Volltext Seite (XML)
zu eig'ner Ehre, »um Segen für die lernende Jugend und zur Zierde für unsere liebe Vaterstadt Dresden möge die neue Schule fortan wachsen, blühen und gedeihen. — Mit dein gemeinsamen Fhoralgesang: «Ach bleib' mit deiner Gnade" wurde die Elnwcchungsfeier beendet. — Bel der unter Oberleitung Ihrer Majestät der Königin- Witwe stehenden Gesamtanstalt der oberer zaebirgis che n und vogtländiswen Jrouenvereine ist in dem am 30. Juni 1903 abgelauscnen Geschäftsjahre die Zahl der selb- ständigen Jrouenvereine auf 200 mit einer Mitgliedcrzahl von 25275 angcwachsen, und zwar in einem Arbeitsgebiete, dessen Bevölkerung nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1900 sich auf 660781 Köpfe beziffert. Ten Jrauenvereinen wurde aus dem beim Zentralausschuß verwalteten Zentralfonds eine ordent liche Jahresbeihilfe von 15200 Mk. gewährt, während außer ordentliche Beihilfen infolge der besseren Erwerbsverhältnisse und des günstigen Gesundheitszustandes im abgelauscnen Vercins- jahre nicht erforderlich erschienen. Dagegen wurde ein dem Zentralausschuß von einer edlen Wohltäterin abermals kür arme »ranke überwiesener Betrag von 300 Mk. im Sinne der Geben» verwendet. Ihre Majestät die Königin-Witwe überwies auch diesmal aus ihren Privatmitteln nicht nur den bisher üblichen Jahresbeitrag von 1000 Mk., sondern wieder»», erhebliche weitere Barunterstützuuaen, sowohl aus eigener Entschließung, wie auch aus die abermals in namhafter Zahl eiiigcgaiigene» Inimediat- gesucht. Ebenso wurden den Vereinen weitere Zuwendungen a» Bekleidungsstücken, wie auch Naturalien »nd anderem mehr bc- willigt. Das Aufbringen der Francnvcrciiie selbst im Gcfchäfls- jabre 1901/02 — aus Beiträgen, Kapilalzliwcndungcn hochherziger Gönner und Kapitalzinscn bestehend — belief sich auf 120115,70 Mark, während für Unterstützungen die Summe von 121014,77 Mark verausgabt wurde, und zwar mit 62 682,30 Mk — 50,53 Prozent als Nahrungsmittel. 32245,70 Mk. — 26 Prozent in Horm von Bekleidungsstücken, 10 061,55 Mk. — 8,11 Prozent als Beihilfe zu Mietzins, Heizung usw., 12 255,63 Mk — 9,88 Prozent zu Unterstützungen in barem Gelde, 5023,05 Mk. — 4,05 Prozent zur Krankenpflege und 1776,54 Mk, — 1,43 Prozent sür Erziehung und Ausbildung. Die Unterstützten waren: 1075 Ehe paare mit 4946 Kindern, 174 alleinstehende Männer mit 261 Kindern, 2113 alleinstehende Frauen mit 3571 Kindern, 654 einzelstchende Männer, 3194 einzelstehcnde Frauen und 591 einzel- stehende Kinder, insgesamt 19454 Personen. Der Zcnlralansschusz knüpft an seine Mitteilungen erneut die Bitte an, die entstandenen Lücken durch Zuführung neuer Mitglieder wieder auszu- gleichen, um aus diese Weise ihm die Mittel zur Erfüllung seiner von Jahr zu Jahr mehr wachsenden Ausgaben zu erhalte». - Herr Hofprcdiger Dr. Friedrich hält morgen abend 6 Uhr Unterredung mit den Konfirmierten in der König!, evan gelischen Hofkirchc. — In der vorgestern abgchallene» Sitzung des Festausschusses des Ortsverbandcs Dresden der Pcnsionsanstalt deutscher Journalisten und Schriftsteller berichteten die Vor- sitzenden der Einzclausjchüssc über das am 6. Juni im Bergkeller geplante Jrühlingsfest. Es ging aus den Berichten hervor, dag allenthalben mit grotzer Hingabe für das Gelingen des Festes gewirkt worden ist. — In der Sektion Dresden des O e sterre i ch i s che n ! ou rist e n kl u b s wird im Ausstellungspalast am 25. April, abends 8 Uhr, Herr Architekt Kupka aus W en einen Vortrag über den Ncllowstone-Nativnalpark in Nordamerika halten. Dieser Portrag darf ein besonderes Interesse für sich in Anspruch nehmen, da Herr Kupka unter Vorführung von Original-L'chtbildern über die eigenartige Hochgebirgsgcgcnd, in der sich zahlreiche Gcpsers, Schlammvulkane und heiße Quellen finden, sprechen wird. Durch Kongreszbcschlus? im Jahre 1872 wurde dies Wunderland dem «Volke als öffentlicher Park zum Vergnügen und zur Wohltat sür alle Zeiten gewidmet". Herr Klivka, der den Aellowslonc- Nationalpark im vorigen Jahre besuchte, hat den interessanten Vor trag schon iu verschiedenen Sektionen des Oesterreichischcn Touristen-Klubs und des Deutsch-Ocsterreichischcn Alpcn-Vcreins unter großem Beifall gehalten. — Montag, den 4. Mai, beginnt die Ziehung der 5. Klasse der gegenwärtig spielenden 143. Koni gl. Sächs. Landes- lvtterie: sie dauert bis mit 25. Mai. Die Erneuerung der Lose zu dieser Klasse Hot bis zum 25. April zu erfolgen. — Viktoria-Salon. Der Anfang ver morgen, Donners tag. stattfindenden einzigen El t te - V o rst e l l u » g ist um 8 Uhr In das Programm sind zum Gastspiel von Lona Banffon, das in wenigen Tagen zu Ende gebt, lest 16. d.M. »ock, neu eingcreiht worden: der Gesangsbninortst Eh. de Witt, die Vortragsionbreltc Frl. MIzzi Braun »nd die dreisierten Miniatur-Hündchen Marinis welche allabendlich groszen Beifall finden. Das letzte Austreten Lona Bairiions ist Sonntag, den 26. Avril. — Heute abend halb 9 Uhr findet wiederum ein Volks Lese abend des Vereins „Volkswohl" im groszen Saale der 3irma Gebrüder Pfund, Pricßnitzstraße 10, Hinterhaus 1. Etage, statt. Zur Vorlesung kommt der letzte Teil von Wilhelm Raabcs Roman: „Der Hungerpastor". — Scheibenberg, 18. April. Zu der bedauerlichen ge spannten Stellung hiesiger Gcmeindeglicder zu Herrn Pfarrer Otto erfahren wir, daß der unmittelbare Anlasz dazu ' " such amcheinend in einem Falle hen ist. in dem Herr Pfarrer zu ff . , . . . .. Ltto vom Standpunkte christlicher Lehre und in Wahrung be rcchtigter kirchlicher Interessen sich gegen ein Gemcinoeglied zu wenden hatte, das gesellschaftlich in gutem Ansehen steht und einen opferfreudigen Gcmeinsinn betätigt hat. Namentlich infolge dieses letzten Umstandes scheinen die Äemeindcmitglicder Partei gegen Herrn Pfarrer Otto genommen zu haben. Letzterer ist ein Mann von strengen, seelsorgerlichem Pslichtbewutztsein. der das beste Wollen einsetzt für seine Gemeinde und der deshalb auch von den Vorgesetzten Behörden in Schutz genommen wird. Sein ver slorbener Vorgänger unterschied sich von ihm durch liberale Grund sätze. Infolge des Zwistes sind von einigen siebzig Konfirmanden über die Halste noch immer nicht zur kirchlichen Einsegnung und Bestätigung des Taufbundes erschienen. Eine Deputation hat von der Kirchcn-Jnsoektion um die Ausstellung einer Bescheini gung gebeten, das; diese jungen Leute den geordneten Konfir- uiationsunterricht besucht haben, damit auf Grund dieses Zeug nisses die Konfirmation in einer auswärtigen Kirche vollzogen iverden könnte. Da die Angelegenheit aber dem Landeskvnsistoriiim vorliegt, so ist dessen Entscheidung zunächst abzuwarten. Tic Konfirmation durch den hiesigen Geistlichen ist bisher verweigert worden, weil man den Grund zur Aufschiebung der Konfirmation vom Palmsonntage ans den Gründonnerstag nicht in einer Er krankung des hiesigen Pfarrers erblickt, sondern diese Aufschiebung als einen Akt der Strafe betrachtet, trotzdem die Erkrankung ärztlich fcstgcstcllt worden ist. Den grössten Nachteil aus dem gespannten Verhältnis ziehen die jungen Konfirmanden, welche in- tolge der Stellungnahme ihrer Eltern noch immer nicht in den Bund christlicher Gemeinschaft ausgenommen werden konnte». — Wie uns vom 21. April berichtet wird, Hot das Königliche Landes- konsistorium die Beschwerden der Scheibc» bcrgcr Bür - gcrgegcnden Orts Pfarrer als unbegründet zurückgewiesen und mitgeteilt, daß die Einsegnung der noch nicht konfirmierten 47 jungen Leute durch den hiesigen Pfarrer vorz»nchmcn ist. Sich auswärts konfirmieren zu lassen, ist nur dciifenigen junaeu Leuten nachgelassen, welche bereits von hier weggezogen sind. Das einem der beteiligten Herren am Sonntag zugcgangeue Schreiben des Konsistoriums ist am Abend den übrigen Beteiligten zur Kenntnis gebracht worden. Die Mehrzahl der Väter verharrt auf ihrem Standpunkt, ihre Kinder durch den Ortspfarrer nicht !vikt sich immer mehr zu. Der Ausgang desselben ist noch gar nicht abzusehcn. — Oberlandcsgcricht. Der Zusammenbruch der Leipziger Bank beschäftigt noch fortgesetzt die Gerichte. Vor dem 2. Zivilsenat des Oberlandcsgerichls wurde in dem Prozeß der offenen Handelsgesellschaft, in Firma von der Heydt n. Co. in Berlin gegen die Konkursverwaltung der Leipziger Bank der- handelt. Die klägerische Finna, ein Bankgeschäft, das schon seit 1895 mit der Leipziger Bank in Verbindung stand, knüpfte im Herbste 1899 auch mit der Aktiengesellschaft für Trebertrocknung in Kassel Verbindung an, indem sie deren im Februar 1898 emittierten jungen Aktien an der Berliner Börse einzufübrcn be absichtigte. Am 15. Januar 1901 schrieb nun die Klägerin unter dem Vermerk „Vertraulich" an die Leipziger Bank einen Brief, in dem eS u. a. beißt: „Wir stehen jetzt vor der Frage, ob man der Gesellschaft sTrebertrocknungs in oller Ruhe einen größeren ungedeckten Kredit — sagen wir 2- bis 300000 Mk. — gewähren darf. Von den letzten Bilanzen der Gesellschaft haben wir ja »um Zwecke der Einführung eingehend Kenntnis genommen. Wir möchten aber doch, da die Prosperität der Gefelljchaft von vielen Momenten abhängig ist, d.e uns nicht zugänglich sind, insbe sondere vom Gange der Tochtergesellschaften, Sie um Ihre An sicht, die obige Frage betreffend, bitten, da wir annehmeii, daß Ihnen doch bei Ihren langjährigen und intimen Beziehungen zur Gesellschaft ein besseres Urteil beiwohnt, als wir uns solches bilden können. Das vom 16. Januar datierte Antwortschreiben der Leipziger Bank gibt nach einer unwesentlichen Einleitung folgende Auskunft: „Im übrigen können wir Ihnen nur Mitteilen, daß :tzt keine B« , al maligen Direktoren Exner'und Genpich. 'Am 26. Juni 1901 wurde über das Vermögen der Leipziger Bank der Konkurs er öffnet, welchem Schicksale einige Tage später auch die Aktien gesellschaft sür Trebertrocknung in Kassel anheimsiel. Neben anderen Forderungen meldete d e Klägerin nun zur Konkursmasse der Leipziger Bank an 982905,44 Ml. als Schädensorderung wegen wissentlich falscher Auskunftscrteilung auf Ersatz des Ausfalles, den sie im Konkurse der Aktiengesellschaft sür Trcbcrtrvckiiuirg erleiden werde, und den die Klägerin »nicr Abzug von 5 Prozeiu Konlursdivideiidc der Kasseler Gesellschaft aus 95 Prozent der von ihr iu diesem Kvnkurie angcmeidetc» Forderungen von ins gesamt 1034 637,39 Mk. angav. Zur Begründung der Klage wurde ausgesuhrt, daß die Klägerin nir die Aktiengesellschaft sür Trebcrtrockniing von Ansang an besonders günstig gestimmt worden sei durch zwei Briese der Leipziger Bank vom September 1899. Sie habe der Gesellschaft sofort Diskontkredit eröffnet und schon Ende 1899 sür 450000 Mk. Wechsel der Trcbergescilschast aus der Leipziger Bank gelaust gehabt. Ihr Vergrauen zur Kasseler Ge- scllichast sei noch gewachsen, als sie ii» Mai 1900 von dem Direktor Schmidt gehört habe, daß ihm der Verkauf der sämtlichen Aktien der Tochiergesellschasten an eine Jnteressenten-Gruppe gelungen sei. Daraufhin habe man ihr einen zederzeit kündbaren ungedeckte» Kredit bis znui Betrage von 200 000 Mk. angebotcn, den jene auch benutzt habe. Mißtrauisch sei die Klägerin erst dann ge worden, als sic anläßiich der beabsichtigte» Einsnhrnng der jungen Trcbcr-Akticn bei de" Berliner Börze völligen Einblick in die Ge schäftsbücher der Kasseler Gesellschaft verlangt habe, was ober vom Direklvr Schmidt aögelehnt wurde Ta überdies das Ansehen der Trebergesellschatt durch die wahrscheinliche Vcr- auicknng mit dem Spiclhagcn-Eoncern gelitten hatte, sei sie in Erwägunge» eingcireten, ob sic nicht der Ge sellschaft den gesausten Bar- und Diskont-Kredit auf- knndigen solle, habe aber zunächst beschlösse», über die Trcbcrgesellschast drei Auskünfte einzuziehen. In der Antwort der Leipziger Bank vom 16. Januar 1001 will die Klägerin positiveöMaicrial gefunden haben, das die beiden anderen Auskünfte, die wcjenllich Gcsiihlsmoinenle vorgebracht hätten, überwogen und sür sie durchgeschlagen habe, sodaß die Ge schäftsverbindung fortgesetzt worden sei. Die Klägerin behauptet nun, diese Auskunft der Leipziger Bank sei von deren dniualigcn Direktoren Exncr und Dr. Gcntzsch arglistig wider besseres Wissen der Wahrheit zuwider erteilt worden, denn die Bilanzen der Ge sellschaft für Treberlrockuuiig, insbesondere der Bilanz per 31. März 1900, feie», wie den beiden bekannt, gefälscht gewesen. Am 31. März 1900 kabe nämlich die Trebergcscllschast der Lcip- ziger Bank 60 Millionen geschuldet, was in der Bilanz ver schwiegen und durch eine kurz vor dem 31. März 1900 zwischen dem Direktor Schmidt und Exner vorgcnommenc Operation ver schleiert worden sei. Dementgegen bestreitet namens der Be klagten der Konkursverwalter der Leipziger Bank, Rechtsanwalt Freytag-Lcipzig, daß die Klägerin durch das Schreiben der Leip- ziger Bank besonders günstig der Trcbcrgesellschast gegenüber ge stimmt worden sei. In Abrede werden gestellt alle Behauptungen der Klägerin über die angeblichen im Einverständnisse der Tirck- torc» Exncr, Dr. Gentzsch und Schmidt zum Zwecke der Ver- schlciernng der Vermögenslage der beiden Gesellschaften vorgenom- menen Handlungen und Erklärungen, insonderheit, daß, wenn die Bilanzen der Aktiengesellschaft für Trebertrocknnng etwa gefälscht sein sollten, Exncr und Gentzsch davon Kenntnis gehabt hätten. Dem Anträge der Beklagte» gemäß hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig auf Abweisung der Klage erkannt und zur Begründung ausgesuhrt, daß, wenn >n der Tat — das Gericht sieht es aber sür nicht erwiesen an - die Klägerin durch den Brief der Leipziger Bank vom 16. Januar 1901 zur weiteren Kredit aewährnng bestimmt worden sei, sie dennoch sehr unvorsichtig ge handelt und sich durch eigenes mitwirkendcs Verschulden den Schaden zugezogcn habe. In dem Antwortschreiben der Leipziger Bank beantworte letztere mit keinem Worte die Frage nach dem Gange der Tochtergesellschaften und enthalte sich auch jeder Be merkung über die Prosperität der Unternehmung. Nur die durch aus wahre Mitteilung macht dir Leipziger Bank, daß sie der Ge sellschaft für Trebertrocknung noch weit höhere Beträge als 300000 Mark gewähre. Abgesehen von dem allen wäre der Klägerin der Anspruch auf Schadenersatz schon nach tz 254 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu versagen. Gegen dieses Urteil hat die klägerische Firma Bcrustiug cinlcgcn lassen, indem sie nach wie vor ihren Standpunkt für den richtigen hält. In der fast zwei stündigen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht berichteten die beiden Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwälte Dr. Rudolph und Hänichen über die Art und den Umfang der Geschäftsverbindungen zwischen beiden Parteien »nd über den gegenwärtigen Stnnd des Prozcff'es. Rcchtscinwalt Dr. Rudolph stellt noch den Evcntual- nntrag, als Zeugen die früheren Direktoren der Leipziger Bcink, Exncr »nd Dr. Gentzsch, sür deren guten Glauben und ihre Ab sicht, die Haftung für die von ihnen vertretene Akticngesellschnft anszuschließen, sowie den Justizrat Broda über seine Behaup tungen betreffs der Ergebnisse der Hanptvcrhandlnng zn vernehmen. Darauf wird die Verhandlung aus Anfang Juni vertagt. Die neue Reichsanleihe ist 47 mal gezeichnet worden. Statt der verlangten 290 Millionen Mark wurden 13765400000 Mk. angeboten. Das ist zwar an scheinend ein nicht ganz so großer Erfolg wie der im vorigen Jahre, wo die 115 Millioncn-Antcihe des Reiches 61 mal gezeichnet wurde, tatsächlich kann aber die Genugtuung über das Ergebnis der neuesten Zeichnung nur größer sein, als die über das Ergeb nis vom Jahre 1902: denn wie von verschiedenen Seiten hervor gehoben wird, ist diesmal die Zahl der ernsten Zeichner und die Höhe des von ihnen gezeichneten Betrages besonders groß. Die Ztzrcisc, welche Hohe Summen nur zeichnen in der Voraus sicht, daß sie doch nur einen weit geringeren Betrag zugetcilt er halten, und die nur darauf ansgehen, >,us dem Steigen der Käufe einen Gewinn zu ziehen, haben selbstverständlich auch jetzt nicht gefehlt, aber sic sind gegenüber den Zeichnern, welche die Rcichs- anleihc wirklich als Kapitalsaiilagc benutzen wollen, nicht so stark wie früher vertreten. Allein bei der Rcichsbank sind nicht weniger als 40 Millionen Mark gezeichnet worden mit der Verpflichtung, daß die Stücke sofort in das Lstcicstsschuldlmeh eingetragen iverden. Auch bei den Privatbanken und Bankiers sollen die meist Zahlungen von Anlage suchenden Kapitalisten herrührcn. Wenn bei dem Vergleich mit dem Ergebnis der vorjährigen Anleihe auch darauf hinacwiesen wird, daß die wirtschaftliche Lage sich inzwischen etwas gebessert habe, das Kapital sich also wieder mehr den industriellen Unternehmungen usw. zuzuwendcu beginne und >n der dreiprozeistigcn Anleihe keinen hinreichenden Anlaß zur Spekulation gefunden habe, so könnte dies allerdings mit der Tatsache, daß sich das Kapitalanlagebedürfnis gerade bei dieser Reichsanleihe in ungewohntem Maße geltend gemacht hat, in Widerspruch zu stehen scheinen. Es braucht aber kein Widerspruch zu sein, schreibt die „Köln. Volksztg.", da ja die Kapitalanlage suchenden Zeichner dem breiten Publikum angchörui werden, während die Großbanken sich an der Zeichnung weniger als früher beteiligt haben, da sie sich jetzt mehr den Jndustricakticn usw. zuwcnoen. Sodann wird hervorgchoben, daß mit Ausnahme von Frank reich sich diesmal das Ausland fast gar nicht beteiligt, insbesondere England und Nordamerika ganz gefehlt haben. Im Jahre I960 hatte das Reich noch eine vierprozentige Anleihe von 80 Mil lionen in Amerika ausgenommen. Allerdings geschah dies nicht, weil es bei uns überhaupt kein Geld gab, sondern weil der industrielle Aufschwung so viel in Anspruch nahm und man dem einheimischen Erwerbsleben durch die Anleihe keine Schwierig keiten bereiten wollte. Wenn jetzt infolge des wirtschaftlichen Rückgangs wieder viel Geld flüssig geworben ist, so wird man dies nicht unbedingt als etwas Erfreuliches bezeichnen können. Allein man wird es doch auch wieder mit Genugtuung begrüßen müssen, daß die deutschen Anleihen hauptsächlich im Jnlande unter- gebracht werden und daß die kleinen und großen Kapitalisten, wie man das in Frankreich und England längst gewohnt ist, ihr Geld in soliden eigenen Staatspavieren anlegen. Die Berliner Großbanken sollen von der starken Ueberzeich- nung ganz überrascht gewesen sein und nur eine fünfzehn- bis zwanzigsache erwartet haben. Bei früheren Anleihen, namentlich in der erstell Zeit der drciprozentiaen. wurde berichtet, sie hätten selbst am Schluß noch sür sich große Zahlen aus die ZeichnungS- liste geschrieben, damit das Ergebnis nicht gar so bescheiden miS- sehe, sondern mit einer anständigen Ueberzeichnung vor der Ocfseiitlichkeit renommiert werden könne. Das haben sie diesmal nicht notwendig gehabt. Diesmal wird die Sorge der ernsten Zeichner größer sein, ob sie auch wohl so viel zugcwiesen erhalten, wie sie wünschten. Den Zeichnungsstcllen sollen durchgängig mir zwei Prozent der bei ihnen gezeichneten Summen zur Verfügung gestellt und ihnen die Unterverteilung überlassen bleiben. Es solle» aber die reellen kleinen Zeichnungen, sowie solche, die zweifellos zu festen Kapitalanlagen, insbesondere zur Eintragung ui dos Reichsschuldbuch bestimmt sind, besonders berücksichtig! werde». Die neue Anleihe ist gleich der vorjährigen zum Kurse von 92 aufgelegt worden. Das Reich macht jetzt ein erheblich besse res Geschäft als i» der ersten Zeit de'' dreiprozentigen Anleihen. Die erste vom Jahre 1890 erfolgte allerdings noch zum Kurie von 87, die folgende aber nur mehr zu 84,40, und im Jahre 1892 mußte das Rcichsschatzamt gar 100 Akk. schreiben, während es nur 83,60 Akk. erhielt. Die Kurse der dreiprozentigen Reichs- anleihcn sind nun in fünf Jahren über 92 hinausgelangt; 100 haben sie nie erreicht: das höchste Mar 99,60 Ende des Jahres 1895. Wenn die ReichSanleihen im Vergleich zn den Staars- anleihe» Frankreichs und Englands niedrig stehen, so liegt das vorzugsweise darin, daß das kleine und mittlere Privatkapital dieie Anleihen nicht so sucht Me in den genannte» Ländern, nicht aber daran, das; sie nicht die gleiche Sicherheit böten. Allerdings eine hübsche Schuldenlast hat das Reich ja in dem einen Mcnschcn- alter, seitdem eS besteht, schon zujammenaebracht. Jin Jahre 1875 war es noch schuldenfrei: beim Tode Kaiser Wilhelms I. hatte es 721 Millionen Schulden: seist sind es schon reichlich drei Milliarden. Aber dadurch braucht sich der kleine Kapitalist nicht schrecken zn lassen. Taqcsgeschichte. Deutsches Reich. Nach der letzten Aendciiing ihres Reise- planes treffen der deutsche Kronprinz und Prinz Eitel Fucduch erst am 2. Mai mit dem Kaffer in Rom ein. Die Zwiicheiizcit wird wahrscheinlich sür de» Bestich von Neapel und Flvicnz vorbehattrii weiden. Während der Anwesenheit des Kaisers weiden die Prinzen vermutlich im Quirinnl wohnen: es ist noch ungewiß, ob sie mit ihrem Vater Nom verlassen. Zn dem Gesetz über die Staatsangehörigkeit schreibt die .Nntionallib. Karresp.": Einem Ausländer, dem in einem drutichcn Steilste die Nattiicstisatio» vcrjcigt wird, ist cs nicht ver wehrt. den Veilnch der Reibe »ach bei allen übrigen Staaten zn wiederholen. Ans diese Weise können unter Umständen die giößecen Einzelstacsten in die Lage komnien, sich durch Bückcburg oder Rens; einen StnalSbürger auldrangen zu lassen, de» ihre Bchöldc» zuuickgewicscn hatten. Eine Aendening dieses bestehen de» Zustandes bei der Nengestcillung des Gesetzes über die Staats angehörigkeit dürfte sich als unumgänglich notwendig erweise». Was das Recht der Answcffung bcliiist, so wird dieses nach wie vor vo» den Einzelstaaten als ihr Reservat in Anspruch genommen. Tie Berliner R ei chs ta gs k a nd id a t en sind nunmehr alle ausgestellt worden. In Frage kommen folgende Parteien: Ans der einen Seite die vereinigten Koniervativc». Freikonser vativen, Christlich-Sozialen und Antisemiten, auf der anderen Seile die Sozialdemokraten, in einige» Kreisen als dritte Gruppe die freisinnige Volkspartci. Tie Katholiken und Polen beschränken sich aus Zäblkandidnttircn, die Nationalliberalen werden entweder lür die vereimaie Rechte stimme» oder sich der Stimme enthalten, eine direkte Wahlparole ist noch nicht ausgegeben worden. Der AnSgang der Wahle» sür Berlin dürste schon jetzt übecsehen werden könne». Ta die Sozialdemokraten alle Mann an die Wahlurnen riffen werden, so dürsten die jetzt von ihnen inncgehabtcn vier Kceiie ihnen wahrscheinlich verbleibe». Ein heißer Kampf dürste sich im 2. und 5. Kreise entfalten. Im 2. Kreiic (vor dem Pots damer Tor) würden die Genossen ins Gedränge geraten, wenn alle Wähler der vereinigten Rechte» ihre Stimmen abgebcn: hier wie auch im 5. Kreise wollen die Sozialdemokraten alle Kräfte an- weiiden. um den Wahlkreis, der ftühcr ihnen gehörte und bei den letzten Wahlen an die Freisinnigen verloren ging, wieder zu civbcrn. Auf jeden Fall wird die vereinigte Rechte bei einer Stichwahl die freisinnigen Kandidaten »ntelstützcn. Der 1. Wahl kreis lüttste den Ficisinnigcn sicher sei», wenn auch vielleicht hier erst eine Stichwahl die endgültige Entscheidung durch die Unter stützung der Rechten bringt. welches den Ultra montanen abaeschloss ... der konscrvariven, rast ausschließlich protestantffchen Wählerschaft, eine gewaltige Erbitterung hervorgerufen. Insbesondere wendet sich fast instinktiv die Erbitterung gegen den Grasen Limburg. Stirnm, cils den verantwortlichen Unternehmer dieser Wahl- taktik. Seine zcntrninsfrcundlichen Acnßerunaen auf dem letzten Dclcgicrtentag der konicrvativcii Partei in Berlin, die eine un glaubliche Unkenntnis des Ultramoiitcmismlis zur Schau tragen, haben manchem früheren Anhänger des Grasen die Augen gcöffnci, und man beginnt allmählich zu begreifen, daß cs ein grober Unfug ist, wenn man an der Spitze einer Parleff die fast aus schließlich ans evangelischen Herren besteht und säst ausschlicß- sich evangelische Wählermasscn hinter sich hat, einen Mann stellt, dessen persönliche ulrramontanc Neigungen bekannt sind, und der außerdem von einer katholffelz-ultramoiitancn Wählcrmchrhcit in seinem Wahlkreise abhängig ist. Schon lange schwankte in Schlesien die weniger gebildete konservative Walilmannschasl. Man blieb nur noch, dem Gesetze der Trägheit folgend, bei der alten Fahne, zumal man sich, soweit man am landwirtjchast- lichcn Erwerbe beteilich oder am Klcinhandwerk interessiert nun', allerhand wirtschaftspolitischc Vorteile von der konservativen Politik versprach. Heute spricht man in Schlesien in Kreisen des kleinen Mannes ganz offen vom Verrat an der evangelischen Sache und zahllose Stimmen werden laut, die mit dem Uebcrgang zur Sozialdemokratie drohen. Das sind die „staaiscrhaltcndc»" Wir kungen der vielgepriesenen Politik des Grasen Limbnrg-Slinun!" Das Wahlkomitec der dciitsch-haiinoverfchen <wcifischeu > Partei, A. v. Reden-Reden, veröffentlicht „an dem Tage, wo unscre heißgelicbtc Königin Marie ihr 85. Lebensjahr fern von der Hcffnar vollendet", einen Wahlaufruf, der für alle 19 Wahlkreise der Pro vinz Hannover besondere Kandidalcii der dcntsch-hminoversche» Partei vorschlägt und die Aufforderung enthält, am 16. Juni diese Männer zn wählen, „welche gewillt sind, scstzuhalten am Recht, nicht abzuwcichcii von der Wahrheit und cinzutrctcn sür die Frei heit gegenüber jeder Vergewaltigung". In einer Versammlung zur Feier des 85. Geburtstages der Königin Marie erklärte naä, der „Deutschen Volksztg." in Braunschwcig der Rcichstagsabg. Freiherr von Hodenberg^ „Unsere Wahlparole, die wir uns durch keinerlei wirtschaftliche Streitfragen verrücke» ließen, sei nach wie vor die Wiederherstellung unserer Selbständigkeit unter unserem angestammten Köniashause auf sricdlicizem, gesetzlichem Wege!" In der Streitfrage H oensbroech-Dasb e> ch über den Nachweis des semitischen Grundsatzes: „Der Zweck heiligt das Mittel" iu jesuitischen Schriften schreibt neuerdings Gras Hoens- brocch: „Der Beweis, daß der Grundsatz: der gute Zweck heiligt das schlechte Mittel, sich m jesuitischen Schriften findet, ist durch den Nachweis erbracht, daß dort der Grundsatz ausgestellt wird: i» gewissen Fällen und unter gewissen Bedingungen sind gewisse, bestimmt bczeichnetc in sich sittlich verwerfliche Handlungen des halb sittlich erlaubt, weil sie i» den betreffenden Fällen als Mittel jenen zur Erreichung eines guten Zweckes. Herrn Dasbachs Bemängelung des von mir vor-geschlagene-ir Schiedsgerichtes kann ich nicht gelten lassen. Herr Dasbach weist zunächst einen Pro fessor südlichen Bekenntnisses zurück, „weil cs sich um eine Frage christlicher Moral handelt . Es handelt sich aber tatsächlich nicht um eine Frage „christlicher", sondern allgemein menschlicher Moral. Jeder anständige und gebildete Nicht-Christ ist imstande, die Verwerflichkeit des berüchtigten Grundsatzes einzusehcn und zu erkennen, ob dieser verwerfliche Grundsatz in bestimmten, gc- rruckt vorliegenden Stellen jesuitischer Schriften zum Ausdruck kommt oder nicht. Daß Herr D. aber auch Professoren evan gelischen Bekenntnisses als Schiedsrichter zuriickweist, ist durch nichts zu rechtfertigen und bnngt ihn obendrein in schärfsten Widerspruch mit sich selbst, da er selbst ja die Frage für eine Dresdner Nachrichten. Stk. 111. Seite 3. M» Mittwoch. S2. April 1«03