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Das französische Vorgehen gegen deutsche Privatgläubiger. vertt»» L Nag. Die Antwort der französi» sch«« Regier«»« «ms die gestern überreichte deutsche Note «ege« des Ausgleichsverfahrens ist in,wische« im Wortlaut hier eiugegauge«. Sie weicht in Einzelheiten von dem bereits dnrch HavaS veröffentlichten Text ab und lautet: In Beantwortung Ihres Schreibens von hentc beehre ich «ich Ahne« bekannt z« gebe», Last in Anbetracht dessen, daß die Mitteilung der deutsche« Regierung nur «inen dilatorische» Charakter hat, die Regierung der Rennblik folgende Beschlüsse znr Sicherstellung ihrer «asprürhe gefaßt hat: 1. Die AnsgleichSSmter von Paris und Straßbnrg werden aufgefordert, bis ans weiteres jede Anerkennnng deutscher Forderungen aus- -«schieben. L Die AnSgleiihSLmtcr von Paris «nd Straßbnrg «erde« anfgesordert» bis aas weiteres jede Zahlung von Entschädigungen für Rechnung der deutschen Regie rung anSzusetzen, die in Anwendung des Art. 287 o des Vertrages von Versailles geschuldet werden. Die Zah lung dieser Entschädigungen bleibt bis anf weiteres eine direkte Verpflichtung Deutschland-, n»d diese Entschädigungen können im voraus gemäß de« aanONNteu Absatz des Art. 287 dem Eigentum dentsck^r Staatsangehöri ger entnommen werden» daö anf französischem Gebiete vor handen ist oder sich «ater französischer Kontrolle befindet. S. Die AnsgleichSSmter von Paris und Straßbnrg »erden aufgefordert, bis aus weiteres jede Mitteilung an das dcntschc Ausgleichpamt über Len Erlös aus Liquidationen deutsche« Eigentums in Frankreich anSzusetzen. 4. Die Gencralkommission der Republik in Straßbnrg «ird ausgesordcrt» bis ans weiteres die Ausfuhr des unter das srausSflsch-deutschc Abkomme« vom IS. November ISIS fallenden deutschen Mobiliars anSzusetzen. ö. I» den Departements Moscüc, Haut-Rhin und AaS- Rhi« werden kosort Maßnahme» zwecks Sicher stellung ergriffe«. Falls die verschiedenen Maßnahmen znr prompte« Rege lung der Frage nicht ansreichen, werden sie dnrch weitere progressive Maßnahmen ergänzt werden. fiBtb.j Die Nachgiebigkeit, rvelchc die Reichsrcgicrnng in ihrer Antwortnote wiederum bekundete, hat also, wie üblich, nichts genützt. PoincarS mißachtet jede Rechtsgrundlage und be ginnt mit den angedrvhten „Retorsionsmatznahmcn" —„Ver geltung", ohne daß eine deutsche absichtliche Verfehlung vor- licgt! — noch vor dem Fälligkeitstermin des 15. August. Die Maßnahmen, denen jeder RechtSboden fehlt, richten sich in erster Linie gegen die deutschen Privatgläubiger selbst, sollen aber noch weitere znr Folge haben, wenn die jetzigen sich als „nicht ausreichend" erweisen. Tann ivirb die Be schlagnahme deutscher chemischer Werke und Eisenhütten im besetzten Gebiete sich hinzugesellen. Nun gilt eS für die Reichsregicrung, wirklich einmal fest zu bleiben bis zum bitteren Ende und die von ihr proklamierte „ruhige Ent schlossenheit" restlos zu betätigen. Der Kommenlar -es „Temps". Paris, 5. August. Der „TempS" bespr cht die über Deutschland verhängten Strasmaßuahmcn folgendermaßen: Zu Punkt 1. Die Aufschiebung jeglicher Anerkennung der deutschen Schulden bis auf Widerruf wirb diejenigen verletzen, die auf Bejahung ihrer Forderungen warten, ebenso wie auch die Franzosen ihrerseits warten und wie die in Frankreich ansässigen Belgier und Griechen aus die Zahlung warten. Die deutsche Negierung, die diese Zahlung zu übernelsinen hat, hat sich dieser Forderung nicht unter ziehen können, well die deutschen Forderungen nicht aner kannt sind. Diese für die deutschen Gläubiger unangenehme Lage hat zudem den Vorteil, die deutsche Negierung zn hin dern, daß sic aus ihren Kassen Summen zugunsten ihrer Landsleute entnimmt, während sie zugleich ihre Auslands- schulden nicht bezahlt. Zu Punkt 2. Die Aufschiebung der AnSzahlung aus de« Erträgnissen der von dem gemischten Schiedsgericht zu gunsten der französischen Gläubiger gefällten LtquidtcrungS- urteil' macht Deutschland für die Durchführung dieser Nr- tcUe direkt verantwortlich, ohne den Verbrauch jener Summen abzuwarten, die in Frankreich dnrch die Liqui dierung der deutschen Besitzungen zustande kommen. Ver gessen darf man auch nicht den Artikel 3S7 des Versailler Vertrags, der besagt, die Schabloshaltnngen werde» Deutsch land zur Last fallen und rönnen von de» Besitzungen der deutschen Staatsbürger entnommen werde«, die sich auf jeuen Gebieten befinde«, die der Gläubigerstaat z» kon trollieren hat. Zu Punkt 8. Der 8 k dcS Artikels 287 deö Versailler Vertrags crmächttgtDcutschland,seine Staatsangehörigen für deren liautdtcrte Besitzungen schadlos z« halten. Dentsch- land begibt sich dieses Rechtes «nd vergütet seinen Staats angehörigen den Gegenwert ihrer liquidierten Besitzungen. Deutschland findet hierfür Geld, während es für die Alliier te« kein Geld auftretbt. Hat «an in der RcparattvnSkom- misston daran gedacht, Deutschland ei« Moratortnm sstr diese Art von Ausgaben zu gewähren, die beträchtliche Ziffern erreichen? Deutschland hütet M wohl, tu diesem Falle et» Moratortnm zu beantragen. Könnte »an ihm aber «tu sol ches Moratorium nicht aufdrängcn? Was Frankreich ou- geht» so wird das Ergebnis jedenfalls das sein, oatz man den deutsche» AuSalcichsbureauö die Resultate der Liquidierun gen deö beschlagnahmten deutschen Besitzes nicht mehr bekanntgcbcn wird, und da dir deutsche Regierung darüber keinerlei Mitteilung mehr besitzen wird, so wird sie bis auf Widerruf de« deutschen Staatsbürgern, deren Besitz in Frankreich liquidiert wurde, den Gegenwert hierfür nicht auszahlen können. Zu Punkt 4. Deutschland hat in Baden-Baden rin Ab kommen getroffen, daß gewisse deutsche Staatsangehörige ihr in Elsaß und Lothringen verbliebenes Mobiliar behalten können. Dieses Abkommen von Baden Baden betrifft die Rückgabe jenes Mobiliars, für daS Deutschland eine Summe bezahlt, die dazu dienen soll, die Elsässer und Lothringer, die während deS Krieges nach Deutschland libergeführt waren und denen daS deutsche Gesetz eine Entschädigung garantierte, schadlos zu halten. Die französische Regierung hat dieS Geld bekommen, aber als Vergeltungsmaßnahmen stellt sic bis auf Widerruf den Abtransport dieses Mobiliars ein. Wenn es nicht zu einer Einigung mit Deutschland kommt, wirb die Zurückhaltung dieses Mobiliars fortgesetzt werden. Zn Punkt 5. Die gegen die im Elsaß nnd in Lothringen wohnenden Deutschen ergriffenen Rctorsionömaßnahmen haben den Zweck, diese daran zu hindern, späteren Maß nahmen -uvorznkommen, ohne daß aus die fragliche» Be sitzungen sofort Beschlag gelegt werden müßte. Die ersten Ausweisungen Deutscher. Paris, 0. Aug. Wie dem „Ocnvrc" au« Straßbnrg mitgctcilt wird, ist gestern abend die erste Auswei sung S m a s, u a h m e gegen deutsche Staatsangehörige als Bergcltnngsmaßrcgcl angeordnet worden. 8 Deutsche, die zugunsten der Politik von Klans Zorn v. Bnlach in einer öffentlichen Versammlung Kundgebungen veranstaltet habe» solle«, stad anSgewiescn worden. sW. T. B.j Weitere Sanktionen! Paris K. Ang. An unterrichteten Steven wird er klärt, die heute gegen Deutschland ergriffene« Zwavgsrnaß- nahmcn seien nur als eine »erste Warnung" zu betrachten. Ihr würden weitere Maßnahme« schwerwiegen der Natur folgen, die bereits vorbereitet würden. Diese sollten angewendet werden» wenn das Kabinett Wir«h ans seiner gegenwärtige« Haltung beharre. Ans Grenoble meldet Radio, daß dort zahlreiche Artillerietruppen mit Ansrüstung, ferner Pionier- trnppen mit Kähnen seit zwei Tagen mit nnbekannler Be stimmung abtransportiert werden. »Chicago Tribüne" will ans snter Quelle wissen, daß Poincarü als nächstfolgende Zwangsmaßnahme die Be schlagnahme deutscher chemischer Werke and Eisenhütten in den besetzten Gebiete« plant. Diese Retorsionen sollen aber erst in einigen Tage« in Kraft gesetzt werden, da man «och daS Ergebnis der Beratungen in Sondou abwarten will. Eine Anweisung an die Banken. Paris, ö. Ang. Das Presseburea« deS OberkommissarS von Elsaß-Lothringen hat dem „Matin" zufolge gestern abend mitgeteilt, -aß nach -er Entscheidung vom 5. August die Banken und Finanzinstitute jeder Art tu Elsaß-Lothringen nicht mehr berechtigt find, Personen deutscher Staatsangehörigkeit Wertpapiere «nd Gelder, die in den Banken oder Kreditanstalten «iedergelegt sind, ober deren Zinse» anSzuhändige«, gleichviel -» welchem Zeitpunkt die Niederlegung erfolgt sei. Die Banken nnd Ftnanz- institute von Elsaß-Lothringen werden alv Sequester der besagten Konten und Depots angesehen. iW. T.B.) Verölungen über Poincaröv Reparationsplaa. Paris, 8. Ang. Laut „Petit Partsicn" hat Poinear-4 gestern zwei Stunden lang mit den Direktoren im Ministe rium des Aeußeren über den französischen NeparationSplan beraten. DaS Blatt glaubt z« wissen, PoincarS habe be sonders di« einzelnen Maßnahmen gekennzeichnet, die die französische Regierung ergreifen wolle, um die Sanierung der deutschen Finanzen zu erreichen, sowie die wirksameren Bürgschaften, die fl« für die Zukunst fordern werde. sWTB.) Ein dringlicher englischer Antrag in -er Aeparationskommission. Herabsetzung der Ausgleichszahlungen. Neuregelung des Moratoriums. Paris. 8. Ang. Die NeparationSkommission »er- Sffent licht folgende« A-u-t rc^g b«S Delegierten Sir Inst« vradbarn: „Ans Gnnnd der gegenwärtigen Finanz lag« Deutschlands »nd deö ZnsammeubrnchS der Mark ist die Reparationükommissio« der Ansicht, daß es notwendig geworben ist, für den Rest deS Fahres 1«L alle anf Grnitd der Verpflichtungen aus dem Krtebcnöoertrage von Deutschland in ausländischen Devise« z« leistenden Barzahlungen ,» snspendiere«. Die Kommis sion empiiehlt als« den »lliiertcn Negier»,wen. alle Zah lungen anf Grund des AnSgleschsverfahrenS z« suspendiere« unter der Beding»«» daß die von »er deutschen Regierung sür diese Reparationen angebotcne monat liche Summe von 8»»8»S Pfund Sterling an die N«pavntionökommtsstvn abgeführt und oo« ihr zu «tnem Krd. Wen« die allikcrlcn Regierungen diese Zahlung annchme«. kst öle ReparationSkommissiou bereit, die Zahlungen zu suspen diere», die sür das Jalsr 1822 von den als Reparationen in bar z« entrichtenden Summen noch zu bezahlen sind. Der Betrag -er anf diese Weise suspendierten Zahlungen wird in derselben Weii« übertragen, wie die dnrch den Kommis- sionsbeschlnß vom LI. März ansgeschobenen Zahlungen. Wegen deS dringlichen Charakters der der zeitige« Lage hat die Kommission es nicht sür notwendig er achtet, für das neue sür 1822 z« gewährende Morato rium neue Bedingungen zu stellen. Es wird indessen i» aller Kürze notwendig sein, den Betrag der in den Jahren lW!/L4 von Dentschland z» fordernden Zahlungen z« be stimmen. Die ganze Frage der sür jenen Zahlnngsansschnb zn stellenden Nestimmnngen (die notwendigerweise strenger sein werden, als die des lausenden Moratoriums) wir- als Bestandteil dieser Sntscheidnng mit in Erwägung gezogen werden." In ihrer Sitzung vom 8. August hat die Reparation»« kommisfion mit drei Stimmen gegen eine Stimme be schlossen, die Beratung dieses Planes bis nach der Lon doner Konferenz ansz« schieben. sW-T.B^ Pvmcsrös Reise nach London. Paris,». August. Ministerpräsident Poi« c a r^ nnd Finanzministcr deLasteyrie haben heute mittag, begleitet von einer Anzahl Beamten deS Ministeriums deS Inner» «ad deS Finanzministeriums, über Calais die Reise nach Lon don ««getreten. Mit dem gleichen Zuge reiste der heute vor mittag auS Rom hier eingctrosfcne italienische Minister des Aeußeren, Schanz er, den der italienische Schatzminister Pacatone begleitete. Auch der englische Vertreter in der Reparationskommission, Sir John Bradbnry, ist hem« nachmittag nach London abgefahren. lW.T.B.) Die Kalkung -er französischen Presse. Paris, 6. Aug. Zn den gestern von der französischen Regierung angeordnetcn Netorstonsmatz nahmen äußert sich die gesamte Presse noch nicht. Soweit Aeutze- rungen vorliegen, sind sie gemäßigt gehalten nnd betonen vor allem den milden Charakter- der Maßnahmen. „O cuv re" schreibt: Es ist nnS unangenehm, zuzu gestehen, daß die Bemerkungen der deutschen Regierung in ihrer letzten Note uns nicht vernunftwidrig er scheinen; sie berühren nicht die Grundfrage, wohl aber das Regelwidrige des Vorgehens. Tatsächlich wird Herr Poin- cars, der sonst so formalistisch ist, Mühe haben, zn beweisen, daß er das Recht hatte, eine auch noch so geringe Beschlag nähme des Vermögens eines Schuldners vorderFälltg- keit der Schuld anszusprechen. Man wird ihm in London diese Maßnahme als juristischen Fehler Vorhalten, was ihm sehr unangenehm sein dürfte, und als einen Mangel an Rücksicht gegenüber unseren Verbündeten, was Frarrkreich sehr schaden dürfte. „Matin" schreibt, Deutschland hätte geglaubt, die französische Regierung dadurch beunruhigen und einschüch tern zu können, daß es seiner Note die Antworten beifügte, welche Großbritannien und Belgien in der Ausgleichs angelegenheit an die deutsche Regierung gerichtet hätten. Aber die Maßnahmen, die Poincarü angcordnet habe, leitr er nur von dem souveränen Recht des französischen Staates her. „Journal" sagt, der Begriff -er NetorsionSmaß- nahmen bedeute, -atz eine geschädigte Partei sich bemühe. Len Gegner in seinen wesentlichsten Interessen zu schädigen, ohne sich selbst eine Blöße zu geben. DaS sei nicht leicht, denn bet jedem heiklen Streitfall seien die Interessen der beiden Parteien so eng miteinander verknüpft, daß die an gewandte Waffe meist beide bedrohe und den ebenso treffe, der sie anwende, wie den, gegen den ste gerichtet sei. Alfred CapuS schreibt im „Figaro", der prakttsche Wert der ersten Sanktionen interessiere weniger als der Grundsatz, der dabei befolgt worden sei. Gewiß sei es ans gezeichnet, daß die Anerkennung der deutschen Forderungen und ihr« Deckung aufgehoben worden seien. Nicht weniger wertvoll sei es, daß vorbeugende Maßnahmen gegen die Deutschen t« Elsaß-Lothringen ergriffen worden seien. Bor alle« aber sehe man einen Killen, der von nnn ab nicht mehr ausgehalten werden könne. Was vom Vermögen Frankreichs noch übrig bleibe, hänge von dieser Operation ab, die in die Hände eines Mannes gelegt sei, dem das Land feine letzten Aussichten anvcrtrauc. Man werde ihn setzt mit dem verbrauchten Popanz der Isolierung zu schreck«, suchen, aber jeder wisse, daß er nicht zurückwetchen werde. „GawkotS" betont» Wenn mich die Durchführung des fra«»öfische» Programms nicht alle Früchte zeitige, die man ernmrte, so hätte sie doch den Vorteil, in Deutschland «tpe Atmosphäre der U n pe-wdß h e 1 t hervvrzurufen, die gewiß heilsam sei. „Santerue" billigt den Schritt PoincaräS, der, vom tnuerpolittschen Standpunkt au» betrachtet, die öffentliche Meinung davon überzengcn werde, daß man Deutschland zn« Zahlen zwinge» könne, ohne Regimenter fit« da« Rust, > gebiet zu mobilisieren. Dtc sozialistische Zeitung „ls^ou pl c" bemerkt kurz, diese Ratzimistnen seien eine schöne Slnlettnug für die Zu sammeuknnst von London rrnd für die Ber reichS mit seinen Alliierten. (W. T. B.j