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«ms der lLaussee befand, hörte den Verwundeten „Au, au!" schreie«. Dann gesellte sich der Strahenaufsehcr UHIemann hinzu, der den Verlebten anwrach und von ihm erfuhr, daß er um eine Mark bestohlen worden sei und dos» sich der Täter ihm gegenüber „Karl" genannt, auch gesagt habe, bas, er Artillerist — Mörder entkommen ist. Wie weiter gemeldet wird, ist der Mörder Wer EngelSdorf in der Richtung nach Mölkau weitergefahren. — Awtsaericht. Gegen den Auktionator Robert Seidel war vom Stadtrat eine auf 10 Mk. lautende Strafverfügung er lassen worden, weil er der Ministerialverordiimig vom 8. Juni 1903 zuwider dem Veranstalter der Auktion gestattet hatte, einen Kassierer zu stellen, der bet der Versteigerung mttgcbvten hat und dadurch die Preise in die Höhe trieb. Nach den Fcststellniiaen des Gerichts ist Seidel schmdia: die Strafe wird auf 20 Mk. erhöht. — Der 18 Jahre alte Gurtlerlchrling Carl Paul Büttner stahl seinem Vater 100 Mk. und reiste zu seiner Tante »ach Reins berg, wo er sich durch grobe GeldauSgaben verdächtig machte. Die Tante teilte ihre Wahrnehmungen ihren Dresdner Äer- idandten mit, wodurch sich der Diebstahl herausstcllte. DaS Geld hatte sich in einer Kassette befunden, die von dem Angeklagten au- der Kommode genommen und im Keller mit dem Beil er brochen wurde. Darnach liegt schwerer Diebstahl vor. den avzn- urt'rilen da- Schöffengericht unzuständig ist. Da der Vater des Angeklagten den gestellten Strafantrag, der im vorliegende» Falle zur Bestrafung erforderlich ist, weil sogenannter Jnmiliendlebsraht vorliegt, aufrechtrrhält, muh die Sache dem Landgericht über wiesen werden. — Der Kaufmann Hermann Becke auf Weiher Hirsch unterhält auf seinem »litten in der genannte» Villenkolonie belegenen Grundstück einen Sportplatz, auf dem Motorräder und Automobile in Betrieb gesetzt werden. Durch das übermäßige Entzünden der Motore und die Verbreitung übler Dämpfe durch die Automobile fühlten sich die Nachbarn, deren Grundstücke an den Sportplatz grenzen, beschwert und durch das Ausbleiben von Soinmeifttschlern, die früher bei ihnen gewohnt hatten, ihre Grund stücke entwertet. Insbesondere war die Belästigung durch die Fahr zeuge stark ani 20. Mai. Wege» Erregung rnhestorenden Rärins ging dem Besitzer Becke darauf eine Verfügung über 10 Mk. Geld strafe z», gegen die der Beschuldigte Einspruch erhob. Das Ge richt erachtet den Lärm, der durch die allzu häufige Entzündung der. Kraftfahrzeuge hervorgerufen wurde, für eine Ueberschrcitung deS zulässigen MnßeS, da zu berücksichtigen ist, das, Weiher Hirsch eine Villenkolonir sei. in der viele Erholung und Ruhe suchen. Die Strafverfügung wird in der Höhe der auSgeworfcnen Strafe bestätigt. — Wegen Beleidigung der Beamten des städtischen FindelbanseS bat sich der Kaufmann und Bücherrevisor Karl Emil Frenzel ans den von, Oberbürgermeister Geh. Finnnzrat a. D. Beutler gestellten Strafantrag im Ossizialversahren zu verantwor te». An der Verhandlung, die von Herrn Assessor Wendt geleitet wird, nimmt der GerichISarzt Herr Obermcdizinalrat Dr. Donau als medizinischer Sachverständiger teil. Der Angeklagte richtete am 15. März ini Aufträge des Wagenführers Licbig eine Eingabe an den Rat. in der es heißt, die Beamten des Ftndelhauses hätten die ihrer Pflege anvertrauten Kinder ungenügend ernährt und durch Mißhandlungen blöde und zu Tode gemartert. Diele Angaben wiederholte Frenzel in einer Eingabe vom 18. März an daS Stadtverordneten Kollegium. Zur Sache selbst erklärt der Beschuldigte, daß die Ehrleute Liebig zu ihm am 12. März gekommen seien, um eine Beschwerde an den Rat zu richten. Seine Ehefrau ist Hebamme, sie hatte die Frau Liebig entbunden. Der Beschuldigte führt 17 Vormund schaften und eine Pflegschaft, ist dadurch in Vorftadt Trachen berge bekannt. Auf die Schilderungen der Eheleute Licbig begab sich Frenzel in deren Wohnung, um die Kinder selbst in Augenschein zu nehmen. Fra» Liebst chatte am 2. Februar im Friedrichstcibicr Krankenbaus in Behandlung genommen werden müssen,^ ihre vier Kinder fanden im städtischen Findel- Hause Pslcge. Nach ihrer Genesung holte die Frau ihre Kinder miedet ab; Wer den Zustand, wie sie die Kinder wiederbekam, seien die Eheleute Liebig erschrocken gewesen. Die Kinder, die gesund cingeliefert worden waren, deren ihnen krank zurück gegeben worden. Während ihres etwa fünfwöchigen Ausent- hnlts imsisindelbause waren sie an den Spitzblaitern erkrankt. Frenzel selbst war über die Konstitution der Kinder, die er zuvor gesehen hatte, überrascht. Tic ältesten drei wären sehr abgeinagcrt, das. jüngste Kind im Alter von Nh Jahre» sei noch krank gewesen und hätte den Eindruck eines sterbenden gemacht. Am 17. März starb denn auch der I'/.-jährige Sohn Albert Liebig. »In den Eingaben wird bcbanptet, daß die Kinder halten viel Hunger leiden, .Kälte und Mißhandlungen er tragen müssen, und daß sic zu Tode gemartert worden seien. Darauf wird in die Beweisausnahme eingctrelen, zu der 17 Zeugen Maden sind, von denen zunächst die Eheleute Liebig vernommen werden: sie bekunden übereinstimmend, sie hätten im Konzept der Eingabe die Sätze über ungenügende Kost, zu viele Prügel und daß das Kind zu Tode gemartert sei, ge strichen. was von dem Angeklagten bestritten wird. Herr Tr. in cd. Schmidt >oar am 10. März z» den tags zuvor aus dem Findelhauise entlassenen Kindern in die Liebigsche Wohnung qe- rusen worden, wo er das -jüngste Kind krank anlraf. Das innere Leiden konnte nicht sofort scsstcstcllt werden, cs ergab sich aber, daß das Kind an einer septischen diphtheritischen Infektion litt, die auch zu seinem Tode führte. Herr Dr. med. Röih hat die Licbigschcn Künder au» Veranlassung des Wohl fahrtsamtes im 18. März untersucht und hat keine Svuren von Mißhandlungen an ihnen wahrgcnommcn. Herr Dr. Baron. Anstalisavzt am Findelbaust, schildert die Ausnahme der Kinder in der Anstalt, die sämtlich in den ersten 14 Tagen auf ihren Gesundheitszustand beobachtet werden. Das jüngste Kind zeigte sich schläfrig, es ist darauf in ärztliche Behand lung genommen worden. Man nahm an, daß cs an Magcn- nnd Bronchiolkatarrh leide: zwar bcnicrkte man auch einen Ausfluß aus der Nase, der jedoch aus einen Sch-nupsen zurück- gefüihrt wurde. Dann bekam der Kleine die Spitzblattern. -Der Knabe Hans 'mt in der Anstalt 1 Pfund zugcnommen, ein weiteres Kind der Familie Licbig Hai anfangs infolge der ver änderten Kost etwas abgcnommcn, später war wieder eine Ge wichtszunahme zu verzeichnen. Der Frau Licbig ist, als sie ihre Kinder aus dem Findelhause wieder abholte, von der Obevpslegerin mitgeteilt worden, daß ihr jüngstes Kind sich in ärztlicher Behandlung befinde und auch bleiben müsse: dickes Kind war schon krank eingcliesert worden. Die Zeugen, soweit sie mit der Pslcge im Findclbaust betraut sind, stellen das Vorkommen von Mißhandlungen im Fiiidclbanst in Abrede. Auch die übrigen Zeugen können keine Tatsachen über Miß- ftände in dieser Anstalt ansühren. Der Wahrheitsbctveis. den der Angeklagte zu führen versucht halte, geliuat ihm nicht. Zu stiner Verteidigung macht er geltend, in Wahrnehmung be rechtigter Interessen gehandelt zu haben: er batte nur eine Untersuchung der Angelegenheit beabsichtigt, zu beleidigen habe ihm völlig fern gelegen. Ueher das zulässige Maß ist er jedoch weit hinansigegangen, da er in seinen Eingaben Vermutunaen als Tatsachen hingestelli hatte. Der Angeklagte wird der Be- leidig»ng für schuldig befunden und zu 200 Mark Geldstrafe Wer 40 Tagen Gefängnis verurteilt. Tagesgeschichte. Prozeß „Le Matin" gegen „Münchner Neueste Nachrichten". Die Pariser Zeitung „Le Matin " brachte im April 1905, eben als durch die zwischen der deutschen Botschaft und der fran zösischen Regierung geführten Verhandlungen die Marokko- Frage einer friedlichen Lösung nahegcführt wurde. einen Artikel, der durch seine drohende Sprache den Frieden absichtlich zu ge fährden schien. Dem Artikel war durch die Art deS Drucke- usw. der Anschein gegeben, alS ob er vom französischen Ministerium des Aeußeren (Delcassä) stamme. Tie nächste Folge deS Artikel», welche seine Urheber unbedingt voraussehen mußten, war ein Stuy der Kurse, speziell der französischen Rente. Er wurde deshalb in Paris von Presse wie Publikum fast allgemein als ein Börsenmanöver ausgefaßt. Die srainvsische Relaerung selbst nahm die Sache so ernst, daß sie die Aeiißerung des „Mail»" ausdrücklich dementieren ließ. Die „Münchner Neuesten Nachrichten" legten daraus sofort ausführlich dar, vaß es sich bei deni Artikel des zMatin" nicht um einen Konflikt zwischen den Regierungen Deutschlands und Frankreichs, sondern lediglich um rin Börsen- Manöver handelte, und gaben in sehr scharfen Worten der Ent rüstung darüber Ausdruck, daß der „Matin" sich nicht gescheut habe, um einer Geldipekulallon willen den Frieden zwischen zwei großen Kulturvölkern zu gefährden. Auf Grund deS Artikels der „Munch». Neuest. Mnchr." erhob der „Matin" gegen den verant wortliche» Redakteur Herrn Mordtman» Beleidigungs klage. DaS Schöffengericht am Amtsgericht München I er kannte am 8. Februar l906 aus Freisprechung deS Beklag ten. D«r „Matin" legte hiergegen Berufung rin Am 25. Avril ivurde diese Berufung vom Landgericht München I venvorseir. Utber beide Verhandlungen wurde bereits berichtet. Der.Malt»" ergriff gegen das landgcrichtllche Urteil Revision ziiin bay rischen Obersten Landesgericht. Vor diesem Gerichtshöfe fand an, 5. Juli Verhandlung statt. Die Kläger tdie Herren Madrline als Administrator, DengloS als Gerant, Lanzannr als Chefredakteur des „Mali»") waren, wie in de» früheren Instanzen, durch Jusliz- rnt Dr. Marx, die „Münch». Neuest. Nachr.", vezw. Herr Redak teur Mordiiiianii, gleichfalls wie in den früheren Verhandlungen durch Jnirizrat Bernstein vertreten Justtzrat Dr. Marx giiss die faktischen und juristischen Grundlagen des freiwrechende» Urteils n». Er stützte sich insbesondere darauf, daß das Land- gericht den Begriff der Wahrung berechtigter Interessen anerkannt habe. Deni Redakteur einer Zeitung siehe ein besonderes Recht, fremder Interessen sich in beleidigender Weise anzuiichuien, nicht zu: daS sei ein von allen obersten Gerichten stets fesigehaitencr richtiger Grundsatz. Wenn iemniid, wie dies die ..Münch». Neuest. Nachr." gegenüber dein „Matin" getan, die HaudUiiiaS- weise eines andere» schamlos, gewissenlos, nichtSwürdig usw. iienne. so könne von Wahrung berechtigter Interesse» nicht mehr dir Rede sei». Für den Frieden zu sorgen, sei Ausgabe des Kaisers, der BundcSsüisle», des BimdeSrakS und des Reichstags: ein Redakteur habe hier kein berechtigtes Interesse zu wahren Er beantrage, der Revision stattzuaeben n»d. unter Zurückver- wcisirng der Sache zu nochmaliger Verhandlung, das frciiprcchcude Urteil aufluhebcu. Jiislizrat B e r n si e i» wies daraus hi», daß das RevisioiiSgelicht »ach der Vorschrift des Gesetzes die tatsäch lichen Feststellungen deS Landgerichts überhaupt nicht nachzu- plüfen habe. UchrlgenS seien sie vollkommen zntressend — ebenso wie die vom Landgericht angcwciidelc» inrisiischeu Grundsätze. Was der „Matin" getan — die Gefährdung des Friedens um einer Börsenspekulation willen —. sei ein Verbrechen, dessen Un- gelffuerlichkcit z» biaiidinarkc» kein Wort z» scharf »nd dein e»t- gegcnzutielc» die .,Münch» Neuest. Nachr." mit Recht für ihre publizistische Pflicht gehalten haben. Jeder im Volke habe ein Interesse ani Schicksal bcs Volkes, an der Frage, ob Krieg oder Frieden. Die gegenteilige Auffassung setze eine» unfreien Staat, ein unselbständiges Volk voraus. Nach längeren juristische» Aus führungen kam Jiislizrat Bernstein zu dem Anträge, die Revi sion des „Matin" zu verwerfen. Das Gericht vertagte die Publikation des Urteils. Das vom bayrischen Obersten Landesgericht nunmehr verkündete Urteil lautet: „Die Revision wird verworfen. Tie Kläger habe» sämtliche Koste» der drei Instanzen, auch die des Beklagten, zu trecgen. Die Uricilsgründe lauten kurz dahin, daß die tatsäch lichen Feststellungen der Vorinstanz vom Revisionsgericht über haupt nicht ncichziiprüfen, die dem cingcsochtenen Urteil zu aruiidc liegenden Rechtsaiischanungrir aber durchaus ziitreffeud seien" Hiermit ist, da die Eutscheid imgen des Oberstell Laudesgerichts unanfechtbar sind, der Prozeß endgültig erledigt. Deutsches Reich. Die diesjährigen Kaiser Manöver finden in der Gegend von Inner statt. Es ist das das Gelände, in dem am 26. August 1613 die Schlacht an der Katzbach slatt- sand, die bekanntlich von den Preußen nntcr Blücher gegen die Franzosen gewonnen wurde und wobei Tausende von Franzosen rn der Katzbach ertranken. Wie weiter genieldet wird, hat zu den Kaiseriiiaiiöver» auch Feldmaiichnll Graf Haeseler eine Einladung erhallen, ebenso wird Feldmnrschall v. Hahnke an de» Manövern teilnehmen. Ti» Nachricht aber, daß auch Prinz Nupprecht von Bayern an den Knisermanöver» teiliiehinen wird, ist nicht richtig. Der bayrische Prinz nimmt nur an der Parade des 6. Armeekorps bei BreSlan teil nnd reist dann sofort nach München zurück, nin den Manö vern des l. bayrischen Armeekorps beizuwohue». Auch der König von Sachsen wird an de» Kaisermanöveru teilneh men, ebenso der Erbprinz von Meiningen, Prinz Albrccht von Preußen, Fürst Fürstenberg »nd andere. Eine bedculsnme Rolle wird während der dicsiahrigen Kniierniaiivver die schwere Artillerie des Feldheeres spiele», sowohl das 5. als auch das 6. Korps werden niit schwerer Artillerie ausgerüstet sein. Tenn daS Feuer der Feldkanoneir (Geschütze der Feldarttllerie) ist gegen Schütze»- und Ahteilnngsgräde», event. auch »och unter Schutz decker ruhende Infanterie geradezu machtlos. Auch das Beschießen von Reserven in tiefen Mulde» und Schluchten, hinter steilen Gänge» oder hohem Vauinwuchs ist mit Feldkanoneir entweder gar nicht oder doch nur sehr unvollkommen ausführbar. -Lchon die Erfahrungen des russisch-türkischen Krieges hatten die Ohn macht der Feldkanoneir selbst gegen schnell befestigte Stellungen dargetcin. Im griechisch-türkischen unb im russisch-japanischen Kriege hat dann die schwere Artillerie mit großem Erfolge gewirkt. So begleiteten in der Schlacht bei Mnkdeir die lapanischen Fcldhnubitzen, deren Konslrullion noch nicht auf der Höhe stand, das ganze, die Schlacht entscheidende weit ansgrcisendc Uni- gehniigsinnlwver deS Generals Nogi und leisteten dort vortreff- ttche Dienste. Wie die „Information" erfährt, schisst sich P r i n z Adal - bert für das am 1. Oktober beginnende neue Uebungsjahr auf dem Linienschiff ,,Preußen" ein, zu dessen Kommandanten der militärüchc Begleiter des Prinzen, Kapitän z. S. Freiherr v. Schimmclmann, ernannt wurde, der auch der Kommandant des Kreuzers „Hertha" während der Reise des Prinzen m Qstasien war. In einem aussollend scharf geschriebenen Leitartikel der „Nationalzta", betitelt „Der P r ä s e ir t i e r m c, r s ch", wird das Ausbleiben der Amnest > e aus Anlaß der Geburt des ersten Kaiserenkels getadelt. Es heißt dort: „Wir sehn ten uns mit allen Fibern nach dem Beweis dafür, daß unserem Kaiser auf seinen zahllosen Resten und inmitten seiner militärisch- höflichen Umgebung das unmittelbare Erfassen nnd Verstehen der Volksseele nicht verloren «caangen ist. Wir dachten an eine Amnestie, weil die ylus-übnng des Rechtes der Gnade hier immer das sinn-fälligste Symbol bleibt, aber wir hätten uns auch jedes anderen Zeicl>ens gefreut, das herousflel aus dem .Kleinkram höfischer G u n st b e w e i s e, der nachgerade so künstlich, vielverschlungen und damit dem gesunden Denken im Volke so fremd wird, daß es sich in all deni nicht mehr znrechtzusinden vermag. Und was bat uns nun der 4. Juli gebracht? Die Verleihung eines Prälcntierinarschcs an die Jacht „Hohcnzollcrn" .... Wir bescheiden »ns! Das Recht der Gnade ist ein Recht d«8 Fürsten, u.cht deS Volkes. Tie Geburt des KaiierenkelS ist ein Familienfest der Hohenzollern, ein Familienfest, über das sich der Mann auf der Straße freuen oder nicht freuen kamt, wie es ihm beliebt, ein F-est iedeusalls, das den Sündern nicht leuchtet — so werden wir belehrt. Das deutsche Volk l-attc nichts dagegen einzuwenden gehalst, als dem Schöpfer des EoliginstDenkmals der höchste preußische Orden verliehen wurde, es hat sich einen Auacnblick gewundert, als ein Minister, dessen Verdienste sich durchaus im Nahmen einer würdigen äußeren Repräsentation seines Portefeuilles gelullten haben, in diesen Tagen den gleichen Orden erhielt: man wird sich unschiver daran gewöhnen, auch den „Schwarzen Adler" in seinem Glanze herabgemindert zu sehen, sofern man nicht selbst kapitelfähiger Ritter ist. Was uns so sehr ichmerzt, ist ja nur, daß unser Kaiser, der Landesvater, uns durch all das immer mehr entrückt wird. Wir können uns der Ge wißheit immer weniger entziehen, daß ein kleiner, exklusiver Kreis sich von Tag z» Tag enger um den Herricher schließt, daß das starke Mcnsa>en<um Wilhelms II., in eine Wvlkc höfischer Liebedienerei gebannt, dem Blicke der breiten Massen entzogen und in seinen freien Valenzen durch Einflüsse ge bunden wird, die nichts von der Volksseele und ihrer werbenden Liebe zu unserem Hohcnzollernkaiser wissen. Es mehren sich die Zeichen, daß Kaiser Wilhelm geradezu bedenklich einseitig informiert und über vieles im unklaren gelassen wird, was er wissen mühte. Wer den Kaiser kennt, weiß, daß seine sprudelnde Leb-lmstigkeit dem treuen Diener eine umfassende insormiercnde Tätigkeit nicht immer leicht macht. Aber die Schwierigkeit solchen Wirkens enthebt nicht der Verantwortung, welche schon durch die Möglichkeit anferlegt wird, den PuISschlog des Volkes wieder dem Herrscher vernehmbar zn machen." Die Lothringische Gesellschaft für Altertumskunde machte kürzlich unter Führung des Bezirkspräsidenten Grafen v. Zeppelin- Aschbausen einen AuSslug nach Luxemburg, wo sie sehr freundlich ausgenommen wurde. Bei dem ihr zu Ehren veranstal leien Festmahl betonte» sämiliche Redner die srcu»d»achbarlicl>en Beziehungen zwischen dem Äroßherzonini» und dem Deulscyen Reich »iw die alte Ziisanuiieiigehviiglcir LnxenibnrgS mit de» deutsche» Landen. Beiuerleuswerl ist der Tuiilspruch, den der S t a a t s »i t n i si c r Ey scheu aus de» Deutsche» Kaiser nüsbrackie. Er sagte »ach der „Lothr. Zig": „Mein Tonst gilt Seiner Majestät Kaiser Wilhelm II. Kaiser Wilhelm, der Plvtektvr. der Schutzherr Ihrer Gesclischcist — die ia auch, wie alle kon statiere» konnte», ei» bißchen die unsere ist — Kaiser Wilhelm — erschrecken Sie nicht, Sie sind hier auf nentralei» Bode» — hat einen große» Fehler. Viel hat er zur Geschichtsforschung getan. Wer aber seine Geschichte schreiben will, der muß eine sarbenreiche Valette habe», wie ich keine leime. Kaiser Wilhelm II. wird die Verzweiflung seiner Historiographen sein. Er hat seine Ziele und die Ziele seines Volkes hoch und weit gesteckt, »nd er sagt es offen und laut. Kaiser Wilhelm bat eine hohe Aiissassiing des inodemen deutsche» Kaisertums. — Vergessen Sie nicht, daß in Berlin in der Siegcsallce auch unsere Kaiser flehen, zwei sind Luxcmhnrgcr! — Seine Majestät Kaiser Wilhelm II. hat von dem modernen deutschen Kaisertum eine Auffassung, so edel »nd jo ideal, daß ich i» dieser Auffassung, die seinem innersten Wesen entspricht, die einzige Lösung des Rätsels finde für die phäno menale Tatkraft, »iik welcher er die Welt in Erstaunen setzt. Allen Völkern Europas möchte Seine Majestät Kaiser Wilhelm U. den Frieden wahre» »nd schützen. Das ist seine LebenSansgabe. In dieser Hinsicht ist sein Voll, daS weiß er, mit ihm eins. Das ihm dies große Glück und die Ehre, bay uns dieser Segen werde, darum bitte» wir z» Gott. In diesem Sinne bitte ich Sie, aus deni neutraleil L»xe»ibnrgek Bode» mit mir eiiizusliiiiinen in de» Nus: „Seine Majestät Kaiser Wilhelm 1l., er lebe hoch, hoch, hoch!" Minister o. Beth m ann -Hol! w c g erwiderte bei einem Festmahle, das ihm zu Ehren die Stadl Köln gab, aus eine Au- wrachc des Oberbürgermeisters Becker: „Ich soll Worte flichcii. die cs Ihnen, verehrter Herr Oberbürgermeister, und mit Ihnen der ganzen Stadt Köln genugsam sagen, wie ich die außerordentliche Ehre empfinde und 'schätze, in diesen herrlichen Räumen des Gürzenichs ein Gast der Stadt Köln zu icin: und ich soll Worte finden, die den, Gefühl und der Empsindung Ausdruck geben, die jeden 'Deutschen im tiefsten Herzen be wegen, der von den Usern des Rheines zu den Spitze» des Kölner Domes aujfsicht. Die Poesie, die Lage und eine lange Geschichte, die vaterländische Hoffnung und vaterländische Er- süllung um den Rhein und um Köln güschiungcu hoben, sind ichwer in Worte zu fassen, vor allein für einen armseligen Ost- iänder.^mst ich, dem die Zunge noch nicht gelöst ist. Wenn der Herr Oberprnhdcnt gestalten würde, daß ich meinen Austut- halt hier um einige Tage verlängerte, jo bin ich fest überzeug!, daß ich, wie der Herr Oberbürgermeister es gesagt hat, mit ihm schwören würde aus das Won: Außer Köln gibt es nichts! Aber leider muß ich versuchen, im Fluge Eindrücke zu sammeln und zu lernen. Es sind ja nicht nur romantische Empfindungen, von denen die Seele hier im Rheinlandc und bei Ihnen ge fangen genommen wird. Ans dem Boden des Mcinlandes mit seiner reichen und großen Geschichte berührt sie die realistische Wirklichkeit, der stolze und gewaltige Bau modernen Gewerbe- sleißes, moderner Industrie und moderner H a nd c l s u n t c r n ch m ungen . und ich wußte kaum einen anderen Ort der Erde — und ich darf das sagen nicht bloß für Köln, sondern für das gesamte Rheinland, dessen Metropole Köln ist und bleibe» wird — wo die großen Probleme von Kapital und Arbeit, von sozialer Entwicklung, von sozialen Kämpfen und Neubildungen mit gleich artiger Wucht und elementarer Gewalt aus die Menschen ein- stürmcn wie hier. Gc-iviß, Köln mag eine eigenartige Ent wicklung genommen l>aben, es niag manches, das andern in dustriellen Nachbarslädten vor Köln Geschieden gewesen ist,, von dieser Stadt noch scrngchalten «worden sein, aber wenn hier mit einem gewissen Gefühl von Iraner von den Millionen ge sprochen wird, die die Stadt hat aufwenden müssen, um den Gürtc-l zu sprenge», der die Stadt fesselte, so scheint nicht nur der Gemcinsinn, sondern auch der Frohsinn der Stadt Köln darunter nicht gelitten z» haben. Und dieser Frohsinn und dieser Gemcinsinn bilden die Brücke nicht nur zurück in die Ver gangenheit von Sage und Geschichte, sondern auch in die Zu- knnst, in eine neue nnd immer kräftiger ausgreifende Ent wicklung, in der Sie sich befinden und in der Sie bleiben wer den. Sie sagten, Herr Oberbürgermeister, es würden hoffent lich die Zeiten nicht kommen, wo Sie sich mit Bitten an dis Stelle zu «wenden hätten, die ich nach dom Willen unseres Kaisers zu bekleiden die Ehre habe. Gewiß, meine Herren! Auch ich wünschte nicht, daß derartige Zeiten kommen, aber sie können auch gar nicht kommen, denn wie ich das Loben und die Verwaltung, in der ich stehe, ausfasse, sind Sie es doch nicht, die zu mir kommen, um zu bitten, sondern ich bin's, i ch m u ß m i ch st n tz c n a u s Jh re Kraft, aus Ihre materielle und geistige Kraft, aus Ihre seelische Kraft, aus Ihre Ent schlossenheit, wie Sie es in aller Vergangenheit getan haben, auch in Zukunft mit an der Größe des Reiches weitcrzuarbeiten. es zu stützen, als die größte Metropole des westlichen Vater landes. Und wenn ich zu Ihnen bitten komme, «wenn ich Sic um Ihre Hilfe bitte für die Ausgaben, die ich für nötig halte, dann bin ich überzeugt lund ich habe keine Bitten, die sich im Goldbeutel ausdrnckcn, sondern meine Bitten betresst» das Herzs, daß ich nicht vor verschlossene Türen komme. So sind es, meine Herren, Gefühle des Dankes für den heutige» Abend, Gefühle des Dankes für alles das, was ich in Zukunft Ihnen schulden werde. Ich gebe ihnen Ausdruck, indem ich mein Glas erhebe nnd aus das Wähl der Stadt Köln leere. Die Stadt Köln, sie lebe «hoch!" Eine halbamtliche Korrespondenz warnt vor einer Ueber- schätzniig der Bedeutung der V e r keh rse in n a h »> e n der Preußisch-Hessischen S t c> ci t sb a h n e n. Die Steige rung der Eiseiibahneinnahnic» gegenüber dem vorige» Jahre um monallich 12 bis 15 Mill. Mk. verführe zn der Aniiahme, daß die Ueberschilsse »nserer StaatSbnhne» rasch und stark steigen, daß also die finanzielle Lage des preußischen Staates glänzend sei. Diese Annahme irisst aber nicht zn. Denn die Ausgaben zebren die Mehreinnahmen der Staatsersenbnhnen in immer steigendem Maße auf. So hat das Rechnungsjahr 1905 zwar eine sehr be trächtliche Brnttoiiiehreinnahmc nnfznwcise» gehabt, aber der Mehrübcrsctuiß der Staatsbahncn reicht in Wirklichkeit noch nicht einmal dazu ans, den Dispositionsfonds der Eisei'bobnvcrwaltung für unvorhergesehene Ausgabe» in Höhe von 30 Mill. Mk. zu füllen: vielmehr müsse» dazu die Ncberschrisse anderer Verwaltun gen noch mit hcinngrzogc» werde». Der Mehrübcrschuß der Eisenbahnen stellt sich nämlich ans etwa 24 Mill. Mk. Uebcr- hcinpt zeigt sich, so heißt cs in dem Artikel weiter, säwn seit einer Reihe von Jahren eine beträchtliche Verlangsamung des Tempos n verfügt« in dem die für allgemeine Stantsnnsgaben verfügbaren Ueber- schnsse der Eisenbahnen ziinehmr». gegenüber der Entwickln»» des vorigen Jahrzehnts. Die Zunahme des für allgemeine Stnats- ansgaben verwendbaren Teils der Eisenbahnüberschr'isie bleibt in de» letzten Jahren sogar nntcr der Steigerung dieser Ausgabe» selbst verhältnismäßig znrnck, so daß bic Mehrausgaben in immer stärkeren, Verhältnis aus Mehreinnahmen aus andere» Verwal- tiiiigszweigen angewiesen waren. Das hat seinen Grnnd teils in den erhöhten Auswendniigeii, die notwendig waren, nn, die Stnatsbakiicir in stand zn setzen, den rasch steigenden Verkehr betriedssicycr bewältigen zn können, teils in der Steigerung der persönlichen Ausgaben, namentlich für das im Außendienste beschäftigte Personal. Aus diesem Gebiete gilt cs, durch weit gehende Fürsorge für die materielle Lage des Dienstpersonals der Eisenbahnen eine wichtige soziale Pflicht deS Staates und damit zngleich eine wichtige politische Ausgabe staatserhaltender Natur zu erfüllen. Nach beiden Richtungen, insbesondere nach der letzt erwähnten, wird inan auch in der nächsten Zeit noch mit beträcht lichen Mehraufwendungen zu rechnen haben. Der sozio-lbcmokro tische Parteitag wird noch einer Bckonnimochung des Partervorsiondes am Sonntag, den 23. September, in Monniheim eröffnet. Bebel wird über den „Moss c n st r c i k" referieren. -Aha! Darum also der endlose Lärm darüber in der ,'ozialisflschen Presse. Die Jnnibcilräge für die sozialdemokratische Parteikassc sind wieder in reichlichstem Maße cingegangen. Bon den proletarischen Kapitalisten haben Tr. Leo Arons die üblichen 100 und Bebel und Singer je 50 Mark bezahlt. Die „Genossen" Südekum. Göhre und manche der anderen, mit Gütern reich gesegneten Vertreter der „verelendeten" Masse hat man offenbar zn regelmäßigen Monatsbciträgen noch nicht zu bewegen vermocht. Znm erstenmal erscheint in dieser Monaisübersichl ein Polten von 43 786 Mark „zurückgezahlte Relchstagsdläiell". Da die sozialdemokratische Fraktion rund Dverdnev Nachrichten. Kr. LSI. Seite 3. Sonnabend, 14. Jnli Ldv«