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Im gewöhnlichen Sinne gesprochen haben die Fette keinen Geschmack, sondern machen sich auf der Zunge nur durch ihre Fettigkeit und Ge schmacklosigkeit bemerklich. Ihre Konsistenz ist sehr verschieden: die Oele sind flüssig; die Fette und Butterarten find weich; die Wachs arten, die Talgarten sind hart, selbst spröde. Ihre Dichtigkeit (spe- cifisches Gewicht) ist stets geringer als die des Wassers; sie schwankt zwischen 0,90 bis 0,93. Die Kälte macht die fetten Körper, welche bereits fest sind, bärter, und bringt diejenigen, welche bei gewöhnlicher Temperatur flüssig sind, meistens zum Erstarren; die Wärme dagegen macht die fetten Körper, welche bereits flüssig sind, noch flüssiger und bringt diejenigen, welche gewöhnlich fest sind, zum Schmelzen. Die natürlichen fetten Körper beschmuzen das Papier, d. h. sie macken es durchscheinend, ohne daß der Fleck durch Erwärmung zum Verschwinden gebracht werden kann. Die Fette durchdringen leicht die Körper, mit welchen sie in Berührung kommen, aber diese Kör per werden davon nicht wie vom Wasser durchweicht. Die Fette ziehen sich sehr leicht in Thon ein , und man benutzt bekanntlich diese Eigenthümlichkeit, um Fettflecken aus Papier, Kleidungsstücken, j Holz, Steinen u. s. w. zu entfernen. Die fetten Körper sind in Wasser beinahe ganz unlöslich; man betrachtet sie sogar gewöhnlich als vollkommen unlöslich. Indessen, wenn man ein Oel mit vollkommen reinem Wasser behandelt und die Mischung beider Flüssigkeiten sich klären läßt, so kann man, wenn man nachträglich das vom Oele wiederum getrennte Wasser mit Aether schüttelt, den Aether sammelt und verdampft, eine Spur von Oel aus dem Wasser ausziehen, die man nach der Verdampfung Les Aethers entdeckt. Umgekehrt lösen die Oele etwas Wasser, wel ches durch gelindes Erwärmen davon getrennt wird. Kalter Alkohol löst die fetten Körper kaum, kochender Alkohol löst etwas mehr davon, aber beim Erkalten der Lösung scheidet sich wieder alles gelöst gewesene Oel ab. Nur das Ricinusöl und das I Crotonöl sind in wasserfreiem Alkohol sehr leicht löslich. Der Aether ist im Allgemeinen das beste Lösungsmittel für die ' fetten Körper. Auch das Steinöl, Benzin und die ätherischen Oele lösen die Fette mit Leichtigkeit auf. Die fetten Körper im Allgemeinen und die Oele im Besondern lösen in der Kälte kleine Quantitäten von Schwefel, Phosphor und Selen; in der Wärme lösen sie mehr von diesen Stoffen und sehen dieselben beim Erkalten in krvstallisirtem Zustande ab. Sie mischen sich auch mit den Chloriden des Schwefels, Phosphors und Arsens, sowie mit Schwefelkohlenstoff. Einige Salze, wie die kohlensauren Alkalien, das Chlornatrium, die basischen Salze des Kupfers, z. B. Grünspan, selbst das Kupfer oxyd, lösen sich in den flüssigen oder geschmolzenen festen Fetten, aber ohne sie zu verseifen. Die Oele lösen ferner mehrere Pflanzenbasen, z. B. Morphin, Cinchonin, Chinin, Strychnin u. s. w. Die fetten Körper verhalten sich im Allgemeinen gegen Reactions- papiere neutral, nur einige Fischöle sind schwach sauer. Vor Luftzutritt geschützt erhalten sie sich lange Zeit unverän dert, aber bei der ungehinderten Einwirkung derselben nehmen sie sehr bald einen scharfen, unangenehmen Geschmack und die Eigenschaft, Lackmus zn röthen, an; sie werden ranzig, wie man gewöhnlich sagt. In derselben Zeit, als sich dieser Einfluß der Luft bemerkbar macht, verlieren einige fette Körper, namentlich mehrere vegetabi lische Oele nach und nach ihre Flüssigkeit, absorbiren Sauerstoff aus der Luft und trocknen schließlich zu einer durchscheinenden, gelben und biegsamen Substanz ein, welche sich nur sehr schwer in kochen dem Alkohol auflöst. Die Oele, welche auf diese Art eintrocknen, führen den Namen trocknende Oele. Diese Eigenschaft macht sie sehr werthvoll für die Bereitung der Firnisse und Oelfarben. Die nichttrocknenden Oele werden, ohne so tief greifende Veränderungen ihrer Eigenschaften durch die Einwirkung der Luft zu erleiden, beim Liegen in der Luft doch mehr oder minder verän dert. So z. B. entfärben sie sich nach und nach vollständig, nehmen ein etwas höheres specisisches Gewicht an, verlieren ein wenig ihre Flüssigkeit, werden weniger brennbar und verkohlen die Dochte. Die Absorption des Sauerstoffs durch die Oele ist anfangs langsam, dann erfolgt sie plötzlich mit großer Heftigkeit, und wenn sie bei großen Massen stattfindet, kann die dabei freiwerdende Wärme zur Selbstentzündung genügen. Dadurch erklären sich die Selbst entzündungen, welche öfter in Oelniederlagen, in Spinnereien rc. vorkommen. Die natürlichen fetten Materien bestehen mit Ausnahme einer kleinen Anzahl aus einer Mischung von Stoffen, welche von Che- vreuil entdeckt und von demselben Stea rin, Margarin, Olel'n, Butyrin, Caprin, Capronin und Pho c^nin genannt wor den sind. Diese Fettstoffe zerfallen unter dem Einflüsse von Alkalien in Glycerin oder Oelsüß und in eigenthümliche fette Säuren. In den Pflanzenölen finden sich hauptsächlich Olein und Margarin. In den festen Fetten und dem thierischen Talg hauptsächlich Olein, Margarin und Stearin und in den Wachsarten besonders Cerin, Myricin und Cerolem. Das Stearin, Margarin rc. sind feste; das Olein ist der flüs sige Theil der Oele. Von diesen Hauptbestandtheilen unabhängig, enthalten die fetten Körper noch in kleinen Mengen färbende und riechende Stoffe, welche bei jeder Art variiren und wovon sie durch Anwendung thie- rischer Kohle befreit werden können, ohne ihre Eigenthümlichkeiten zu verlieren, welche sie als fette Körper charakterisiren. Ihre gelbe oder braune Farbe ist hauptsächlich an den flüssigen Theil oder das Olein gebunden. Die verschiedenen Arten der fetten Körper enthalten Stearin, Margarin und Olein nicht in demselben Verhältnis. Ihre Con- sistenz steht in direktem Verhältnisse mit der Quantität der festen Substanz (Stearin, Margarin u. s. w.), welche sie enthalten. Die Ungleichheit der Schmelzbarkeit dieser Körper ist ebenfalls abhängig von den Variationen der Mischungsverhältnisse der die Fette bildenden Grundkörper (Stearin, Margarin rc.). Je mehr Olein, desto leichter schmelzbar sind die Fette. Alle Fette haben eine analoge, elementare Zusammensetzung. Sie sind alle stickstofffrei, enthalten etwas Sauerstoff, sind sehr reich an Wasserstoff und besonders an Kohlenstoff. Sie sind nicht ohne Zersetzung flüchtig, kochen bei höheren Temperaturen, welche für die verschiedenen Fette verschieden sind und ertragen eine Temperatur von 250 Grad, ohne sich merklich zu verändern. Unterhält man sie beim Zutritt der Luft im Kochen, so zer setzen sie sich und entwickeln Kohlensäuregas und Kohlenwaffer- stoffgas nebst den Dämpfen von flüssigen Kohlenwasserstoffen, dem Acrolein. Die Dämpfe des Acrolein greifen die Augen und die Alhmungsorgane sehr stark an und ihr Auftreten charakterifirt wesent lich die Zersetzung der Oele und der Fette durch das Feuer. Der Destillation in verschlossenen Gefäßen unterworfen, ent wickeln die Fette dieselben Zersetzungsproducte, aber außerdem geht noch eine ölige Substanz über, welche fest wird und aus drei fetten Säuren besteht, nämlich aus der flüssigen Oleinsäure und den beiden festen Säuren, der Margarinsäure und der Fettsäure. Diese Säu ren entstehen auf Kosten des Olein, Stearin und Margarin; endlich erhälr man bei diesem Processe noch kleine Quantitäten riechender Säuren (Essigsäure, Buttersäure rc.) und ebenfalls Acrolein. Wenn man die fetten Körper, anstatt sie allmälig in geschlosse nen Gefäßen zu erhitzen, plötzlich der Einwirkung der Rothglüh- hitze unterwirft, so zersetzen sie sich vollständig und verwandeln sich fast gänzlich in gasförmige Kohlenwasserstoffe, deren Mischung zur Beleuchtung benutzt werden kann. Die Alkalien, die alkalischen Erden (Kalk, Baryt u. s. w.), ge wisse Metalloxyde (Bleioxyd, Zinkoxyd rc.) verseifen die fetten Kör per, indem sie das Glycerin abscheiden. Die erzeugten Producte bestehen dann aus Verbindungen der Säuren der Fette mit den Al kalien, und diese Verbindungen nennt man „Seife". Die Pottasche gibt weiche, die Soda harte Seifen. Die ersten werden gewöhnlich aus trocknenden Oelen, die zweiten aus den gewöhnlichen Fetten, Butter- und Talgarten fabricirt. Die Seifen, welche Bleioxyd als Basis enthalten. nennt man Pflaster und benutzt sie in der Pharmacie. Die Seifen können als wirkliche Salze betrachtet werden, sie gehorchen den Gesehen der doppelten Wahlverwandtschaft. Die unlöslichen bilden sich durch doppelten Austausch, wie andere im Wasser unlösliche Salze. Starke Säuren zerstören die fetten Körper nach und nach und scheiden aus denselben ziemlich die nämlichen Producte ab, welche sich durch Einwirkung der Hitze bilden, d. h. es entstehen fette Säuren. Die concentrirte Lchwefelsäure erhitzt sich mit den fetten Kör pern und entwickelt dabei sehr leicht schweflige Säure, wenn man die