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Seite 2. Ur. 657. ltlnrgen*flusijabe. leipziger Sageblatt, PolitiTche Ueberlicht £in neuer Jrolfchctifali in Jabern. Um Abenb be« poelten AKißnacßtsfeicrtages bot üd) in 3abern ein neuer feßr bcbauetlicßer 3®ifcf>en» falt ereignet, her nur zu jeßr geeignet ift, bte tniiß • nm erreichte Bcrußlflunq fdjtoinben unb eine »er» fünfte Spannung zrolfcßen Nitlitär» unb 3it*il= bevöltent ng entiteßen zu laßen. 9Bit erhalten folgen» ben braßtlicßen Bericht: Straßburg, 27. Tezewbcr. 3Bie aus 3 o b e r n hierher gemclbet wirb, mürben geftern abenb auf einen im inneren fjofe ber Ecßloftfafernc ftebenben 'Coft e n bes Sßn d) 11 o m m« nb es n n m fächft. idjen Jnfanteric»Ncgiment Nr. 105 zwei f ch a r f e Sdjflffc non einer a u ft e n |i e ß e n b e n 3i»ilperfon abgegeben, meldje fofort nach ben Srfjüifcn rocglicf. Eine gcftflenung be« Jäters tonnte nicht erfolgen. Tic Angelegenheit mürbe fofort ber Staatsanwaltfcbaft übergeben. Der Äreisbirettor hat eine 'Belohnung »an 600 TI a r t auf l*ic (Ergreifung bes Täters mtsgefeftt 3abcrn, 27. Tczember SBfe gcmelbet roitb, fielen geftern abenb nadj 0 Uhr flmei Scf)üf|e » o m <t an albaffin in ben S eß 1 ° B ß 0 f hinter ber Äaferne, n>o ber 'Poften bes Kgl. Säd>f. Jnfairtcriet’egimcnfr. Nr. 105 auf unb ab ging. SJfeßrerc Sotbaten l'cfunbcii iibcreinftimmcnb, baft fte bas 2lUn<h T .agen bes Gcfcßofjc« gehört unb ben geuerfeßein bes Sdiuifes gefeßen ßaben. Tie Kugel mürbe bisßer nidjt gefunben. Traft eifriger Nadjforßßungen i r t cs bis jur Stunbe nießt ge> langen, ben Täter zu ermitteln. Ter 'Poften mürbe nicht oerleftt. Unter allen Umftänbcn banbclt es ficß nm ein einzelnes Porfommnis, bas non ber Bevölferung aufs jtftärffte nerarteilt wirb. hoffentlich gelingt es recht halb, bes Täters ßab» haft zu merben, bamit er bie perbiente ftrengc Strafe erhält. 3u bem Hnfcßlag bemcrlt bie „Teutfcßc Tageszeitung": „SKcnn ficß bie Nad)ricßt be= (tätigt, fo würbe fte erneut beweifen, mic recht 'Polizcipräftberrt o. 3 o g o m mit feiner Kenn» Zeichnung ber SSerhältniflc hatte, in benen bie beut» jdjen Truppen zurzeit in (Elfaft-Vothringen leben miifien. 3ugleid) aber zeigt bie Tatfache, baft ein folcftes Bnrfomntnw glaubhaft berichtet merben fann, mic »er fehlt cs wäre, ber aufgeßeftten Ke» nölfernng „Opfer" 3 n bringen, ftatt fte mit ber allein angebrachten etfernen Strenge im 3««me in halten." Aus bi cf er prcftftinrme fann man bereits bie SJirlitna jenes '-Bubenftreichcs auf gemiffc Kreife ermeffen. Cin t>albatntü$cr Küd’blicE auf das 3at>r 1913. Tic „Norbbeutfcßc Adacmcine Bettung" icbre’.bt in einem Artifel „Am Enbe bes 3nbeljahrcs“ jur 3abcrner Sache: „Gerabe am Enbe bes Grinncrungsjabrcs ift moftl noch eine befonbere grage gleidjiani als Braße aufs Ejempcl angeseiqt, bie grage näm» lieh, was non ben Greigniffen bes Jahres 1913 in abermals cinhunbcrt Jahren n o eß fortlcbcn wirb. SJir möchten glauben, baft man, felbft wenn introifeften bas Keich bes ewigen griebens auf« gerichtet fein foute, bann mit 21 n c r» fennung unb Bewunberung oon bem betoifeben (Entfcblufc fpreeßen wirb, ber in btefem Jaßre ftaifer unb 'Bolt, '.Regierung unb Reichstag gu ber gewaltigen Äraftanftrengung be» fäßigt hat, bie menfcßltcßem (Ermeffen nach ben grieben weiterhin fiebert ober aber In einem aufgerroungenen Kriege ben beutfdjen_ AJaffen ben Sieg oerbürgen müßte. SBtc ein Satrjr» f p i e 1 aber mufj es anmuten, wenn ein ßiftorifcher Kiicfblirf bann bie Tatfache be» rührt, baft tn bem weihevollen Gebäcßtni«» jähre bes Sefreiungstricgcs unb bes Äaiferjubiläums ein 3n)ifd)enfall wie oou 3abe rn bem beutfäen 'Bolte bie greube an bem (Errungenen unb Geleiteten jerftörte unb ernftbafte f?eute jur ernfthaften 5rage veranlaftt hat, ob benn noch Necßt unb Geieft im Teutfcßen Teiche gelten unb ob man nicht oieUeicfjt gar im freere ben gefährlichften inneren geinb fehen miiffe. (Sanz geweft roitb man biefe fragen berernft lächerlich finben, aber fie finb es im (Srunbe auch beute fefton. Tas beutfdje 'Bolt bat alle Urfacfte, ftolj ju fein auf fein heei unb auf bas, was es aerabe in biefem Saftre für fein .^eer getan hat. 'JJlöge es fich biefen Stolj »on teinem böswilligen fteinbe feiner (öröfte rauben, aber auch oon feiner porübergebenben 'Berftimmung oertümmern Iahen. Ten Siloefterglocfen bes groften (Erinnerungsjahres jtemt ein »oller unb reiner Rlang“. Jur 6d)tt>urgericfit0praxfe. 'Jlmt bes 6’cfrfnvorcnen roar befanntlidj bisher ein Gftrenaint: bie ßfefrfjnwrcncn erhielten für ihre Tienftlciftung nur Bcrgütung ber'«Reife* 1 offen. Nunmehr beziehen bie ®efd>iDorenen Tagegelber in ber tpöpe oon 5 'IRarf, als Gut* jd)iibigung für fRadjtquartier täglich 3 9Rart., außerbem eine 9leifcentfd)äbigung, nämlich für ben Slilometcr be3 .f)in* unb 'Jfücfiucgcs, foiveit ber SSeg auf Gtfcnbalnten ober ©driften jurücl» gelegt wirb, 6 fßfg.; fonft 20 'Pfg. 'löclcije 33e* träge fich ba ergeben, bcranfcftaulidit ©oergelä „fRedjt" (£xninober, .’delwing) an folgcnbcm Sei* fpiel. Tie lefttc Sdjwurgeridjt^pcriobe in ©. erftreefte fieft über 12 SiftungStagc. Tic er* fdiicnencn 29 (äcfchworenen erhielten runb "000 'JRarE auSbcjahlt. 2Auf einen ©efdjtoorcnen ent fällt ein Turchfdjnitte<bctrag bon 104 9Rarf. Sei ber Seredjnung nnerben hierbei nur für bie Tage ber Tienftleiftung Tagegelber angefefjt, nicht aber für bie Tage ber ,öin- unb fRüctrcife; für baS '■Racfttqiiartier, baS bem erften SifcungStagc bor* auäging, unb für ba-3 bem Icftten ©iftungötage folaenbe Nachtquartier ttnirben feine Cuartier« gelber bezahlt. Sei bem bezeichneten, »ier ßanb* gerichte umfaffenben ©diwurgericftte finben jähr lich fecftS Sdiwurgerichtsperioben ftatt. 'JRan hat bort alfo mit einer jährlichen Summe bon etwa 18 000 iNarf (Äefdjtwrcnengebührcn bei einem S-cfrtnurgericht ju rechnen. 3ur SBerminberung ber Sofien fchlägt, in Uebereinftiinmung mit anberen, bad ,,Siecht" bor, auf bie ©prudiliftc ftatt 30 91 6JBW.) nur 20 ,’pauptgcfdirtwrene ju feften. «£ier* burd) würben, ohne an ber Sache etwas ju än* bem, bie 'Anklagen auf ein Trittei abgeminbert. Das Jentrum und die Ronfcrvßtiven. Tfc SRciniingducrfchtebeitheit, bie jwifchen bem Zentrum unb ben .(tonferüatioen in ber 3abcrner Angelegenheit bcfteljt, ift bureft bad Verhalten ber Herren von ‘^agow unb bon Clbenburg iiod) erheblich vergrößert worben. Axis leftterer jüngft in IRarienburg über bie ßaberncr Angelegenheit geäußert hat, wirb bom flerifalen „2BcftpreußifchenSolIdblatt" als „Gfrotedfc" unb „Surleötc" bezeichnet. I^m befonberen »erbittet es fid) bad genannte gen- trumsorgan, baß fyett bon ©Ibenburg betreffs ber ßaberncr Angelegenheit einen ©egenfaß jwi- fdjen bem iReidjdtagdjentrum unb ben weft* preußifdien ffcntrumdwählern fonftruiert, wo» bei ed hinzufugt: „2öenn .fierr bon ©Ibenburg Weiter folchc Neben hält, tote in 2Rarienburg, ift er auf bem heften AJege, ben bärtigen 3«n- trumSroählern es unmöglich ju marfjen, ihm bei ber nad) ft en '«Reid)Stagö* Wahl ihre Stimme ju geben." Nicßt minber feßarf nimmt bie „Sf ö l n i f d> e Soltäjeitung-" gegen bie befannte Grflä» runa bed £errn von ftagoro Stellung. Sie be- hanbelt beh berliner ‘ißoltzeipräfibenten mit aud* Sefudjter Ironie, nennt feine (rrtlärung ein ; r o n t m a d) e n gegen bie Autorität ber 9led)tfpred)ung, Ijält feine ,,T)cd» abouierung" in irgenbeiner 3' 0r,n für jwcifel* lod unb laßt burdibliden, bafi fie über feine Tienftentlaffung nid)t erftaunt fein würbe. T»a bie füßrenbe fonferbatibe greife £>errn bon JJagowd Schritt in bie ©cffciitlicfjfeit ermöglicht unb berteibigt hat, muß and) biefer ßwifefjen- fall bie SReinungdbcrfchiebcnhciten fteigern, bie ZWifdjen ber Necßten unb bem Zentrum in ber 3aberner Angelegenheit befteßen. Jur Ermordung der beiden Öeutfdjen in Heu411e(ftenburg. Ter „Korbbeutfcfx Clopb“ telegraphiert bem Ketchstolonialcmt: Ter gleichfalls ermorbete 'Begleiter bes Dberförftcrs T c i n i n g e r nxxr fforftaifcffor Kempf. (Eine amtliche 33e* ftätigung ber '.IRelbung liegt noch nicht oot. Un» mittelbar nach Eingang ber erften Nachricht oon ber (Ermorbung Teiningers würbe vom Neichstolonial» amt beim Gouüerncment telcgrapbifcb angefragt. — Ter Norbbeutfchc Clonb erfuhr bies burch ein leie» gramm bes Kapitäns nein ßlotjbbampfer „Iß r i n z A5 a I b e in a r“, ber als feinen Gewährsmann ben ßanbungsinfpetlor ffienten in Nabaul nannte, fforitaffeftor Kempf war fürzlith aus bem baperifthen Sorftbienft in ben Kolonialbicnft übergetreten. Er foütc jeftt rom Oberförfter Teininger, ber feßon auf eine mehrjährige Tättgfeit in ben Tropen jurücf» blirfte. in fein neues SIrbeitsfelb eingefiißrt werben. 1 Die ^Jdduniformen* des Dreibundes. 3u bem Aorfcfilag eines öftcrrcidjifchen ®e- nerald, genteinfame wlaiiöoer ber Truppen ber ©reibunbftaatcn abjuhaltcn, tommt bie SOlittei* lung gelegen, baß De ft er reich eben babet ift, nad) bem Aorbilbc Teutfchlanbd unb Ita liens bie e l b u n i f o r m c i n Ij e i 11 i d) nad) ben ©runbfäyen ber anberen Dreibunbftaatcn burd) Abfdjaffung ber roten Xfaballeriehofcn auS- jitgcftaltcn. Ä-ür bas gefaintc ö)'terretd)»=unga* rifd)c ,<peer ift bie h e dj t g r a u e garbe ber Raijerjager jugrunbe gelegt worben. Die öfter- rcici)ifche g-elbuniform feftt fiel) aus folgenben Stücfcn jufammen: erftend and ber s Blu)e, bie mit einem Stcßfragen berfeßen ift unb jur grö ßeren Aequemltdjtcit ber 'JRaiinfdjaften vorn außen fiftenbe SBrnfttafdjen ßat. Die verborgenen Tafdjen bed früheren Scßnittd ßaben fid) alS unbequem unb uitpraftifd) erwiefen. Tiefe SMufe entfpridjt bem Schnitt etwa unfercr AJitcwta. .^cboch Tann bie Sölufc jn jebem Dicnftjweig ' getragen werben, während nufere Bitewfa nur zum „Heinen Tienft" angelegt werben barf. ferner befteßt bie öftcrrcidjifcße gelbuniform and Soiniiay, 28. 1915. bem Aeinfleib, au$ ©amafeßen, Stäppi unb Nlantel. TaS Beberjeug, wie j. 55. ber £eib- riemen (Ä'oppel), ift von mattgelbem fieber. Tic italienif d)e gelbuniform ift oon grünlid)* grauer garbe. Sie ßat an Stelle ber ®lufe eine goppe. Außerbem finbet fid) bei ißr als 'Beftanbteil bie ÄJefte, bte belanntlid) bei ben mciften Armeen feßlt. Die .'pofen unb bie Sdjuße ber Italiener finb bejonbers für SRärfcße feßr bequem eingeridjtct. Tie Sdjuße, bie junt Sdjnüren gemadjt finb, befißen nämlich feßr lange Sdjäfte. Aci felbmarfdjmäßigem Anjugc werben nur bie .vofen in bie Scßäfte ber Sdjuße gefteett, bie erft jeftt zufammengefcßiiürt werben. Sei ben ftaubiacn Straßen Italiens muß baS als ganz befonberer Borzug angefeßen werben, ba btefe Sdjuße bie ißirtung ber langen Scßäf* tenfticfel ßaben, oßne ben Nadjteil ißrer Schwere nnb Unljanblidjle.it ju befißen. Scfaiintlid) be* reitet ja nad) langen SRärfdjen baS Anjießen ber Stiefel ben SVcannfdjafteH ganz befonbere Sd)Wierigfeiten. TaS Käppi ber italienifdjen gelbunformen befißt einen grünlicß = grauen Sdjirm unb cbenfolcßcn Kinnriemen. Gait$ be* fonberS bcmerfcnSwert ift ber Umftanb, baß bie Kavallerie einen grauen §elm trägt. Der geber- Ijut ber Berfaglieri ift mit einem grauen lieber* jug verfeßen. TaS gefamte fieberjeug ift fafta** nienbraun. Tie fßatronentafcßcn finb zuv fdjnel* leren .fjanbßabung am braunen Tomifterriemen befeftigt. Tic Tragverfudje ter italienifdjen Uniformen werben allfeitig feßr güiiftig beur* teilt, Turdj biefe allgemeine Ginfüßrung ber gelbuniform in allen Staaten be§ DreibunbcS ift eine erfreuliche Uebereinftinimung unb Gleidj- mäßigfeit beS ©efamttones ber Armeen im gelbe erzielt worben. Jn T e u t f dj l a u b felbft wirb bie gefamte felbgraue Betlcibiuig für nufer £>ecr in Krieg uub gricben im gaßre 1915 fertigte ft eilt fein. 3 U bem gleidjcn Beit- punft werben and) bie verbünbeten fPiadjtc ©efterreidj unb gtalien ißre Armeen völlig mit ber gelbuniform auSgerüftet ßaben, fo baß'bann bie eiußcitlidjc KriegSuniformieruug bet Treji* bunbtruppen gcwäßrleiftet wirb. • Tie Aeujaßrsfeier am Äaifetßofc. Am Neu» jaßrstage, oormittags 10 Uhr, finbet in ber Kapelle bes Königl’djen Scßioffes in 'Berlin feierlicher Gottes- bienft unb unmittelbar bannet) im 'Jßetften Saale Gratulationsbefiliercour beim Kaiferpaare ftatt. ♦ Tie »erftorbene gürfHnmuttee »on $oßen< goHern, geborene Jnfantin Antonia »on ißot» tugal, beren Tob wir bereits in ber geftrigen Abenb» ausgabe unferes Blattes melbeten, ßat ein Alter »on 68 Jahren erreicht. Sie war am 17. gebruar 1845 ju Schloß Belem geboren, unb hatte fich am 12. 6ep» tember 1861 mit bem gürften C e o p o I b oon SSohenzollern vermählt, ber am 8. Juni 1905 tn 'Berlin ftarb. Sie war bte Slutter bes jefttgen regterenben gürjten 'JBilhelm oon Swfjenjollern. * Tas Abkommen gwifdjen ber Drganifation ber Herzte nnb ben Ärantcntaffen ftebt oerjefjiebene SRaßnaßmen »or, wobei auf bie SJlitwirlung ber Canbesregierung gerechnet wirb, ffiie ba» Sßolfffcßc Bureau baju melbet, ift bie bieferhaU» vorbeljaltene 3uftimmung nunmeßr »on ber preuftifchen Negierung bereits ausgefproeßert werben. — ASir waren bereits »ot einigen Tagen infolge befonberer Informationen in ber fiage, biefe Nachricht veröffentlichen ju tönnen. * Gin „zweites Jamburg"? 3m gragc ber beut» feßen Nßcinmünbung ßat jüitgft in 2R e p p e n in bet Der tolle 6und- Bon lllfreb SRanns. Jn ber Meinen Stube roh »ad) armen fieuteu uub naeß fieber. Auf einem Dreibein am genftcr faß ber alte fiiefe Vor feinem Sdjuftcrtifdidjeu unb brcljtc prüfenb uub mit etwav ängfilidier 3Riene einen erfdjrccfticß jer- riffenen Stiefel in feinen fiäuben herum. Neben bem uiigcmadjtcn, bürftigen fiagcr in ber einen Gcfc fdüief ein aller, ruppiger Köter, ber bie 2Rcrfnialc fämtlicfjcr fRaffen iu fid) Ver einigte. Bon ßeit zu ßeit wachte ber ,'punb auf, ridjtelc baö unglaublich gutmütige £unbegefid)t feinem £crrn zu unb fcßlug ein paarmal mit bem Stummelfdiwan^ ben Bobcn. Das hörte ber alte fiirfc unb fcfr.cltc bann regelmäßig über bie raube Brille hinweg mit feinen trüben Augen nad) ber Gde. „ga, ja, Bßila^, guter £>unb." Die riffigen Stiefel, bie er jeßt in ber $mnb batte, gehörten bem SRaurer ©ottlieb, ber fie geftern bradjte. Unb ba fiel bem Alten ttrieber ein, was ©oltlicb mit einem Slict auf Bßilaj tagte: „2Biftt ghr beim, 'JReifter, baß Wir feit beute bie fmnbefperrc ßaben? Dem ‘Spiünnen ficbß fein Karo ift toll, bie Bvlijci ßat ißn tot gemadit unb unterfudjen laffcn. Gr füll aueß anberc «ftunbe gebiffen haben." Deshalb faß ber Alte fo äiigftlid) auf bie alten Dinger nicber, als ob bie fcßulb an allem feien. Aber bem Bßitar tonnte ja nidKS paf- fieren, ber fam nur ein paarmal beS Tags in feiner Begleitung auf bie Straße, greilid), bann lief ber .öunb aueß wvßl um bic Gcfe. Dotß warum folite gerabe ba ? fiiefe hatte es in feinem ficbcn nie »eiter alS bis zi”» glicffd)uftcr gebradjt, aber barum itatte ißn bie fiiefe hoch genommen. Unb, £>err- gott, war baS bamalS ein ®lücf in bem Heinen .vtäuSdjen, baS fie bewohnten. Die Ginnaßmen batten nur gerabe mit tnapper Not zum fieben gelangt unb für baö Pfeifchen, bas ißm erft fo reeßt bic frohe ScßaffenSluft gab, aber als bet Starl, ber 'Bunge, ju See wollte, gab Batet fiiefe and) baS Naudjen auf, beim ber gungc mußte bod) eine Sccfiftc haben. Gr unb fiieic hätten für ben einzigen noch meljr aufgegeben, auch baS fieben, wenn cS fein mußte. Unb bann laut ber Tag, an bem ber Softbote ihm auf ber Strafte ben Brief bes NeeberS brachte. Nferfwürbig war es, ber SReifter empfanb ben Schmerz als foldicn perfönlid) erft gar nicht, er bad)tc nur immer: bic fiiefe, bie arme fiiefe. .'?iiflo§ iah er fid) um, unb ba gab es ber ßu* jall, baß gerabe neben iljin ein 'JRann Herne Ajunbe Vcrtaufte. Son bem erftanb er ben ^ßilaj. Gr war bas häftlid)fte Tier unter allen, bic junt Bcrfaiif ftanben. „fiiefe," hatte Sich zu $oufc gefagt, „ber .'Tarl, weißt bu, baS ift mm mal nicht anbcrS, bet Karl ift tot. Aber fiel) mal hier, baS .Günb- djeit, ift bas nidjt nieblid)?" Tie fiiefe war weiß geworben wk bic SBanb; bod) ben fßßilair hatte fie auf ben Arm genommen. Unb wie fie bas Tier an fid) preßte, ba tonnte ber Ntciftcr nidjt anbcrS, ba mußte er weinen. Aber bic fiiefe fanb feine Tränen, unb bei» hält ein SRenfd) nicht lauge aus. Sie crtrug’S ein Aaljr, bann (egte fie fid) hin unb ftarb. Bor Vierzehn Bahren gefdHxf) bas, unb feit* bem lebten bic beioen allein, ber 'IRciftcr fiiefe unb ber Bhilaf- Nun war fiiefe ganz alt unb ganz fhmtpf geworben. Die Erinnerung bebrüefte ißn längft nidit luebr. Sie »ar nad) gaßren enblojer D.ital fo ziemlich rcftloS in ber trüben, iiiübcn Gebauten» unb Gefüßlslojigfeit untergegangen, bic fid) auf bic ganze TBclt erftreefte m-rt Aus nahme ber Stiefel unb vor allen Dingen beS XSllltbCv. Gjefprodjcn würbe nicht biel zwifeßen ben beiben greunpen, aber ein leifeS Bellen unb bic AJortc „Bßilaf" ober „guter .ftmnb" betag ten fo biel. Tie Stiefel waren fertig, fiiefe naßm bic Brille ab, crßob fid) fteif unb fdilürftc auf feinen fieberpautoffcln junt Bett hinüber, auf beffen Kante er fid) nicbcrfcßtc. jßßilaf erhob fid), leefte bic feßmußige .'panb bes Alten unb legte feinen Kopf auf beffen Scßcnfel. ,,'IRcin $ünbd)en, bu ßaft niditS mit bem tollen Köter ju tun," murmelte er unb traulte, ein wenig aufgeregt, bem Tiere hinter ben ©ßren. „SBeißt bu, baS geßt ja nidjt, bu unb id) weißt ja. Aber bu ßaft ja nichts gefreffeu, mein $f)Ua;r, was tft benn, wirft mir boct) nicht franf?" Der alte .'punb bellte leife unb fchloft bie Augen, fiiefe naßm bas für ein gutes ßeießen, er war beruhigt. Eine 'BJeile »erharrten bie beiben fo, auf ißre Art bollfommen glüdlid). Sie ließen fid) aud) nicht ftören, als bie Tür geöffnet würbe unb ber :Naurer Gottlieb eintrat. „Stiebet fertig?" fiiefe niefte. „Da fteßen fie." Gottlieb betrachtete bic Arbeit fritifeb. „Koften?" „Gin großer fRieftcr 30 Pfennig, etn Heiner 20. 50 '.Pfennig, mein Soßn." Gottlieb griff in bic Tafchc unb ßolte baS Gelb ßerbor, bas er auf ben Tifcß legte. Gr naßm bie Stiefel unter ben Arm uno wollte gehen. „AbfüS!" Schon war er an ber Tür, als ihn ber ScßalT ritt, henn Gottlieb war ein Spaftbogcl. „'JReifter fiiefe," fugte er. „Kinber haben baS gefeßen, wie Euer 'pijila;; borgeftern nod) mit bent ^lünncn fiebt) feinem tollen Karo au bet Gde »ufantmen war. Karo foll 53ßilay auch gebiffen ßaben. gd) müßt bas eigentlich an Zeigen, aber ich weiß, wie gßr an bem «öuub ßängt, unb tcl) Will and) man bloß jagen, id) tat oorfidjtig fein. Na, abiüS aud)." ßiefe riß bic Augen iwit auf, bie Tragweite ber Sorte war ißm noch nicht fo recht be wußt, unb bann, baft man mit fo etwa? fpaften lönne, baran badjte er gar nidjt, er naßm fdjon längft alles für bare 'JRunze, was ißm bic fieutc erzählten. „So, fo, feßön, mein Soßn, fdjön. AbiüS aueß." Grft als Gottlieb brauften mar. begann fiicfeS feßmer fällig es Geßirn z u arbeiten. fiangfam, ganz lanajam frodj ißm bie Angft ins 'JRarf. Nidjt vor ber Tollwut fürchtete er fich, baS war es nicht, nein; aber fie würben ißn ßolen, ben 5?f)ilay. Daß ein tollwütiger iJpunb, ganz abgcfcljcn von bent Unßeil, baS er anrtdjtcn fann, felbft an ber Kranffjcit fter-» ben muß, baran bacfjtc er nießt, ißm fcßWcbtc nur baS Nädjfte bor, unb baS war bic nüber* nteiblidjc Trennung von bem Tiere. ßitternb jpieltcn feine Ipänbe mit bem ftrup- pigen gell beS .'«junbcS, ber bie Scßnauje an ben Beinen feines §erm rieb. „ga, ja, 'Pßilax, guter öuub —." Aber ber Gottlieb hatte ja gejagt, er würbe cs nidjt anjeigen. Dann erfüßre and) bie 'Polizei iiidjts, unb 'Pßilaj tonnte bei ißm bleiben. Natürlich, er blieb. GS war ganz unmöglich, baft ber ,£>unb hier nicht meljr , nein, nein, er tonnte bod) hier nidjt allein bei ben Stie feln — — — baS nidjt, nur bas nidjt. Draußen auf her Straße Jpieltcn Kinber. ^ßr fröhliches Kreifajcn brang bis in bic bumpfe Scßufterftubc. fiiefe ßattc Kinber gern, wenn er aueß iiidjts bamit anzufangen wußte. Die Angft peinigte ißn weiter: Senn nun ^Ijilaj bodj bie ,£unbS» wut ßattc, bie genfterfdjeiben waren fo bünn unb baS Stübdjen lag zu ebener Erbe. Der Alte war zeitlebens ein ilRann bon großer Gewiffenßaftigtcit unb 'Redjtlidjteit ge- wefen, nie war er jemanben w »»fc getreten, nie hatte er audj nur einen Bfennig Sdjulben geßabt. Nun folltcn burd) feine Stßulb unb um Icinetwillen »ielteidjt bie Heinen Kinberdjen bort in eine entfeßlidje Gefaßt geraten, unb baS alles nttr um baS fiebert eines $unbeS. Eine bolle Stunbe faß ber alte Sdjufter in entfeßlidjer Seclenqual unb überlegte. 'JRit bem biftcßeu Serftanb, baS ißm geblieben war, fann er bergioeifelt nad) einem Auswege. GS fiel ißm feiner ein, feiner. Gtnc fliegenbc Nöte in bem run.zlir n Ge liebt, ftanb er enblidj auf, riß ben .pibib oom Grbboben ßoefj unb preftte ißn att fidj, wie ba malS fiiefe bor vierzehn gaßren getan. „ga, ja, Bßilar, guter £>unb. Aber baS mußt bu einfeßen, bu bift nur ein ftunb, unb fiel), fterben tnüffen mir alle, ber Karl, bie grau aueß. Jpeute tommt ber Wlaj brau; haft’S nidjt feßtver baS Sterben, biel, biel leich ter alS ber Karl unb bie grau. Komm, mein Tiereßen, tomm." Der .founb ftieß etn paar furze greubentöne aus, er mar überhaupt redjt matt uub hinfällig in bett leßten Tagen. fiiefe zv9 feinen guten Nocf an, banb bem .frunbe ben alten SNaulforb vor bie jafjnlofe Schnauze unb z°0 mit ißm ab z uc nädjften Bolizciwadje. DaS ©eßen marb ißm fo fthmer, fo unenb- lidj fdjwcr, bie Beine mollten ßeute gar nießt fo redjt iljren Dienft tun; er mar fo fcßwinblig heute, feßr, feßr biel meßr als fonft, unb troß* bem feßiett ißm ber ziemlidj meite Seg biel 5»i furz. „Siffen Sie nießt, baß Sie feine §unbc mitbringen bürfen," fdjnauztc ißn ber Kotn- miffar an. „©dj, föerr, e$ iS ja, weil ißn bem 'JJlünnen Vebi) fein Karo gebiffen ßat." Der Kommifiar, ber bic Angft beS Alten faß, fühlte Erbarmen. „Bä, aber nxtS füllen wir nun babet tun, bem fievt) ein Strafmanbat fdjicfen?" „Nein, §err, bent fiebtj fein Karo ift ja toll, unb nun muß id) gßneu meinen '^ßilaj bodj aud) bringen." Der Beamte fcßüttelte ben Kopf unb Hopfte fiiefe auf bie Sdjulter. „Gcljcn Sie nur getroft hiit gßrem öunb nadj £>aufe; man ßat ficß einen fdjledjten ©djerj mit gljnen erlaubt, es gibt feine tollen £unbe in nuferer Stabt." „So, fo, banfe aueß, Ijerr." AIS ber Alte brattßen ftanb, warb eS ißm plößlidj feßroarj bor ben Augen, er taumelte unb mußte fid) gegen bie 'JRauer (ebnen. Dann, nadjbem er ficß ein Hein wenig erßolt, ging er langfam ben 2ßeg z»rücf, 5?bilaj hinter ficß ßer jießenb. Gr füljlte feine greube, badjte nidjt einmal an ben .fj>unb, benn bet ganze Kopf war ißm angcfüllt mit einem fo fonberbaren Schwirren unb Saufen. SRcdiaiiifrfj betrat er feine 'ißoßnung, meeßa» nifdj warf er fidj auf fein fiagcr. „Komm, Bßilas» fomnt," jagte et, baeßte ficß aber nidjts babei, unb ber £>unb mit feinen fdjwadjcn Kräften fptang z» ’ß m aufs Bett; er tat baS fonft nie. „ga, ja, Bßilar, guter §unb — — —" Am näcßften Nlorgen fanb man .^jerrn unb £>unb tot ttebeneinanber. fiungenicßlag unb AlterSfdjwäcße ftcflte ber Arzt bei fiiefe fett. Der Kommiffar aber, ber fidj für bic Sadjc intereffierte, forfeßte weiter nad), unb bie golge war, baft ber SlRaurer Gottlieb ein Strafmanbat über brei 2Rarf wegen groben Unfugs erßielt