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BezogS-Prti» LrSo« un» L>»«dileur« 2»«l »Iil ki« Hau« gebrach«: SO maaatt., L.7V LUU vierttliShrl, v«r» »te «»«! «mierbald Deutschland« und der beuych« »olauien virrtelitdri L.LL «anart. lUid au«ichl. Poftdrstellaeld. gerner in Belgien, Dänemark, den Donaustaate», Italien, Luxemburg, Niederlande, Nor- weani vrfterrrich-Ungarn, NuLland, Schweben, Schweig u. Spanien. I» allen übrigen Staaten nur direkt durch di« Geich«N«itelI, de« Blatte« erb«Mich. Da« Leipziger Lageblatt erschein! Lmal ilglich, Sonn- a. Feiertag, nur morgens .Idonaeu eat-Bnnabme! Auguitn.Platz 8, Lei unseren Drtgern, Filialen. Spediteuren und tzlmrahmekiellen. sowie Postämtern «u> Bries Prägern. »ingelberlauseprei« »er Margen» tusgad« 10 der tldendautgab« L ch» «edaktton and «eschättStleLer Iohannitgasse «. Sernsvrecherr 14VSL 1«««. l4«Sä. Nr. US. Morgen-Ausgabe. Handelszeitung. Amtsblatt Les Nates und des Nolizeiomtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis tür Inserate au« Leiveig und Umgebung ti« »sgelpaltene bO wm breite Peritzeil, 25 die 74 nun breit« Reklaniegeile > »on auiwärt« itv Reklamen l.LV Inserate von Vebbrden 'm amtlichen Leit »te 74 ww drrit« Pettizeil« «o ätz MelchäsiZan^igen mit P atzborlchriste» un» in der Adendau.gab« im Preise erhol,«, uiabatl uach Laris. Seilagegevubr 5 p. Lausend «;ll. Postgebühr. fsefterteille klusträge kännen nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Lagen und Plätzen wir» kein« Parantte übernommen. Ledigen-klnnahme: Auguftu.platz 8, bei sänilüchen Filialen u. allen sstnnoncen- ILrpeditioneu de, In» und Lutlande«. Vanpt-Filiale Berlin! Carl Du,icker, Her,ogl. B >»r. Hasbiich- tandlung, Lützowsttatze Iltz <Le ephuu VI, Nr. 4i>Xt). Haupl-üNtal« DreSdem Secslrihe r. 1 (Telephon 4821). 104. Zsllrysng /reltsg, üen 22. SprU l9l0. Das Dilhtigste, * InLausigk erfolgte gestern iHittag die Bei - setzung des letzten Opfers der Eschweger Ballon katastrophe, des Kaufmanns Carl Eraupner- Leipzig. (S. d. des. Art.) * Die Erste Kammer nahm am Donnerstag die Wahlen zum Staatsgerichtshof vor und erledigte einige Etatkapitel, darunter den Justiz etat, sowie eine Petition. sS. Landtagsber.) * Die Zweite Kammer nahm am Donnerstag die Vorberatung des Dekrets über Verjährung direkter Steuern und die Schlußberatung über das Gesetz betr. die Brandversicherungs an st alt vor und beriet dann über das Dekret 28 über Eisenbahnangelegenheiten, das an die Finanzdeputation L verwiesen wurde. S. Land tagsber.) * Der Reichstag nahm am Donnerstag in erster und zweiter Lesung das Gesetz über das Reichsschuldbuch an, erörterte hierauf kolo- nialeRechnungssachen und beschäftigte sich endlich mit dem Gesetzentwurf über Haftung des ReichsfürseineBeamten. (S.Reichstagsber.) * Die Geschäftsordnungskommission des Reichs tages hat am Donnerstag das Institut der kurzen Anfragen in der Eesamtabstimmung mit 13 gegen 13 Stimmen abgelehnt. * Die Wahlrechtskommission des preussi schen Herrenhauses beendete am Donnerstag diezweite Lesung der Vorlage. (S. Dtschs. R.) * Der berühmte amerikanische Humorist Mark Twain liegt im Todeskampf. Man erwartet jein Ableben stündlich. Dekaden;. Die Geschäftsordnungskommission des preu ßischen Abgeordnetenhauses müht sich redlich um Erhöhung der präsidialen Befugnisse gegen über Mitgliedern des Hauses, die die Ordnung wiederholt gröblich verletzen. Beleidigender Mangel an politischer Kultur bei den sozial demokratischen Abgeordneten hatte den Anstoß zu dieser Arbeit gegeben. Jordan von Kröcher vermochte den törichten Ungezogenheiten der äußersten Linken mit den herkömmlichen Mitteln nicht recht zu begegnen, daraus folgerte man die Notwendigkeit einer Verschärfung der Machtmittel des Präsidenten, und die eilfertige Kommission räumte ihm das Recht ein, an dauernd ungebührlichem Benehmen eines Ab geordneten durch dessen Ausschluß von den Sitzungen zu steuern. Um sich aber dieses Mittels auch in wirkungsvoller Weise bedienen zu können, ersuchte der Präsident um eine Diszi- plinargarde. Man hat in der sozialdemo kratischen Presse über diesen Schrei des Präsi denten nach dem Hausknecht weidlich gewettert, aber scheint sich gar nicht entsinnen zu wollen, daß in parlamentarisch viel freieren Ländern diese Einrichtung längst existiert. So ist in England um der parlamentarischen Disziplin willen der Ausschluß eines Mitglieds der Volks vertretung von den Sitzungen sogar bis zum Schluß der Session möglich, und widerspenstige Abgeordnete, die sich solcher Weisung nicht fügen wollen, können im Jnselreiche durch die „Messengers" nötigenfalls auch gewaltsam aus dem Sitzungsraum entfernt werden. Frankreich besitzt zur Niederhaltung renitenter Volks vertretung die Einrichtung der Huissiers, und auch im bayrischen Abgeordnetenhause mit seinem freiheitlichen Wahlrecht steht dem Präsidenten zu gleichem Zwecke eine Abteilung Soldaten unter Leitung eines Leutnants ständig zur Ver fügung. Wird also einmal die Prämisse der Erhöhung der Machtmittel des Präsidenten zu gestanden, dann muß man ihm logischerweise auch die Möglichkeit einer praktischen Anwen dung dieser Mittel gewährleisten. Und wenn die Mehrheit des Parlaments diesem Verlangen zustimmt, so sollten am allerwenigsten die Leute darüber schelten, deren Ziel der auf dem Prinzip der Majorität aufgebaute Parlamentarismus ist. Anders wirkt das Bild freilich schon, wenn man die Frage aufwirft, ob denn dem Präsi denten des preußischen Abgeordnetenhauses überhaupt das Hausrocht und damit auch die Befugnis, widerspenstige Abgeordnete mit Ge walt aus dem Sitzungssaale entfernen zu lassen, zusteht. Diese Frage wird verneint, denn Hausherr im juristischen Sinne ist der Minister des Innern. Daher.erklärt sich auch das Drängen des Herrn von Kröcher, zur Erörterung des Problems der parlamentarischen Ordnungs polizei Vertreter der Regierung heranzuziehen. Das verträgt sich mit der Würde des Parla ments schlecht, und deshalb müßte vor allen Dingen zuerst dieser unhaltbare Zustand beseitigt werden. Der preußische Staat, vertreten durch den Minister des Innern, müßte dem Präsidium das Hausrecht, für die Dauer der parlamen tarischen Sitzungen wenigstens, übertragen. Da mit wird nichts Unbilliges verlangt, denn in Sachsen z. B. besitzen die Präsidenten der beiden Kammern sogar das Hausrecht, im Ständehaus zu Dresden auch außerhalb der Sitzungen. Unseres Erachtens entspräche es der Würde des Parlaments mehr, wenn zunächst einmal in diesem Punkte die Rechte des Präsidenten erweitert würden, ehe man an die Lösung der andern Frage herantritt. Ist einmal dem Präsidenten dieses Recht eingeräumt, dann werden auch die Dro hungen des „Vorwärts" mit den Paragraphen 10ö und 106 des Strafgesetzbuchs hinfällig. Auf jeden Fall muß aber das Abgeordnetenhaus die Erweiterung der Präsidialmacht aus eigner Kraft, nicht durch die Hilfe der Regierung zu schützen und zu stützen verstehen. Welcher Weg in dieser Beziehung einzuschlagen ist, das lehren die oben angeführten Beispiele Frankreichs und Englands. Eine Nachahmung des bayerischen Vorbildes erscheint uns wegen des fatalen Bei geschmacks im höchsten Grade unsympathisch. Darüber hinaus bleiben aber noch die Frage der Zweckmäßigkeit des Vorgehens der Par lamentsmehrheit und die aus solcher Handlung entspringenden Konsequenzen zu bedenken. Po litische Kultur ist die Voraussetzung eines ge sunden, leistungsfähigen Parlamentarismus. Solange aber die ärgste politische Kinder krankheit, in dem Gegner stets einen Schurken, wenn nicht gar einen abgefeimten Verbrecher zu erblicken, noch hier und da grassiert, kann von politischer Kultur schlechter dings nicht gesprochen werden. Eine Besserung ist nur durch vertiefte Einsicht in die Welt anschauung und in die Geschichte der einzelnen Parteien und weiter von einer stärkeren Selbst- zücht der Parlamentarier, auch auf der Rechten, zu erwarten. Ein kluger, geschickter Präsident vermag durch die Art seiner Leitung viel zu dieser Besserung beizutragen: wem es aber an Ruhe und auch an Witz gebricht, wie Herrn von Kröcher, der wird sich in schwierigen Situationen nur mit äußeren Zwangsmitteln helfen können. Die eingestandene Sehnsucht danach ist aber ein Zeichen politischer Deka denz, wirkt wie das stille Geständnis der Ohn macht, lodernde Leidenschaften meistern zu können. Wir haben es hier schon einmal ausgesprochen und wiederholen es heute, daß in der Volksver tretung allein der Platz ist, wo die ernstesten, bittersten Wahrheiten frei ausgesprochen werden können, und dieses Recht soll man den Abge ordneten am allerwenigsten zu Zeiten kürzen, in denen die politischen Leidenschaften ohnehin schon aufgepeitscht sind. Wer Märtyrer schafft, sollte sich stets bedacht sein, daß Märtyrer Pro selyten in Menge zu werben wissen, und darum scheint uns der Weg, den die Geschäftsordnungs kommission des preußischen Abgeordnetenhauses betreten hat, mehr als bedenklich. Nicht zum geringsten auch aus der Erwägung heraus, daß die Parteien, die jetzt diese gefährliche Waffe mit schmieden helfen, unter Umständen selbst in die Lage kommen können, deren Schärfe zu püren. Was manchen heute ein willkommenes Mittel gegen die Sozialdemokraten dünkt, kann in Tagen heißester Kämpfe zwischen Konserva tismus und Liberalismus auch einmal gegen mißliebige liberale Volksvertreter, die mit Leidenschaft ihre Sache vertreten, angewandt werden. Der Gedanke an diese immerhin mög liche Konsequenz aus der Handlungsweise des schwarz-blauen Blocks sollte die Liberalen des preußischen Abgeordnetenhauses vor Unbedacht samkeiten bewahren. Zur LMlsstung ües Reichsgerichts. Von Herrn Justizrat Doyens, Anwalt beim Reichs gericht, erhalten wir folgende Zuschrift: Während nach einem früheren Beschluß des Seniorenkonnents des Reichstages die zweite Lesung der Vorlage über die Zuständigkeit des Reichsgerichts erst im Herbst dieses Jahres stattfinden, der Kom mission also Zeit gelassen werden sollte zu einer gründlichen Erwägung, soll nach den neuesten Nach richten die Kommission beabsichtigen, schon in dreier Woche ihre Beratung zu beendigen. Darin würde nur dann keine Gefahr liegen, wenn man sich auf Grundlage einer Vermehrung der Senate einigte. In jedem andern Fall ist eindringlich davor zu warnen, ein in unser Rechtsleben so tief einschneidendes Gesetz übers Knie zu brechen. Eine Vermehrung des Reichsgerichts um einen bis zwei Zivilsenate wäre unbedenklich. Wenn das Reichsgericht 1879 mit fünf Zivilsenaten ins Leben trat, die Volkszahl seitdem sich etwa um die Hälfte vermehrt hat, außerdem durch das Bürgerliche Gesetzbuch großen Gebieten (Bayern und Sachten) in Nichthandelssachen der Rechtsweg an das Reichs gericht eröffnet wurde, so konnten die seitdem hinzu getretenen zwei Senate nicht ausrcicben. Eine jetzt ein tretende Vermehrung um einen bis zwei Senate sätlt also noch nicht aus dem Rahmen von 1879 heraus. Eben sowenig würde dies der Fall sein, wenn bei weiter sich steigernder Volkszahl eine weitere entsprechende Vermehrung einträte. Aber es könnte einer solchen auch dadurch vorgebeugt werden, daß durch eine spätere organische Umarbeitung des Prozeßocrsahrens von unten auf der Anlaß zur Einlegung von Revi sionen vermindert würde. Außerdem sind die Er höhung der Kosten sowie die Einführung vorläufiger Vollstreckbarkeit der Urteile zweiter Instanz — ge- miledrt durch die Befugnis des Reichsgerichts, in einzelnen Fällen gegen Sicherheitsleistung die Vollstreckung aufzuschteben — höchst wirksame Mittel zur Beschränkung der Zahl der Revisionen, wie die unten erwähnten Erfahrungen in Frankreich und England beweisen. Zu beachten ist ferner, daß die Strafsenate zurzeit schon wenig beschäftigt sino und durch Einführung der Berufung in Strafsachen , weiter erheblich entlastet werden, so daß hier für die Zivilsenate Kräfte verfügbar werden. Endlich wäre die Entlastung von der Entscheidung über Bc- . sch werd en (etwa 1790 im Jahr) möglich. Die Verteidiger des Difformitätsprinzips wollen das Reichsgericht aber nicht sowohl von seiner jetzigen Ueberbürdung entlasten, sondern sie wollen es verkleinern und möglichst halbieren. Dies ge steht die anonym erschienene Broschüre „Der Kampf um ein geistig hochstehendes Reichsgericht" mit der Devise „multruu, non innlra" offen zu. Die Aus spruche des Reichsgerichts müßten auch ohne formale Autorität durch ihre überzeugende Kraft wirken und würden in dem „geistigen Ringen" mit den Ober landesgerichten doch schließlich die Oberband behalten, wenn die geistige Ueberlegenheit auf der Seite des Reichsgericht bleibe, und dies würde der Fall sein, wenn es aus einer Elite von wenigen Männern bestehe. Ein „geistig hochstehendes Reichsgericht" wünscht gewiß das ganze Volk, aber daß mit wachsen der Volkszahl auch die Zahl der Männer wächst, die die Kraft und die Würde besitzen, in diesem Sinn mitzuwirken, läßt sich doch wohl nicht leugnen. So stehen auch die nach 1879 neu gebildeten zwei neuen Zivilsenate in keiner Weise den fünf älteren Senaten an Ansehen und Bedeutung nach. Dagegen entspricht cs der Stellung des Reichsgerichts nicht, mit den Oberlandesgerichten als prirnus inter pareü in Kon kurrenz zu treten. Nur einem bloßen Theoretiter mag es genügen, wenn trotz zwiespältiger Rechts pflege schließlich die richtige Meinung sich durch setzt und zum Gemeingut wird. Der ruhige Staats bürger fordert einen festen und sicheren Rechtsbodcn. Dieser ist aber erschüttert, wenn cs von einem Zufall abhängt, ob seine Sache in letzter Instanz von dem Oberlandesgericht oder von dem Reichsgericht ent schieden wird. Die Anschauung, daß es keine natio nale Sache sei, ob ein einzelner Prozeß richtig oder unrichtig entschieden wird, ist abwegig. „.lustitia ,-st ftinänrnontunr ncxnonno." Das Vertrauen aus seine Rechtspflege ist ein geradezu unschätzbares Gut jedes Volkes. Es wird ferner übersehen, daß die Tätigkeit des Reichsgerichts sich nicht in der Heruus- schälung abstrakter Rechtssätz- erschöpft, sondern daß cs auch berufen ist, die richtige Anwendung dieser Rechtssätze durch lebensvolle Anpassung an jeden be sonderen Fall zu überwachen. Darin liegt gerade der Schwerpunkt der Rechtsprechung. Nachdem z. V. für den "Verstoß gegen die guten Sitten" die all gemeine Formel gefunden ist, daß der Maßstab ous „dem herrschenoen Bolksbcwußtsein", dem „Anstands- gcsühl aller billig und gerecht Denkenden" zu ent nehmen sei, so genügt es nicht, daß die Untergerichtc diese Formel nachbeten. sondern ob sie in jeden» Einzclfall nach Lage der fesistehcnden Tatsachen auf Grund derselben zu einer richtigen Entscheidung gelangen. Die ganze soziale Rechtsprechung des Reichsgerichts, seine erzieherische Tätigkeit beruht darauf, daß es dies in jedem Falle nachprüfen kann und nachprüft. Gerade hier kommt es trotz derselben Formel in vielen Fällen von seinem hochstehenden Standpunkt aus zu einer andern Entscheidung wie die Untergerichte, meistens gegen ftuao cankorwes. Ein ähnliches Beispiel bietet dir Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Fehl geht der Hinweis auf England mit seinen wenigen „Richterkönigen" und auf Frankreich mit seinem Kassationshof. In keinem dieser Länder besteht eine zwiespältige Rechtspflege, die man uns bescheren will In England ist die ganze Rechts pflege zentralisiert in dem Londoner Zentralgerichts hof. der bald in erster, bald in zweiter Instanz ent scheidet und auch für die dritte Instanz — die Isrv noer» des Oberhauses — die Richter abgibt. Es ist das Verdienst von Professor Gerl and in Jena in seinem nach sorgfältigen Studien an Ort und Stelle eben erschienenen gründlichen Werk „Die englische Gerichtsverfassung" (XVI, 1020 Seiten) Göschen, Leipzig 1910*), uns über die dortigen Zustände mehr als bisher geschehen auszuklären. Er kommt (S. 591 ff.), „trotz der vielen Nebenrichter, trotz der starken Entlastung des Nominalrichters nach den verschieden sten Richtungen" mit der grüßten Entschiedenheit zu einer Verneinung der Frage, daß England in seinen höheren Gerichten eine hinreichende Zahl von Rich lern habe, um den Erfordernissen des sozialen Lebens gerecht zu werden; er erklärt, daß die dortige Ge richtsverfassung sich überlebt habe, daß sie „in die Praxis der heutigen Tage wie ein Schloß aus alten Tagen hereinrage, um das herum sich eine blühende Industriestadt angeschlossen habe", und daß ein Bruck mit dem heutigen System unvermeidlich sei. Schwer fälligkeit, Langsamkeit der Rechtspflege wegen Man gels an Richtern, ihre Unsicherheit wegen Mangels eines geschriebenen Nechts sowie die überaus hohen Kosten haben es vermocht, daß der Handel nur in ganz großen, prinzipiellen Fragen vor Gericht geht und sich mit Schiedsgerichten zu Helsen sucht. Würde man bei uns eine zwiespältige Rechtspflege ein führen, so würde trotz des einheitlichen geschriebenen Rechts ein ähnliches Gefühl der Unsicherheit unver meidlich zu einer ähnlichen Eerichtsslucht führen müßen. In Frankreich ist die Kassation gegen alle Urteile der Untergerichte, gegen die kein an deres Rechtsmittel zulässig ist, ohne Revisionssumme oder sonstige Beschränkung, selbst gegen Urteile der bis 100 Franken zuständigen Friedensgerichte (hier jedoch nur wegen exoes <io pouvoir). Aber weil die Kosten sehr hoch und die Urteile der Untergerichte vorläufig vollstreckbar sind, beschränkt sich die Zahl der Kassationsgesuchc auf 7—800 jährlich. Reform bestrebungen gehen dort namentlich auf Herabsetzung der Kosten und Erleichterung einer Erteilung des Armenrechts, da man den jetzigen Zu st and als einen drückenden empfindet. So meint Mancelle: lieftvrmo cis In praoöeluvo eiviio r> 247/248: „Wenn das Verfahren minder kostspielig und leichter wäre, so würden sich die Kasiationsgesucke um das Zehnfache vermehren; auf diese Art würde man eine sehr große Zahl von fehlerhaften Urteilen beseitigen." Sollte die Gesetzgebung sich nicht zu einer Ver mehrung der Senate des Reichsgerichts entschließen können, so ist also doch jedenfalls die Tendenz einer Verkleinerung desselben abzulehnen. Ebenso aber auch der Gedanke, das Rechtsmittel der Revision durch Aenderung seiner Struktur zu verschlechtern. Das Reichsgericht ist durch die Revision nicht blaß berufen, über die Einheitlichkeit und materielle Rich tigkeit der Rechtsprechung zu wachen, sondern auch dar über zu wachen, daß keine Partei durch prozessuale Verstöße der Untergerichtc verkümmert wird. Auf Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens beruht die Rechts sicherheit vorwiegend. Es ist unrichtig, daß diese Kontrolle gegenüber den Oberlandesgerichten nicht nötig sei. Es kommen zahlreiche Verstöße tota rin- vor. Die neueste Nummer der „Jur. Wochenschrift" veröffentlicht drei lehrreiche Fälle der Aufhebung wegen Verletzung des 8 286 ZPO. Zwei andere Bei spiele aus jüngster Zeit mögen dies ebenfalls illu strieren: Ein Urteil ist unmittelbar auf die frühere Aussage eines Zeugen aufgebaut, die dieser Zeuge bei einer späteren eidlichen Vernehmung völlig wider rufen hatte. Dies war übersehen! In einem andern Falle hatte das Oberlandesgericht die Erhebung jedes Beweises über den Grund des Anspruchs — es waren Zeugen benannt — abgelehnt, weil angeblich die Partei bei einer Amtshandlung eines Gerichtsvoll ziehers laut eines bei den Akten befindlichen Proto kolls eine andere Darstellung gegeben hatte. Dieses Protokoll war aber weder in erster noch in zweiter Instanz vorgetragen, nachdem im Schriftwechsel auf geklärt war, daß ein Mißverständnis des Gerickls- vollziehers vorliege! Die in solchen Fällen aufheben den Urteile kommen selten in die Sammlungen, weil sie kein allgemeines Interesse haben. Würde man mit der Vorlage die Anfechtung einer tatsächlichen Fest stcllung auf Grund des 286 ZPO. beseitiaen. io würde jeder Schutz sowohl gegen Will kür, als auch gegen Versehen**) fehlen, und dies müßte notwendig zur Erbitterung führen. Ebensowenig ist ein Anariff auf Verletzung des 8 139 ZPO. zu entbehren. Wenn der Sachverhalt ""klar und lückenhaft angegeben ist. so fehlt nach französischer Recktssvracke hu-u> bei uns wird gerügt, daß das Fraqrecht nicht ausgeübt sei. Ebenso dann, wenn die Beweismittel für vorgetragenc Behauptungen nickt angegeben sind. Häufta sind letztcrnfalls djc Beweismittel schon im Schriftwechsel benannt. ober bei dem Vortrag überhört oder doch nicht in den Tat bestand ausgenommen. Wenn, wie die Begründung der Vorlage ergibt, von den vor dem Reichsgericht verhandelten Revi sionen im Jabre 1907 rund 30 Proz. Erfolg hotten, und weitere 33 Proz. nur per rnaiara zurückgewiesen wurden, so ist dies ein schlagender Beweis für die un geheure Bedeutung dieses Rechtsmittels. Der Reicks tag wird darüber ru wachen haben, daß das Reckte mittel auf keinen Fall innerlich verschlechtert wird Muß es notgedrungen beschränkt werden, so darf dies auch nur mit größter Vorsicht geschehen Würde die Revisionssnmme aus 5000 ,<t erhöht, so würd'- dies lckon die Zahl der Revisionen (nach einem Durch scknitt der letzten drei Jahr«) um rund 1500 fähi-lich. also um mehr als ein volies.Drittel i-ej ausnobmo weise» Zulatz»ng der Revision aeaen difforme Urteile bei einem Wert von 2500 bis 5000 ,tl. um mehr als ein volles Sechstel herabsetzen. *) Ebenso schon vorder in einem am N. November 1N07 in Ver juristischen Gesellschast in Berlin gekaltenen Vortrag crc»ie!ieii unter „Berliner Vorträgen" Nr. 3 bei Karl EurtiuS. Berlin iacm. Wegen prozessualer Berseben biltt in Nlransreim das Rechtsmittel der requSte eirN», das bei dem Nntrrgerilbt selbli eingelegt »nd verfolgt wird.