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Sonntags - Ausgabe kür Leipzig un» Vorort» Surch onfer, Iraser vkAUAVPkLefk. und ep»-ttrur« »mal täglich io» Yao» gebracht: monatlich I.2S M.. viertrllährltch Z.7S M. Sei »er S»schüft»strll», unser« Zlllalen uoä flusgadestrUen adg-kolt: monatlichIM..otrrt«ljährllch3M. vorch» äl» poN: innerhalb veutschlanä» uno 0er äeutschen yolootea monatlich 1.S0 M.. vierteljährlich 4-S4 M.. ausschließlich poltdrstellgelä. va» Leipziger Tageblatt erscheint Werktag» rmal,Sonn»u-Z»i«rlag»>mal. In Leipzig, -en Nachbororien unü äen ldrten mit eigenen Zilialen wirb St« tzbenüausgab« noch am Ndenä äe» Lrscheineo» in» Hau» geliefert. Vrrlinrr NeSaktion: In äenZelten 17, Zernsprech-fioschluA: Moabit Nr. 447. /lrrcksblockt des Rates und des polrzernrntes der Stadt Lerpzrg NeSaktion und SeschäftosieUer lohannisgass» Nr.«. ch Zernsprech-finschluß Nr. 14S42, ,4003 un» 14-44. ISS. Jahrgang für Inserat» au» Leipzig unä Umgebung ät« /»NAeigenpreije: ispalt>gep.Ut,»ile2.'ps.,cu»NeNam»ir>I»lM., von »»»wärt» Zä Pf., Neklomen 1.4» M., ßlrin» Anzeigen äiepetitzrlle nur LS pf.d.wlr-erhol.Nad., Inserate oon Sehvräen im amtlichen Teil äi» Petit zeil, L» Pf. cheschäftsanzeigrn mit plohvorschrist >m Preise erhöht. Nada« nach Tarif. Seilagen, che»amtaufl.SM.äa»Tausenä ausschl.poslgebiihr. Nazeigea.ynnadm»: ^ohannisgasseS, vet sämtlichen Filialen -,» Leipziger Tagedlatte» un» allen Ynnoncen-Txpeäitionen Se» In- un» siu»lonär». cheschäftsstell» für Serlin u. »te pr. Sroaärndurg virektionWalter Zliegel, Serlia w. 10, Margacethensirotze S. Zerusprrch-flnschlußr Lühew 6471. Nr. 248. Vas wichtigste. * Der Wchrbeitrag in Sachsen soll sich nach neueren Mitteilungen auf rund 79 Millionen Mark belaufen. * Die Erste Kammer hat am Sonnabend gegen das P sa r r b e f 0 l d u n g s g es e tz E i n- wendilngen erhoben und die Abstimmung aus gesetzt. (S. bes. Art.) * König Friedrich August hat am Sonn abend jein bayrisches Infanterieregi ment in Neuburg a. d. Donau besichtigt, (2. Pol. Uebcrs.) * Der Neichstag erledigte am Sonnabend in zwei Sitzungen den Nest des Reicbshaushalts in zweiter Lesung uno verabschiedete das Spi 0 - nagegejctz gleichfalls in zweiter Lesung, ls. Art. u. Per.) * Ter Kaiser nahm am Sonnabend in Wies- baden eine Parade iibec verschiedene hessen nassauische Regimenter ab. (S. bes. Art.) - * Das k r 0 n y r i n z e n p a a r von Schwe ben besichtigte am Sonnabend den deutschen Teil der Baltischen Ausstellung in Malmö, insbesondere die Majolika-Ausstellung der Kaiser lichen Fabrit in Cadinen. (S. Ausl.) * In Rom wurde am Sonnabend der Inter nationale Fraucnkongreß eröffnet. (S. Ausl.) * Das dänische Königspaar ist am Sonnabend nachmittag in Paris eingetroffen. (2. Ausl.) * In den albanischen Vermittlungs verhandlungen ist eine prinzipielle Eini gung zustande gekommen. sS. Pol. Ucbers.) * Das neue Marinc Zcppelin - Lust ich i f f „1. ?>" erreichte gestern mit Meter eine visher uncrreichte Höhe. (S. Sp. u. Sp.) i° Bei Halberstadt sind zwei Offiziers flieger tödlich abg e st ürzt. (S. Tp- u. Sp.) Umschau. Leipzig, 17. Mai. Hr Ganz so rosig wie neulich Graf Berch- told bei der Eröffnung der österreichisch-unga rischen Delegationen har Staatssekretär von Jagow am Donnerstag die Weltlage im Reichstage nicht -u schildern vermocht. Trotz dem wird er in der Presse aller Hauptstädte, Petersburg aus guten Gründen ausgenommen, reichlich gelobt; in Wien wie in Rom, in Lou don wie in Paris findet mau zum mindesten, daß er sehr vernünftige Ansichten vorgctragen habe. Natürlich gibr cs da mancherlei Ver schiedenheiten der Auffassung. In Oesterreich erfreut man sich lebhaft au der abermaligen Bestätigung der Dreibuudspolitit, ein Gefühl, das in Rom ebenfalls, aber doch um einen Grad weniger start zum Ausdruck kommt. Die englische Presse ist im ganzen leidlich zufrieden, und die französischen Blätter suchen sich die Rosinen aus dem Kuchen; sic stellen fest, daß Herr v. Jagow mit Recht den „säbelrasseluden alten Offizieren" , einen Dämpfer zuteil werden ließ — als wenn - ' man selbst stets ein Ausbund aller friedlichen Tugenden gewesen wäre, nie ein Wässerlein ge trübt hätte! Ueberalt mußte natürlich ebenso wie bei uns die eine Stelle ins Auge fallen, bei der Herr v. Jagow, wie er andcutete, im besonderen Einverständnisse mit dem Reichs kanzler der russischen Presse die Verant wortung für die gereizten Stimmungen der letz ten Zeil zuschob, zumal da er sich beklagte, daß im Auslande jede irgendwie anfechtbare deutsche Auslassung aufgegriffen und zu unserem Scha den ausgeschlachtet würde, während die gegen uns von Osten und Westen gerichteten Drohun gen unbeachtet blieben. Ob diese Feststellung etwas fruchten wird, steht dahin; aber es ist doch ungemein bezeichnend für unsere eigenen friedfertigen Anschauungen, daß so ein paar einfache bestimmte Worte schon wie eine staats männische Tat bewertet werden. Was da Herr v. Jagow aussprach, ist seit bald zwei Jahr zehnten jedem bekannt, der einigermaßen die ausländische Presse beobachtet. In Rußland wie in Frankreich und leider auch in England und Amerika gibt cs eine Bresse, die unbedingt deutschfeindlich ist. Aber die Hauptunruhestister hat Herr v. Jagow in allernächster Nähe; er tann sie jeden Tag sehen, wenn er will. Es sind die in Berlin ansässigen Berichterstatter einiger französischer, englischer und russischer Blätter, die förmlich Hand in Hand arbeiten. Wie da jede irgendwie belangreiche deutsche Preßäußerung gehässig zugestutzt ivird, das haben wir erst neulich wieder erfahren, als wir I Sonntag, üen 17. Mal. uns an dieser Stelle mit der Frage der Lebens mittelversorgung der Städte im Kriegsfälle be- schäftigten. Zu tun ist gegen eine feindselige Ausschlachtung solcher rein sachlicher Erörterun gen so gut wie nichts, oder richtiger gesagt: es geschah seither nichts. So selten ivie mög lich wurde die Regierungspresse dazu benutzt, das Geschreibe und Gedraqte dieser Herren als üble Machenschaft zu kennzeichnen, was in gar manchem Falt doch recht nützlich hätte sein können. Sie sind unsere Gäste, gewiß, aber nirgends in der Welt geht die Gastfreundschaft so weit, daß man sich das eigene Haus ver schnupfteren läßt. Sollten die Worte des Herrn v. Jagow eine Acnderung in der seither allzu wohlwollenden Behandlung dieser Gäste einzu leiten bestimmt sein, so wäre eine Menge von anständigen Leuten, die auf die Berantworrungs- pflicht der Presse Wert legen, durchaus einver standen. — Alt die Rede des Staatssekretärs schloß sich keine übermäßig lange Aussprache. Auch wenn der Reichskanzler, der durch den Tod seiner Gattin seelisch stark bedrückt ist, hätte erscheinen können, lvärc kaum viel mehr geredet worden. Ob das die einen loben, die andern beklagen — erklärlich ist eS ja, daß in einer Zeit, die zwar voller Zweifel und Unruhe steckt, aber doch im Augenblick wenigstens keinen Antrieb zu einer plötzlichen Wendung oder Entscheidung in sich trägt — alle großen widerstrebenden Kräfte sind im Gleichgewichtszustände —, wir meinen, erklärlich ist es, daß sich Re gierung und Parteien hüten, in der glimmen den Asche herumzustöbcrn. Gedämpfte Stim mung! Mau unterhält sich und meidet strittige Gegenstände. Aber es läßt sich nicht sagen, daß man sich gut unterhalte. So arm an Ausbeute brauchte diese Verhandlung über die „hohe Politik" denn doch nicht zu bleiben. Alle Redner, mit wenig Ausnahmen, hielten sich au die vom RegierungStisch ausgegebenen, zum Teil reichlich abgenutzten 'Stichworte: Allge meine Entspannung . . . Dreibund — eine gute Sache'. . . Frankreick) nicht zur Liebe zit zwingen! . .. England — je nun, wenn, aber — aus jeden Fall Vorsicht! . . . Rußland — nichts mehr gefallen lassen! . . . Türkei muß gehalten werden! . . . Albanien — unsere herz lichsten Wünsche! . . . Mexiko --- schlimm, hof fentlich wird'S besser . . . usw. mit oder ohne Grazie. In der sozialdemokratischen Presse liest man nun, 'der einzige frische Luftzug sei von ihrer Partei aus in das müde Einerlei hmein- Hekommen. Das stimmt vielleicht insofern, als Torheit und Unverständnis unter Umständen allerdings als belebende Abwechslung wirken können. Im ganzen steht die Sozialdemokratie, das hat sich von neuem gezeigt, vor der aus wärtigen Politik ivie ein Knabe, der eine Inte gralrechnung lösen soll, aber im Ein maleins nicht sicher ist. Schuljungen pflegen in solchen Fällen entschuldigend zu be merken: Das haben wir noch nicht gehabt! Die Sozialdemokratie aber ivill alles „gehabt" ha ben; sie ivill nicht zugeben, daß ihre Partei schablone nun einmal nicht langt, um dje weite Welt mit ihren ungeheuren Abständen in der Kulturentwicklung zu decken. Diese Schablone mag hin und her gerückt werden, immer wird da oder dort ein Stück Welk herausgucken und der Schablone spotten. Rur der Aerger iiber diese Unzulänglimkeit kann es einigermaßen ent schuldigen, wenn ihr erster Redner auf die hahne büchene Beschuldigung verfiel, „man" habe ganz Europa in einen Schlachthof verwandeln wollen, und das Auswärtige Amt habe diese Schlacht hofpolitik „mitgewacht". Und nicht anders war der Knallschluß, das „Viv<> I» Ist-Luce!" zu be werten, das der Genosse Wendel als Gruß der völkerbefreienden Sozialdemokratie nach Frank reich hinüberrief, wo Jaurös und seine Leute ihren Wahlsieg als Anfgang einer neuen Zeit feiern. — Wie der Reichstag wird auch der sächsi sche Landtag in kurzem auseinandergchen. Muß der Reichstag eine Reihe unverrichteter Tinge im Stiche lassen, so geht cs unserem Land tage nicht viel anders. Die Zahl der Wünsche und Anregungen war groß, wie man über haupt der Zweiten Kammer nicht nachsagen kann, daß es ihr am treibenden Willen gefehlt habe. Be droht ist das Pfarrbesoldun gsgcsetz, und das Gesetz über die Regelung der Schul beihitfen des Staates wird, wie der Kultusminister in der Ersten Kammer ange sichts des Widerspruches der Oberbürgermeister zugab, nur ein vorläufiges Wirtschaften ermög lichen, bis man die ganze Sache von Grund auf auzupacken gezwungen sein wird. Der un erquicklichste Mißerfolg ist das vollständige Ver sagen aller Anstrengungen, mit der seit einem Jahrzehnt betriebenen sog. Reform der Ersten Kammer auch nur einen Schritt vor wärtszukommen. Konservative und Sozial demokraten haben cs für gut gehalten, die libe ralen Anträge in der Gesctzgebungsdeputation unter den Tisch zu bringen. Und die Regierung'? Was wird sie nächste Woche der Kammer über diese Leistung zu sagen haben? Wird sie darin lediglich einen neuen Beweis finden für die Richtigkeit ihrer abwartenden Politik? Aus libe raler Seite wird man es nicht gerade zu be- dauern haben, daß infolge dieses Versagens die » Reform der Ersten Kammer mitten in die künf tige Landtagswahlbewegung gerückt werden wird. Im allgemeinen pflegen sonst die Regierungen bei der Aussicht auf Neuwahlen nach einem mög lichst befriedigenden Abschluß zu streben, nm das Bereich der Streitsragen zu mindern und der Kritik LK'il Stofs zu entziehen. Aber selbst dem Anträge Niethammer gegenüber, der durchaus nicht politischer Natur ist, sondern einen praktischen Zweck verfolgt, die Vereinfachung der Eisenbahnverwaltung, bleibt sie bei der Zusiche rung nochmaliger wohlwollender Prüfung stehen. Was 'Wunder, wenn man im Lande den Eindruck hat, daß bei der Regierung die bureaukratischen Neigungen doch weit stärker ausgeprägt sind, als sie zugeben ivill! Der Fiuanzminister ins besondere, Herr v. Sehdewitz, hat jedenfalls wenig getan, um die Zweite Kammer in der Mei nung zu bestärken, daß der Regierung eine eif rige anregende Tätigkeit erwünscht sei. Er ist der Hüter der Finanzen, und es steht ihm ge wiß wohl an, jeden Vorschlag abzuweisen, der sein großes Zahlengebäude erschüttern könnte, zumal in Zeiten unsicherer wirtschaftlicher Verhältnisse. Aber die Art, ivie er die verschiedenen Anträge zu dem Kapitel „Direkte Steuern" behandelte — u. a. verlangte die Finanzdeputation den Weg fall der beiden untersten Steuerstufen —, erregte ivie bei dem Anträge Niethammer das Gefühl, daß neben den sachlichen Gründen doch auch ein Ueberinaß von 'Abneigung gegen Neuerungen mitgesprochen habe, vielleicht auch eine Verstim mung über die vorhergegaugene Ablehnung des Zuwachssteuergesetzes. Ganz besonders mußte aber eine Bemerkung des Herrn v. Sehdewitz über die letzte Reichsftcuergesetzgebung ausfalleu. Wir kennen ja seine Meinung. Es soll nicht bestritten werden, daß zurzeit wenigstens die Nachwirkungen trotz des glatten Einganges des Wehrbeitrages — in Sachsen 75 Millionen — nicht ganz zu übersehen sind; aber das läßt sich doch wohl behaupten: die erst so laut geäußerten Befürchtungen einer Finanzzerrüttung sind nicht gerechtfertigt worden. Die Einzelstaaten werden nach wie vor wirtschaften können. Den noch hielt es Herr v. Sehdewitz für nötig, zu sagen: „Wir sind nicht mehr unumschränkte Herren im eigenen Hause." DaS kann nur aus einer verärgerten Stimmung hcrauskommen, an der festzuhatten aber unmöglich irgendwelchen Nutzen bringen kann. Die liberalen Parteien haben vor fünf Jahren die Arbeit im Landtage mit einer starken Freudigkeit ausgenommen. Wir zweifeln, ob die Schuld allein an ihnen liegt, wenn mancher Aufwand an Mühe — siehe auch Landtagsordnung — unnütz vertan wurde und das Verhältnis zur Regierung nicht so ersprießlich geworden ist, wie cs zum Vorteil des Staarswohls bei allseitigem guten Willen hätte werden können. Es ivird bei einer Rückschau auf die Landtagsarbeiteu noch Anlaß sein, den Kräften etwas nachzugehen, die mehr oder minder zielbewußt auf die Minderung der Erfolge dieses Landtages hingearbeitet haben. Ein kritischer Tag in -er Ersten Kammer. rg. Dresden, 16. Akai. Schon am Freitag hatte die Erste Kammer dem Kultusminister Dr. Beck eine Absage erteilt, indem sie, übrigens nach dem Borbilde der Liberalen in der Zweiten Kammer, den Anbau an den mathematischen Salon ab lehnten, der auf eine Verschandelung des Zwingers hinauslaufen würde. Heute bereitete sie ihm bei der Beratung des Pfarr besoldungsgesetzes eine noch peinlichere Situation. Die Zweite Kammer hatte das Pfarrbesol- dungsgejetz nach den Vorschlägen der Gejetz- gebungsdepuration gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Konservativen Dr. Böhme, Schmidt und Greulich angenommen. In der Ersten Kammer empfahl es der Bericht erstatter Ministerialdirektor a. D. Wäntig zur Annahme. Aber gleich der erste Redner, Oberbürgermeister Dr. Sturm- Ehenrnitz, übte an dem Gesetz eine so vernich tende Kritik, daß der Minister unruhig wurde. Sturms Ausführungen gipfelten dar auf, daß die Regierung sich der finanziellen Tragweite des Gesetzes für die großen Ge meinden nicht bewußt zu sein scheine. Kultus minister Dr. Beck, der diese Ausführungen zu nächst für die Meinung eines einzelnen zu halten schien, entgegnete darauf ziemlich scharf. Er fragte, wer wohl oie Trag weite eines Gesetzes besser einzuschätzen wiße. Es gab darauf allgemeine Unruhe im Hause. Die Oberbürgermeister traten rasch zu Be sprechungen zusammen. Der Dresdner Ober bürgermeister Beutler erklärte daraus, schein bar als Resultat dieser Besprechungen, daß alle übrigen Oberbürger mci st er den Standpunkt Dr. Sturms teilten. Auch ein Vertreter der Rittergutsbesitzer, o. Larlowitz, wandte sich gegen den Entwurf, und erst als dieser mit seiner ablehnenden Stellung die Zu stimmung der Mehrheit des Hauses fand, schien der Kultusminister die kritische Stimmung zu kennen. Er mühte sich ab, zu retten, lSlT was noch zu retten war; aber cs gab nichts mehr zu retten. Der Leipziger Ober bürgermeister Dr. Dittrich beantragte die Entschließung auszusetzen und die Regierung zu ersuchen, erst einmal statistisches Material herbeizuschaffen, an dem sich die finanzielle Wirkung des Gesetzes erkennen ließe. Dieser Antrag wurde gegen 9 Stimmen angenom- m c n Ausfällig war, daß die katholischen Mitglieder des Hauses bei der Abstimmung nicht zugegen wären (Infolge Hörfehlers am Telephon war in einem Teile der gestrigen Abendausgabe von der Annahme des Gesetz entwurfs berichtet worden. D. Red.) Zwei Sonnabends-Sitzungen -es Reichstages. Stimmungsbild aus dem Reichstage. (D Berlin, 16. Mai. Der Reichstag hat heute zwei Sitzungen abge- halien. Eine kurze, in der nebenbei, gewiß mit Recht, gegen die D a u e r s i tz u n g e n gewettert wurde, und die mit der Feststellung der Beschluß unfähigkeit endete, und hinterher eine zweite, von der in diesen Wochen üblich gewordenen, ermüdenden Länge, so durch die Tat beweisend, daß auch im Reichstage ein Unterschied ist zwischen Worten und Handlungen, und dan alle noch so verständigen Reden im Grunde keinen Sinn haben, so man nicht den ernsten Willen hat, ihnen auch zu folgen. In jener ersten und kurzen Sitzung beschäftigte sich der Reichstag ausschließlich mit seinen eigensten und persönlichsten Angelegenheiten, näm lich mit dem Etat des Reichstags. Für ge wöhnlich pflegt man bei diesem Anlaß nur über die Wünsche und die Stellung derBeamtcn des Reichstags, über Angelegenheiten des Hauses, das gute oder schlechte Essen im Reüaurant und Aehnliches zu reden. Auch die>e Dinge sind heute berührt worden, so hat z. B. der nationalliberale Abg. Thoma, der nebenbei ein ausgezeichneter Stenograph ist und sämtliche Systeme beherrscht, sich in warmen, von fachmännischer Ein sicht zeugenden Sätzen der Reichstagsstenographen angenommen. Aber man griff doch auch weiter und befaßte sich sehr nachdrücklich und zugleich auch recht nachdenklich mit der allgemach unerträglich ge wordenen Art, die Reichstagsgeichäfte zu be treiben. Bei dieser Gelegenheit begab es sich — unseres Erachtens zum überhaupt ersten Male — daß Herr Lcdebour eine ganz verständige Rede hielt Er sprach sich durchaus zutreffend gegen das System der Dauersitzungen aus, die für die Ab geordneten, die schtießtich nebenbei doch auch Menschen sind, wie sür alle im Reichstagsbetrieb Beteiligten, besonders sür die Presse ruinös wirte. Und er sand sehr richtige Bemerkungen gegen das zu viele und zu lange Reden. Wäre Herr Lcde bour auf vielem richtigen Pfade weitergewandelt, dann hätte er vermuttich entdeckt, wer vor allem anderen an diesem Uebermaß von Reden schuldig ist. Aber das ging ihm wohl offenbar über die Kraft. Dieser Schritt wurde auch sonst nicht ge zogen; nur ganz am Ende der Debatte forderte ein konservariver Redner in launigen Worten auf, einmal an die eigene Brust zu schlagen. Im allgemeinen hielt inan die Regierung für haupt- ichutdig an der unleidig gewordenen Geschäftspraxis von heute, und in der Hauptsache wird man damit wohl recht haben: Es ist ein unerquicklicher Zustand, weil jedes Disponieren so unmöglich gemacht wird, und ein wenig würdiger dazu, datz bis in die letzten Tage hinein dem Reichstage tropfenweise die Gesetzesvorlagen zufließen, und daß inan ihm bis zum Moment des Auseinandergehens in Unklarheit darüber hält, ob er venagt oder geschlossen werden wird. In der über die Mas en ausgedehnten Dauer sitzung, die sich an die Sitzung vom Vormittag schloß, hat man dann kräftig mit den noch ver bliebenen Etatresten aufgeräumt. Bei dem Etat der allgemeinen Finanzvcrwaltung er lebte man einen überraschend heftigen Angriff des nationalliberalen Hospitanten Kleye auf den Schatziekretär wegen der Zustimmung zur Brüsseler Zuckertonferenz. Die Erörterung drehte sich dann noch eine ganze Weile um das schwer übersichtliche Thema der Zuckerbesteuerung, ohne daß dabei eine Klärung der Meinungen erfolgt wäre. Nach weiterer Debatte wurde endlich die zweite Lesung des Etats beendet. Leider noch nicht die Dauer sitzung des gegen die Dauersitzung so ehrlich erfüllten Reichstags. Erst um '/»8 Uhr machte man Schluß, nachdem zuvor noch in zweiter Leiung das Spio- nagegesetz angenommen worden war.. paraöevorm Kaiserin Wiesbaden Der Kaiser nahm am Sonnabend vorinit- tag 11 Uhr in Wiesbaden eine Parade über das Füsilierregiiiicnt v. Gersdorff (Kur- hejiisches Nr. 80, das 2. Nassauische Infanterie-- regilnent Nr. 88 ohne das zweite Bataillon, die zweite Abteilung des 1. 'Nassauischen Feldartil- lerieregiinentS Nr. L7 und das 2. Nassauische Pionierbataillon Nr. L5 ab. Die Truppen hatten sich ivie üblich vor dein Kurhause ausgestellt. Die Parade befehligte der Kommandant der >l. Jnfantcriebrigade Generalmajor von der E s ch. Zugegen waren der Kommandierende Ge neral des 18. Armeekorps, General der Infan terie Gcncraladjutant v. Sche n ck. Krieger vereine, SanitätSkolonncn, Jun^deutschland-Ver- einigungen von Wiesbaden ^tadt und Land waren einmarschicrt. Die Schulkinder bildeten Spalier, dahinter ein lausendkopfiges Publikum. In Wiesbaden fand am Sonnabend ein Kinder-