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Mttwo*. 20. Oktober 1S2S — »Dresdner Nechrlchfen" — Der Kampf gegen die Erwerbslosigkeit. Vünttige Wirkungen -es Arbetts- deschafsungsvroqramms. verli«, 19. Oktober. Der NetchStagSauSschuß für sozial« Angelegenheiten beriet beute die Fragen -er Erwerb-- los«nfür sorge. AeichvarbeUsminifler Dr. Lraun» «ab bet bt«ser Gelegenheit einen Ueberblick über die von ber Reichsregierung getrossenen Maßnckhmcn. Dt« Zahl -er uyterstützten Erwerbslosen, führte ber Minister aus, ist gegen -a» Frühjahr «m runb 690 000 zurückgegange«, und dies« Ent- wtcklung hält an. Dieser Rückgang ist mir tn geringem Mähe aus der Jahreszeit zu erklären, er ist vielmehr durch die wirtschaftliche Entwicklung verursacht, aber auch durch die Mas, nahmen auf dem Gebiete ber Arbeitsbeschaffung. DaS Arbeitsbeschaffungsprogramm der NetchSregierung ist in keinem überwiegenden Teil« tn der Durchführung begriffen. Das gilt insbesondere für die Mast, nahmen ber Reichsbahn, der NetchSpost. für Bodenvcrbesserun- gen und Siedlung, für den Bau von Landarbeiterwohnungen und den verstärkten Wohnungsbau. Auch das Kanalpro- gramm der Ncichsregierung ist wenigstens so weit in die Tat umgesetzt, als die einzelnen Wasscrstrasten schon früher die Zustimmung des Reichstages gesunden hatten. In der eigentlichen produktiven Erwerbslosen- für sorge sind neben den lausenden Arbeiten besondere Notstandsprogramme mit den Ländern vereinbart worden, die sich answirken sollen, wenn die WinterarbcitSlosigkcit be ginnt. Die NcichSregierung wird ihre Mastnahmen auf dem Gebiete der Arbeitsbeschaffung und der produktiven Ermerbs- losensürsorge in einer Denkschrift für den Reichstag zusam- menfassen. Sie glaubt, das, die wichtigsten Ziele erreicht sind, die sie sich bis zum Herbst gesetzt hat, eine wesentliche Senkung der ArbcitSloscnzkffer and die Erhaltung ber Fluktuation unter den Ar beitslosen. Die Maßnahmen der produktiven Erwcrbslvsen- siirsorge kommen ganz überwiegend den langfristigen Arbeitslosen zugute. Nach dreimonatiger Beschäftigung bei NvtstandSarbciten haben sie einen neuen Anspruch auf Erwcrbsloscnuntcrstittzung. Das ist tatsächlich die Aus dehnung der ErwcrbSloscnfürsorge über zwölf Monate hin aus. aber so. dast nach zwölf Monaten Unterstützung zunächst drei Monate Arbeit solgen. Die einfache Verlängerung der Unterstützungen, wie sie vielfach gefordert wird, wäre sehr viel billiger und würbe sehr viel weniger Mühe machen. Sie würde aber alle Vorteile beseitigen, die eine ArbcitS- fürsorge gegenüber der Unterstützung besitzt. Die Reichs regierung hat sich deshalb zu dieser Vereinfachung bisher nicht entschließen können. Sie hält sich auch ohne den Reichstag dazu nicht für befugt. Dagegen erseht sie den Gemeinden mit Wirkung vom l. Oktober 50 Prozent ihrer Aufwendungen kür die ausgesteuerten Erwerbslosen unter ber Bedingung, Last die Ausgesteuerten wie die Erwerbslosen versorgt werden. Auch die Versorgung für den Krankheitsfall bleibt ihn«, er. halten. Der «rSeltSfllrsorge für die langfristigen «rbettslosen ist e- zu banken, dast ble Zahl der Ausgesteuerten noch immer verhältnismäßig gering ist. Ein« Erhebung über di« «uv- gesteuerten mit dem 1. Oktober als Stichtag ist angeordnet. Der Entwurf ber «r b etts l ose n v ers«ch e r ung Hot den Reichswlrtschastsrat passiert und wird dem Reichstag schon «n einer sehr nahen Zukunft zugcbcn können. Neben der Arbeitsbeschaffung und der Arbeitslosenversicherung be schäftlgt sich die Ncichsregierung vor allem mit dem Problem de» ältere« Angestellte«, das sich neuerdings zu einem Problem auch der älteren Arbeiter erweitert hat. Sie hat sich ferner den Aus- bauderArbettsvermittlung am Herzen liegen lassen und dazu besonders erhebliche Mittel verwandt. Sie hat sich um die Vermittln»^ jugendlicher Arbeitsloser auf da» Land, um die Ausbildung und Fortbildung ber arbeitslosen Jugend- lichen, um Len Ersatz der ausländischen ArbettSkrä'tc durch deutsche bemüht. Die NetchSregierung steht, so schloß der Minister, ihr oberstes Ziel in ber Beschaffung von Arbeit für einen möglichst grobe» Teil der Arbeitslosen. — An die Aus- führungen des Ministers schloß sich eine reg« Aussprache. Die Dienjljkrafor-nung für Beamte. Berlin, l«. Oktober. Im BeamtenanSfchust des Reichstages wurde die Beratung de» Entwurfs einer NeichSbienststrafordnung beim Paragraph über die Zu. sa m m e ns e tz u n g der Neichsdienststrafkammer fortgesetzt. ES wurde beschlossen, bast von den drei Beamtenbeisitzern je einer dem unteren, dem mittleren und dem höheren Dienst angehören müssen. Die Mitwirkung der Beamten beim Vor- schlag zur Benennung von Beamtcnmitgliedern soll durch bas Beamtenvertrctungsgesch geregelt werden. Bei der Zu- sammensehung bcs NeichsdienststrafhofcS verblieb es bei der Regierungsvorlage. Ein Antrag auf Mitwirkung von Beamtenbeisitzer,, in ber Zahl und Zusammensetzung wie bei der Retchsdienststraskammer wurde abgelehnt. Hm nicht förmlichen Dienststrafverfahren wurde beschlossen, dost gegen die Entscheidung de« nächsthöheren Dieustvorgesctzten die NechtSbcschwerde zulässig ist. Der Entwurf -es Arbeilsschutz-esehes. Berlin. 19. Okt. Der im ReichSarbeltSministerium an- gefertigte Refcrentenentwurs eines Arbeitsschutz- gesetztS ist mit den Svitzenverbändrn der Arbeitgeber und Arb-ttnehmcr mit den Vertretern ber Länder sowie mit den zuständigen Reichsrcssorts eingehend dnrchberaten worden. Ans Grnnd dieser Beratungen hat der Entwurf verschiedene Abänderungen erfahren Nachdem nunmehr auch bie nmsanareicke Begründung ihrer Fertigstellung entgegen- geht, wirb ber Entwurf tn Kürze dem Meickskabinett zur Be schlußfassung vorgeleat werden. llW. T.B.1 Eröffnung der britischen Reichskonferenz. Die Proarammre-e Dat-wins. London, 19. Okt. Nach Eröffnung ber britischen Reichs konferenz wurde eine Botschaft an das Königshaus abge- sänbt. In der auf die „Liebe und Ergebenheit der unter der Krone vereinigten Völker des britischen Gemeinwesens* hin ge,vielen wird. Ministerpräsident Baldwin begrüßte die Vertreter der Uebcrsecdominions. Er erinnerte daran, was von den früheren Konferenzen zur Entwicklung der einzelnen Teile des Reiches geschaffen worden war. und kündigte an, daß die Erörterungen anf dieser Konferenz sich anf daS ge samte Gebiet der NeichSoolitir und auf daS Verhältnis der einzelne» Teile des Reiches untereinander erstrecken werden, um fcstznstellen, auf welche Weise die Dominions unterein ander «nd mit dem Mntterlande inniger verknüpft werden könnten. Die Konferenz werde sich mit der Frage zu befassen haben, wie diese Verbindung enger gestaltet werden könnte, wie der Handtl vermehrt und die wirtschaftlichen Möglich keiten znm gegenseitigen Vorteil aller weiterentwickelt wer den könnten. Ministerpräsident Raldwin führte weiter auS: Mit einem stetigen Prozeß der Erweiterung der Selbstverwaltung und der Entwicklung des Nattonaibewiißtscins ist bauernd auch die Notwendigkeit verbunden, die Beziehungen zwischen Ser Negierung vo» Großbritannien und den Negierungen der einzelnen Teile des Reiches der veränderten Lage der Dinge anzupassen. Nirgends sei die Notwendigkeit für den Aus gleich der Beziehungen zwischen den Regierungen des Reiches deutlicher gewesen, als auf dem Gebiete der Außen. Politik. Baldwin fuhr fort, daß eS sich jetzt nicht nur um die Frage handle, wie man den Grundsatz der Selbstver waltung tn äußeren, wie auch in inneren Angelegenheiten mit ber Notwendigkeit einer auswärtigen Politik des all- gemeinen Reichsinteresies verbinde. Er erklärte, auf dem Gebiete der Reichsverteidtgung sei ein ständiger Fortschritt zur Besserung ber Möglichkeiten des Zusammen wirkens, „wenn sich die Notwendigkeit unglücklicherweise er geben sollte", vor sich gegangen. Baldwin bezeichnet« die Flotten der einzelnen Reichöteile, vo« denen der Bestand des Reiches letzten Endes abhängig sei, als die denkbar stärksten Bande, die das Reich znsammenhiclte«. Ans dem Gebiete des LandheereS sei auch viel zur Erleichterung der Zusam menarbeit geschehen. Nicht minder bedeute di« Luft- flotte ein wichtiges Bindeglied »wischen dem Mutterlande und den Dominions, nicht nur unter dem Gesichtspunkte der Verteidigung, sondern auch dem des Verkehrs. Als das dritte nicht unbedeutendste Gebiet, auf dem sich bie ReichS- konfercnz betätigen könne, bezeichnet« Baldwin die Han dels- und die Auswanderung-fr aae. Nach Baldwin sprachen die anwesenden Premierminister von Kanada, Australien, Neuseeland. Südafrika. Neufundland, der Präsident dcS BollzugsrateS des irischen Freistaates, der Maharadscha von Burdwan und ber Staatssekretär für koloniale Angelegenheiten. Dem Finanzsekretär ber Admira lität, Davidson, wurde die Ueberwachuna de» Berhand- lungsberichtcS übertragen. Ein aemetnsameS Sekretariat, das Vertreter Großbritanniens, der Dominions und Indiens umfaßt, wurde ernannt. Eine wichtige Aeichsgertchtsentjchei-ting. Die Frage deS ZinSbeginncS bei Rückwirkunashypothcke». Bon AmtSgerichtSrat a. D. Tommer. Godesberg. DaS Reichsgericht hat soeben eine Entscheidung getroffen, die von außerordentlich wirtschaftlicher Bedeutung ist und die aufS neue beweist, daß die Rechtsprechung bemüht ist. da» AuswertnngSgesetz zugunsten der vom Gesetzgeber stark benach teiligten Gläubiger ausdehnend ansznlcgcn. RüclwirliiiigS» Hypotheken, die wieder im Grundbuch eingetragen werden, tragen nach der Bestimmung des 8 2k. Abi. 2. deS AniwertungS- gejetzeS Zinsen erst wieder mit dem Beginn des aus die Wieder, eintragung folgenden Kalendervierteliahreö Infolge deS Widerspruches des Schuldners tn Verbindung mit der Tatsache, daß die Gerichte mit WiedereintraannaSanträne» über- schwemmt und außerstande sind, diese rechtzeitig zu erledigen, verloren aus diese Weile viele Hnpothekenglänbtger. namentlich vöSwilligcn Schuldnern gegenüber hie Hypothckcnzinicn Nun wird aber neben der Hypothek auch bie persönliche For derung aufgewertet. und der Streit drehte sich nun darum, ob auch die persönliche Forderung erst von demselben Zeit- punkte ab Zinsen trage wie die Hypothek oder ob sie bereits entsprechend der Vorschrift deS 8 28. Abi 1. des Gesetzes vom 1 Januar 1925 ab verzinst werden müsse. Die oberlandeS- gerichtltche Rechtsprechung war aeteilt Neberwiegend vertraten die Oberlandesgerichte die Auslastung, daß die persönliche For derung bereits vom 1. Januar 1925 ab zu verzinken sei. und be gründeten dies damit, daß die Bestimmung des 8 28. Abs. 2. nur von der Hypothek spreche und als Ausnahmebestimmung streng auszulegen sei. So entschied das ObcrlandeSgericht Karlsruhe in zwei Urteilen vom 4. Mai und vom 15 Juni 1920 Ebenso urteilte das Oberlandesgericht Stettin, und endlich kam auch daS Kammergericht in einem Beschluß vom 14. August >926 zu dieser Auffassung. Mittlerweile hatte aber das Oberste bayrische Landesgericht in einer Entscheidung vom 11. Juni 1926 sich für die entqeaenaesetzie Auffassung ansaesvrache». Nunmehr mußte die Sache dem NeichSnericht zur Entscheidung vorgeleat werden. Dieses hat jetzt zugunsten des Gläubigers entschieden. Die persönliche Forderung einer Rückwirkungs- Hypothek mnß vom 1. Januar 1925 ab verzinst werben, gleichviel, wann die zugrunde liegende Hnvvthek wieder ein getragen wird. Die Begründung der Entscheidung liegt noch nicht vor, wird aber in der nächsten Nummer der Answertungs- kartothek sBerlin. Späth ä- Lindei veröffentlicht werden. Die Entscheidung des ReichSaeeichts ist non außerordent lich wirtschaftlicher Bedeutung. Der 1. Januar 1925 liegt >>, Fahr hinter uns, und die Zinsen für diese ganze Zeit — 1.2 Prozent für daS erste. 2.5 Prozent für das zweite Halbjahr >925 und 3 Prozent ab 1. Januar 1926 — sind also von den Schuldnern, die sich bisher geweigert haben, zu zahlen, auf einmal ansznbringen. Werden sie nicht gezahlt, so ist meist in den Schnldnrlnnden vereinbart, daß das ganze Kapital fällig wird. Da viele Schuldner die Zinsen nicht werden zahlen können, müssen sie wohl oder übel nun mit den Gläubigern in Unterhandlung um Stundung treten. Jusklzreform -er Sowjet-Union. MoSka«, 19. Okt. Die Moskauer Regierung hat eine für die gesamte Sowset-Nnion geltende einheitliche Ge richtsverfassung angeordnet, die drei Instanzen vor sieht: 1. Das Bolksgcricht: 2. das Gouvernements- oder Provtnzialgericht und 3. den Obersten Gerichtshof der Sowset- Nnion. Neben diesem einheitlichen System sinh für besondere Fälle verschiedene Sondergert chte vorgesehen, so KriegStribunale für militärische Strafsachen und Agrar- Tribnnale für landwirtschaftliche Angelegenheiten. Der Staatsanwaltschaft untersteht die Verfolgung aller GesetzeS- verletzungcn und die Aussicht Uber sämtliche Kriminal- und Vollstrecknngsorganc. DaS Kollegium der Anwälte wird durch die Provinzialgerichte kontrolliert. Zum Volks richter kann sebcr im Besitz der politischen Rechte und über eine zweijährige praktische Erfahruna tn der Verwaltung oder ber Partei verfügende Bürger gewählt werden. Mitglied des Anwaltskollegiums kann derjenige Büracr werden, der mindestens zwei Jahre in der Justizverwaltung einen höheren Büsten bekleidet oder eine besondere Prüfung ubge- legt hat. Anwälte dürfen im allgemeinen keine Posten in staatlichen Behörden und Betrieben bekleiden, doch sind ge wisse Ausnahmen zuaclassen. Unbemittelten wird die Honorarzahlung für ihre Verteidigung erlassen. zvu «Ing r. 2. -zdxebe- In unseren müncisisietisi-en 8°/° Sold - Hypotheken - kkanrlbrleken gllnstli?« Nnp»»Ian>s«« 8Svii8isvIis 8olienokklIi1sn8lsI1 0resii,n-ä. l. Uing-trske SV Das ver-ammle leise Sprechen. Sin« Klag« von Herbert Eulenberg. Man wehre den Borwurf nicht von vornherein damit ab. daß wir älteren Semester nicht mehr bie scharfen Ohren der Jugend hätten. Zwischen fünfzig und siebzig hört man noch recht gut im allgemeinen. Besonders alte Theaterhasen, die seit ihrer Kindheit keine höhere Wonne kennen als vor einer Menschenbühne zu sitzen, verstehen höchst leicht, waS sich da oben tut oder redet Aber es ist ln den letzten Jahren eine derartige Maulfaulheit aui unseren Theatern eingerissen, daß man endlich einmal öffentlich dagegen Widerspruch er heben muß. Die Verluderung und Berschludernng unserer Theater sprache dieses Kleinods, dem Goethe von 1791 bis 1817, also volle 26 Jahre keines Lebens gewidmet hat. ist seit den Tagen des Naturalismus cingerissen und hat nach einem kurzen Stillstand neuerdings wieder erschreckliche Fortschritte gemacht. In den rein naturalistischen Stücken wollte eine leise oder un deutliche Aussprache auf der Bühne weniger bedeuten. ES kam sä zwischen den Nänsper- und Husten- und Stotter- gcräuschen einer mir leben-getreuen Kunst oder einer Arme- lcutdichtnng weniger aus den Wortlaut an. der ja auch von den Dichtern möglichst lebenswahr, daS hieß lasch, behandelt wurde. Doch dieses gedämpfte, halblaute Sprechen auf der Bühne, daS nach Otto Brahms Anweisung nicht di« Klang, stärke der Zimmeriinterhalliing des SalongesprächS übcrtönen sollte, begann sich fürchterlich ausznwirken. als man wieder ans klassische Stücke zurückgriff und als neue Bühnenwcrke entstanden, die wieder genau tn ihrem Text gehört und be- griffen werden wollten. Die Unlcldlichkcit deS Ntchtmehrvcr- stchenS im Theater steigerte sich noch durch einen rein äußer- lichen Umstand. Eine dumme Mode hatte nämlich inzwischen den Plafond ans der Bühne abgcschafst. so daß man nnnmchr auch die intimsten ZInimcrstücke zwischen hohen Sänken, un mittelbar unter dem jeden Ton gern verschlingenden Bühnen dach spielen mußte. Damit verhallten die Stimmen der Schau- spicler mit Vorliebe hoch oben tn den Schnürboden, wo kein Mensch mehr auf sie hört. Aber das Allerblödsinnigste wird ja anf dem Theater nur zu ost Ereignis. Die expressionisti schen Poeien machten bewußt oder unbewußt aus diesem Fehler eine Tugend, indem sic Ihre Stücke meist monodrama- tisch oder monologisch ansbanten und ihre Helden oder Hel- Linnen ihre Kühnheiten oder Wahrheiten laut einzeln und an- einander vorbei ins Publikum schreien ließen. Bitter aber rächt sich die jahrelange Vernachlässigung der Sprache und Sprachbildnng unserer Schauspieler bet den Stücken, dt« wieder auf Konversation stehen und bet denen daS Wort einzeln wie im Wechselgespräch wieder alle» zu bedeuten hat Di« „Nuschelei", di« sich einig« unserer Darsteller und Dar- stellerinnen heute angewöhnt haben, fängt an, unerträglich zu werden. Die Entschuldigung, stimmungsvoll mit einer leisen Sprache wirken zu wollen, zieht nicht, wenn man damit für den größten Teil de» Publikums, der hinter den ersten zwei Nethen sitzt, unverständlich bleibt. Besonder» der weibliche Nachwuchs unserer Schauspielerinnen vernachlässigt jetzt die Sprachkunst, die von der Neirberin bis zu Clara Ziegler als da» Wichtigste der ganzen Schauspielerei bei uns erlernt und behandelt wurde, in einer geradezu sträflichen Weis«. In früheren, natürlichen Zeiten half sich da» unverbildete Publikum einfach selber, indem eS so lang« „lauter" rief, bi» der undeutliche Mime, dt« zaghaft« Mimin sich mehr an- strengten und verständlich wurden. Heutzutage ist dt« Z«. Hörerschaft zu ängstlich oder zu teilnahmslos geword««. um aus ihr erste» Vorrecht im Theater zu pochen, daß man den. der auf der Bühne steht, auch bis auf die Galerie und deren höchste Plätze hören kann. Unsere sogenannten Prominenten unter den Darstellern geben gegenwärtig, -«trunken gemacht durch allzu übertrieben« Lobsprüch«. leider häufig genug ein schlechtes Beispiel, indem sie sich, ihre» Eindruck» und ihrer starken Persönlichkeit voll bewußt, tn der Aussprache gehen lassen und dann unverständlich und leis« bleiben. Und diese» bös« Beispiel wird von den niederen Göttern nur zu gern träge und gleichgültig nachgeäsft. Max Reinhardt hatte in seinen klassischen Jahren, als er noch der deutschen Kunst dient«, in Alexander Strakosch einen ausgezeichneten Sprachmeister und Merker gewonnen, der im Deutschen Theater nur auf di« klare und deutliche Behandlung de» Textes bet den Schauspielern achten mußt«. TS klingt mtr noch tn den Ohren, wie Strakosch in einer Hauptprobe die hochbegabt« Camilla Elbenschütz, al» si« allzu innig und Nim- mungsvoll und unverständlich wurde, brüSk unterbrach: „Ich hö—r—re ntchtS! Ich hö—r—re ntchtSI" Ein solcher Merker täte un» in dieser Zeit, da last alle» auf der Bühne nur noch unter der Sordine gedämpft gesprochen wird, mehr not al te zuvor in deutschen Schauspielhäusern. Wenn ich jemals Intendant werden müßte, so würde ich. abgesehen davon, daß ich selber jeden Abend in mein Theater gehen würde, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit für einen Btthnenlestrr sein sollte, nur solch einen Merker täglich oben auf den schlechtesten Platz setzen nn- mir nachher regelmäßig Rapport von Ihm über das. was er gehört und nicht gehört hatte, ab statten lassen. Ein Rapport, der mindesten» ebenso wichtig wie ber allabendliche Kassenrapport aufzunehmen wäre. Denn ich bin nun einmal der altmodischen Ansicht, daß tn einem Schauspielhaus auch der Wortlaut der Stücke, die da auf geführt werden, größtenteils von den Leuten verstanden werden mutz. Sonst wirkt daS Theater nicht belehrend, wie Lessing es wollte, noch veredelnd, wie Schiller cs sich träumte, sondern lediglich verblödend wie mit Vorliebe heutzutage. Kunst un- Wistenjchast. s Dresdner Theaterspickplau fsir heute. Opernhaus: „Tie Zauberflöte" (71: Schauspielhaus: „Das Grabmal deS unbekannten Soldaten" <k8i: Albert-Theater: „DaS Käthchen von Heilbronn" iis8»: Residenz-Theater: „Die lustige Witwe" <^8>: Die Komödie: „Der Garten Eden" (X8i: Central-Theatcr: „In der JohanntS- nacht" (X8s. i veranstalt»»-««. Heute Xü Uhr. kleiner Kausmamischases« saal, kUerarischer Verein: Dresdner Tlchierabend: Uhr: Ver» einShauS. Konzert ber Or^sterschule: GcwcrbchaiiS. 2. Sinsonie- konzert der Volksbühne: valmengarien. Gclangslchule Schlegel- Dietrich; kleiner Kaulmannlchalislaal. GclclNchasi kür Literatur und Kunst: Vortrag Neumann: Neue Kunst FidcS. Vortrag Midro Pine«. s Der Große StaatSprris der Akademie der bildende« Künste z» Dresden auf 1926 wird für Figuren- und Tier maler ausgeschrieben. Als Bewerber werden Maler zu gelassen. welche die sächsische StaatSangehöriakcit besitzen, die Akademie mindestens zwei Jahre lang besucht und sie nicht vor Ostern 1922 verlassen haben. Dir BewerbiinaSbedingun- gen, welche die AnmcldnngS- und Ablieferungsfristen usw. enthalten, können vom Akadcmicsekrctariat unentgeltlich be zogen oder daselbst während ber Gcschästsstunden eingesehen werben. f Kleist-PreiS 1926. Der Beauftragte der Kleist-Stiftung» Dr. Bernhard Diebold, verteilt den diesjährigen Preis von 1600 Mark tn zwei Teilen zu 1000 Mark und zu 500 Mark an die Autoren Alexander Lernet-Holenta für seine dramatischen Arbeiten „Ocsterrcichikche Komödie". „Olla- votrtda" und „DemctrinS": Alfred Ncnmann kür den Roman „Der Teusel". Eine ehrende Erwähnung fällt anf Martin Kessel für seine Großstadtnovcllen und eine Gedicht- sammlung „Gebändigte Kurven". s* Die „Meistersinger" verfilmt. Die PhocbnS-Film-A.-G. wird einen Film Herstellen, dessen Manuskript von Dr. Lud wig Berger stammt und der den Titel „Die Meister von Nürnberg trägt. Der Stoff des Films ist Richard Wagners Werk entnommen. s Bruckner-Dokumente a«S dem Wiener NniversitätS- archiv. In Wien wurde eine Anzahl interessanter Bruckner. Dokumente aus dem Univcrsitätsarchiv durch Professor Dr.