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19 That ein Gentleman. Ein freundliches, gefälliges Wesen, dabei stets zurückhaltend und durch Neugierde nicht belästigend. Dieses Bündige, Bestimmte und dennoch Freundliche ist charakteristisch für alle, die ich kennen gelernt habe. Ihr könnt Euch denken, wie angenehm es ist mit solchen Leuten zu verkehren. Gut denn! Wir waren die ganze Zeit hindurch von Morgens um halb elf bis 4 Uhr dort be schäftigt. Ich besuchte einige Hospitäler zu derselben Zeit, sah einige gute Exemplare gewisser Londoner Krankheiten und lernte die Ein richtungen dieser zahlreichen, grossartigen Stiftungen kennen, welche fast alle aus den Geldbörsen einzelner reicher Männer hervorgegangen sind. — Meine Lebensweise musste ich gänzlich ändern. Ich musste ein Nachtvogel werden, was zwar in London im Winter nicht viel sagen will; denn zu gewissen Zeiten ist jetzt der ganze Tag Nacht. Ich gehe um 1 oder 2 Uhr zu Bett und stehe zwischen 8 und 9 Uhr auf. Das ist hier völlig in der Ordnung. Der Winter war bis jetzt äusserst mild; an Schnee und Eis ist nicht zu denken, der grosse Regentspark ist mit dem lieblichsten Grün bedeckt, und am ersten Weihnachtsfeiertag war er mit geputzten Menschen mit und ohne Hosen so gefüllt, wie am lieblichsten Maientag, Jedoch ist das nicht alle Jahre der Fall. Häufig ist ein Schlackenwetter zu dieser Zeit. Im November beginnen die berühmten Londoner Nebel (London fogs), welche sprüchwörtlich so dick sind, dass man sie »mit dem Messer schneiden« kann. Man ist am Morgen oft nicht im Stande, die Häuser auf der andern Seite der Strasse zu erkennen. Licht wird den ganzen Tag gebrannt, wenigstens in den Läden der engeren Strassen, und ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass in dem schönen, herrlich lichten Bibliothekssaale des Hunter’schen Mu seums um halb 2 Uhr die Lampen angesteckt werden mussten, weil es unmöglich war, ein Wort zu lesen. Ihr könnt Euch vorstellen, dass bei dem Ungeheuern Wagengedränge in den Hauptstrassen in solchen Fällen viel Unglück passirt. In einem der letzten Nebel während des Abends mussten die grossen vierspännigen Reisekutschen, welche zwar völlig unsern Posten entsprechen, aber nichts mit der Regierung zu thun haben, von Fackelträgern durch die Stadt geführt werden, und jeder Mann musste eine Fackel oder Laterne tragen, er mochte weit zu gehen haben oder nicht. Oft giebt es hier lustig traurige Auftritte. Es ist allgemeine Sitte die Fische, Krebse, Aepfel, Kartoffeln, Apfelsinen, kurz alle Dinge in der Welt, durch die Strassen zu tragen und sie auszuschreien, und fast alles wird auf den Köpfen transportirt. Dies giebt mitunter einen heillosen Lärm; jedes hat seinen bestimmten Ruf — bald gesungen, bald geschrieen. Beim ersten