Volltext Seite (XML)
Berlin, d. 28. Februar 1836. 2. Mein lieber Vater. Obwohl wir lange nichts von einander gelesen, so haben wir doch vielfach von einander gehört, und es ist mir lieb gewesen, dass alle Nachrichten über Deine ununterbrochene Gesundheit und ziemliche Munterkeit übereinstimmen. Auch mit mir geht es in geistiger Be ziehung ganz wohl. Frei und ungebunden gebe ich mich meinen Lieblingswissenschaften hin, nicht durch den Gedanken an die Zukunft geplagt, nicht durch Reue über eine übelgebrauchte Vergangenheit; der Sorge für den physischen Unterhalt bin ich für den Augenblick enthoben, obwohl ich zu sehr Dein Kind bin, um im geringsten der Theilnahme an den Gang Deiner Geschäfte mich zu entschlagen. Sorge doch auch Du nicht über meine Carriere, was ich auch werde; danach geht mein ganzes Streben, dass ich einmal etwas Tüchtiges leiste, dass ich mich über das Gewöhnliche erhebe und in den Ver wirrungen meines künftigen Lebens mit Klarheit und Besonnenheit handelnd, Ruhe der Seele und Bewusstsein des Rechten mir bewahre. Was nun mein körperliches Wohl betrifft, so darf ich auch darüber gerade nicht klagen; doch kommen einzelne Mängel, von denen ich früher nie heimgesucht wurde. Das Theetrinken ist erschlaffend und der Magen verliert dadurch seine Energie; deshalb hat mir derselbe schon einige Mal dumme Streiche gemacht. Mein Verhältniss mit William gestaltet sich immer besser: wir haben uns an einander gewöhnt und ineinander gelebt. Ich kann mich nur lobend über seinen Eifer, sein unablässiges Streben nach wissenschaftlicher Ausbildung, seine liebevolle Behandlung gegen mich aussprechen. Wahrlich! es war gut, dass ich so gestellt war, wie ich gegen ihn stand; denn hätte ich mich vor Weihnachten auf irgend eine Weise frei und unabhängig gefühlt, so wären wir keine 14 Tage zusammen geblieben. Aber der junge launenhafte Mann musste endlich einselien, wieviel ein Freund ihm werth sei, der, wenn auch noch soviel Fehler, mehr Besonnenheit besass als er und mit allen Kräften danach strebte, sich stets auf dieselbe Weise gegen ihn zu zeigen. Glück hat viel dabei mitgewirkt; einzelne zufällige Umstände, aus deren Verlegenheit ich ihm heraushalf, die ich aber vergessen will, weil ich Freundes-Geheimnisse selbst gegen die Theuersten nicht aus plaudern möchte, brachten ihn mir näher, und er schloss sich allmählich vertrauensvoller gegen mich auf. Dies wollte ich erreichen, und nun verwandelte auch ich die ernste Aufmerksamkeit, mit der ich ihn behandelt hatte, in liebreiche Achtsamkeit, die uns denn immer enger und enger band. Vielleicht bleibe ich so lange, wie er noch hier ist,