöfe viel von alten Sitten und Bräuchen erhallen hat. Die Heide ist im Eingehen begriffen und ver schwindet mehr und mehr. Vor zwanzig Jahren bin ich in ihr umhergewandert tagelang, und wieviel von ihr wird seitdem unter den Pflug genommen oder aufgeforstet sein? Zuletzt bleibt nur ein kleines Stück von ihr zurück, das als „Naturdenkmal", wie es heißt, bewahrt bleiben soll. Das ist ja sehr zu loben; Len aber, der die alte weite Heide in der Erinnerung hat, wird es doch eher traurig als froh machen, wenn er das erhalten gebliebene Stück sich ansieht, von dem noch gesagt werden kann: ^n ihrem Festtagskleide Ko wundervoll zu schau'n, Srrht prangend jetzt >die Heide, Die lang' war fahl und braun. Auf einmal sie erglühte Geschmückt wie «ine Braut, Das hat mit roter Blüte Gemacht das Heidekraut.