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1022 liberaleren Interpretation i« Ginne des Herrn Antragstellers nicht Gtatt gebm werde. Es würde somit noch der Ausweg bleiben, eine Umgestaltung der Dispositionen der Paragraphe durch die Gesetzgebung herbeiführen zu suchen. Der Ausschuß hielt es vor der Hand nicht für förderlich, diesm Weg aufzufirchm; dagegen aber schien es ihm angemessen, im Einvernehmen mit der geistlichen In spektion nach Maßgabe der derselben am Schlüsse der tz.276 nachge lassenen Befugniß den wünschenswerthen Au-trag zu finden. Der Ausschuß, obgleich er im Princip nicht anzuerkennen vermochte, daß bei Beschlußnahme über bauliche und sonstige technische Angelegenheiten der Kirchen und Schulen auf die Re ligion der abstimmenden Mitglieder überhaupt irgend ein maß gebende- Gewicht zu legen sei, rieth dem Collegium einstimmig an, den Rath zu ersuchen, die geistliche Inspektion anzugehen, damit dieselbe die am Schluffe der H. 276 nachgelassene Aufforderung an die beiden städtischen Collegien ergehen lasse — auch sich seinerseits diesem Anträge selbst anzu schließen. Der Antrag fand einstimmige Annahme. (Schluß folgt.) Ein SUck in unsere Volksschulen. m. Die körperlichen Züchtigungen in der Volksschule. .Wer sein Kind lieb hat. hält e« stet« unter der Ruthe." Strach. Gewiß gehört es mit zu den unangenehmsten Augenblicken im Schulleben, wenn der Lehrer zu Körperstrafen schreiten muß. Ist doch jede Strafe selbst, und wenn sie nur in ganz unschuldigen Dingen (Herau-treten, Aufstehen rc.) besteht, ein Gifttropfen für ein weiche- Lehrergemüth; und die meisten Schulmänner beschäf tigen sich mit Nicht- eifriger al- mit der Frage: „Wie ist bei der Leitung der Kinder nr verfahren, daß Strafe so viel als mög lich überflüssig wird. Es ist auch durchaus nicht »u verkennen, daß ein Lehrer gar mancherlei thun kann, um die Kinder willig, fleißig, gesittet zu machen, ohne daß Pranger und Stock benutzt wird. Bewahrt er sich einen ernsten Sinn, ist er vorsichtig in seinen Späßen, überhaupt im Umgänge mit seinen Schülern, ist er konsequent in seinen Forderungen, verlangt er nicht mehr und nicht- andere-, als waS die kindliche Natur leisten kann, versteht er eS den Unterricht anziehend und fesselnd zu machen, giebt er da- Lob mit so viel Theilnahme und Herzlichkeit, daß die Ent behrung desselben vom Kinde schmerzlich gefühlt wird, beaufsich tigt er die Kinder mit großer Gewissenhaftigkeit in und außer der Stunde, weiß er mit einem Worte die Ehrfurcht und Liebe der Kinder sich zu erhalten, so wird er bei der Mehrzahl seiner Kin der keine Strafen nöthig haben, bei den kleinen räudigen Schaafen sie wenigsten- auf ein kleine- Maaß beschränken können. Aber wo ist der Mann zu finden, der vollkommen in seinem Amte wäre, namentlich wenn da- Amt ihm nicht gerade sehr versüßt und belohnt wird? Und auch die Braven, die sich mit ihrer Begeisterung weit über Verkennung und Mißachtung der Welt hinwegsetzen, die da recht fühlen, daß sie im Dienste Gotte- stehen und nicht Knechte der Welt sind, auch die haben ihre schwachen Stunden, wo sie einmal die Ungeduld packt, wo sie Verstöße ma chen gegen die weise Leitung der Kinder, und dann strafen müssen. Und da- ist ihnen um so mehr zu verzeihen, als sie eS oft mit Kindern zu thun haben, die da- Hau- verzogen, verwahrlost hat, und vielleicht geradezu gegen die Lehrer aufhetzt mit Worten, wie sie vielleicht schon manchem Lehrer vorgekommen sind: .Laß Dir nicht- gefallen", „Laß Dich nicht heruntersetzen" rc. Oftmals kommen aber die Aeltern selbst und bitten, ihre Kinder recht streng und namentlich auch körperlich zu bestrafen. Genug, e- wird in der Schule so leicht ohne Strafe nicht abgehen. Doch nun blei ben wir bei den körperlichen Strafen allein stehen. Vorau-ge- schickt muß werden, daß wir nicht an Mißhandlungen denken, wie sie wohl mitunter auch dagewesen sind. Wer ein Kind mißhan deln kann, der ist kein Lehrer, denn er hat entweder kein Herz, oder kann sich nicht beherrschen und dann sollte er mit der Strafe bei sich selbst anfangen. Der Verfasser dieser Zeilen kennt eine Menge Schulen, aber höchst selten ist ihm ein Fall wirklicher Mißhandlung vorgekommen, die in Bosheit, Unverstand und roher Hitze ihren Grund gehabt hätte. Er hat selbst Kinder, aber würde er ein einzig Mal erleben, daß sein Kind eine Mißhandlung er litten, er würde sein Kind diesem Schulhalter nehmen und es zu einem Lehrer in die geistige und körperliche Pflege geben. Aber Körperstrafen sind so lange keine Mißhandlungen, so lange au- ihnen nicht ein wirklicher Schade an Körper und Geist hervor geht. Denken wir ruhig über diese Heilmittel der Schule nach. E- kann durchaus nicht geläugnet werden, daß sie stets ihre Ge fahren haben. E»n einziger Klapps auf einen kranken Finger, den man nicht gesehen hat, kann schlimme Folgen haben; bei einer wohlverdienten Züchtigung eine- Schwatzmaulchm- kann man Aug oder Ohr zu nahe kommen und dieselben verletzen. In der Lausitz bekam ein Knabe von seinem Hauslehrer eine Ohrfeige und blieb auf der Stelle tobt. Ein Siegelring an der Hand des Lehrer- war die Ursache. Dieser wurde zwar sofort entlassen, ich habe aber nicht gehört, daß er bestraft wordm sei. Die Aeltern wußten, daß er höchst treu und väterlich dm Knaben erzogm hatte, und daß er nur in der Hitze und im Aerger (der Knabe hatte ihn verhöhnt) und durch Unvorsichtigkeit da- Unglück herbeigeführt hatte. In dem Orte de- Verfassers wollte ein Lehrer eine schwatz hafte Schülerin auf den Mund schlagen, kam aber dabei in das Auge. Wiewohl der Schlag nicht so gar heftig war, bildete sich doch eine Entzündung und man fürchtete zuletzt, da- Kind werde das Auge verlieren. Es wurde geheilt; aber auch der Lehrer war für alle Zeiten von seiner Hitze und Unvorsichtigkeit geheilt. Körperstrafen sind daher fast immer mit Gefahren verbunden. Namentlich sind es aber die Schläge, welche dm Kopf de- Ki nde- treffm. Da da- Gehirn de- Kinde- noch eine weiche zarte Masse ist, so bedarf eS der Schonung um jeden Preis, und wmn ich daher sehe, wie Aeltern und Lehrer ihre Kinder so um die Köpfe schmeißen, daß sie herumtaumeln, so geht mir ein Stich durch- Herz. Ich glaube daß die Kinder dadurch dumm oder wenigstens kopfleidend werden können. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß jede Kopfnuß, die mit zwei Fingern erfolgt, oder jede gesunde, d. h. nicht unvorsichtige Maulschelle da- wohlverwahrte Gehirn verletze. Zweiten- sind Körperstrafen auch in sofern gefährlich, al- sie oft störrige trotzige Kinder bilden. Ich sage oft, denn nicht immer ist die- der Fall. Begleitet der Lehrer die Körperstrafe nicht mit bedauernden Worten, seht er dem Kinde sein Unrecht gar nicht weiter klar auseinander, fugt er wohl gar einigen Hohn hinzu, so ist e- nicht zu verwundern, wmn da- Kind sich aufge bracht zeigt, wmn e- sich auf den Kriegsfuß mit dem Lehrer setzt. Ist ferner die Körperstrafe auch höchst gelind, so übt sie doch auf manche Kinder, die zu Hause nur gestreichelt oder höchstens mit dem meibeisen der Ermahnungen und Warnungen gestraft werden, eine schlimme Wirkung aus. Diese Kinder denkm, daß ihnen wunder was geschieht,. wenn der Lehrer ihnen eine lümmelnde Hand etwa- unsanft gerade legt; sie beklagen sich auch dann am meisten, übertreiben jede Strafe, die sie bekommen haben, zu Hause, und suchen Alle- zum Mitleid zu stimmen und zum Haß gegen — dm Lehrer, der e- nur wohl und gut gemeint hat. Kurzum eS können Körperstrafen auch häufig die Kinder erbittern, oder sie wohl gar zu Lügnern und zu Heuchlern machen, wenn die Aeltern nicht verständig genug sind, sogleich an die rechte Quelle zu gehen. Aber Ein- darf dabei nicht vergessen werden, für den Lehrer haben die Körperstrafen einm großen Nachtheil. Nimmt er sich auch vor, mir größter Ruhe zu strafen, er wird doch leicht warm, vielleicht gar leidenschaftlich dabei, und dann schadet er erstens seiner Gesundheit (Einer meiner Lehrer sagte nach jeder scharfen Züchtigung: „Wieder ein Nagel zu meinem Sarge!" Er starb auch in der Blüthe der Jahre), aber auch zweiten- seiner Autorität bei dm Kindern. Keine Leidenschaft, keinen finstern Zorn, käme Gefühlsaufregung sehe da- Kind an dem, welcher al lein Vorbild ihm gegeben ist, an dem es in sittlicher Hinsicht emporsteigm soll. Leidenschaftliche Strafen reißen dem Lehrer be deutende Stücke von dem Nimbus ab, den er al- einflußreicher Erzieher zur Seite haben muß. Aber obgleich e- in der That sich so verhält, daß die Körperstrafe ihre Gefahren hat, so ist sie doch in vielen Fällen nicht zu umgehen. Sie ist zuerst eine, man möchte fast sagen, natürliche Strafe, wenn da- Kind an Gliedern gestraft wird, mit denen es sündiat. Ein mäßiger Klapp- auf ein Lügenmäulchen ist oft viel besser als eine lange Spionirerei und schließlich- Ehrenstrafe und die kleine Erinnerung, welche der Lehrer mit dem Stöckchen einer fort und fort spielenden Hand giebt, ist zehnmal besser als ein Hagel von Ermahnungen und tahelnden Reden, wodurch da- Kind nicht besser, wohl aber sehr oft schlimmer wird. Die körperliche Züchtigung ist aber die einzig mögliche Strafe, wmn da- Kind auf so roher und tiefer Stufe steht, daß e- weder durchs Ehrgefühl, noch durch Ermahnungen oder Lockungen de- Erzieher- zum Gutm zu bewegen ist. Welch heilsames Mittel dann Schläge sind, hat der Verfasser dieser Zeilen einmal recht klar erkannt. E- handelte sich um die Besse rung eine- verwahrlosten Knaben, welcher stöckisch, roh, träg und unreinlich im höchsten Grade war. Alle Ermahnungen de- Leh rer-, welcher ihn bei sich hatte, gingen in den Wind. Nun, sagte der umsichtige Erzieher, bleibt mir blo- noch der traurige Act der körperlichen Züchtigung übrig. Nach jeder Unreinlichkeit (denn mir Vertreibung diese- Fehlers sollte angefangen werden) bekam der Knabe mit dem Rohrstock eine fürchterliche Tracht Hiebe. „Oft möchte ich dies nicht vornehmm," sagte mir der brave Lehrer, „da- wäre mein Tod." Zum Glück war e- nur zwei- bi- drei mal nöthig. Der Knabe wurde vollständig geheilt; und al- nun einmal dieser Fehler überwunden war, ging die Besserung be klemm Sünders viel schneller vorwärts. Körperliche Züchtigungen leichter Art (was ich damit meine, versteht jeder Vater und Lehrer) sind in taufend Fällen für das Kind die unverfänglichste Strafe, und der Lehrer muß bei der Heilung de- Kinde- bei ihnen an- fangen, nicht schließen. Denken wir un- einen Knaben, dessen lebendige- Temperament oft zur Unruhe reizt, die aber in der Schule nicht gebraucht werden kann. Die Ermahnungm fruchten