Volltext Seite (XML)
wochnern an di» auf sechs Städte, die sich dem Städte tag noch nicht angeschlossen haben. Zur heutigen Tagung sind fast alle großen Städte durch ihre Oder bürgarm« fiter, Stadtverordnetenvorsteher und sonsti gen Mitglieder der Stadtverordneten-Kolleaien ver treten. Al» Vorsitzender des Vorstandes Deutscher Städtetaae eröffnete Oberbürgermeister Kirschner- Bcrlin die Tagung. Nachdem Stadtrat Namslau zum Listen-führer ernannt war, war der Städtetag toastttuiert. Oberbürgermeister Kirschner führte sodann aus: M. H ! Dem Deutschen Städtetag gehören jetzt 176 Städte mit einer Bevölkerung von über 18'Mil lionen an uns 10 Städteoer bände mit einer Bevölke rung von inehr als 1 Millionen. Bei der heutigen Tagung sind 111 Städte und !> Städtcverbände ver treten. Wir vertoel-n also einen sehr erheblichen Teil ver Bevölkerung unseres oeuischen Vaterlandes. Der Deutsche Städtetag ist sich gleichwohl immer bc wusir gcwelen, das; er n n r e i n e n T e i l des Ganzen vertritt, das, das Ganz: über de» Teilen stehen mutz, und das; die Teile nur g-eceihei: können, wenn das Ganze blüht und gedeih», Lissen Sie uns daher in dem Augenblick, in oem wir unsere Tilgung beginnen, unsere Blicke richten ar s unser geliertes deutsches Vaterland, aus Parser und Reich. iDie Anwesenden erheben sich t Stimmen Sie mit mir ein in rin Hoch auf Kaiser uns gleich! Die Versammlung summt l»c geistert in cas Hoch ein. Darau- wird in die Tages ordnung . ingetretcn. An erster Stelle jvrichr Oberbürgermeister Ebr-, ling Denan über di.- Prüjnug oe Nreditvrrhättnilse der »«urschen Städte. Er na»,.n B.-zuz au> die Beschlüsse des 2. Deutsitzen Stä-dtetags in München, der die Leitsätze und Res« rat« über dir Kreditoerhältnissc der deutschen Städte im Vorstand zur weiteren Bchandlung überwiesen hat. Die .zunehmende städtische krediibenutzung sei nicht- T?delnsw»'rtes. sondern ein unentbehrliches Mittel kommunale«- "<rlschrit!es. Der Redner gab sodann einen Nr'' er dos vorliegende Zahlen material. All« d 7 (üemcinden hätten im Jahre - 1907 <»l. Milliar.': Säiurden gehabt. Von 1881 bis 1891 seien dieselben um 80 Proz. und in den folgen den 16 Jahren um 280 Pro;, gewachsen. 1!>07 entfiel auf d»n Kops der Bevölkerung eine Gesamtschuld von 107 .tt, und zwar Rcichsichutden 66 <«, BunX-sstaaten 220 c< und Kommunen 221 Im gleichen Jahr: entfielen in England pro Kopf 557 ä, Frankreich 718 K. Am 91, Dezember 1910 waren ö'- Milliarden Znhaber-huldverschreibunoen im Umlauf, davon l^z Milliarden von größeren Selbstveiwaltungskörpern, 1 Milliarden von Stab' und Landgemeinden. So van« legte der Mdner d»rs zzenauc Zahlenmaterial über die Bcsrieiizun.z oe>7 Kreditbedarfs der grösseren Städte in gen Jahren 190«! 1909 auf Grund einer Umfrage bei den deutschen Städten vor, Im lausen den Jahr: werden an deutschen Börsen Anleihen von 250 Städten notiert. Die Summ« der Etats aller deutschen Städte betrug in den 70ger Jahren .100 Millionen Mark, jetzt rund 2 Milliarden Mark. Darin kommt deutlich der hervor«agende Aufschwung der Stci'ol: zum Ausdruck. Mit den Schulden fit das Vermögen gestiegen. Ein« Statistik über 29 preussisch: Städte mit m-chr als 100 000 Einwohnern stellte das Vorhandensein von 80 Millionen Maik jährlicher Fon-os fest. Der steigenden Schuldenlast stehen also auch große Werte an bleibendem Ver mögen gegenüber. Trotzdem erfordert die Sch u ld e n Politik besonder« Aufmerksamkeit, da der jährliche E>esomtbedarf der Städte non etwa 100 Millionen Mark den Rcnlenmarkt erheblich belastet. Bei Prüfung der Irrige, ob die gegenwärtigen For men und Wege zur Befriedigung des Kreditbedarfs ausreichend find, ist feslgeftellt. daß es den Städten im allgemeinen leicht geworden ist, zu günstigen Be dingungen Anleiben zu erhalten. Der Wunsch nach einem eil Zeitlichen K o m m u n a l i n st i t n t ist be rechtiat. Auf Reichs und Sioatsbilfe ist nicht zu rech uen. Bei den großen Summen läßt sich die Mitwir kuwg der Gros, .mir »'en »ich! entbehren, Vie sich auch einer kominunalöank nicht feindlich gcgeniiberstcllen würden. Eine Städtebank als Aktien-Kommandit ocfellschafl ist ah.zclc.urt. Der Zusammentritt ein.-s Konsortiums non (''rostbanken mit der Verpflichtung zur Uedernabme von kommunalen Darlehen hat sich als undurchführbar herausaestellt. Da die (befahr de stehl, daß die Gros banken die Großindustrie vor,ziehen würdeir. bleibt aber ein Zusammenschluß wünschens wert. Für ein gemeinsames Institut sind verschiedene Formen denkbar. Der Erlaß eines Reichsg-esetzes er ichein: -rnsg.ichlossen. die. Begründung durch einzel staatliche Gesche aber notwendig. Eine Vorfrage ist Der Kamp! um Grabbe. Heute sind drei Viertel eines Jahrhunderts vor flössen, seil Dietrich Christian Grabbe, bis zum Tode von dem widrigen Gezänk seiner Frau verfolgt, sein tragisches Leben aushauchte. Eine der pro blematischsten Erscheinungen der deutschen Literatur war mit ihm dahingeschieden, ein grostes dramatisches Genie, nächst Schiller und Kleist vielleicht das Be deutendste, das wir besessen, aber durch die Dämonen seines Innern gehemmt in einer reinen Entfaltung seiner Gaben, seine Dichtung mehr ein Trümmerfeld grandioser Ideen uno gigantischer Einfälle, denn ein wirklicher Tempel der Schönl>eit. Heber seinem Grabe hat der Kamps der Geiste: um Grabbe lxrgonnrn; kein anderer Poet ist so schran kenlos verehrt und so verächtlich getadelt worden. Aber die Zeit hat auch hier ihr Urteil gesprochen: das Detmoloer Genie hat seinen Platz im Pantheon der deutschen Literatur erhalten, zwar nicht, wie manche wollten, neben und über Goethe und Schiller, aber doch als einer jener große» und leidenschaftlichen Ringer nm die Schönheit, der jein Leben der Kunst geopfert un-o, obwohl vor dem Ziel zusammen brechend sich doch den so Heist ersehnten Lorbeer er obert. Selten sind die Meinungen über einen Dichter so gegensätzlich gewesen wie bei der Beurteilung Grabbes. Zeiten, die mit seiner chaotisch zerrissenen Natur sympathisierten, wie das junge Deutschland und der modern« Naturalismus, haben ihn in den Himmel erhoben, andere Epochen, die einem reinen Formideal huldigten, ihn zu den einfachen Sudlern und Nichtskönnern gestellt. Ader, dast er lebendig geblieben, hat die weilen Widerhall weckende Feier seines 100. Geburtstages vor zehn Jahren bewiesen, lassen di« Versuche erkennen, di« immer wieder auf tauchen, feinen Dramen di« Bühne zu erobern, er härtet vor allem die Hülle der Neuausaaben, die seine Dichtungen in weite Kreije des Volkes tragen. Seine Zeit stand dem Schöpfer des „Gothland" mit einem „entsetztv«rwund«rten Schauder" gegenüber. Der Damalige Literaturpapst Wolfgang Menzel gab dem Ausdruck, wenn er ihn „ein verrücktes Genie, aber immerhin ein Genie" nannte. Das höchste Lob spendete Menzel „Don Juan und Faust", diesem ungeheuren und faszinierenden Versuch, die Welte« Mozarts und Goethes in eins zu verschmel zen; er war entzückt von vielem „tollschönen Stück, I in de« die Gedanken Blitz«, die Worte Donner und di« Empfindungen Schläge sind". Einen verwandteren I Geist ftoikde» dre I»«-deutsche» in Grabbe, die I die Verleihung der Mündelsicheicheit der auszugeben- den Wertpapiere. Die Begründung eines Vereins wurde ebenfalls für nicht .zweckmäßig erklärt. Aber auch ein Zusammenschluß der Anstalten, die Kommu- nal-KreditLnefe ausgeben, zu einem Konsortium, lieh« sich nicht ermöglichen, da di« Banken es für un durchführbar erklärten, eine feste Summe mit sosren Darlehnsbedingungen vertraglich zu übernehmen. Für die Begründung eines einheitlichen Geldinstituts fit bisherein gangbarer Weg nicht geschaffen. Durch das bereits mit Mut und Glück begonnene Zu- sammensussen der verfügbaren Gelder in einer Gclo- oermittelunzsstelle der deutschen Städte zeigt «ich ein neuer Weg zum Zusammenschluß, der langsam aber sicher zum Ziele führt. «Lebhafter Beifall.s Als zweiter Berichtemarter Uber dasselbe Thema sprach Lbelbürzermeister Geheimrat Dr. Beutler- Dresden. Eine Anzahl preußischer Lanbräte ist, wie Ihnen bekannt sein dürfte, in Bestrebungen auf Schaffung einer oeuischen Kommünalbank auf Aktien eingetrcren. Wir sind die letzten, die der Errich tung eines solchen Instituts irgendwelche Ht-oervisfe bernten wollen. Einipruch erheben aber mAssen wir argen Len Versuch, die Städte, die Mitglieder oes Deutschen Stäotetagrg sind, zum Anschluß an ein solches kommunales Kreditinstitut zu bewegen. Die größeren Städte würden das Kapital für eine selche Kommunalbank aufrubrinzen haben, durch die Vic Bedürfnisse der Landgemeinoen und der kreise be friedigt werden sollen. Das zu empfehlen, bat der Vorstand die ernstesten Bedenken getragen. Er be zweifelt auch, dast es gelingt, zur Leitung eines sol chen Zentral Instituts geebnete Persönlichkeiten zu finden, die die kredilverhaltniüe der großen Zahl von Gemeinden des Deutschen Reiches zu übersehen vermögen. Wir empfehlen oen Siädten, in erster Linie eine V e r m i t i e l u n g s st e l l.- >ür kommu nale Darlehen cinzurichten. Diese V:rmiticlungs- stelle soll allen Sen Deutschen Slädtetag selbständig als Mitglieder angehörenden Siädten ebenso wie denjenigen, die nur in ihrer Eigenschaft als Mitglie der eines provinziellen Städterazes dem Deutschen Städtetag angehören, zu dienen Ixstimmt sein. Einstweilen wollen wir Vie Wirksamkeit der Ver mittelungsstelle aus die Mitglieder des Deutschen Städtelages beschränken, nicht aus fcperatistischen Gründen, sondern »»eil wir die Vermögensvcrhält- nijse unserer Mitglieder leicht übersetze» können. Wir lassen es dahingctteUt, ob di« Städte einmal einen Ausbau der Vermittlungsstelle «mpichlen wird. Im Interesse des gesamten Kredits unserer Städte halten wir es für wünschenswert, den kleineren Stadtanleihen, etwa solche von 1 Million Mark und darunter, überhaupt nicht mehr in der Form von Inhaberpaviereu an der Börse erscheinen, denn sie sind meist schwer verkäuflich und schädigen damit den Kursstand Lcr kommenden Obligationen, überhaupt. Für die Uebernahmc der kommunalen Anleihen, die durch Ausgabe von Inhabcrpapieren aufgebracht werden sollen, kommen natürlich in erster Linie die Kreditbanken in Betracht. Die Dermitlelnngsst-'lle soll auch die Aufgabe übernehmen, aus einen möglichst einheitlichen Anleihetnp der Sradianleihe in bezug aus die Zinszahlung. Rückzahlung bezw. Til gung und sonstigen Anleib.bedingiingen hinzuwirken. Schließlich empfiehlt der Vorstcntd den Mitgliedern des Deutschen StäoieKrges. außerordentliche Bedürf nisse durch Fondsbildung zu decken und dadurch das Anschwellen der Stadtanleihcn zu vermeiven und indirekt den Kursstand zn heben. (Lebhafter anhal tender Beisall.) An üie'cn riii lebhaftem Beifall auf^enoinmenen Reftratcn knüpfen sich »aus Vorschlag von Ov-rbürger- ineisler Kirschner zunächst eine allgemeine Be sprechung. In feinem Schlnstwerte pflichtete Oberbüraer- meister Geb. Finanzrat Dr. Beutler- Dresden den Wünschen auf größere Berücksichtigung der mittleren und kleinen Städte in der Leitung der Vermiite- liinasstelle be'. Zur Spczialdebotte log kein<.rl.'i Wortmeldung vor. Der dritte Deutsche Stävtetag erhob hierauf einstimmig die Vorschläge des-Vorstandes des Deut schen S ädtetaoes. die wir dieser Tage veröffentlich »en, zum Beschluß. - SosiMemvkrnMcherpsrtcitsg. ll. Jena, 11. September. Die heutige erste Arbeitssitzung des sozialdemo kratischen Parteitages eröffnete Reichstagsadg. Dietz- Liutrgart mit der Begrüßung der erschienenen aus- ländstchen Gäste. Für die tschechisch-slawische Partei feierte Sukop-Prag die deutsche Sozialdemokratie als die älteste und größte Partei der Internationale. — Stein-Wien begrüßte den Parteitag im Namen der zentralistisch organisierten Tschechen. — Im Namen der deutschen Sozialdemokraten Oesterreichs richtete Reichsrat Aba. Dr. Victor Adler-Wien, der mit stürmischem Beifall begrüßt wurde, eine längere Ansprache an den Parteitag: Krieg, Hungersnot und Pestilenz be drohen die Reiche Europas, als ob es noch so wäre, wie vor vielen hundert Jahren. Wir haben aber alle das Lewntztsein, dost das Proletariat langsam, aber im wachsenden Maste die Fähigkeit gewinnt, die Gcschicke in seine Hand zu nehmen, und zwar je mehr die herrschenden Klassen diese Fähigkeit verlieren. Wir deutschen Sozialdemokraten in Oesterreich fühlen die Kraft in uns, trotz aller Widerwärtigkeiten die Verantwortung voll zu tragen für die (beschicke des Proletariats aller Zungen »n Oesterreich. (Beifall.) Wir Haven einen schweren Kampf hinter uns. Auch wir haben so etwas wie einen schwarz- blauen Block gehabt, allerdings sind die Blöcke bei uns nicht so fest, wie bei Ihnen. (Heiterkeit.» Die Feinde unserer Feinde sind aber noch lange nicht unsere Freunde. (Zustimmung.) Das must gesagt werden, damit Sie die nächsten Wahlen, die sehr bald kommen können, verstehen. Dann wird de: Deutsch-nationale Verband unser konsolidiertester Klassenfeind sein. Hcme herrscht in Oesterreich die furchtbarste Not, die sich schon in jeder Familie in einer Weise geltend macht, wie man sie noch nie erlebt bat. Demgegenüber ist die Negierung ohnmächtig und schwach. Wir stehen vor einer großen Erregung Les Volkes, die der Hunger mit sich gebracht hat. Angeächls dieser Lage werden Sie es begreifen, wie unangenehm wir die gcrverkschastlichen Schwierig keiten in Oesterreich empfinden, die auf nationale Konflikt»' zurückzuführeu sind. Ihnen wünsche ich zu den bevorp.ehenden Mahlen einen großen Erfolg. (Stürmischer Beifall.) — Im Namen der russi schen Sozialdemokratie sprach Abderon-Zürich Worte der Begrüßung. Die Grüße der französischen Sozialdemokratie überbrachte Brackc-Pciris. Wenn versucht wird, in der Marolkofrage Feindseligkeiten heraufzubcschwören, so versichert das französische Proletariat, daß es sich in intimster Soli darität mit den deutschen Arbeitern verbunden suhlt und diese Solidarität jederzeit betätigen wird. (Stürmischer Beifall.) Quelch-London war der Füriprecher der eng lischen Sozialisten: Die deutsche Partei wird m England als Vorbild betrachtet. Auch die englischen Genossen sind gegen den Imperalismus und versichern ihre Solidarität mit den deutschen Genossen. Speziell in der Marokkofrage liegt nichts vor, was das Blut eines deutschen, französischen oder englischen Arbeiters rechtfertigen könnte. (Großer Beifall.) Wir be dauern, Vast es uns bisher nicht möglich war, eine internationale Friedenskundgebung mit den deutschen Genossen zu veranstalten. Nach werteren Begrüßungs reden trat der Parteitag in die Tagesordnung ein. Zu nächst erstattete Parteisekretär Müller-Berlin den Geschäftsbericht des Partcivorstandes. Nach den letzten Reichstags- wählen waren 16,5 Proz. unserer Wähler Mitglieder der politischen Organisation, heute sind es 25,6 Proz. Einen großartigen Aufschwung hat die Frauen- und Jugendbewegung genommen. Leider haben wir die erste Million politisch organisierter Sozialdemokraten noch nicht erreichen können. Das Hauptgewicht müssen wir nach wie vor auf p o l i t i s ch e Kleinarbeit legen. Sehen Sic sich nur die Kleinarbeit des Volks vereins für das katholische Deutschland und des Bundes der Landwirte au: pretzstimmen. Die Kriegsfurcht der Börse gibt der „Natio nal-Zeitung" Anlast zu folgenden Betrach tungen: „k r ie g s f u r ch t ist für die Börse unter Umständen schlimmer als Krieg. Deshalb wird der vorsichtige Mann nach wie vor mir allen Möglichkeiten rechnen. Auch der, der an den Frieden glaubt. Denn wenn einmal Vis Nervosität in der besitzenden Welt erwacht, dann ist es schwer zu er messen, wie weit die Wellenringe noch gehen können, die die Erregung ziehen wird. Unsere große Bant welr freilich befindet sich in der glücklichen Lage, auch sehr st ü r m e n o l l e n Tagen ohne Furcht entgegsnzufehen. Man darf nickst außer acht lassen, dast züm wenigsten diejenigen Institute, die im deutscixn Finanzleben mit,zählen, sich im Laufe der Jahre innerlich außerordentlich konsolidiert haben. Das ist nicht zum. wenigsten der vorsichtigen D i o i d e nd e n p o l i t i k zu danken, die seit Jahren sozusagen zum guten Tone bei unserer Haute-Banque gebürt. Die Zeiten sirrd längst vorüber, in denen e» selbst ein Hansemann nicht verschmähte, nach 27,14 und 12 Prozent Dividende in den nächsten Jahren 7 und 1 Prozent auszuschütren. Man sieyt daraus, daß auch die „alte Schule" ihre Schattenseiten gehabt hat. Aber das sind 20 Jahre her und darüber. In unseren Tagen laßt sich, selbst durch die reichlichsten Gewinne eines Jahres, kein vorsichtiger Bankmann dazu ver leiten, mit einer sprunghaften Erhöhung der Divi dend.' vorzugehen. Das ist, wie gesagt, jedem einzel nen unserer großen Institute zugute gekommen, und diese Taktik wird sich lohnen in den schweren Tagen, denen unter Umständen die deutsche Wirtschaftswelt, gleichviel wie die „Konversationen" zwischen Herrn von Kiderlen-Wächtcr und Herrn Lambon am Ende verlaufen, eutgegengeht." Die „Berliner B ö r s e n ze i t u n g" meint, der Ai stürm »ans die Sparkassen und der Kurssturz an der Berliner Börse wären nicht halb so stark ge wesen, wenn die Negierung mch: Fühlung mit dem Volk» gehalten hätte: „Wir müssen unser Bedauern auosprechen, daß Vie diplomatische Aktion der deutschen Re gierung durch di« V:völkcrung nicht gestützt, sondern vielmehr eher gehemmt wird; aber wer trägt die Scl-'.clo daran? Warum zeigt sich nicht dieselbe De route in Frankreich, für das ein Krieg gewiß ebensowenig wünschenswert wäre als für uns? Die dortige Regierung hat das „Volk" eben nicht als ein« astoov nazrlixoablo a »gesehen und ist im Gegenteil -bestrebt gewesen, es zur rechten Zeit und in der rechten Form über die Lage auhzuklären. Wenn man jetzt an leitender Stelle endlich zu der richtigen Erkenntnis gekommen ist und „vielleicht'' versuchen will, das bisher Versäumte nachzuholen, dann märe „vielleicht" noch manches zu retten, was durch die Schuld unserer BureLulratie schon auss äußerste gesährhet worden ist." Der „Reichsbotc" ist für baldiges Los schlagen: „Wenn wir, wie cs Frankreich, gestützt auf seine DusensreundschMt mit England, gern möchte, ohne sang und Klang aus Marokko aus ziehen würden, ohne unsere wirtschaftlichen Interessen dort unantastbar sicherzustellcn, rveil es Frankreich plötz lich beliebt, sich da hineinzusetzcn, bann wäre Deutschlands Prestige allerdings für lange Zcitdahin; und rvcnn man uns in An sehung einer auHanblicklichen Ueberma-cht der Koali tion Frankreich, England und Rußland mit Ge walt aus Marotta hinausdrängen wollte, dann wäre der Augenblick gekommen, in dem uns Marokko selbst unzweifelhaft einen Krieg wert sein müßte; denn unsere Ehre und unsere Machtstellung wären bedroht. Dann müßten wir, gestützt ans unsere gerechte Sache, ruhig der Gefahr entgsgengehen und, ohne n it der Mmpcr zu zucken, den Kampf awfneh- mcn. Diese Dinge wird man doch wohl bei ruhiger Erwägung des tiefsten Ernstes der Lage aussprechen dürfen, ohne sich zwm Kriegshetzer machen zu lassen. Ja. man wird sie aussprechen müsse n, da von der rechten Würdigung dieser Verhältnisse Deutschlands Sicherheit abhängt. Es fit also «ine ganz irrige Be- Laupturrg, von „Hetzern" zu sprechen, wo doch nur de: Ernst der Situation voll gewürdigt werden sollte. Anderseits fit es doch mich von Bedeutung, daß die Regierung aus Kundgebungen der selbständig denken den Kreise erfährt, wie das deutsche Volk trotz allem entschlossen fit. Blut und Leben für die Ehre Deutsch lands einzu-s-etzen. und wie heute noch mir Flammen glut das Wort Schillers in ^dem ehrlichen deutschen Herzen geschrieben steht: „Nichtswürdig die Nation, die nicht ihr alles setzt an ihre Ehre!"" Das ReiHsmsrlnesmt unü „Zeppelin". Das Reichsmarineamt dringt, wie der Korre spondenz „Heer und Politik" aus Luftschifferkreisen mitgeteilt wird, in neuester Zeit dem Zeppelin system ein erhöhtes Interesse entgegen. Aus schlaggebend dafür ist der Umstand, daß die Ge schwindigkeit der neueren Zeppelin-Luftschiffe, wie übrigens bei dem ersten Ausstieg der „Schwaben" von Geheimrat Hcrgesell und Major v. Parseval sestgestellt wurde, die als Zeugen dabei waren, auf 19,b m in der Sekunde gesteigert worden ist. Einer Verwendung von Motorluftschiffen stand bisher die geringe Geschwindigkeit entgegen, die die Luftschiffe äufwiesen. Wenn eine Durchschnittsgeschwindig- keit von 14 — 16 m in der Sekunde auch vor allem die mächtige Freslomalerei und die leiden schaftliche Glut der Anschauung in „Napoleon" und „Ha.inibal" bewunverten. Sie nannten ibn den „Hüllenbreughel der Literatur" öder sogar, wie Hermann Margrafs, den „Buonarotti de» Tragödie". Aber freilich Michelangelo war „der Vater des Barocks", Grabbe aber ein Dichter, der den regel losen und wilden Geist des Barocks auf die Spitze trieb und höchstens mit einem der ausschweifenden Vollender dieses Stils, wie Borromini, verglichen werden durfte. Vom „Hannibal" sprach kühne das schöne Wort: „Käme die Grazie und küßic diese hohe gefurchte Stirn, so blickte uns ein wahrhafter Dichter tief bedeutsam aus diesen Mienen entgegen — wehe der deutschen Bühne, die ein solches Talent sich nicht gewann!" Eine ruhigere Würdigung, fern von aller Ueber- schwünglichleit und Geringichätzung. haben zuerst Immermannin seiner schönen Würdigung in den ..Memorabilien" und Heine angebahnt, der von dem Talent des ihm so fremdartigen Dramatikers einen hohen Begriff hatte. Heine hat auch berkts auf die Aehnlichkeil zwischen Grabbe und Hebbel hingewiescn, die dann auf lange hinaus einer unbe fangenen Wertung Grabbes im Wege stand. Mit seinem „Vorgänger" hat sich der Schöpfer der „Ni belungen" in mancher Bemerkung und Tagcbuchauf- zeichnung auseinandergcsetzt; widerstrebend erkannte er seine Bedeutung an, aber ans seiner gegensätzlichen Art des Sehens und Schaffens konnte er sich zu einer reinen Anerkennung nicht diirchnngen. Uno der Tadel, den wir hier über die Ungleichmäßigkeit und Absoneerlichteit seiner Werke hören, wird im Munde der damaligen kritischen Größen zur völligen Verwerfung. Julian Schmidt kanzelt den armen Grabbe ad wie einen Schulbuben. Ger- vinus jammert über die furchtbare Entartung und Verzerrung, die in den „Sinnlosigkeiten" und „Albernheiten" seine» Geschreibsel» zum Ausdruck komme. Auch Scherer gesteht in seiner Literatur geschichte, ihm fehle da» Organ für diesen „törichten Grabbe", er finde ihn „bloß lächerlich", höchstens „als eine Art Vorbereitung auf Hebbel interessant". Dieser Ablehnung durch die zünftig« Literatur gcschicht« traten dann i„ der Revolutionszeit von 1>>48 revolutionäre Geister entgegen, die in Grabbe ein Loiegelbild ihrer eigenen gärenden Stimmung fanden. Der derbe, polternde Johannes Scherr entwarf sein anschauliche» Porträt des Dichters, und Rudolf v Gottfchall wurde nicht müde, immer wieder auf den Dichter der Hohenstaufendramen Hin zuwersen. Und wieder kam eine Zeit, die in Grabbe einen Geistesverwandten entdeckte. Die Jüngsrdcutschen 'des Naturalismus, unter denen manch ähnliche Natur war. so Hermann Con radi und Peter Hille, verehrten den markigen Realisten, tragisch-genialen Menschen, der bereits Ideen Stirners nrrd Nietzsches voransgenommcn. Besonvers Bleib treu här unter diesen Dichtern den Ruhm Grabbes verkündet. Aber auch die Lite- racurgeschicht: wandte sich ihm nun zu, Grisebach reinige in mühsamer Psiloiogcnarbeit den Tex seiner Werke, eine Fülle von Sp.zialarbeitcn be schäftigte sich mit jeder Einzelheit seines Schassens, die Zusammenhänge seines Dichtens mit modernen Erscheinungen, dem „Florian Gever" Gerhart Haupt manns und den groteske» Tragi»omödicn Wedekinds wurden aufgedeckr. Einige seiner Dramen, der Na poleon, die Hohenstaufen. „Scherz, Satire und Ironie", wurden mit großem Beifall wieder auf geführt. Grabbe ist für uns der Typus des tragi schen Genies, dem zwischen Wollen und Vollbringen kein Ausgleich gelungen. Von ihm hat Frciligrath in einem schönen Gedicht auf seinen Tod das Wort geprägt: „Das Mal der Dichtung ist ein Kains stempel"; seine Gestalt ist von Berthold Auerbach und Rudolf Bunge zum Dramenhelden gemacht worden. Am schönsten hat wohl Wilhelm Raabe in einer Episode von „Pfisters Mühle" den Schatten dieses bizarr grandiosen Dettlerkönigs der Poesie herauf beschworen aus dem düster dämmernden Reich, da es wohnt, ..das ruhelose, unglückselig-selige Zwischrn- reichsvolk". Zur Leimiger „Rvlenkgoslier"- Premiere. (Die Generalprobe im Neue» Sladtthcater.) Man empsand, vor einem besonderen künstlerischen Ereignisse zu stehen. Ein sehr zahlreiches Publikum hatte sich im Parkett eingeiunden. Aber nicht wie sonst führte der Weg die Hör- und Schaulustigen treppaui und »ab am Sekretariat vorüber und durch den Chorsaal, sondern am Strastcveincang war der Zutritt und ein grünröckigcr Schließer schante argwöhnisch drein, daß auch jeLer der Geladenen seinen Zettel und musi kalischen Paffagierschein vvrweije. Also ward „nach den Regeln der Schul'" nur eingelassen. Ein buntes Bild — völlig verschieden von jenem des Abends, bot wieder einmal der Zuschauerraum: kunstsreunde, Kritiker, Orchesterverwandie, farbig kostümierte Bühnenmitglieder, die „noch nicht drankamen", und andere in Zivil bevölkerten ihn. Inmitten der Reihen saß der gestrenge Opernleiter Dr. Loewen- feld, bewaffnet mit dem gefürchteten Sprachrohr; neben ihm der noch amtierende Direktor und unweit von ihm der kommende Leipziger Intendant. Plötz, lich erschien am Souifleurkaiten das rote Signal zum Anfang. Die einstimmenden Instrumente ver- stummten, Egon Pollak setzte sich zurecht im Diri- acntenstuhl und der gespannte Zuschauer fuhr mit dem Tüchlein schnell noch einmal übers Opernglas. Das Spiel vom „Rosenkavalier" begann. Berufene und Unberufene haben sich im Ver laufe eines halben Jahres schon mehr als hin- reichend über das Treiben des losen Kavaliers Octavian, der der schönen Demoiselle Sophie von Faninal die silberne Tugendrose zu überreichen gewürdigt wird, wortreich ausgelassen. Wort- und Tondichter, Hugo von Hosmannsthal und Richard Strauß, führen den Zuschauer in das von Gärungen und manch diametral gegenüber stehenden Anichaunngen erfüllte Zeitalter der großen Kaiierin M-irig Theresia. Tie Politik spielte eine gewaltige Rolle; Hochadel und Bürgerpack kon trastierten ichroff und der mittlere Bürgerstand suchte mit jenem sein Heil in dem von Versailles kommenden kulturellen Segen. Man staunte Vol taire, den Patriarchen der Toleranz und Aufklärung, an und gab sich den einichläfernden geistlichen Ucbungcn Liguoris hin. Die Altwiener Jungfern er götzten sich baß draußen im Wurstlprater und weinten daheim im Kämmerlein Richardsvns armer Klarissa bittere Tränlein nach. Justament wie heute küm merte man sich viel um den lieben Mitmenschen, medisierte nach Lust und lauerte einig jeder Mes alliance, noch weit mehr der Liaison im Nachbar hause auf. Man lebte und liebte und präparierte sich, des Beichtens wieder ledig, auf allerliebste neue Sünden. Die Zeit des wackeren Ferdinand und der schönen Luise Millerin war auch die des Rosen kavaliers. In dieses Mileu der Anschauungen und Sitte» führt uns Hosmannsthal. Es geht ein wenig drunter und drüber und die liebe Tugend geht wie auf Glatteis und ist oft nabe daran, auszugleiten und einen schweren Fall zu tun. Aber der Arm der Ge rechtigkeit ist lang und stark gcn»»g, die Zitternde ausrecht zu halten und ein öffentliches Acrgerins zu vermeiden. Die Autoren meinten Gründ zu haben, ihr Werk „eine Komödie für Musik" -u nennen. Der Bezeichnung „Oper" gingen sie aus dem Wege und als Operette konnten sie es nicht aut in die Welt hinausgehen lassen. Richard Strauß hat seinerzeit