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bei ihm nicht viel. Jetzt erinnert ihn der Lehrer durch eine leichte Züchtigung an seine Pflichten. Diese braucht nicht stark zu sein; wenn sie konsequent einiaemal wiederkehrt, so ist sie heilsame Me- dicin. Nicht in der Starke, sondern in der Consequenz liegt die Allmacht einer Strafe. Wenn nun der Lehrer den entgegenge setzten Weg einschlagen wollte, wie stände eS dann? Dann würde der Knabe also zuerst eine mächtige Fluth von Warnungen, Gcheltworten, Drohungen auf den HalS bekommen; was über die helfen, wissen alle Lehrer. E- würde ferner zu Ehrenstrafen ge schritten werden müssen. Der Unruhige muß aufstehen oder an die Wand treten, -der sich auf die Strafbank setzen, oder gar vor die Classenthür stellen. Alle diese Strafen sind für einen noch nicht ganz verdorbenen Knabm viel zu stark; sie verletzen das Ehrgefühl so bedeutend, chaß e< in seinem Grunde erschüttert wird, sie veranlassen andere Schüler zu Neckereien und zu Hohn gegen dm Bestraften und erbittern denselben; sie sind ferner von langer Dauer und da bei dem Kinde da- Gefühl der Sünde nicht lang anhält, wenigstens nicht lebendig bewußt bleibt, so entsteht in ihm der Gedanke zuletzt, daß es zu stark bestraft sei; es hängt bitteren Gefühlen gegen den Lehrer nach und setzt sich dadurch weit eher mit ihm auf den Kriegsfuß, als wenn es. eine leichte körperliche Züchtigung erhielt, die seiner Liebe zum Lehrer wenig Eintrag thut. Ich glaube, eS ist hier jedem denkenden Menschen klar, daß solche Ehrenstrafen, selbst wenn sie nicht wie da- Stehen vor der Thüre mit Einbüßung des Unterricht- verbunden sind, weit gefährlicher für da-Kind werden können, als Körperstrafen. Aber der Lehrer kann den unruhigen Knaben ja auch dableiben lassen, er kann ihm Strafarbeiten aufgebm. Da- Dableiben ist entweder eine sehr hatte, oder eine gefährliche, oder eine für den Lehrer höchst unbequeme und oft auch nichts fruchtende Strafe. Sie ist hart, wmn da- Kind, wie eS vorkommt, zu Hause noch einmal gestraft wird, oder wenn die Aeltern da- Kind nothwendig braus chen, was in ärmern Familien häufig der Fall ist; sie ist gefähr lich, wenn da- Kind unbewacht ist, oder wohl gar mit Andern zusammm eingespertt ist und nun seine Allotria treiben kann; sie ist lästig für den Lehrer, weil er dabei bleiben, die Aufsicht führen und die vorzunehmenden Arbeiten leiten muß. Wären die Lehrer sorgenlos gestellt, so könnte es auf ein Paar Stunden mehr oder weniger nicht ankommen; aber bei ihrem dürftigen Einkommm müssen sie ja jeden Augenblick zu Rache nehmen, um durch Pri vatunterricht noch etwas zu verdienen. Diese Strafe ist aber auch in vielen Fällen fruchtlos. Wenn das Kind wmig Ehrgefühl hat, wmn die Aeltern zu Hause sich wenig um dasselbe kümmern, wenn eS sein Frühstück ruhig im warmen Schulstübchm nach dm Stunden verzehren kann, oder wenn es ihm gelungen ist, die Aeltern durch eine Lüge zu täuschen, dann ist- mit dem Stachel dieser Strafe vollständig vorbei. Und e- ist Thatsache, daß es Kinder giebt, welche sich freuen, wenn sie der Lehrer dableiben läßt. WaS nun noch die Strafarbeiten anbelangt, so sind sie ein so gefährliches Mittel, daß man wohl sagen kann, der alte ehrliche Stock ist lange nicht so schlimm. Erstens werden die Strafar beiten in der Regel schnell und immer mit etwas Bitterkeit ge macht, sie gerathen also oft sehr schlecht, und haben die Ausbil dung de- Kinde- gar nicht gefördert. Wird die Güte der Straf arbeit erzwungen, d. h. wird sie wiederholt aufgelegt, so ist zu fürchten, daß das Kind einen Widerwillen vor dem ganzen Gegen stände, den eS bearbeiten muß, bekommt, und da- ist doch gewiß eine schlimme Frucht. Ich getraue mir nachzuweisen, daß Kinder in den Fächern, wo sie die meisten Strafarbeiten machen müssen, oft am wenigsten leisten. Aber möge die- Alle- auch nur halb wahr sein, so bleibt doch die- ein großer Uebelstand, daß man dem Kinde die Arbeit, die seine Ehre, seine Lust und Liebe, sein Stolz sein soll, zur Strafe macht. Hat man oft Arbeiten als Strafe über da- Kind verhangm, so sieht e- zuletzt — Kinder sind ein mal noch keine scharfen Denker — jede Arbeit mehr oder minder al- Strafe an. Welche Reibungen übrigens Strafarbeiten zwischen Aeltern und Lehrern, welche Lockungen zur Lüge und zum Betrug sie verursachen, davon will ich gar nicht reden. Kurz e- bleibt klar und au-gemacht, daß eine unschädliche Körperstrafe in vielen Fällen dm übrigen Strafen vorangehen muß, und daß Ehrm und Freiheit-- oder Arbeit-strafen viel gefährlicher sind, al- die Aeltern glauben. Aber eS giebt Aeltern, welche da- Recht körper lich zu strafen dem Lehrer durchaus nicht einräumen wollen. Sie irren gewaltig. Indem sie dem Lehrer für einige Zeit de- Tage- ihre Kinder uberaebm, indem sie ihn verantwortlich machen für Alle- wa- dem Kinde leiblich und geistig geschieht, indem sie also alle ihre Pflichten von sich nehmen und dem Lehrer auflegen, wollen sie ihm doch nicht ein- der Hauptrechte der Erziehung, da- Gtrafrecht, ungeschmälert übertragen. Der Lehrer soll und muß da- Kind studirm wie die Aeltern; er wird dann auch recht wohl wissen, welche Strafe in gewissen Fällen die beste ist und wollte ihn da- Hau- dann an der Ausführung hindem, so würde e- sich selbst schlagen, d. h. e- würde die Schulpflege an seinem Kinde verkümmern oder aufhebm. UebrigenS sei Allen, die hinsicht lich der körperlichen Züchtigungen unsrer Jugend Sorge haben, zum Tröste gesagt, daß unsre Kinder e- «och bei Weitem nicht so schlimm haben, wie die Kinder unsrer Dorältern. Wa- gab e- da für Strafen? Meine Großmutter hat noch müssen al- Kind auf dm Erbsmsack kniem und die zusammen gelegten Finqer- pitzm dm peinlichen Schlägen darbietm. Mein Onkel erzählte, >aß er die große Bibel de- Lehrers so lange halten mußte, bi- hm die Arme erstarrten und die Kräfte versagten. Basedow ließ >ie Kinder mit einer Bürste reiben um Schläge zu vermeiden, bei Lancaster wurdm Halseisen angewandt, auch manchmal zwei und zwei mit Stricken zusammengekoppelt, oder wohl gar in einem Sacke im Schulzimmer aufgehangm. Aschokke- Lehrer hatte ein Seil, welche- eine Schlinge hatte; er warf dieselbe nach einem unruhigen Knabm, fing ihn damit und zog ihn unter Hurrah der Andern zu sich an- Pult; Feßler erzählt, daß in seiner Schule eine Strafbank stand, über welcher Kronm von Stroh, Ruthen rc. hingen und daß an einem andern Orte der, welcher sich mündlich vergangen hatte, einen Prügel im Munde herumtragen mußte. Auch bei den Römern und Griechen, die doch etwa- Ordmtliche- auS ihren Kindern gemacht haben, regnete es nicht wenig Schläge. Diese Zeiten sind vorüber, und Gott sei Dank, daß die neuere Pädagogik sie überwunden hat. Man glaube ja nicht, daß der Verfasser dieser Zeilen ein Freund einer unbarmherzigen Zucht ist; nicht- ist ihm mehr zuwider al- die Pädagogik, die ihr Heil nur in der Fuchtel sucht, und die sich mit äußerer Dressur begnügt und nicht auch den Geist der Liebe zu wecken und zu nähren versteht. Beides, strenge Zucht und herzliche Liebe muß Hand in Hand gehen in der Erziehung. Da- Resultat unsrer Erörterung wird also die- bleiben: Körperstrafen sind ein Uebel, welches zu verhüten ist wenn es geht, welche- aber auch ohne falsche Em, pfindlichkeit zu verhängen ist, wenn da- Vergehen und die Um- stände de- Kinde- eS erfordern und wenn e- für einen Fall die passendste, natürlichste und einflußreichste Strafe ist, welche nicht verschlechtert und vergiftet, sondern bessert. Möchten nur alle Lehrer sich genau in der Kenntniß de- menschlichen Körper- orien- tiren, um jeden Schaden, jede Verletzung besser vermeiden zu können. Möchten aber auch alle Aeltern der Schule auch in die sem Puncte nicht ohne Noth da- Vertrauen versagen, ohne welche- ja die öffentliche Erziehung nicht bestehen kann. Die Aquarell - Ausstellung von H. I S erg. Im Parterre-Saal des städt. Museum- ist auf einige Zeit die interessante Sammlung von Aquarell-Erpien nach Oelgemäl- den berühmter Meister, welche der Norweger Maler H. I. Berg in den bedeutendsten Galerien Deutschland-, Frankreichs und Italiens gefertigt hat, au-gestellt. AuS den Galerien von Ve nedig, Genua, Parma, Pari-, Dresden, Frankfurt, Berlin und Stockholm sind die bekanntesten Werke aller Schulen von Rafael, Leonardo da Vinci, Tizian, Rü ben-, van Dyck, Murillo u. s. w. mit besonderer Rücksicht auf vielseitige Vertretung der Meister in historischen wie in land schaftlichen Darstellungen vorgeführt. — Die in ziemlich großem Maßstab ausgeführten Blätter, von welchen vorläufig die erste Hälfte au-gestellt ist, sind von Herrn Berg in der Absicht gefer tigt, für da- kön. Museum seiner Vaterstadt Christian!« eine kunstgeschichtliche Sammlung ähnlicher Art, wie die historische Kupferstichsammlung unsere- Museum-, zu vereinigen. Meist in breiter, zuweilen auch skizzenhafter Behandlung gehalten, geben diese in dm Farbm ungemein kräftigen und oft die volle Tiefe der Oelgemälde erreichenden Copien eine sehr bezeichnende Vor stellung der wiedergegebenen Originale und der Eigenthümlichkeiten ihrer Meister, so daß man behaupten kann, mit treuen Stichen oder Lithographien gemeinsam betrachtet, in ihnen einen genügen- den Ersatz für ausgeführte Oelcopien zu besitzen. Durch einm hiesigen Kunstfreund, dessen Reisegefährte Herr Berg in Ober-Egppten war, dem Direktorium de- Leipziger Kunst- Verein- empfohlen, wird, wie schon erwähnt, derselbe seine Blätter in zwei Abtheilungen au-stellen, da die Räumlichkeiten de- Parterre- Saale- im Museum die gleichzeitige Aufstellung der über 100 Blätter betragenden Sammlung nicht gestattet. Das Musik-AnMut von Johannes Lschochrr. Am Abend de- 6. d. M. fand im großm Saale der Buch händler-Börse eine öffentliche Prüfung der Zöglinge de- Musik- Institut- von Johanne- Aschocher statt, zu der sich ein sehr zahlreiches Publicum eingefunden hatte. Die Prüfung erstreckte sich auf da- Pianofortespiel (Solo- und Ensemble-Vorträge). Der Zweck de- genannten Musik-Institut-, da- laut de- von dem Direktor desselben veröffentlichten Programm- zur Zeit hundert Zöglinge zählt, ist vornehmlich: die künstlerische Heranbildung tüchtiger, nicht blo- oberflächlicher Dilettanten; doch ist bei der Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit de- Unterricht- durchaus die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß nicht auch — au-reichende natürliche Begabung vorau-gesetzt — Musiker von Fach au- dieser Anstalt hervorgehen könnten. Wa- nun von dm Schülern de- Herrn Afchocher bei dieser Gelegenheit geleistet ward, gab für die Art und Weise de- Unter-