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1Sl4. SlpLix. . do,k«i - »L 1914. ii«a»i- MI» S4S« om 1.1 i.z 1.4 — i.: 3.1 1 16 s 4.7 ro 3.S 18 r,7 ro 4,7 4^ 86 s.g so - 1914. toa llüc>k- ckiieo ein. :roo Litclc- > mm im (V uml IV. xsa berab. Leiviiger -onn- und , an den s Museum 1 1 Mark, >er Eintritt 1 Mark. er-Bersiche- (Goldenes sonn» und U563U8 Lt, ist Islnml im ktil- ktturea m sieb ra Lo- /rrUas. s. Januar ldl< Leipziger Tagedlalt. Nr. l< Morgen-llus-adr. Sette 7. WMWWWM Kunst uncl U?issensetlllf1 WNiWWÜW^ Sizet-Erinnerungen. Wenn bei uns der Name Bizet ausgesprochen wird, denkt ein jeder an die wundervolle Carmen-Musik; kaum einer aber weih, dah Bizet vor diesem, seinem Meisterwerke auch eine Reihe anderer Opern ge schrieben hat — die eine nach der anderen durch fielen, obwohl Bizet schon in früher Jugend als musi kalisches Wunder gatt, mit 14 Jahren im Konserva torium einen Großen Preis daoontrug und mit IS Jahren schon den Rom-Preis erhielt. Einer, der Bizet» vielversprechende Anfänge und seine merkwür digen Mißerfolge, aber auch den späteren großen Erfolg miterlebt hat, der französische Musiker Verton, der durch seine „Z a z a" auch bei uns be kannt geworden ist, erzählt nun im neuesten Hefte der „Revu e" seine Erinnerungen an Bizet. Er be ginnt mit der Zeit auf dem Konservatorium, wo Bizet bei Lehrern wie bei Schülern als der kommende Mann galt. Bizet war das Urbild der Gesundheit, ein breitschultriger Bursche von kräftigem Körperbau mit einem sehr schönen Kopf, einer ausdrucksvollen, schön gewölbten Stirn, einer geraden Nase blauen, durchdringenden Augen hinter einem Kneifer, ohne den man ihn nie sah, mit üppigen Locken und einem außerordentlich Hellen Bart. Zu seinen besonderen Kennzeichen gehörte, daß er, ganz gegen den Zeit geschmack, der der Mode des bloßen Halses huldigte, einen hohen Kragen trug, wie er zur Zeit der Väter Sitte gewesen war. Von Charakter war Bizet außer ordentlich liebenswürdig, und manche Streiche, die die Schüler des Konservatoriums ausführten und die man ihm zuschrieb, hatten gewiß andere Urheber. Daneben freilich glänzte er in der musikalischen Parodie. Bizet am Klavier zu hören, war nach Bertons Schilderung ein außerordentlicher Genuß: er war ein Wunder der musikalischen Satire. Wie andere be rühmte Schauspieler in Sprache und Gebärde bis ins kleinste nachahmen, so spielte er, nicht frei von Bos heit, mit außerordentlicher Meisterschaft auf dem Klavier im Stile aller Kompositionen aus jeglicher Schule, ja er erfand den Scherz, die Zeitung zu ver tonen, begann mit dem Leitartikel, spielte dann etwa Musik zu einer gewaltigen politischen Rede im Richard-Wagner-Stile, und spielte so weiter bis zu den Anzeigen herunter. Besonders glänzend aber war seine Parodie Tlapissons, des Verfassers der „Fanchonette" und vieler volkstümlicher Romanzen: wieder und wieder muhte Bizet seinen Freunden feine Claptsson - Parodie vorspielen. Nach Bertons Schilderungen war Bizet auch eigentlich ein großer Klaviervirtuose, allein er suchte diese Gabe zu verstecken, soweit er konnte, denn sein Ehrgeiz war, ein großer Tonsetzer zu werden, und in Frankreich glaubte man damals (wie noch heute nicht nur in Frankreich), daß ein groher Klavierspieler nicht zu gleich ein Komponist sein könne, trotz Mozart und trotz Beethoven. Während Bizet Musikunterricht erteilte, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitete er auch an verschiedenen Opern, und als er 25 Jahr« alt war, erlebte er seine erste Uraufführung. Larve lho vertraute ihm für sein neues „T y s L t r e L y r i q u «" am Boulevard du Temple ein Libretto an, die „Perlenfischer". Am Tag der Uraufführung klatschte man lebhaft, und die Uraufführung war für Bizet ein Triumph. Die Zuschauer bewunderten die Musik, waren aber darüber einig, dah das Libretto recht ärmlich sei, und hieran scheiterte das Stück. Die Kritiken, ausgenommen eine von Berlioz ver- fahte, rifsen das Stück herunter. Bizet lieh sich jedoch nicht entmutigen und — erlebte zwei Jahre später mit seiner „Jolie Fille de Perth" am Place du LHLtelet, wohin Carvalho übergesiedelt war, einen ähnlichen Miherfolg. Die Hauptursacke war vielleicht darin zu suchen, dah die gute Gesellschaft an andere Theater gewöhnt war. Bizet hatte dieses Mal, da das Libretto bedeutend besser war, auf einen wirk lichen Erfolg gerechnet, und zog sich nun, als das Gegenteil eintvat, verstimmt zurück. Seine nächste Komposition „Djamileh" wurde erst nach dem Kriege (1873) aufgeführt, und dieses Stück scheiterte an der schlechten Darstellung, so dah Bizet, an dessen groher musikalischer Begabung kein Mensch zweifelte, auf drei große Miherfolge zurückblicken tonnte. Sein nächstes Werk, die Musik zu Daudets Schauspiel „A rlesienne", brachte es zwar auf fünfzehn Vor stellungen, aber die letzten wurden vor fast leerem Zu schauerraume gespielt. Erst als Bizet durch seine Heirat mitHalSvy verschwägert wurde, wurde ihm der Weg zur Berühmtheit geebnet, denn Halsvy war es, durch den er das Libretto seines Meisterstücke, bekam. Leipzig, 9. Januar. XI. Eewandhau»ko»zert. Arnold Schönbergs Muse entzweite die Gemüter. Aber vielleicht war nur die Frage, wer besser zugehört hatte die Zischer oder die Beifausspender, die zugleich auch Pros. Arthur Niklsch und das Orchester sür die ausgezeichnete Leistung ehrten, wennschon sie sich insgeheim auch ein wenig wundern mochten, des Komponisten „Kammer", Sinfonie in so überaus starker Besetzung vorgetragen zu hören. Versucht man diese Komposition zu ve- urteilen, so erinnere man sich doch, dah von jeher das neue Werk einer prominenten künstlerischen Intelli genz Zukunftsmusik war und dah bedeutende Menschen immer ihrer Zeit ein gut Stück vorauseilen müssen. Ohne allen Zweifel enthält Schönbergs einsätz.ges Orchesterstück hervorragend schöne, vor allem auch melodische Partien, ganz abgesehen von den vielen, dem Fachmusiker zunächst mehr als dem Laien und Kunstfreunde zugänglichen Stellen, die rhythmisch und harmonisch hoch eigenartig sind. Schon Rich, eotrauß verlangt in seinen letzten Werken horizontales Hören, noch mehr vielleicht Schönberg. Weshalb die Gegner ihm seine Musik zum Borwurf machen, ist nicht ganz leicht verständlich. Denn sie ist zum Teil doch auch ein Produkt der Zeit mit aller ihrer zitternden Ner vosität, der Sprunghaftigkeit der Ideen, der impressio nistischen Darstellung, kranken Schönheit und seelischen llnbefriedigung. Und hält man, oft zu Recht, Schön berg Mangel vor an eigenen Gedanken, so muh man ihn wenigstens als einen Vorbereiter kommender Zeiten achten, für die er jetzt bereits technisches Rüst zeug schafft in Gestalt neuer Klangkombinationen und unaufhörlicher Steigerung des individualisierenden Ausdrucks der Orchesterinstrumente. Und ferner ist auch die Tatsache sehr beachtenswert, dah Schönberg als wirklicher Künstler alles daran setzt und setzen muh, nicht eine beliebige Empfindung darzustellen, sondern einzig seine ureigene allein. Daß diese aber häufig mit der anderer Leute disharmoniert, kann nur die Wunder nehmen, von denen die Frau Rat Goethe sagte, sie wären entsetzt über alles, was nicht in ihrem Abcbuch steht. Die zweite, unbestrittene Novität des sehr inter essanten Abends war Rich. Strauß' Festliches Prä ludium, das im Vorjahre der Eröffnung des Wiener Konzerthauses die musikalische Weih« gab: eine groß angelegte Gelegenheitskmnpositton, darin der Ton setzer mehr als sonst den weitgezogenen melodischen Bogen bevorzugt, mit Zuhilfenahme der OrM und ausgezeichneter Orchestrierung bedeutende Effekte er zielt und, ohne sich eigener Gedanken gar zu sehr zu entäußern, den Eindruck teils feierlich, teils festlich gehobener Stimmung wachzurufen weih. Klare Dis position und Kraft sind diesem Stück eigen, dessen Stil Gelegenheit und Technik bedingten. Smetanas liebenswürdige und ntusikalisch außer ordentlich sympathische sinfonische Dichtung „Vttava" aus dem Zyklus „Mein Vaterland" beschloß die Dreizahl der Orchesterwerke, bei deren Reproduktion Meister Nikisch aufs neue sein wundervolles Ein- fühlungstalent den Ideen- und Empfindungskreisen anderer gegenüber glänzend bewies und das Orchester wiederholt den Beweis äußer-gewöhnlicher Leistungs fähigkeit erbrachte. Als Solist des Abends ward Eugen d'Wbert stürmisch gefeiert. Gewiß sind ihm manche „an Fixigkeit" (wie Onkel Bräsig sagt) und an Treff sicherheit über. Und wahrhaftig doch — auch wenn er von pianistischer Wut befallen wie gestern ab und zu einmal daneben schlägt, dünkt's uns immer noch interessanter als das Spiel mancher automatischen Klavierspieler strikter Observanz, die mit zwanzig Jahren innerlich schon so fertig sind wie später mit deren sielyig. d'Albert spielte sein eigenes E-Dur- Pianofortekonzert und noch jenes in Ts-Dur von Liszt. Die Bedeutung und Gröhe seines Vortrags liegt im rein Musikalischen, im Fohlen alles Dir- tuosenhaften und im vollkommenen Aufgehen seiner Gesamtpersönlichkeit in dem zu reproduzierenden Kunstwerk, dessen Leben er als fein eigenes zu empfinden vermag, als dessen Durchgangspunkt und Medium er sich gleichsam betrachtet. Hierin be schlossen ist auch das Geheimnis der Unmittelbarkeit der Wirkung, die von seinem Spiel aus geht und alle fasziniert, die zu Hören guten Willens sind. Dugeu LeguitL. * Heines dramatisches Fragment „Ratelisf ist von Volkmar Andreae als Oper komponiert worden. * Im Nachlaß Herman» Zumpe», des verstorbenen Münchener Generalmusikdirektors, ist ein musikalische» Lustspiel „Das Gespenst von Horodin" auf gefunden worden, das Zumpe kurz vor seinem Tode vollendet hatte und das dann unverwertet liegen blieb. Dieses Werk ist nun von den Zumpeschen Erben dem „Verein der Opernfreunde" in Ham- bürg zur Uraufführung überlassen worden. * Arnold Korfs, der ehemalige Wiener Hofschau spieler, hat sich entschlossen, im Frühjahr nach Amerika überzusiedeln und zur englischen Bühne überzugehen. * Musikchronik. Hermann Siegel, ein Schüler unseres einheimischen Gefangspädagogen Josef Ger- Hartz. seit zwei Jahren Mitglied des König!. Deut schen Landestheaters in Prag, sang bei der Erst aufführung des „Pnrsifal" den Klinasor und errang mit der eindrucksvollen Wiedergabe dieser Rolle un gewöhnlichen, von der gesamten Presse anerkannten Erfolg. * Der Berliner Hof- und Domchor, der am kom menden Sonnabend sein Konzert in der Alberthalle geben wird, hat auf seinen Gastreisen allerorten be geisterte Aufnahme gefunden. Die Kritik einer Dorpater Zeitung wird unsere Leser interessieren. Da heißt es: „Es ist geradezu erstaunlich, zu welcher Vollkommenheit es dieser Chor gebracht hat. Ein ideales Stimmmaterial — glockenklare, Helle Knabenstimmen, schön«, ausgiebige Tenöre und runde, volle Bässe — ist hier zu einer technischen Vollendung erzogen, die wohl kaum zu übertreffen sein dürfte. Absolute Reinheit der Intonation, Sicherheit der Einsätze und rhythmische Präzision, sowie eine außerordentliche dynamische Ausdrucks fähigkeit vom zartesten Piano bis zum strahlenden, sieghaften Fortissimo — das sind die Eigenschaften dieser Vereinigung." — Eine Moskauer Zeitung schreibt: „Was gibt es Schöneres als ein gutes Chorkonzert! Solch einen Genuß bereitete uns zum Anfang der Saison der berühmte Berliner Hof- und Domchor unter Leitung des Professors Hugo Rüdel. Dieser Chor genießt dank seiner Verdienste Berühmt heit. Auch bei uns hinterließ er heute einen vor trefflichen Eindruck. Und das will für Petersburg, das durch ausgezeichnete Chöre verwöhnt ist, viel sagen. Aber der Berliner Chor stellte seinen Mann und hatte einen wirklichen und verdienten Erfolg." * Geheimrat Hugo Licht und die Berliner Aka demie der Künste. Der Leipziger Stadtbaurat Pro fessor Hugo Licht, der Schöpfer des Leip ziger Rathauses, sollte, wie jüngst verlautete, seine Beteiligung an der diesjährigen Mit gliederaugstellung der Berliner Akademie der Künste abgelehnt haben. Und zwar wurde diese Ab lehnung mit der Nichtoerleihung der Großen goldenen Medaille an Licht auf der vorjährigen Jubiläums kunstausstellung im Berliner Glaspalast in Zu sammenhang gebracht. Wie das,,B. T." von wohl unterrichteter Seite erfährt, entspricht das nicht den Tatsachen. Geheimer Rat Licht hat seine Be teiligung an der Ausstellung der Berliner Akademie bereit» zugesagt. * Da» große Ausstellungsunternehmen der Allge meinen Deutschen Kunstgenossenschaft. Die Allge meine Deutsche Kunstgenossenschaft plant, wie wir seinerzeit mitteilten, ein großes Ausstellungs und Verlagsunternehmen, das im ganzen Reiche die Kenntnis guter Kunst verbreiten soll. Die Gründung ist jetzt ermöglicht, da bis auf weniges die erforderliche Summe von 150 (XX) Mark erreicht ist. Um aber dem Unternehmen für alle Zeiten eine sichere Basis zu schaffen, sollen auch nach der Grün dung noch weitere Geldmittel aufgebracht werden. Ein kunstliebender Privatmann hat noch jüngst 20000 gezeichnet, ferner steuerten der Ortsverein Dresden 1500 der Berliner Ortsverein 1000 ^l, die Ortsvereine Hamburg und Leipzig je 500 bei. * Fichte und die deutsche Burschenschaft. In welch' hohem Mähe Fichtes hochgesttmmter Idealismus das Wesen der ersten Burschenschaft beeinfluht hat, zeigt eine von Hans Fränkel im dritten Bande der Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegung mitgeteiltes Schriftstück des Wiesbadeners Christian Hildebrand, das dieser in der Untersuchungshaft verfaßt hatte. „Die Burschenschaft ist", so liest man in seinem Be kenntnisse, „eine Idee, ein sich selbst tragendes, sich selbst mit absoluter Gewißheit seiner Wahrl-ajligkeit und Halligkeit frei erzeugendes Leben des Gedankens, da, gar nicht nötig hat, außer ihm selbst seine Be glaubigung bet trgendoiner Autorität erst nachzu suchen. Ist sie sine Idee, so existiert sie nur für den, der sie gedacht und nur insoweit, als er st« ge dacht... Verhält es sich mit der Burschenschaft also, so existiert sie in ihren äußeren Formen, den einzelnen Burschenschaften nur, um sich selber zu vernichten und zu erneuen." Das Dasein der Idee nimmt er sodann, folgend der damals geltenden Theorie von „Mang" und Uroolk, nur für das letztere in Anspruch. „Ehe man noch an eine Burschenschaft dachte", so fährt er fort, „hatte eine Philosophie, die sich wohl mit Recht vorzugsweise die deutsche n«nnt, durch ihr Dasein zu vörderst, und überdies durch besondere Betrachtungen über diesen Gegenstand bis zu vollkommener Begreif lichkeit, wie es mir oorkommt, dargeton, dah . . . es unter den neuen Völkern germanischer Abkunft die Deutschen seien, deren eigentümlichen Beruf in der Welt die Bildung und Gestaltung dessen, was im strengsten Sinn« Idee genannt wird, ausmache . . . Es ist dabei ... die R«de . . . von der notwendigen Gestaltung des Vernunftlebens, die das deutsche Volk zu ihm selbst macht. Angenommen, daß die Philosophie von der Behörde recht behält, so wäre nichts weiter dagegen zu haben, daß ich sagte, die Burschenschaft sei das Leben oder vielmehr ein Ver such zum Wiederaufleben des Nationalgeistes . .. Vaterland, Ehre, Freiheit, Gott waren die notwen digen Faktoren jenes Befreiungskrieges, und die Burschenschaft beruht auf den Nationalwillen, wenn diese Gedanken ihr treibendes Prinzip sind, was er weislich ist." * Das amtliche Gutachten über die Echtheit der Gioconda. Das amtliche Gutachten über die Echtheit der Gioconda wird im neuesten Hefte der „Kunst chronik" mitgeteilt. Es lautet: „Gemälde auf Holz, 77 Zentimeter hock), 53 Zentimeter breit, darstellend das Bildnis der Mona Lisa del Gioconda. genannt „La Gioconda", Werk des Leonardo da Vinci, aus dem Besitz des Louvre-Museums in Paris. Das Ge mälde ist als dasjenige erkannt worden, das im August 1911 aus dem Louvre gestohlen wurde, und zwar an folgenden Merkmalen (ganz abgesehen von dem Totaleindruck): Die Bildtafel ist über dem Kopfe gerissen, und der Riß. der sich auch auf der äußeren Maloberjläche deutlich zeigt, ist durch di« Einfügung zweier schmetterlingsförmiger Klammern ausgebessert worden, deren obere herausgefallen ist. Der Riß wird in der ganzen Länge des Bildes sichtbar. Aus die Rückseite des Bildes sind oben zwei Zettel auf geleimt. Der eine trägt den Aufdruck: „Du Rameau Garde des Tableaux a Versailles", der andere zeigt den handschriftlichen Vermerk: „Piece du Directeur . Weiter unten rechts (vom Beschauer aus) befindet sich der Stempel der königlichen Museen, der in roter Tinte die Krone, die Lilie, die Initialen Ll. R. und die Nummer 318 gibt. Zur Feststellung der Echtheit dient ein genauer eingehender Vergleich des Ge mäldes mit den Photographien, die von verschiedenen Firmen (Alinari, Braun usw) vor dem Diebstahl ang«fertiat wurden. Dieser Vergleich wurde durch das Vorhandensein eines dichten Netzes von Haar rissen erleichtert, das sich über die ganze Oberfläche des Gemäldes ausbreitet und auf allen Photographien vollkommen übereinstimmt. Andere äußere Zufalls merkmale des Gemäldes, wie z. B. einige Flecken auf dem rechten Handrücken, einige Abschürfungen der Farbe am Mund« eine deutliche Korrektur am Kon tur des rechten Zeigefingers, eine kreisrunde, mit Kitt verputzte Stelle dicht am rechten Ellbogen, einige von oben nach unten gehende Rillen im Holz rechts vom Antlitz, das teilweise Fehlen der Farbe an den Fingern der linken Hand — sowie unbestreit bare äußere Kriterien haben die Sachverständigen von der völligen Uebereinstimmung des beschlagnahm, ten Bildes mit dem früher im Louvre ausgestellten überzeugt. Zusammen fassende» Urteil: Die vielfachen, oben beschriebenen Kennzeichen, die in ihrer Gesamtheit das Alter des Gemäldes be weisen und unmöglich in vollkommener Weise nach geahmt sein können, überzeugen uns von der Identität des untersuchten Bildes mit dem Originale Leonardos. Der Wert des Gemäldes, dessen außerordentliche Be deutung notorisch feststeht, ist auf einige Millionen zu schätzen. Prof. Giovanni Poggi, Dr. Nello Tarchiani. Tav. Glulio Campili, Cao. Oscar Muzj. — Schrift führer: Enrico D. Carlo. piksm Mehrung." 42) Roman von Arthur vabiklotte. Nachdruck verboten. Die Kleine staunte; ihre munteren blanken Augen guckten neugierig zu beiden Seiten der dicken Stupsnase vor. „Ich habe ernen Brief bekommen . . . Emile ist gestorben . . ." „Jetzt ist er tot," sagte sie traurig vor sich hin. „Hast du ihn sehr gern gehabt?" fragte die kleine Modistin. Germaine nickte betrübt mit dem Kopfe, während ihre Augen weitgeöffnet über die Dach giebel der Nachbarhäuser hin in das Glanzmeer blickten, das sich endlos unter ihr ausbreitete. „Wie schön ist Paris, wenn alle Lichter brennen!" sagte sie versonnen. „Paris . . .!" wiederholte sie nachdenklich. „Es wäre so schön gewesen, wenn ich mit Emile hier hätte leben können. Er hatte so große Pläne, der arme Junge." Nun erzählte sie der Freundin von seinem Dichterberuf, an den sie aus ganzer Her zenskraft glaubte. „Hier wäre er berühmt ge worden, Louise." ,Lsa, so geht das nun im Leben zu," sagte die kleine Modistin, ohne den Blick von den Lichtern von Paris zu wenden. „Aber die Zeit heilt alles, weißt du. Ich kenne das aus Er fahrung, du. Es hat mir damals so weh ge tan, als der schlechte Mensch mich verließ . . ." Sie begann zu weinen, ganz leise vor sich hin. Germaine trat neben sie und schlang den Arm um ihren Nacken. „Ja, wir sind alle sehr schlimm daran," sagte sie. Aber die kleine Modistin tummelte sich be reits wieder in einer Art energischer Ver gnügtheit. „Bah! man muß nur erst dar über hinweg sein, du. Darüber hinweg sein, das ist die Hauptsache! Dann, du," — sie drehte der Freundin ihr Gesicht zu, und Germaine konnte ein stilles, freudiges Lächeln beobachten — „dann, du, dann warten wir wieder, bis der andere kommt, der Richtige, weißt du . , „Aber es tut so weh, Louise." Sie dachte an Picard. Er war roh und gierig wie die andern Männer, er hatte die Arme nach ihr ausgestreckt . . . Aber da war dann noch etwas . . . Sie wischte sich mit der Hand über die Stirn und seufzte. „Du mußt so wenig wie möglich daran denken," sagte Louise. „Weißt du, jetzt sollst du mir von deiner Heimat erzählen." Germaine erzählte und kam in eine be lebende Wärme, als sie von den Sonnenauf gängen auf der Höhe erzählte, von dem weiten Blick über die Täler und die gedehnte Ebene des Elsasses, den sie von ihrer Kammer aus haben konnte. Vergangene Tage kamen wieder; sie lebte sie noch einmal, sog Kraft und eine willenschaffende Wehmut aus ihnen und sah sich unversehens in ein starkes Heimweh versetzt. „Es ist so schön bei uns da oben," sagte sie. Alles stand deutlich vor ihren Augen, schöner und farbenfroher, als es in Wirklichkeit war. Sie lebte sich so restlos in die Heimat ein, daß alles andere daneben blaß und wesenlos wurde, selbst ihr Schmerz um den toten Geliebten. „Du müßtest sehen, wenn bei uns die Sonne auf geht," sagte sie. Und plötzlich wußte sie: es war kalt in Paris, wenn man ganz allein war; und ihre Sehnsucht nach der großen wunderbaren Stadt war im Grunde Heimweh nach einem Menschen gewesen, an dessen Brust sie sich ausweinen konnte, wenn ihr trüb um die Seele war, in dessen Armen sie Wärme fand, wenn sie fror, der sie sanft an sich schloß, um sie zu trösten und ihr alles zu sein: Heimat, Glück, Leben. „Die Heimat," sagte sie versonnen vor sich hin. Die kleine Modistin schüttelte den Kopf mit dem widerspenstigen Wuschelhaar; sie wußte nicht, was Heimat heißt. „Jetzt gehen wir noch ein bißchen spazieren," schlug sie vor. „Das bringt dich auf andere Gedanken." * Der Frühling kam auf dem Rücken des 1« putziger Ausgelassenheit an galoppierenden Aprils auf die Höhe des Grenzkamms ge- I ritten. Da bin ich! nickte er allen Wiesen und Wäl dern zu. Jetzt wollen wir vergnügt und gottes fürchtig zusammen sein! Da lachten sie alle und steckten vor Freude ihre schönsten Blüten und Blumen auf. „llonjovr, muäamo ?ipmstts!" sagte der Früh ling im klarsten Französisch, dessen er mächtig war. Er lief der alten Frau entgegen und tätschelte ihr die runzligen Wangen. „Sie wer den alt, ML ckörs maclams kipmstto!" sagte er. „Aber das tut nichts; man kann alt sein und doch sehr vergnügt, wie ich an meinem Vor gänger, dem Winter, gemerkt habe. Und unter nehmungslustig sind die alten Leute, ach herr sch! kann ich Ihnen sagen. Der alte LevScque in St. Dis drunten, Sie kennen ihn ja, denken Sie nur: geheiratet hat er wieder, der ver gnügte Bursche! Siebzig Jahre hat er, aber er trägt sie nicht auf dem Buckel, sehen Sie, er hat sie hübsch in die Kommodenschublade gelegt, da können sie zusehen, daß ihnen die Zeit nicht lang wird. Und Tarand der Säufer, der seine volle achtzig am Bein hat, der macht alle Wirte zu Millionären. Ja, so ist das mit den alten Leuten." Und nun kramte er eine Menge Geschichten aus, daß das alte gute Gesicht der Madame Pipinette richtig ins Strahlen kam. Für jeden fand er den richtigen Ton. Zu Picard sprach er mit heiterer Würde. „Ja," sagte er, „das ist brav von Ihnen, daß Sie sich tüchtig regen und etwas vor sich bringen wollen. Man darf nie zurückbleiben; und zu rückblicken schon gar nicht. Was sollte ich denn tun, wenn ich nicht mit der Zeit Schritt hielte, man würde doch einfach über den Haufen ge rannt. Ja, das Leben ist schön und reich, va läßt sich gar nichts davonnehmen." Dem Rechtsanwalt, der seit vier Wochen sich auf der Höhe Herumtrieb, um alles zu über wachen, den Bau der „Station", wie er stolz sagte, die Ausarbeitung deS „FahrplanS" — „wir müssen mindesten- dreimal täglich ver kehren lassen," sagte er — dem Rechtsanwalt gesellte sich der Frühling auf Schritt und Tritt bei, den er über die Wiesen der Höhe und des Lebens tat. „Ja, mein lieber Picard," sagte Beyer — sie waren längst gute Freunde geworden —, „das gibt einen Heidenspaß und eine Heiden arbeit, kann ich Ihnen sagen. Aber ich freue mich! Wissen Sie, ich habe die größte Lust, mei nen Advokatenberuf meuchlings an den Nagel zu hängen. Es ist zu öde, so gewissermaßen altmodisch, sehen Sie. Nur den Deputierten möchte ich gern beibehalten, man hat doch immer seinen gewissen Einfluß auf den Gang der Karre. Und es ist schön, schön sage ich, für diese- Land etwas tun zu können." „Ja," sagte Picard. Grandidier trat unter die Tür. Er war ein Klumpen seelenlosen Fleisches geworden. Seine Augen quollen aus den Höhlen, es erweckte den Eindruck, als müßten sie eines Tages her auskugeln und im Sand versickern. Seine Klei dung war unordentlich — die Haushälterin kümmerte sich nicht im geringsten darum, son dern zog einen tapferen Schluck aus einer guten Flasche allen irdischen Beschäftigungen vor; aber an ihrem Schöpfer hing sie mit aller Inbrunst eines gläubigen Gemütes. Der Arzt hatte den Dicken aufgegeben. „Er wird an einem Herz schlag sterben, wenn ihm nicht vorher da- Delirium den Garaus macht." Wenn er mit stieren Augen vor dem großen Tisch in seiner Gaststube saß, bis zur Kehle angefüllt, mit dem starken französischen Rot- wein, zog wohl manchmal wie eine trübe Vision die Erinnerung an Germaine an ihm vorbei. Es war ihm, al- läge diese Zeit Jahre und Jahrzehnte zurück. Er schien allen Zeitbegrifr verloren zu haben. „Meine Tochter ist tot," behauptete er mit der hartnäckigsten Verbissen heit des Trinkers. „Und ich habe sie um gebracht !" (Fortsetzung in der Abendausgabe.)